Parlamentskorrespondenz Nr. 162 vom 01.03.2006

Universitätsdebatte im Nationalrat

Neuregelung für Zugang und Änderungen bei akademischen Titeln

Wien (PK) - Vor Eingang in die Tagesordnung gab Nationalratspräsident Dr. KHOL bekannt, dass die Abgeordneten VAN DER BELLEN und GRÜNEWALD (beide G) eine Dringliche Anfrage (4019/J) zum Thema "Elite-Universität Maria Gugging: ein Scherbenhaufen" eingebracht haben. Die Debatte darüber wird um 15 Uhr beginnen.

Im Anschluss daran wird eine Kurzdebatte über den Fristsetzungsantrag des Abgeordneten Ing. KAIPEL (S) stattfinden, dem Finanzausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 464/A betreffend Errichtung einer Bundesbeschaffung-Gesellschaft mit beschränkter Haftung eine Frist bis 28. März 2006 zu setzen.

Neuregelungen bei den Universitäten

Das Thema Universität stand dann im Mittelpunkt der Debatte des Nationalrats. Unter einem wurden zwei Anträge (752/A und 756/A) der Koalitionsfraktionen debattiert.

Abgeordneter BROUKAL (S) ging in seiner Wortmeldung kurz auf die Genesis der nun vorgesehenen Zugangsregelungen an den Universitäten nach dem EuGH-Urteil ein und hielt fest, dass die jetzige Lösung für einen Teil der Studien den Forderungen entspreche, die die SPÖ seit Monaten propagiere. Noch vor einiger Zeit seien Abgeordnete der SPÖ deshalb als Anti-Europäer bezichtigt worden, jetzt sei man zum selben Schluss gekommen. Das zeige, dass man schon vor geraumer Zeit eine Lösung hätte vorlegen können. Die Ministerin habe es jedoch verabsäumt, vor Bekanntwerden des EuGH-Urteils rechtzeitig Vorkehrungen zu treffen.

Broukal beklagte die mangelnde Gesprächsbereitschaft seitens der Regierungsparteien und bedauerte, dass diese nicht bereit seien, abgesehen von Medizin, die Studienbeschränkungen in anderen Fächern abzuschaffen und die Zahl der Studienplätze zu erhöhen. Im Bereich der Medizin seien die Bevorzugungen für österreichische Studierende durchaus gerechtfertigt, in anderen Studienrichtungen würden die Zugangsbeschränkungen von der SPÖ abgelehnt, denn dabei gehe es lediglich um rund 100 zusätzliche Studierende und geringe Beträge. Dies sei auch der Grund dafür, dass die SPÖ dem gesamten Gesetzentwurf heute ihre Zustimmung verweigern müsse.

Abgeordnete Dr. BRINEK (V) warf der SPÖ eine Zickzack-Kurs vor und verteidigte das Vorgehen der Ministerin. Vor dem Urteil hätte man die Begründung nicht gekannt und es sei lediglich möglich gewesen, seitens der Universitäten selbst Vorkehrungen zu treffen. Dann habe man aber im Parlament rasch reagiert. Beim EuGH zu intervenieren, wie Broukal das gefordert habe, widerspreche jedem Rechtsverständnis, merkte Brinek an. Nach Kenntnis des Urteils und nachdem genaue Zahlen vorliegen, könne man nun beweisen, dass die Homogenität gestört werde, weshalb man nun für die medizinischen Fächer die Quotenregelung einführe. Hinsichtlich der anderen Fächer, für die es weiterhin Zugangsbeschränkungen gibt, müsse man berücksichtigen, dass man derzeit über keinerlei Anhaltspunkte verfüge, wie viele ausländische Studierende dort einen Studienplatz suchen. Daher könne man derzeit noch kein Urteil fällen, und daher bedürfe es dieser Beschränkungen.

In einer tatsächlichen Berichtigung stellte Abgeordneter Broukal (S) klar, er habe vorgeschlagen, bei der Europäischen Kommission zu intervenieren, nicht aber beim EuGH.

Abgeordneter Dr. GRÜNEWALD (G) meinte, die Quotenregelung in der Medizin sei nichts, was ihn freue, aber in der Not der Zeit gebe es keine bessere Lösung. Wenig Verständnis zeigte er für die geplanten Zulassungstests, die nur auf die Studierfähigkeit abstellen. Er kritisierte auch, dass die Lehrenden an den Medizin-Universitäten ihre volle Kapazität den Krankenanstalten widmen müssen und kaum Zeit für Lehre und Forschung bleibe.

