Parlamentskorrespondenz Nr. 161 vom 01.03.2006

Aktuelle Stunde: Thema Schwerarbeiterregelung im Nationalrat

Regierung verteidigt Begutachtungsentwurf gegen Oppositionskritik

Wien (PK) - Am Beginn der von Nationalratspräsident Dr. Khol eröffneten 139. Nationalratssitzung stand eine Aktuelle Stunde, für die die SPÖ das Thema "Schwerarbeiterregelung" ausgewählt hatte.

Abgeordnete CSÖRGITS (S) wies auf den Begutachtungsentwurf für ein Sozialversicherungs-Änderungsgesetz hin, der die Schwerarbeiterregelung enthält, und sprach von einem Minderheitenprogramm, da sehr viele Arbeiternehmer nichts von diesen Bestimmungen haben werden. Die Pensionsreform bleibe ungerecht - diese Bundesregierung habe kein Herz für Arbeitnehmer, stellte Csörgits fest. Sie erinnerte an die vielen Verschlechterungen für Pensionisten infolge der Pensionsreform. Menschen etwa, die den Pensionskorridor in Anspruch nehmen wollen, müssen Abschläge in Kauf nehmen, Frauen können den Korridor bis 2028 nicht nützen. Frauen sind für Csörgits die Hauptleidtragenden der Reform, deren unterschiedlichen Erwerbsbiographien werden nicht berücksichtigt, die Anrechnung von Kindererziehungszeiten sei nach wie vor ungenügend.

Nun breche die Regierung auch ihr Versprechen, schwer arbeitende Menschen früher und mit weniger Abschlägen in Pension gehen zu lassen. Was vorliege, sei ein Minderheitenprogramm, von dem Frauen ausgeschlossen werden. Wer krankheitshalber früher in Pension gehen müsse, dem nütze die neue Regelung nicht viel, Bauarbeiter, aber auch Frauen in Pflegeberufen, die in jungen Jahren Schwerarbeit leisten, bleiben unberücksichtigt. Lediglich zwei Prozent der neuen Pensionszugänge werden unter dieses Husch-Pfusch-Gesetz fallen, schloss Csörgits.

Bundesministerin HAUBNER warf ihrer Vorrednerin vor, mit ihren Ausführungen den Wahlkampf in das Plenum zu tragen. Es sei dringend notwendig gewesen, das Pensionssystem zu vereinfachen, einen flexibleren Übergang in die Pension zu schaffen und seine Finanzierung zu sichern. 30 Jahre lang habe die SPÖ diese Aufgabe vernachlässigt. Die Bundesregierung habe eine Reform herbeigeführt, die den Lebensstandard der Menschen im Alter sichert. Den Vorwurf, Frauen würden benachteiligt, wies die Ministerin zurück - für Frauen wurde eine eigenständige Alterspension eingeführt. Dass 150.000 Frauen über 60 Jahre keine eigenständige Pension haben, dafür seien jene verantwortlich, die die Pensionsreform durch Jahrzehnte vernachlässigt haben. Nunmehr sei Österreich zu einem Vorbild für andere europäische Länder geworden, unter anderem auch für sozialdemokratisch regierte deutsche Bundesländer. Dort interessiere man sich für die österreichische Schwerarbeiterregelung und suche nach einer Möglichkeit, nach 45 Jahren im Alter von 65 Jahren in Pension gehen zu können, denn Deutschland erhöhe sein Pensionsalter auf 67 Jahre.

Menschen, die gesundheitlich belastende Tätigkeiten ausüben, sollen früher in Pension gehen können, sagte die Ministerin, wobei sie darauf aufmerksam machte, dass Österreich eines der wenigen Länder in Europa sei, in denen ein unterschiedliches Pensionsantrittsalter für Männer und Frauen gelte. Die Regelung der Schwerarbeit werde Frauen nicht benachteiligen, zeigte sich die Ministerin überzeugt und verwies auf positive Experten-Äußerungen zum Begutachtungsentwurf.

