Parlamentskorrespondenz Nr. 364 vom 26.04.2006

Koalitionsmehrheit lehnt Enthebung Haupts als Behindertenanwalt ab

Wien (PK) – Der frühere F-Parteichef und Vizekanzler Herbert Haupt bleibt Behindertenanwalt. Ein S-Antrag auf Enthebung blieb in der Minderheit der Oppositionsfraktionen und wurde damit abgelehnt.

Abgeordnete Mag. LAPP (S) erneuerte die Forderung der SPÖ, den ehemaligen Sozialminister Herbert Haupt von der Funktion des Behindertenanwaltes zu entheben. Begründet wurde die Forderung von ihr damit, dass dieser in einem ersten Interview angekündigt habe, dafür zu kämpfen, dass das BZÖ im Parlament bleibe. Lapp sieht dadurch die Unabhängigkeit Haupts als Behindertenanwalt in Frage gestellt. Zudem fürchtet sie, dass Haupt zu wenig Zeit haben werde, um sich der Anliegen behinderter Menschen zu widmen.

Abgeordnete MAREK (V) wies die Vorwürfe der SPÖ gegen Haupt als Unterstellungen zurück und betonte, Haupt habe als Behindertenanwalt nach hundert Tagen im Amt eine Bilanz vorgelegt, die sich durchaus sehen lassen könne. Die SPÖ finde kein einziges sachliches Argument, das gegen die Qualifikation Haupts für die Funktion des Behindertenanwalts spreche, erklärte sie. Marek bekräftigte, seit Haupt in der Politik tätig sei, habe er sich für behinderte Menschen engagiert.

Abgeordnete HAIDLMAYR (G) wunderte sich darüber, warum nicht der Behindertensprecher der ÖVP Huainigg als Erstredner für seine Fraktion zu diesem Thema Stellung nimmt. Was die Bestellung von Herbert Haupt als Behindertenanwalt angeht, so war es von vornherein klar, dass er – falls er sich zum BZÖ bekennt – diesen Posten erhalten wird. Interessant sei auch die Tatsache, dass er selbst nun das Behindertengleichstellungsgesetz, das in seiner Zeit als Sozialminister beschlossen wurde, kritisiert, gab Haidlmayr zu bedenken. Sie appellierte schließlich an Haupt, keine Parteipolitik zu machen, sondern Anwalt für alle Behinderten zu sein. Außerdem müsse er sich dafür einsetzen, dass das Behindertengleichstellungsgesetz schleunigst novelliert wird.

Abgeordnete Dr. PARTIK-PABLE (F) erinnerte daran, dass beim Beschluss des Behindertengleichstellungsgesetzes davon ausgegangen wurde, dass es sich um einen Anfang handle; mehr sei zu diesem Zeitpunkt nicht möglich gewesen. Auch sie wünsche sich zum Beispiel, dass die Übergangsfristen geändert werden. Allerdings sei es ihr lieber, dieses Gesetz zu haben als gar keines. Der Antrag der SPÖ-Abgeordneten zeige wieder einmal, dass ihnen die billige Polemik wichtiger sei als die Bedürfnisse der Behinderten, kritisierte Partik-Pable. Genauso wie ein Richter, der auch objektiv agieren müsse, habe auch ein Behindertenanwalt das Recht, eine eigene Weltanschauung zu haben. Wirklich beängstigend und skurril sei der Vorwurf der SPÖ, dass BZÖ-nahe Behinderte besser behandelt werden als behinderte Menschen, die anderen Parteien nahe stehen. Sie kenne wirklich niemanden, der besser für den Job als Behindertenanwalt geeignet sei als Herbert Haupt, unterstrich die Rednerin. Er setze sich schon seit Jahrzehnten für die Anliegen von behinderten Menschen ein und zeichne sich durch seine sensible, geduldige und verständnisvolle Art aus. Sie sei fest davon überzeugt, dass Behinderte aller ideologischen Geisteshaltungen bei ihm bestens aufgehoben sind.

Es sei sehr schwer festzustellen, ob Herbert Haupt die besten Voraussetzungen für diesen Job mitbringt, da es kein Hearing gegeben habe, hielt Abgeordnete Mag. GROSSMANN (S) ihrer Vorrednerin entgegen. Die Postenschacherei habe sich schon seit Beginn der blau-schwarzen Regierung wie ein roter Faden durch alle Ministerien gezogen, nun – kurz vor den Wahlen - fielen aber alle Hemmungen, bemängelte Grossmann. Haupt steche aber insofern "aus der Riege der Versorgungskinder" hervor, als er ein hochsensibles Amt besetze, das hohe Ansprüche an die Unabhängigkeit stelle. Diverse Interviews und Äußerungen des ehemaligen Ministers zeigen zudem ganz deutlich, dass er gar nicht daran denke, sein Amt unpolitisch auszuüben.

Herbert Haupt sei seit vielen Jahren ein äußerst kompetenter Experte in Behindertenfragen und müsse daher sicherlich nicht mit einem Job versorgt werden, verwahrte sich Bundesministerin HAUBNER gegen die Vorwürfe der Opposition. Er sei seit dem 1.1.2006 als Anwalt für die Belange von Menschen mit besonderen Bedürfnissen zuständig, wobei er seine Aufgaben erstklassig erfülle. Haubner wies darauf hin, dass die Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz bei der Bestellung gesetzlich an keine Formerfordernisse gebunden sei. Herbert Haupt habe in den letzten 20 Jahren in den verschiedensten Funktionen ausgezeichnete Arbeit für die Republik geleistet, betonte Haubner. Gerade bei seiner Tätigkeit als Sozialminister habe er sich in der Behindertenarbeit über alle Parteigrenzen hinweg einen untadeligen Ruf erworben. Auch in seiner neuen Funktion könne er bereits eine erfolgreiche Bilanz vorweisen. Wie jeder andere Mensch habe auch er das Recht, eine eigene politische Meinung zu haben; dies sei integraler Bestandteil der Demokratie. Es bestehe daher für sie keinerlei Veranlassung, ihn seines Amtes zu entheben.

