Parlamentskorrespondenz Nr. 336 vom 19.04.2006

Verfassungsreform: Besonderer Ausschuss diskutiert Sicherheitsfragen

Alle vier Fraktionen für Beibehaltung des Neutralitätsgesetzes

Wien (PK) - Das Neutralitätsgesetz soll auch bei einer etwaigen Verfassungsreform als "Trabant" zur Bundesverfassung beibehalten werden. Dafür sprachen sich heute alle vier Fraktionen bei einer Sitzung jenes Besonderen Ausschusses des Nationalrats aus, der sich mit den Ergebnissen des Österreich-Konvents beschäftigt. Der Freiheitliche Klubobmann Herbert Scheibner schränkte aber ein, dass sich der Status der österreichischen Neutralität durch nach dem EU-Beitritt vorgenommene Verfassungsänderungen bereits massiv geändert habe. Mit der Beibehaltung des Neutralitätsgesetzes soll seiner Ansicht nach hauptsächlich unterstrichen werden, dass Österreich auch in Zukunft keinem Militärbündnis beitreten und keine dauerhafte Stationierung fremder Truppen im Land zulassen wolle. Dem Vorschlag der Grünen, die allgemeine Wehrpflicht abzuschaffen, erteilten sowohl Scheibner als auch ÖVP und SPÖ eine Absage.

Hauptdiskussionspunkt bei der Debatte über "Sicherheitspolitische Grundsätze" im Besonderen Ausschuss war der Vorschlag der SPÖ und der Grünen, friedenschaffende Kampfeinsätze österreichischer Soldaten im Ausland an ein UNO-Mandat zu binden. Dieser Vorschlag stehe im Widerspruch zu Artikel 23 f der geltenden Bundesverfassung, meinte etwa Abgeordneter Markus Fauland (F). Die SPÖ rudere in dieser Frage zurück. Auch Nationalratspräsident Andreas Khol (V) erinnerte die SPÖ an ihre seinerzeitige Zustimmung zu diesem Artikel und zitierte aus einem damaligen Gutachten eines Völkerrechtsexperten, wonach friedenschaffende Maßnahmen internationaler Organisationen nicht als Krieg im Sinne des Völkerrechts zu werten seien und es keinen Unterschied mache, ob die OSZE, die UNO oder die EU einen solchen Einsatz beschließe.

ÖVP-Bundesrat Franz Eduard Kühnel und Klubobmann Herbert Scheibner (F) wandten sich ebenfalls ausdrücklich gegen die vorliegenden Textvorschläge der SPÖ und der Grünen in diesem Bereich und brachten zur Untermauerung ihrer Argumentation konkrete Beispiele vor. So gab Kühnel zu bedenken, dass beispielsweise im sudanesischen Darfur ein Veto Chinas bzw. Russlands gegen einen Friedenseinsatz der UNO drohe. Seiner Auffassung nach ist die EU aber gerade in diesem Fall aufgefordert, mit einem Eingreifen "ein weiteres Abschlachten" zu verhindern. Österreich müsste sich hier solidarisch verhalten, mahnte er.

Klubobmann Scheibner machte geltend, dass China seinerzeit nur wegen eines Wirtschaftsabkommens zwischen Mazedonien und Taiwan einen UNO-Einsatz in Mazedonien blockiert habe. Ihm zufolge entspricht der geltende Artikel 23 f der Bundesverfassung humanitären Ansätzen viel eher als der Vorschlag nach einer Bindung von friedenschaffenden Einsätzen an ein UNO-Mandat.

Von der ÖVP hingegen dezidiert begrüßt wurde ein von der SPÖ erst gestern vorgelegter Vorschlag, einen neuen Passus in die Verfassung aufzunehmen, wonach Österreich seine Schutzfunktion für die österreichische Minderheit in Südtirol wahrnimmt und gleichzeitig auch die Schutzfunktion anderer Staaten gegenüber den in Österreich lebenden Minderheiten achtet. Nationalratspräsident Andreas Khol meinte, der Vorschlag erfülle ihn mit Genugtuung und Freude. Sowohl er als auch G-Abgeordnete Terezija Stoisits sahen aber sprachliche Präzisierungen für erforderlich und traten dafür ein, darüber im für Südtirol-Fragen eingerichteten Unterausschuss des Außenpolitischen Ausschusses zu diskutieren.

Abgeordneter Erwin Niederwieser (S) hielt zum Vorschlag seiner Fraktion fest, die Schutzfunktion Österreichs gegenüber der österreichischen Minderheit in Südtirol habe weiterhin ihre Bedeutung. Ihm zufolge hat die SPÖ mit ihrem Vorschlag absichtlich bis nach den Wahlen in Italien gewartet, um die dortige Diskussion über das Thema nicht weiter anzuheizen.

Als einen politischen Fortschritt wertete Niederwieser das Bekenntnis aller vier Fraktionen zur Beibehaltung des Neutralitätsgesetzes als Verfassungstrabant. Auch sein Fraktionskollege Peter Wittmann betonte, das Neutralitätsgesetz habe sich bewährt.

Der vom Freiheitlichen Parlamentsklub nominierte Verfassungsexperte Peter Böhm, langjähriger Fraktionsvorsitzender der Freiheitlichen Bundesratsfraktion, mahnte in der Diskussion über die Neutralität allerdings mehr "Redlichkeit" ein. Er sei zwar dafür, das Neutralitätsgesetz als Verfassungstrabant aufrecht zu erhalten, sagte er, man müsse aber klar sehen, dass es sich um eine "substanziell ausgehöhlte" Neutralität handle. Für ihn ist die klassische Neutralität mit den Bestimmungen des Artikel 23 f der Bundesverfassung, der die Teilnahme Österreichs an friedenschaffenden Maßnahmen ermöglicht, unvereinbar.

Was die allgemeine Wehrpflicht betrifft, traten nur die Grünen für deren Aufhebung ein. Ihre Fraktion erachte die Zwangsverpflichtung von Österreichern nicht mehr als gerechtfertigt, meinte dazu Abgeordnete Terezija Stoisits. Generell betonte die Abgeordnete, die Grünen hielten an ihren Positionen zur Sicherheitspolitik im Österreich-Konvent fest.

Bundesrat Franz Eduard Kühnel warnte dem gegenüber ausdrücklich davor, von der allgemeinen Wehrpflicht Abstand zu nehmen, da seiner Meinung nach in einem solchen Fall zu wenig personelle Ressourcen zur Verfügung stehen würden. F-Klubobmann Herbert Scheibner wies darauf hin, dass die Freiheitlichen an der allgemeinen Wehrpflicht festhalten wollten und sich nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen eine Sistierung vorstellen könnten. Ohne entsprechende Rahmenbedingungen wäre ein solcher Schritt jedoch, so Scheibner, "unverantwortlich".

ÖVP-Abgeordneter Roderich Regler warb für den von seiner Fraktion vorgelegten Textvorschlag zu Fragen der Sicherheitspolitik. Dieser Vorschlag sei in sich "sehr stimmig", meinte er. Insgesamt ortet Regler nur geringfügige Unterschiede in den Vorschlägen von SPÖ, ÖVP und Freiheitlichen, wobei er u.a. auf die Beibehaltung des Neutralitätsgesetzes, die Bedeutung der umfassenden Landesverteidigung und die Beibehaltung der allgemeinen Wehrpflicht verwies.

Bei der nächsten Sitzung am 16. Mai wird sich der Besondere Ausschuss mit den Themen Kompetenzverteilung, Zusammenwirken von Bund und Ländern in der Gesetzgebung, Bundesrat und Finanzverfassung beschäftigen. (Schluss)