Abgeordneter NEUGEBAUER (V) meinte, das Thema Schwerarbeiter verdiene eine seriösere Behandlung, als sie die Abgeordnete Csörgits vorgenommen habe. Eine Definition der Schwerarbeit habe nicht vorgelegen, für eine pensionsrechtliche Regelung habe man sich daher auf Neuland bewegt. Erfahrungen mit dem Nachtschicht-Schwerarbeitsgesetz und Kriterien wie Nachtarbeit, Hitze, physikalische oder chemische Beeinträchtigungen, Pflegedienst oder Palliativmedizin wurden als Kriterien herangezogen und eine einheitliche Regelung für alle Berufsgruppen geschaffen, die Frauen nicht benachteilige. Auch die Exekutivbeamten und die Soldaten im Auslandseinsatz werden nicht im Regen stehen gelassen. Und da sich die sozialen Verhältnisse rasch entwickeln, wird eine Kommission eingerichtet, die die künftige Entwicklung beobachtet und evaluiert.

Abgeordneter Mag. DARABOS (S) bezeichnete die vorgesehene Schwerarbeiterregelung als "Farce" und warf der Regierung vor, Menschen abzuzocken, die jahrzehntelang hart gearbeitet haben. Es sei nicht einzusehen, dass Menschen, die in ihrer Berufstätigkeit ihre Gesundheit riskieren, Pensionsabschläge hinnehmen sollen. Dabei kritisierte der Redner, dass 74 % der Pensionisten seit 2000 von einer Verschlechterung ihres Lebensstandards betroffen sind. Die Schwerarbeiterregelung sei der Beweis dafür, dass die Regierung ihre Versprechen gegenüber den Schwerarbeitern und gegenüber den Exekutivbeamten nicht halten wolle. Diese Menschen machen rund um die Uhr Dienst, riskieren immer wieder ihr Leben und bleiben unberücksichtigt - diese Politik sei abzulehnen, sagte Darabos. Der Vorschlag der SPÖ laute, Schwerarbeiter ohne Abschläge in Pension gehen zu lassen.

Abgeordnete Dr. PARTIK-PABLE (F) sprach von einer hilflosen Oppositionspolitik, die von Verschlechterungen spreche, wo statistischen Daten ein völlig anderes Bild zeigen: Die Pensionen der Männer haben seit 2000 um 8 % und jene der Frauen um 21 % zugenommen. Während in Deutschland das Pensionsalter auf 67 Jahre angehoben werde, schafft Österreich für Schwerarbeiter die Möglichkeit eines früheren Pensionsantritt mit geringeren Abschlägen. Diese Bundesregierung hat ein Herz für Pensionisten und für Schwerarbeiter, die SPÖ hingegen habe deren Probleme jahrzehntelang nicht in Angriff genommen.

Angesichts steigender Kriminalität und immer dreisterer Straftäter sah die Rednerin die Verpflichtung, die Nacht- und Schwerarbeit von Exekutivbeamten im Pensionsrecht zu berücksichtigen.

Abgeordneter ÖLLINGER (G) gab der Sozialministerin den Vorwurf zurück, die Opposition betreibe Wahlkampf, sie selbst sei es, die es für nötig halte, die Pensionisten mit teuren Foldern über die Pensionsreform zu informieren. Wie aber sieht die Schwerarbeiterregelung tatsächlich aus? - Wer 60 Jahre alt ist, 45 Versicherungsjahre aufweist und in den letzten 20 Jahren zehn Jahre Schwerarbeit geleistet hat, dürfe mit Abschlägen in Pension gehen. Die "Hackler-Regelung" sei also besser als die Schwerarbeiterregelung, kritisierte Öllinger. Wer mit 15 Jahren am Bau zu arbeiten beginnt, mit 49 Jahren aufhören muss und mit 60 Jahren in Pension gehen wolle, habe von der Schwerarbeiterregelung nichts. Dieser realistischer Berufsverlauf zeige, wie absurd die neue Regelung sei. Da Frauen keine 40 Beitragsjahre zusammenbringen, seien Regelungen gefordert, die die unterschiedlichen Lebensläufe der Menschen berücksichtigen. Nicht alle werden 80 Jahre alt, sondern sterben mit 65, weil sie ein Leben lang hart gearbeitet haben.

Abgeordneter KÖSSL (V) trat der Behauptung entgegen, die Regierung lasse die Exekutivbeamten im Regen stehen und zeigte sich überzeugt, dass die derzeit intensiven Verhandlungen zu einer Schwerarbeiterregelung für Exekutivbeamte führen werden, die den Außendienst berücksichtigt und der die Gewerkschaft zustimmen könne.