Er habe kein Problem damit, als zweiter ÖVP-Redner bei diesem Thema zu sprechen, meinte Abgeordneter Dr. HUAINIGG (V) in Richtung der G-Mandatarin Haidlmayr. Als Gentleman überlasse er gerne einer engagierten Kollegin den Vortritt. Aufgrund vieler persönlicher Gespräche mit Herbert Haupt sei er überzeugt davon, dass an seinem Wissen und seiner Kompetenz kein Zweifel besteht. Bereits die ersten 100 Tage in der neuen Funktion als Behindertenanwalt hätten gezeigt, dass er sehr engagiert an die Arbeit herangehe. Er habe nicht nur alle Bundesländer besucht und alle Behindertenorganisationen kontaktiert, sondern sei auch an alle Landeshauptleute mit der Bitte herangetreten, Ambulanzen für gehörlose Menschen einzurichten.

Er habe nie bestritten, dass sich Herbert Haupt immer für die Anliegen von behinderten Menschen eingesetzt habe, erklärte Abgeordneter ÖLLINGER (G). Kritisch beurteile er jedoch die Vorgangsweise von Sozialministerin Haubner, da bei der Bestellung des Behindertenanwalts so getan wurde, als habe ein objektives Auswahlverfahren stattgefunden. Wenn Haupt nun keinen Versorgungsposten brauche, dann verstehe er nicht, warum sein Einkommen nicht offen gelegt werden könne. Was die politische Zugehörigkeit angeht, so stehe es ihm natürlich zu, eine persönliche Meinung zu haben. Das Problem sei aber, dass er öffentlich erklärt habe, für das BZÖ wahlkämpfen zu wollen. Er hege nicht den Verdacht, dass Haupt einen behinderten Menschen, der nicht dem BZÖ nahe steht, anders behandeln werde. Zu befürchten sei jedoch, dass unter Umständen ein Einsatz von Haupt als Behindertenanwalt als BZÖ-Aktivität dargestellt wird.

Abgeordneter WALCH (F) gab seinem Vorredner gegenüber zu bedenken, dass es nur wenige Politiker wie Haupt gebe, die so überparteilich gearbeitet haben wie er. Persönlich betroffen sei er darüber, dass gerade Haidlmayr, mit der Haupt sehr oft über mögliche Hilfestellungen für behinderte Menschen gesprochen habe, nun so kritisch auftritt. Kritik übte Walch auch an der Vorgangsweise der SPÖ, die heute diesen Antrag einbrachte, da sie selbst jahrelang nichts für Behinderte gemacht habe.

In einer tatsächlichen Berichtigung stellte Abgeordnete HAIDLMAYR (G) klar, dass Behindertenanwalt Haupt in einer Pressekonferenz "selbst über sein eigenes Gesetz geschimpft" habe.

Abgeordneter LACKNER (S) erinnerte daran, dass Haupt als Sozialminister auch viele Misserfolge zu verantworten hatte. Als Beispiele nannte er die Ambulanzgebühr, die Hauptverbandsreform, die Unfallrentenbesteuerung etc. Die Bestellung von Haupt sei zudem ein weiteres negatives Beispiel für die schwarz-blaue Postenschacherei, bemängelte der Redner.

Es könne niemand etwas dagegen haben, wenn qualifizierte Menschen auch nach dem Ende ihrer politischen Tätigkeit Funktionen bekleiden können, erklärte Abgeordnete MITTERMÜLLER (F). Die Opposition solle endlich zur Kenntnis nehmen, dass Herbert Haupt beim Auswahlverfahren unter zwölf Bewerbern als bestqualifizierte Person für den Posten des Behindertenanwalts hervorgegangen sei. Seine Kompetenz in Behindertenfragen, nach 15 Jahren Tätigkeit als Abgeordneter und vier Jahren als Sozialminister, sei unbestritten. Der Antrag auf Amtsenthebung sei ihrer Ansicht nach daher völlig unverständlich.

Er habe oft erlebt, wie auch Abgeordnete der Sozialdemokraten die Arbeit von Herbert Haupt gelobt haben, erklärte Abgeordneter SCHEIBNER (F). Die Sozialministerin habe die Funktion ordnungsgemäß ausgeschrieben und Herbert Haupt wurde dann einstimmig als Bestgereihter von der Bewertungskommission beurteilt. Unverständlich sei ihm auch die Argumentation von Öllinger. Offensichtlich reiche es schon aus, dass irgendjemand in der Republik möglicherweise eine Verbindung zwischen der Funktion und der parteipolitischen Meinung herstellen könnte, um zu beweisen, dass jemand untragbar ist. Das sei ein sehr bedenkliches Demokratieverständnis.

In einer tatsächlichen Berichtigung wies die Abgeordnete HAIDLMAYR (G) darauf hin, dass die Behauptung von Scheibner, Herbert Haupt sei nach Durchführung eines Hearing einstimmig als Bestgereihter beurteilt worden, unrichtig sei. Es habe nämlich kein Hearing gegeben und es sei auch niemand außer Haupt eingeladen worden.

Bei der Abstimmung wurde der Antrag des Sozialausschusses, den (negativen) Bericht zur Kenntnis zu nehmen, mehrheitlich angenommen.

(Schluss Behindertenanwalt/Forts. NR)