Parlamentskorrespondenz Nr. 913 vom 22.11.2005

Experten werden zur Sicherheitspolizeigesetz-Novelle 2006 gehört

Lob und Kritik für die Novelle

Wien (PK) – Mit einem öffentlichen Expertenhearing wurden die Beratungen zur Sicherheitspolizeigesetz-Novelle 2006 im Innenausschuss eröffnet. Die Novelle befasst sich vornehmlich mit der Sicherheit bei Sportgroßveranstaltungen, den Möglichkeiten der erweiterten Gefahrenerforschung und mit dem Ausbau des Rechtsschutzes durch eine Stärkung der Rolle der Rechtsschutzbeauftragten.

Es sei notwendig, so Ministerin Liese Prokop in ihrem einleitenden Statement, eine Hooligan-Kartei zu führen, um bei Großveranstaltungen eingreifen und Gefahrenmomente ausschließen zu können.

Der Präsident des VfGH i.R. Univ.-Prof. Dr. Ludwig Adamovich befasste sich in seiner Wortmeldung mit der Stellungnahme der Präsidentschaftskanzlei zum Begutachtungsentwurf, zeigte sich erfreut, dass nicht sachgerechte Formulierungen hinsichtlich Veranstaltungen in geschlossenen Räumen revidiert wurden, und wies darauf hin, dass die Stellungnahme auch Aussagen zu verfassungsrechtlichen Fragen betreffend Eingriffe in das Grundrecht der Wahrung des privaten Lebens und im Bereich des Datenschutzes enthalte. Ferner machte er darauf aufmerksam, dass die Hebung des Rechtsschutzbeauftragten in den Verfassungsrang und dessen Bestellung durch den Bundespräsidenten im ursprünglichen Entwurf nicht enthalten war.

Nach Ansicht von Univ.-Prof. Dr. Bernd Christian Funk (Universität Wien) gehe es in der Vorlage darum, den Sicherheitsbehörden Eingriffsmöglichkeiten in die Hand zu geben, bei denen sie schon bislang nach Hausverstand und Erfahrung beurteilen mussten, ob sie ergriffen werden oder nicht. Er sah die Gefahr, dass von dieser Ermächtigung extensiv Gebrauch gemacht werden könnte. Im Zusammenhang mit dem Rechtsschutzbeauftragten verwies er auf den Vorschlag des Ausschusses 9 des Ö-Konvents und hätte es für nahe liegend angesehen, diesen Vorschlag zu übernehmen. Die Stärkung des Kontroll- und Informationsrechtes des Rechtsschutzbeauftragten begrüßte er, betonte aber, dass man noch nicht alles, was möglich wäre, ausgeschöpft habe.

Univ.-Prof. Dr. Bernhard Raschauer (Universität Wien) sprach die drei Problemkreise, die durch die Novelle behandelt werden, an: die Fussballeuropameisterschaft, die österreichische EU-Präsidentschaft und den Trend zur verstärkten Vorsorge gegen terroristische Aktivitäten. Er machte auch darauf aufmerksam, dass der Begutachtungsentwurf überarbeitet wurde und in mehreren Bereichen der Formulierungsvorschlag des BKA-Verfassungsdienstes wörtlich übernommen wurde. Die gesetzlichen Voraussetzungen entsprechen seiner Ansicht nach dem Standard des SPG und der StPO. In legistischer Hinsicht merkte er an, man sollte aus dem Wort "Sportgroßveranstaltung" den Wortteil "groß" streichen, denn es käme seiner Ansicht nach nicht auf die Größe der Veranstaltung an, sondern es ginge hierbei um eine Gefahr für die Gesundheit der Menschen. Das Wort "groß" lenke den Blick auf etwas Unwesentliches, fügte er an. Seine zweite legistische Bemerkung bezog sich auf die Passage "Private oder andere Behörden" im § 53 Abs. 5 ; in diesem Zusammenhang trat er dafür ein, von "Rechtsträgern des öffentlichen und privaten Bereiches" zu sprechen.