Auch Staatssekretär DOLINSCHEK unterstrich das Engagement der Bundesregierung für hart arbeitende Menschen. Die vorgesehene Schwerarbeiterregelung senkt die Abschläge und schafft für Schwerarbeiter die Möglichkeit, früher in Pension zu gehen. Die Regelung stelle auf belastende Tätigkeiten, nicht aber auf Berufe ab, um zu vermeiden, dass Menschen, die in einer bestimmten Berufsgruppe tätig sind, aber keine Schwerarbeit leisten, unter die Schwerarbeiterregelung fallen. Auch Dolinschek machte die Abgeordneten darauf aufmerksam, dass für Frauen bis 2023 ein früheres Pensionsantrittsalter gelte als für Männer.

Abgeordneter RIEPL (S) erinnerte an die Leistungen der Sozialdemokraten beim Aufbau des österreichischen Sozialstaates. Es sei der derzeitigen Regierung vorbehalten gewesen, eine Pensionsreform herbeizuführen, durch die Menschen später und mit weniger Pension in den Ruhestand gehen. Es sei ungerecht, wenn ein Schwerarbeiter mit 60 Jahren nach 45 Jahren Arbeit "zur Belohnung" einen Pensionsabschlag von 9 % hinnehmen müsse. Es grenze an Unanständigkeit, hunderttausenden Menschen Verbesserungen zu versprechen, und dieses Versprechen nicht einzuhalten.

Die Vorschläge der SPÖ zielen darauf ab, nach 45 Jahren gesund aus der Arbeit - nicht aus der Arbeitslosigkeit - ohne Abschläge in Pension gehen zu können.

Die Behauptung des Abgeordneten, aus der Pensionsversicherung sei Kritik an der Schwerarbeiterregelung gekommen, wies Bundesministerin HAUBNER zurück, indem sie aus einem Brief des Obmanns und des Generaldirektors der Pensionsversicherungsanstalt zitierte, in dem Zustimmung zur Schwerarbeiterregelung signalisiert wurde.

Abgeordneter WALCH (F) verteidigte die geplante Schwerarbeiterregelung und meinte, so zahlreiche Möglichkeiten wie heute, vor dem gesetzlichen Pensionsalter in Ruhestand zu treten,  habe es noch nie gegeben. Er erinnerte daran, dass es bis zum Jahr 2024 eine Ausnahmeregelung für Frauen gibt. Weiters nannte er das Nacht- und Schwerarbeitergesetz und die so genannte Hacklerregelung, die bis 2010 gilt. Bis 2007 gebe es dabei keinerlei Abschläge, falls die Betroffenen 45 Beitragsjahre vorweisen können. Schwerarbeiter könnten mit 60 und dem Nachweis von 45 Versicherungsjahren in Pension gehen. Darüber hinaus gebe es heute die Möglichkeit, im Alter von 62 Jahren die Korridorpension in Anspruch zu nehmen. Walch wandte sich damit auch gegen den Vorwurf, man habe auf die Frauen vergessen. Wer unter das Nacht- und Schwerarbeitergesetz fällt und nicht genügend Jahre vorweisen könne, der falle nun auch in die Schwerarbeiterregelung, so Walch abschließend.

Abgeordnete Mag. WEINZINGER (G) ging mit der Forderung "zurück an den Start" für die Schwerarbeiterregelung an das Rednerpult. Man erkenne die Absicht und sei verstimmt, sagte sie. Offensichtlich wolle man mit der nun geplanten Regelung möglichst wenig Menschen erfassen und außer heißer Luft, wie Broschüren und Falschinformationen, sei nichts vorhanden. Da seitens der Regierung so oft das 67. Lebensjahr als Pensionsantrittsalter erwähnt werde, mutmaße sie, dass dies ein Ziel der ÖVP darstelle, sollte sie wieder gewählt werden. Weinzinger widersprach ihrem Vorredner im Hinblick auf die Frauenpolitik und hielt fest, dass das Frauenministerium abgeschafft und eine neue Männerabteilung eingerichtet worden sei. Durch die Pensionsreform seien Frauen noch stärker von Armut betroffen und das Kinderbetreuungsgeld dränge Frauen aus dem Erwerbsleben. Sie kritisierte auch, dass im Rahmen der Schwerarbeiterregelung keine Diskussion über die Pflegeberufe geführt werde, wovon aber in erster Linie Frauen betroffen seien. Skeptisch zeigte sie sich auch gegenüber dem Kalorienzählen, da der Kalorienverbrauch je nach Körpergewicht unterschiedlich sei.

(Schluss Aktuelle Stunde/Forts. NR)


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