Auch er lehnte die Zugangsbeschränkungen in anderen Studienrichtungen ab, wobei er die fehlenden Studienplätze mit rund 315 bezifferte. Die RektorInnen müssten zugeben, dass die Ressourcen, wie Labors und Personal, für einen freien Studienzugang völlig unzureichend sind. Das zeige, wie sehr die Debatte um die Elite-Universitäten eine Farce ist, so das Resümee von Grünewald.

Abgeordnete Dr. BLECKMANN (F) widersprach den beiden Rednern der Opposition und meinte, das Parlament habe sehr rasch nach Vorliegen des EuGH-Urteils reagiert. Warum man nicht gleich eine Quotenregelung ins Auge gefasst habe, liege daran, dass laut Urteil der Nachweis der Homogenitäts-Störung erbracht werden muss. Das habe man im Vorjahr noch nicht nachweisen können und sei erst jetzt nach Kenntnis konkreter Zahlen möglich. Die nun vorgesehene Quotenregelung sei mit zwei Jahren befristet, und so könne man die Auswirkungen der getroffenen Maßnahmen evaluieren. Bleckmann wandte sich auch gegen die Forderung, Zugangsbeschränkungen in anderen Fächern aufzuheben, zumal der dortige Zustrom ausländischer Studierender nicht abschätzbar sei. Wie Grünewald hielt auch sie es für notwendig, die soziale Kompetenz in den Eingangstest für MedizinerInnen mit einzubeziehen, und in diesem Sinne liege auch eine Ausschussfeststellung vor, betonte sie.

Bundesministerin GEHRER bezeichnete die nun geplante Regelung als eine "Safeguard-Regelung". Der zweijährige Beobachtungszeitraum werde die Möglichkeit geben, nicht nur die Auswirkungen an den medizinischen Universitäten, sondern auch die Entwicklung in den anderen Numerus clausus-Fächern zu beobachten. Den Vorwurf, nicht rasch reagiert zu haben, ließ sie nicht gelten. Man habe auf das EuGH-Urteil warten müssen, sagte sie, und der Gerichtshof habe dann folgende Ziele festgelegt: die Mobilität dürfe nicht gestört werden, es dürfe zu keiner Diskriminierung auf Grund der Staatszugehörigkeit kommen und die Maßnahmen dürften nur auf den tatsächlichen Zahlen und Daten aufbauen. Weiters fordere der EuGH, nur verhältnismäßige Maßnahmen zu setzen. Eine internationale Arbeitsgruppe habe daraufhin um eine Lösung gerungen und sie, Gehrer, habe darüber mit der Kommission und den deutschen Partnern diskutiert. Sie trage aber für die vorliegende Regelung die volle Verantwortung und werde sich keineswegs von der Kommission die Erlaubnis dazu holen, bekräftigte sie, zumal Bildung, Wissenschaft und Universitäten nationale Kompetenz seien und bleiben müssen. Im Hinblick auf die von Abgeordnetem Grünewald aufgeworfene Frage zu Südtiroler StudentInnen erklärte die Ministerin, dass deren Reifezeugnisse mit den österreichischen gleichgestellt seien.

Allgemein stellte die Ministerin fest, dass sich die Zahl der Studierenden um 12 %, die der StudienanfängerInnen um 27 % und die der AbsolventInnen um 23 % erhöht habe, was ein gutes Bild der Universitäten gebe. Seit dem Jahr 2002 laufe die Implementierung des neuen Universitätsgesetzes, das in anderen Ländern viel Beachtung finde. Die Ministerin wies in weiterer Folge darauf hin, dass das Gesamtbudget der Universitäten in den letzten Jahren um 15,6 % erhöht worden sei und dass gemeinsam mit den RektorInnen, dem Finanzminister und dem Bundeskanzler eine weitere massive Erhöhung für die Jahre 2007 bis 2009 unterzeichnet worden sei. Die Universitäten würden damit für ihr Globalbudget 525 Mill. € mehr und für die Modernisierung der Gebäude weitere zusätzliche 500 Mill. € bekommen. Die Universitäten hätten auch die Zusicherung erhalten, dass es keine Budgetbindung geben werde.

Abgeordnete Mag. KUNTZL (S) bezeichnete dem gegenüber die Situation für die Universitätsangehörigen als keineswegs rosig. Was die Universitäten nun an zusätzlichen Mitteln bekämen, liege weit unter dem Notprogramm, das von den RektorInnen gefordert worden sei. Zur Frage der Zugangsbeschränkungen meinte sie, die EU-Konformität sei bis heute nicht geklärt. Sie bekräftigte abermals den Standpunkt der SPÖ, die die Zugangsbeschränkungen in anderen nicht medizinischen Fächern ablehnt.