Bezirksinspektor Karl Schwing wies darauf hin, dass aus Polizeisicht Sportveranstaltungen keine ungefährliche Sache seien, begrüßte die in der Novelle festgeschriebene Gefährderansprache und die Einrichtung des Sicherheitsbereiches. Im Hinblick auf die Europameisterschaft 2008, die Österreich sicher in die Medienschlagzeilen bringen wird, sei es nicht dienlich, würden Bilder von randalierenden Fußballfans gezeigt werden, betonte er. Weiters hob er den Sicherheitsmonitor hervor, der zum ersten Mal der Polizei die Möglichkeit einräumt, hot Spots zu erkennen. Die Novelle, meinte er allgemein, werde aus Sicht der Exekutivbeamten allen Beteiligten Schutz bieten und sei eine zeitgemäße Antwort auf die Probleme unserer Zeit.

In der Diskussionsrunde sprach Abgeordneter Walter Posch (S) u.a. die Arbeit der Rechtsschutzbeauftragten an, G-Abgeordnete Terezija Stoisits wollte wissen, was die Experten von einer Ansiedlung der Rechtsschutzbeauftragten beim Parlament hielten und konnte sich der Ansicht, dass in der Nähe von Stadien die Gefahren besonders hoch sind, nicht anschließen. Abgeordnete Helene Partik-Pable (F) nahm Bezug auf die Ausführungen von Christian Funk, wonach bei den Rechtsschutzbeauftragten nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft wurden, und wollte zudem von den Experten wissen, wie sie das Wort "Gruppierung" definieren würden. Auch S-Abgeordneter Johann Maier sprach im Zusammenhang mit den Rechtsschutzbeauftragten die nicht ausgeschöpften Möglichkeiten an und fragte, ob eine Novellierung des Datenschutzgesetzes notwendig sei, um festzulegen, unter welchen Voraussetzungen Private Daten ermitteln können. Abgeordneter Peter Pilz (G) setzte sich gleichfalls mit den Ausführungen von Prof. Funk auseinander. S-Abgeordnete Gisela Wurm wollte wissen, wie in anderen Ländern der Rechtsschutz gewährleistet werde.

Ludwig Adamovich meinte, das SPG sei, was die Determinierung betreffe, eine schwierige Materie, weil in Grundrechte eingegriffen werden kann; eine generalisierende Erfassung der Tatbestände sei schwierig. Der Rechtsschutzbeauftragte sei eine neuartige Institution, "alles und jedes" könne aber diese Institution nicht ausgleichen. Auch Adamovich trat für eine generelle verfassungsgesetzliche Basis, wie vom Ö-Konvent vorgeschlagen, für die derzeitigen Rechtsschutzbeauftragten ein; was jetzt vorgeschlagen werde, sei "besser als nichts".

Bernd Christian Funk meinte, unbestimmte Gesetzesbegriffe können dazu führen, dass sie keine wirkliche Bestimmung mehr haben und auf Beliebigkeit hinauslaufen. Eine vollständige Determinierung sei aber im Sicherheitsbereich nicht möglich und würde ein Placebo darstellen. Seiner Ansicht nach könne man darauf vertrauen, dass die Sicherheitsbehörden einschätzen können, wann sie von welcher Eingriffsmöglichkeit Gebrauch machen sollen. Seine Kritik im Hinblick auf den Rechtsschutzbeauftragten betraf die Tatsache, dass man diese Institution nicht in eine Gesamtlösung einbaut und die Differenz zu den beiden anderen Rechtsschutzbeauftragten immer größer wird.

Bernhard Raschauer meinte im Zusammenhang mit den Sportveranstaltungen, es gehe darum, bestimmte Personen von bestimmten Situationen auszuschließen. Defizite des Datenschutzgesetzes sah er nicht und die Installierung der Rechtsschutzbeauftragten im Parlament ist seiner Ansicht nach ausschließlich eine politische Frage.

Karl Schwing gab bekannt, dass es schon derzeit eine Fanbetreuung gebe, diese aber auf freiwilliger Basis beruhe. Die vorgeschlagenen Maßnahmen beziehen sich aus seiner Sicht auf jene, die sich der Freiwilligkeit entziehen.

Bundesministerin Liese Prokop unterstrich die Tatsache, dass Österreich bei der Fussballeuropameisterschaft einen Partner habe und zu gewissen Maßnahmen verpflichtet sei. Vorgaben gab es schon beim Zuschlag.

Damit war das Expertenhearing beendet. Der Ausschuss wird seine Beratungen am Dienstag, dem 29. November, fortsetzen. (Schluss)