Parlamentskorrespondenz Nr. 1040 vom 19.12.2005

Festsitzung des Bundesrats

Aus Anlass des 60. Jahrestags der 1. Sitzung des Bundesrats

Wien (PK) – Zu einem Festakt, der im Budgetsaal des historischen Parlamentsgebäudes – hier fand auf den Tag genau vor 60 Jahren die konstituierende Sitzung des Bundesrates der Zweiten Republik statt – abgehalten wurde, konnte heute der derzeit amtierende Präsident der Länderkammer Peter Mitterer eine Reihe prominenter politischer Vertreter begrüßen: U.a. Bundespräsident Heinz Fischer, den Präsidenten des Europäischen Parlaments Josep Borrell, den Präsidenten des Nationalrats Andreas Khol, die Zweite Präsidentin des Nationalrats Barbara Prammer, die Mitglieder der Bundesregierung Vizekanzler Hubert Gorbach, Maria Rauch-Kallat und Ursula Haubner, die Staatssekretäre Sigisbert Dolinschek und Eduard Mainoni; für die Stadt Wien begrüßte Mitterer den Wiener Bürgermeister Michael Häupl und den Präsidenten des Wiener Landtages Johann Hatzl und für den Kärntner Landtag dessen Präsidenten Jörg Freunschlag; den Rechnungshof vertrat Präsident Josef Moser.

Für die musikalische Umrahmung sorgte das Wa(h)lküren Quartett mit seinen Darbietungen.

Mitterer: Bundesrat kommt Qualitätssicherungsfunktion zu

Bundesratspräsident Peter Mitterer erinnerte in seiner Ansprache an die Verhältnisse, unter denen die erste Sitzung des Bundesrates in der Zweiten Republik stattgefunden hat, unter denen, wie er sagte, die Zweite Republik überhaupt begründet worden ist: an die äußeren Zerstörungen, die der Krieg hinterlassen hatte, die jedoch noch nicht so schwer gewogen haben mögen wie die inneren, die seelischen Wunden, die der Krieg und die nationalsozialistische Herrschaft geschlagen hatten. Kaum einer war in diesem Land, der nicht unter seinen Verwandten oder Freunden zumindest einen Menschen verloren hatte, so Mitterer.

Obgleich die seelische und die wirtschaftliche Not im Jahre 1945 groß gewesen sind, haben die ÖsterreicherInnen damals jenes beeindruckende Wiederaufbauwerk begonnen, das die "Erfolgsgeschichte" der Zweiten Republik möglich gemacht hat. Wenn ich von Wiederaufbau spreche, so der Präsident wörtlich, dann meine ich damit nicht nur den wirtschaftlichen Wiederaufbau, der schwierig und beachtenswert genug gewesen ist, sondern auch den geistigen Wiederaufbau, den Wiederaufbau der politischen Kultur.

Zur ersten Sitzung des Bundesrates am 19. Dezember 1945 zurück kommend wies der Präsident der Länderkammer darauf hin, dass diese, wie eine Tageszeitung berichtete, "einen raschen, würdigen und feierlichen Verlauf" genommen habe. Seit diesem Tag habe sich der Bundesrat mit weit mehr als 6.000 Gesetzesbeschlüssen und mit fast 2.000 anderen Beschlüssen des Nationalrates befasst. In 115 Fällen habe er Einspruch gegen einen Gesetzesbeschluss bzw. Beschluss des Nationalrates erhoben.

Wenn in der modernen Managementtheorie dem "Qualitätsmanagement" zunehmende Bedeutung beigemessen wird, dann lasse sich dieser Begriff in der staatlichen Willensbildung auf die Rolle zweiter Kammern im allgemeinen und des Bundesrates im besonderen übertragen: Dem Bundesrat kommt eine Qualitätssicherungsfunktion zu. Um diese Funktion erfüllen zu können, müsse er nicht über Kompetenzen verfügen, die jenen der ersten Kammer gleichkommen. Seine Kompetenz beruhe vielmehr auf der politischen Erfahrung und Vernetzung seiner Mitglieder – ganz besonders auf ihrer föderalistischen Vernetzung. Um seiner ihm von der Bundesverfassung zugeschriebenen Aufgabe, die vertikale Verbindung zwischen der Bundesgesetzgebung und den Bundesländern herzustellen, besser erfüllen zu können, habe der Bundesrat in den vergangenen 60 Jahren einige kompetenzrechtliche Besserstellungen erfahren und wichtige Änderungen in seiner Geschäftsordnung vorgenommen.

Wann immer Mitglieder des Bundesrates über ihre Zugehörigkeit zu diesem Organ sprechen, pflegen sie das "besondere Klima" im Bundesrat hervorzuheben, strich Mitterer heraus. "Besonderes Klima" bedeute keineswegs die Abwesenheit pointierter politischer Auseinandersetzung, aber den Verzicht auf persönliche An- und Untergriffe, auf die Herabwürdigung des politischen Gegners. Im Bundesrat ist in den vergangenen 60 Jahren vorgelebt worden, dass die offene und freimütige Austragung ideologischer Gegensätze mit persönlichem Respekt, mit persönlicher Freundschaft über Parteigrenzen hinweg vereinbar ist, fuhr er fort. Eine Haltung, die viele Mitglieder des Bundesrates in andere politische Körperschaften mitnehmen und weitertragen konnten. (Fortsetzung)


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