Parlamentskorrespondenz Nr. 101 vom 14.02.2006

Agrarausschuss: Ländliche Entwicklung und Präsidentschaft

Aktuelle Aussprache mit Bundesminister Josef Pröll

Wien (PK) – Die heutige Sitzung des Landwirtschaftsausschusses begann zunächst mit einer ausführlichen aktuellen Aussprache, die vor allem dem Thema "Ländliches Entwicklungsprogramm 2007 bis 2013" gewidmet war. Weiters wurden von den Abgeordneten die WTO-Verhandlungen, die Schwerpunkte der EU-Präsidentschaft, die Gentechnikfreiheit in der Landwirtschaft sowie die Vogelgrippe angesprochen.

Einleitend stellte Minister Josef Pröll zufrieden fest, dass Österreich in der Frage der Ländlichen Entwicklung einen großartigen Erfolg eingefahren habe; es stehe nämlich annähernd dieselbe Summe zur Verfügung wie in der letzten Periode (ca. 3,1 Mrd. € - 3,2 Mrd. €). Andere Länder mussten hingegen Einbußen bis zu 40 % hinnehmen. Eine große Herausforderung komme auf Europa im Gentechnikbereich zu, meinte Pröll unter Bezugnahme auf den WTO-Zwischenbericht.  Österreich ergreife jedoch alle Maßnahmen, um die Gentechnik draußen zu halten, solange es keine zufrieden stellenden wissenschaftlichen  Erkenntnisse gibt. Anfang April werde in Wien eine prominent besetzte Gentechnik-Konferenz stattfinden, die Ausgangspunkt für eine umfassende Debatte in Europa sein soll.

Abgeordneter Wolfgang Pirklhuber (G) hielt es für äußerst bedenklich, dass gerade in einer so wichtigen Frage wie der Gentechnik ein Freihandelsregime über die Lebensinteressen der Menschen "drüberfahre". Es liege zwar nur ein Zwischenbericht vor, räumte Pirklhuber ein, aber es sei die Aufgabe der EU, Grenzen aufzuzeigen. Denn dabei gehe es um wichtige kulturelle Fragen, Ernährungsgewohnheiten und gewachsene Lebensformen, die geschützt werden müssten. Außerdem könnte man verstärkt auf internationale Umweltabkommen (wie das Biosafety-Protokoll) hinweisen. Die Unterzeichnerländer können sich nämlich auch dann gegen GVO-Importe verwahren, wenn sie ihre Bedenken nicht bis ins Detail wissenschaftlich untermauern können. Pirklhuber forderte den Minister auf, sich dafür einzusetzen, dass der WTO-Bericht öffentlich zugänglich gemacht und mit Experten diskutiert wird.

Zum Programm für die ländliche Entwicklung stellte Pirklhuber fest, dass der Finanzrahmen für Österreich sehr gut aussehe. Weniger positiv sei jedoch, dass die Mittel für viele Regionen Europas massiv gekürzt wurden. Sodann stellte der G-Mandatar eine Reihe von Fragen (Modulation, Mittel für den Biolandbau, Fruchtfolgeregelung, Förderung der Ausbringung von Gülle etc.), die die konkrete Ausgestaltung des österreichischen Programms betrafen.

Abgeordneter Uwe Scheuch (F) erkundigte sich danach, ab wann mit  konkreten Ergebnissen bezüglich das österreichische Programm für die ländliche Entwicklung zu rechnen sei, zumal die Bauern schon sehr gespannt darauf warten. Hinsichtlich der vielen Aktionspläne meldete er Bedenken an. Er befürchtete, dass die österreichische Landwirtschaft wenig davon profitieren werde, wenn man nur mehr auf europäische Lösungen setze.

Abgeordneter Hermann Schultes (V) lobte die Schwerpunktsetzungen der österreichischen Präsidentschaft im Agrar- und Umweltbereich. Die WTO-Verhandlungen zeigen, dass Europa proaktiv agieren und gut aufgestellt sein müsse, um den globalen Herausforderungen gewachsen zu sein. Gerade im Bereich der Förderung der Biomasse müsse es in Europa eine ausgewogene Entwicklung geben bei gleichzeitigem Marktschutz, argumentierte er. Positiv beurteilte Schultes auch die Maßnahmen bezüglich der Vogelgrippe. Die vor einiger Zeit verordnete Stallpflicht habe die Konsumenten beruhigt und die Produzenten vor wirtschaftlichen Einbußen bewahrt.

