Parlamentskorrespondenz Nr. 969 vom 01.12.2005

Zukunftsfonds: Verfassungsausschuss empfiehlt Beharrungsbeschluss

ORF erhält gesetzlichen Auftrag zum Betreiben eines Sportkanals

Wien (PK) – Zum ersten Einspruch des Bundesrats gegen einen Gesetzesbeschluss des Nationalrats nach Umkehr der Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat wird der Nationalrat am 6. Dezember voraussichtlich einen Beharrungsbeschluss zum Zukunftsfonds-Gesetz und zum Stipendienstiftungs-Gesetz fassen. Eine entsprechende Empfehlung spricht zumindest der Verfassungsausschuss des Nationalrats aus, der sich in seiner heutigen Sitzung mit dem Einspruch des Bundesrats befasst hat. ÖVP und Freiheitliche traten dezidiert dafür ein, den Gesetzesbeschluss vom 20. Oktober zu wiederholen; SPÖ und Grüne stimmten dagegen.

Sowohl der Zukunftsfonds als auch die Stipendienstiftung werden laut Gesetzesvorlage mit verbliebenen Mitteln des so genannten Versöhnungsfonds für NS-Zwangsarbeiter dotiert. Zum einen sollen damit Projekte und wissenschaftliche Arbeiten gefördert werden, die dem Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus dienen oder an die Bedrohung durch andere totalitäre Systeme erinnern und einen Beitrag zur Achtung der Menschenrechte und zur gegenseitigen Toleranz leisten, zum anderen ist die Vergabe von Ausbildungsstipendien an Nachkommen ehemaliger Zwangsarbeitern und an Personen aus den häufigsten Herkunftsländern der Zwangsarbeiter vorgesehen.

Der Bundesrat hat den Gesetzesbeschluss mit der Begründung beeinsprucht, dass die Koalition damit den Weg des Konsenses in der Frage der Bewältigung der nationalsozialistischen Vergangenheit Österreichs verlassen habe. Insbesondere kritisiert er, dass sowohl im Zukunftsfonds als auch in der Stipendienstiftung ausschließlich Regierungsvertreter das Sagen hätten und keine Parlamentarier eingebunden seien. Zudem werden nach Ansicht von SPÖ und Grünen durch den Hinweis auf andere totalitäre Regime die Gräuel des Nationalsozialismus relativiert.

ORF darf gebührenfinanzierten Sportkanal betreiben

Mit V-S-F-Mehrheit stimmte der Verfassungsausschuss einem Antrag der beiden Koalitionsparteien auf Änderung des ORF-Gesetzes zu. Kernpunkt des Antrags ist ein künftiger gesetzlicher Auftrag an den ORF, für ein TV-Spartenprogramm im Bereich Sport Sorge zu tragen. Die detaillierte Ausgestaltung dieses Auftrags wurde durch einen im Rahmen der Beratungen eingebrachten und bei der Abstimmung mitberücksichtigten VP-F-Abänderungsantrag neu formuliert.

Demnach hat der ORF in Hinkunft ein Fernseh-Spartenprogramm zu verbreiten, das der umfassenden Information der Allgemeinheit über alle sportlichen Fragen sowie der Förderung des Interesses der Bevölkerung an aktiver sportlicher Betätigung dient. Bevorzugt ausgestrahlt werden sollen dabei Sportarten und -bewerbe, die üblicherweise weniger Medieninteresse haben. Die Ausstrahlung des Programms soll über Satellit erfolgen, es ist aber auch eine Verbreitung über digitale terrestrische Multiplex-Plattformen möglich. Wird nicht 24 Stunden lang Sport gezeigt, kann am gleichen Kanal auch ein anderes, nicht in den gesetzlichen Auftrag fallendes und damit nicht gebührenfinanziertes Spartenprogramm verbreitet werden (Channel-Sharing).

Für den Sportkanal gelten im Wesentlichen die gleichen Regeln wie für die anderen beiden ORF-Programme, nur hinsichtlich der erlaubten Werbezeit ist eine abweichende Regelung vorgesehen. Gleichzeitig wird generell klargestellt, dass eine Unterbrechung von Sportsendungen durch Werbung möglich ist, wenn die Sendung aus eigenständigen Teilen besteht. Dies gilt zum Beispiel für eine Übertragung von Olympischen Spielen. Pro Stunde sind jedoch höchstens vier Werbeblöcke zulässig, zudem darf eine Sendung im Schnitt nur alle 15 Minuten unterbrochen werden. Für die höchstzulässige Dauer der täglichen Werbezeit gilt, dass die täglichen Programmstunden mit 1 Minute und 45 Sekunden zu multiplizieren sind.