Abgeordnete Dr. WOLFMAYR (V) brachte zur Universitätsgesetz-Novelle einen gemeinsamen Abänderungsantrag der Koalitionsparteien und der SPÖ ein. Demnach müssen Doktoratsstudien künftig mindestens drei Jahre dauern. Eine Zulassung zu zweijährigen Doktoratsstudien soll nur noch bis zum Studienjahr 2009/2010 möglich sein, wobei für den Abschluss derartiger Studien eine Frist mit 30. September 2017 festgeschrieben wird.

Abgeordneter Dr. ZINGGL (G) begründete die Ablehnung der Quotenregelung für das Medizinstudium durch die Grünen damit, dass es gleichzeitig weiterhin Zugangsbeschränkungen in anderen Studienrichtungen, etwa Biologie, Betriebswirtschaft und Publizistik, gebe. Er vermutet, dass Bildungsministerin Gehrer bestrebt ist, den freien Universitätszugang "im Windschatten der EU" systematisch zu kippen. Die Zugangsbeschränkungen tragen seiner Meinung nach aber nicht dazu bei, die im internationalen Vergleich niedrige Akademikerquote in Österreich zu erhöhen.

Abgeordnete DI ACHLEITNER (F) erachtet es, wie sie sagte, als unseriös, dass die Opposition den Regierungsparteien ständig unterstelle, den freien Hochschulzugang abschaffen zu wollen. Es gebe über 170 Studienrichtungen, davon sei für zwei eine Quotenregelung vorgesehen, für weitere sechs könnten Zulassungsbeschränkungen eingeführt werden, betonte sie. Diese Zugangsbeschränkungen seien aber kein Muss, die Universitäten könnten im Rahmen ihrer Autonomie selbst entscheiden, ob sie ein Zulassungsverfahren vorsehen.

Ein von Achleitner eingebrachter V-S-F-Abänderungsantrag zum Fachhochschul-Studiengesetz hat zum Inhalt, dass Fachhochschul-Absolventen den Zusatz "FH" nicht mehr zwingend im Titel führen müssen.

Abgeordnete BAYR (S) zeigte sich darüber erfreut, dass der Zusatz "FH" im Titel von Fachhochschul-Absolventen entfalle. Ihrer Ansicht nach wäre aber eine umfassendere Novellierung des Fachhochschul-Studiengesetzes erforderlich. Unter anderem mahnte Bayr eine bessere Betreuung der FH-Studierenden in der Praxisphase und mehr Mitbestimmungsmöglichkeiten der Studentinnen und Studenten ein. Auch Frauenförderprogramme von Fachhochschulen finden ihr zufolge zu wenig Anerkennung.

Auch Abgeordneter Dr. BRADER (V) begrüßte die Novellierung des Fachhochschul-Studiengesetzes. Die österreichischen Fachhochschulen seien sehr beliebt und gehörten zur europäischen Spitze, unterstrich er. Generell wies Brader darauf hin, dass derzeit rund 30 % der Studien auf Master- bzw. Bakkalaureat-Studien umgestellt seien.

Abgeordneter Dr. NIEDERWIESER (S) appellierte an die Koalition, auf Zugangsbeschränkungen in anderen Universitätsstudien außer Medizin und Zahnmedizin zu verzichten. Dies sei die Voraussetzung, dass die SPÖ der Quotenregelung für Medizin-Unis zustimme, erklärte er. Was die Streichung des Zusatzes "FH" für Fachhochschul-Absolventen betrifft, erinnerte Niederwieser daran, dass die SPÖ einen weiterreichenden Antrag vorgelegt habe, sie werde dieser Gesetzesänderung trotz einer Reihe vorgesehener Einschränkungen aber zustimmen.

Abgeordnete FUHRMANN (V) machte geltend, dass der Abschluss von Bakkalaureat- bzw. Magister-Studien mit dem Titel "Bachelor" bzw. "Master" durch den "Bologna-Prozess" vorgegeben sei. Zur Kritik der Opposition an der Universitätspolitik der Regierung merkte sie an, die Akademikerquote sei seit Amtsantritt der Regierung Schüssel von 7 % auf 14 % angehoben worden. Zudem habe Österreich umgerechnet auf die Einwohnerzahl doppelt so viel Studienplätze im Bereich Medizin wie Deutschland.

Abgeordnete WALTHER (S) meinte, hätte es schon früher Zugangsbeschränkungen zum Medizinstudium gegeben, könnten viele der heutigen Mediziner ihren Beruf nicht ausüben. Ihr zufolge befinden sich bereits drei bis vier Jahrgänge von Studienanwärterinnen und Studienanwärtern in der Warteposition für ein Medizinstudium.

Abgeordnete FELZMANN (V) warf der Opposition vor, die österreichische Bildungspolitik, die ihrer Auffassung nach hervorragend läuft, ständig schlecht zu machen und ungeachtet der laufenden Steigerung des Bildungsbudgets nach mehr Geld zu rufen. Österreich gehe den Weg der Internationalisierung des Bildungssystems und habe mit den Fachhochschulen ein glänzendes Erfolgsmodell, bekräftigte sie.