Abgeordneter Kurt Gradwohl (S) bemängelte, dass es zwar viele Gerüchte gebe, aber niemand genau wisse, wie das neue ÖPUL-Programm nun konkret ausschaue. Was die ländliche Entwicklung betrifft, so gab er ebenso wie G-Abgeordneter Pirklhuber zu bedenken, dass ein rechtsfreier Raum entstehen würde, wenn die Maßnahmen nicht gesetzlich abgesichert werden.

Weiters wurden von den Mandataren folgende Themenbereiche angesprochen: die mangelnde Unterstützung der Nahversorger (Abgeordnete Heidemarie Rest-Hinterseer, G), die konkrete Ausgestaltung des LEADER-Programms (Abgeordnete Rosemarie Schönpass, S), die unzureichende Hilfe für "Aussteiger" aus der Landwirtschaft (Abgeordnete Heidrun Walther, S), die massiven Infrastrukturprobleme im ländlichen Raum (Abgeordneter Werner Kummerer, S), die positiven beschäftigungspolitischen Effekte der Aktionspläne (Abgeordneter Josef Winkler, V) sowie die spezifischen Probleme von Frauen im ländlichen Raum (Abgeordnete Gabriele Binder-Maier, S).

Bundesminister Josef Pröll informierte darüber, dass bezüglich der Ausrichtung des Programms für die ländliche Entwicklung derzeit sehr intensive Gespräche in Arbeitsgruppen unter Einbeziehung der Interessenvertreter geführt werden. Sobald ein konkreter Plan vorliege, werde dieser ausführlich, natürlich auch mit den Parlamentariern, beraten. Konkrete Fragen, wie sie vom Abgeordneten Pirklhuber gestellt wurde, könne er daher noch nicht beantworten. Erst nach Abschluss des Diskussionsprozesses werde der Entwurf für die endgültige nationale Strategie an Brüssel geschickt werden, versicherte er. Wie schon bisher werden die Richtlinien im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung vorgelegt.

Pröll wiederholte, dass Österreich mit ca. 3,2 Mrd. € rechnen könne, wobei die genaue Summe aufgrund des noch ausstehenden Beschlusses durch das Europäische Parlament noch nicht feststehe. Dass statt der geforderten 88 Mrd. € nur 70 Mrd. € für das gesamte Programm erzielt werden konnten, sei für viele Regionen sicherlich enttäuschend. Dieses Ergebnis liege aber in der Verantwortung der einzelnen Regierungen, gab Pröll zu bedenken.

Bei der Ausgleichszulage für Berg- und benachteiligte Gebiete werde der altbewährte Weg beschritten; ein Reduktionserfordernis gebe es jedoch aufgrund der EU-Vorgaben beim ÖPUL-Programm. Man werde aber sehr darauf achten, dass es zu keiner "Schräglage" zwischen Produktion und Acker- und Grünlandbereich komme. Pröll kündigte zudem an, dass die Förderung sehr breit gefächert ist und all jene Projekte stärker betont werden sollen, die außerhalb des Landwirtschaftsbereiches liegen. Bei der Bergbauernförderung werde künftig ein deutlicher Schwerpunkt bei den Bildungsmaßnahmen gesetzt.

Erfreulich sei auch die massive Aufstockung des LEADER-Programms, wo die Mittel mehr als verdoppelt werden konnten. Es komme nun auf die Initiativen und Projekte vor Ort an, damit diese Gelder auch abgeholt werden. Ablehnend äußerte sich der Minister hinsichtlich der Modulation. Diese werde sicher nicht in Anspruch genommen, "da wir keine Umschichtungen wollen", entgegnete er dem Abgeordneten Pirklhuber.

Sodann ging Minister Pröll darauf ein, welche Schwerpunkte während der österreichischen EU-Präsidentschaft in seinen Ressorts gesetzt werden. Mit dem Biomasse-Aktionsplan etwa setze man sich dafür ein, dass auf Unionsebene Maßnahmen diskutiert und ergriffen werden, die den Einsatz von Bioenergie fördern. Abseits der "Renaissance der Atomkraft" sollen klare Strategien aufgezeigt und eine europäische Vision der erneuerbaren Energien sowie der Förderung der Biotreibstoffe entwickelt werden.