Weiters nimmt der V-F-Antrag eine Lockerung bei der Kennzeichnung von Patronanzsendungen in Aussicht. Diese sollen künftig nur noch am Anfang oder am Ende als solche gekennzeichnet werden müssen - bisher waren sowohl eine entsprechende An- als auch eine Absage vorgeschrieben.

Abgeordneter Johann Maier (S) begrüßte grundsätzlich im Namen seiner Fraktion die Regierungsvorlage. Es sei sinnvoll, dass nun auch die so genannten Randsportarten die Möglichkeit bekommen, sich medial besser zu präsentieren. Allerdings gehe man davon aus, dass mit der Etablierung eines Sport-Spartenprogramms nicht der Startschuss für einen Wettkanal gegeben wird. Seine Fraktionskollegin Abgeordnete Elisabeth Grossmann (S) gab zu bedenken, dass sich immer mehr Eigenwerbung der Regierung (zum Beispiel zum Thema Kinderbetreuungsgeld oder Pensionsreform) im ORF eingeschlichen habe. Anderen gesellschaftlichen Gruppen, wie zum Beispiel den Initiatoren des Sozialstaat-Volksbegehrens, werde aber keine Möglichkeit zur Selbstdarstellung eingeräumt, bemängelte sie. Deshalb brachte Grossmann einen diesbezüglichen Abänderungsantrag ihrer Fraktion ein.

Abgeordnete Ulrike Baumgartner-Gabitzer (V) lehnte den Antrag der Sozialdemokraten ab, da er legistisch völlig ins Leere gehe.

Ihre Fraktion werde heute gegen diese Novelle stimmen, da viele Fragen noch offen seien, meinte Abgeordnete Eva Glawischnig (G). Außerdem sei jede Veränderung des derzeitigen Systems hochsensibel, urteilte sie. Auch sie halte es für gut und sinnvoll, wenn nun auch die Randsportarten mehr mediale Berücksichtigung finden. Allerdings sei nicht klar definiert, über was alles berichtet werden könne. Gehören dazu auch die Wettervorhersage, Spielfilme mit sportlichem Inhalt, Wetten oder Verkehrsmeldungen, fragte sie. Ist genau festgelegt, wie viele Stunden gesendet werden soll und wie das Verhältnis zwischen Massen- und Randsportarten aussehen soll? Sind die europarechtlichen Fragen geklärt? Abgeordnete Terezija Stoisits (G) wollte wissen, ob auch die Ausstrahlung des Films "Dirty Dancing" mit der im Gesetz festgeschriebenen "Förderung des Interesses der Bevölkerung an aktiver sportlicher Betätigung" zu rechtfertigen wäre.

Das neue Fernseh-Spartenprogramm diene vor allem dazu, den Randsportarten mehr Raum in der Berichterstattung zu geben, erläuterte Staatssekretär Franz Morak. Durch die Fokussierung auf diesen Bereich sei eine Finanzierung durch die Programmentgelte möglich. Da sich der ORF in einem zunehmend verschärften Wettbewerb mit anderen Anbietern befinde, habe man auch eine zusätzliche Werbemöglichkeit geschaffen, die aber ganz genau geregelt sei. Ein Vertreter des Ressorts merkte gegenüber der Abgeordneten Glawischnig an, dass es aufgrund der Formulierungen im Gesetz auch nicht möglich sei, den Kanal schleichend zu einem Vollprogramm auszubauen. So fallen etwa Informationen über touristische Aspekte und die Verkehrssituation auch nicht unter den Begriff "Darstellung von Sportarten". Was mögliche Bedenken von Seiten der EU betrifft, so handle es sich tatsächlich um eine problematische Frage, räumte er ein. Allerdings glaube er, dass durch die Fokussierung auf die Randsportarten EU-rechtliche Probleme vermieden werden konnten. Dem ORF wurde frei gestellt, wie viele Stunden er senden will bzw. kann, weil man nicht in die Programmgestaltungsfreiheit eingreifen wollte. Es konnte auch nicht genau fixiert werden, über was genau berichtet wird, da ein zu "enges Korsett" möglicherweise vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben würde. (Schluss)