Abgeordneter Mag. MOSER (S) bezichtigte Bildungsministerin Gehrer, für "das Chaos an den österreichischen Universitäten" verantwortlich zu sein. Nun versuche Gehrer die "Notbremse" zu ziehen, konstatierte er. Es sei aber zweifelhaft, ob diese wirke und die Zugangsbeschränkungen für die Medizin-Unis EU-konform seien. Durch die Wartezeiten auf ein Medizinstudium entstehen laut Moser erhebliche volkswirtschaftliche Kosten.

Die Bezeichnung Gehrers als "gebündelte Inkompetenz der ÖVP-Bildungspolitik" führte in Folge zu heftigen Protesten der Koalitionsparteien und provozierte zusätzliche Wortmeldungen in der Debatte.

Abgeordnete Mag. HAKL (V) unterstrich, dass sich Bildungsministerin Gehrer sehr für das österreichische Bildungswesen einsetze. Die Entwicklung an den Universitäten sei "extrem positiv", skizzierte sie und wies u.a. auf die 10-prozentige Erhöhung des Frauenanteils an den Universitäten und den gestiegenen internationalen Studentenaustausch hin.

Abgeordneter Ing. GARTLEHNER (S) wiederholte den Standpunkt seiner Fraktion, wonach die SPÖ der Änderung des Universitätsgesetzes zustimmen würde, wenn die Zugangsbeschränkungen in allen anderen Studienfächern außer Medizin und Zahnmedizin aufgehoben würden. Die vorgesehene Quotenregelung für die Medizin-Unis wertete er als Erfindung von SPÖ-Wissenschaftssprecher Broukal.

Abgeordneter PREINEDER (V) verwies auf die steigenden Internationalisierung von Bildung, Wissenschaft und Forschung. Dieser Entwicklung werde durch die Bildungspolitik der Koalition Rechnung getragen, betonte er. Ausdrücklich begrüßt wurde von Preineder auch der Wegfall der Klammer-Bezeichnung "FH" für Fachhochschul-Absolventen, da dieser Titelzusatz im Ausland nicht erklärbar sei.

Abgeordnete Mag. TRUNK (S) bedauerte, dass Fachhochschul-Absolventen nach wie vor nicht in allen Bereichen als vollwertige Akademiker gelten würden. Zudem machte sie auf Nachteile von Stipendienbeziehern aufmerksam, die zunächst ein anderes Studium inskribieren, weil sie keinen  Medizin-Studienplatz bekommen. Die von Ministerin Gehrer in Aussicht gestellt Kulanzregelung müsse den Finanzämtern und Studienbeihilfenbehörden bekannt gemacht werden, unterstrich sie.

Abgeordneter AMON (V) wertete die Aussage Mosers in Richtung Bildungsministerin Gehrer als "unglaubliche Entgleisung". Er selbst gratulierte Gehrer zur Quotenregelung für die Medizin-Unis, die ihm zufolge auch von Deutschland und der EU-Kommission mitgetragen wird. Die Koalition habe auch auf das EuGH-Urteil rasch reagiert, konstatierte er.

Abgeordneter Dr. CAP (S) wandte sich gegen persönliche Untergriffe in Parlamentsdebatten, meinte aber, der "sachpolitische" Vorwurf der Inkompetenz in Richtung Bildungsministerin Gehrer sei berechtigt.

VP-Klubobmann Mag. MOLTERER ortet, wie er sagte, eine persönliche Kampagne gegen "die sehr erfolgreiche" Bildungsministerin. Er glaubt jedoch nicht, dass diese Kampagne erfolgreich sein wird.

Abgeordneter Dr. PILZ (G) äußerte die Vermutung, dass Bildungsministerin Gehrer in Sachen Inkompetenz hinter Finanzminister Grasser nur an zweiter Stelle liege.

Die Änderung des Universitätsgesetzes wurde unter Berücksichtigung des V-S-F-Abänderungsantrages in dritter Lesung mit V-F-Mehrheit beschlossen. Den Abänderungen hatten zuvor in zweiter Lesung auch SPÖ und Grüne zugestimmt.

Mit den Stimmen von ÖVP, SPÖ und Freiheitlichen verabschiedete der Nationalrat die Änderung des Fachhochschul-Studiengesetzes, des MTD-Gesetzes und des Hebammengesetzes, wobei bei der Abstimmung der V-S-F-Abänderungsantrag zum Fachhochschul-Studiengesetz Berücksichtigung fand. (Schluss Universitäten/Forts. NR)