Vom 4. bis 6. April wird in Wien eine Gentechnikkonferenz stattfinden, bei der brisante Themen wie die Frage der Koexistenz, im Mittelpunkt stehen, kündigte Pröll weiter an. Das WTO-Papier sei seiner Meinung nach noch kein Grund zur Sorge, da es sich erst um einen Zwischenbericht handle. Österreich habe in dieser Frage eine klare Position. Wer auf diese Technik verzichten will, der solle das auch weiterhin können und dürfen. Es gebe keine Veranlassung, von dieser Linie abzugehen, unterstrich er. Faktum sei auch, dass bei den weiteren WTO-Verhandlungen "Parallelität in allen Bereichen" einzufordern sei. Man dürfe über das Angebot der EU nicht mehr hinausgehen, unterstrich er.

Auf eine Frage des Abgeordneten Pirklhuber hin informierte der Minister darüber, dass sein Ressort eine Einladungsliste an die Kommission, die als Veranstalter fungiert, geschickt habe. In dem Vorschlag ist vorgesehen, dass neben Interessenvertretern, NGO, Repräsentanten der gentechnikfreien Regionen auch die Agrarsprecher der Parlamentsparteien teilnehmen sollen. Er gehe davon aus, dass die Kommission die Einladungen in den nächsten Tagen verschicken wird.

Im Mai werde die Revision des Bio-Aktionsplans einen Schwerpunkt bilden, erklärte der Landwirtschaftsminister. Österreich könne in diesem Bereich auf eine Erfolgsstory verweisen und sehr viel Kompetenz einbringen. Auch im Tierschutzbereich, wo bereits ein Aktionsplan vorgelegt wurde, können sich die österreichischen Maßnahmen sehen lassen. Ab Juni werde noch der Forst-Aktionsplan starten, der sich sehr breit mit allen Fragen der Forstwirtschaft befassen soll, und der von der finnischen EU-Präsidentschaft fortgesetzt werden soll. In diesem Zusammenhang informierte der Ressortchef auch darüber, dass von Seiten des Bundes erstmals ein Fixbetrag für die Forstwirtschaft bereit gestellt wird. Bereits in der nächsten Woche erwarte er sich auch eine Einigung in der Zuckermarktordnung. Im Gegensatz zum Abgeordneten Scheuch war Pröll überzeugt davon, dass die diversen Aktionspläne eine wichtige Funktion haben, da sie Rahmendingungen in Europa festlegen, über die man sich nicht mehr hinwegsetzen könne.

Bei allen Agrarministerräten werde sicherlich auch das Thema Vogelgrippe eine wichtige Rolle spielen, meinte Pröll. Auch wenn kein Grund zur Panik bestehe, so dürfe diese Frage natürlich nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Es müsse alles getan werden, damit die Krankheit möglichst auf Wildvögel beschränkt bleibe und nicht auf Zuchttiere überspringe. Er sei froh, dass über dieses Thema in den letzten Tagen ausgewogen und sachlich diskutiert wurde. Dennoch konnte man etwa in Italien massive Einbrüche beim Geflügelkonsum feststellen, gab er zu bedenken. Deshalb sei es wichtig, die Emotionen aus der Debatte herauszuhalten.

Der Entschließungsantrag der Grünen bezüglich das österreichische Programm für die ländliche Entwicklung wurde mit V-Mehrheit vertagt.

Darin wird Bundesregierung ersucht, folgende Voraussetzungen zu schaffen bzw. Maßnahmen zu setzen: die finanzielle Absicherung des Programms, die Verankerung der Biolandwirtschaft als Leitbild, die Berücksichtigung des Prinzips der Gleichstellung, die Absicherung der Gentechnikfreiheit, die Herstellung von Fördergerechtigkeit (Verstärkung der Modulation unter Berücksichtigung der Betriebskostendegression bei größeren Betrieben), der Ausbau des Erfolgsprojekts "Leader", die Anpassung der forstlichen Förderungen entsprechend den Ergebnissen des Walddialogs sowie die konsequente Beachtung der Evaluierungsergebnisse des bisherigen Programms. Wichtig erscheint es den Grünen auch, die Partizipation zu verbessern. Deshalb soll ein Begleitausschuss eingerichtet werden, wobei bereits bei der Programmplanung eine breite Palette von einschlägigen Organisationen der Zivilgesellschaft (Regionalmanagement, Umwelt-, Bio- und Tierschutzbereich, kulturelle Interessengemeinschaften sowie Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte) in die Programmplanung eingebunden werden soll. (Fortsetzung)