Parlamentskorrespondenz Nr. 432 vom 09.05.2006

Bartenstein beurteilt Wirtschaftsaussichten optimistisch

Minister weist Kritik an österreichischem EU-Vorsitz zurück

Wien (PK) - Der Wirtschaftsausschuss befasste sich heute in einer öffentlichen Sitzung zunächst mit dem Bericht von Bundesminister Bartenstein über das EU-Arbeitsprogramm 2006 (III-199 d.B.). Die Vorlage wurde nach einer lebhaften Debatte mit den Stimmen der Regierungsparteien zur Kenntnis genommen und damit enderledigt.

In der Debatte wurden insbesondere Fragen der Energiepolitik thematisiert. Während Abgeordnete Michaela Sburny (G) in der EU-Energiepolitik eine "Renaissance des Wunsches nach Atomkraft" ortete, wies Abgeordneter Georg Oberhaidinger (S) darauf hin, dass der steigende Verbrauch nicht allein durch eine Steigerung des Angebots gedeckt werden könne. Vielmehr seien Energieeffizienz und Energiesparen in den Vordergrund zu stellen. Nur so könne man sich von Primärenergieträgern sowie von Atomstromimporten unabhängig machen. Die Abgeordneten Johann Moser und Peter Marizzi (beide S) betonten diesbezüglich die verstärkte Nutzung der Wasserkraft und erneuerbarer Energieträger in Österreich. V-Abgeordneter Franz Glaser sprach sich für eine Erhöhung der Prozentsätze im EU-Aktionsplan zur Förderung der Biomasse aus.

Für Abgeordnete Michaela Sburny (G) sei dem Tourismus, der in der österreichischen Wirtschaft einen hervorragenden Stellenwert habe, im Bericht zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet worden. Den Grünen fehlt es in diesem Bereich vor allem an Nachhaltigkeit. Abgeordneter Dietmar Hoscher (S) regte an, seitens der österreichischen Ratspräsidentschaft einen Schwerpunkt "Tourismus und Kultur" zu setzen, da Österreich diesbezüglich komparative Wettbewerbsvorteile habe. Abgeordnete Erika Scharer (S) wollte durch eine Verbesserung der Ausbildung auf diesem Gebiet Zukunftspotentiale effizienter nutzen.

Abgeordneter Johann Ledolter (V) begrüßte, dass im EU-Arbeitsprogramm den KMU breiter Raum eingeräumt wurde, da die Mehrzahl der österreichischen und europäischen Unternehmen Klein- und Mittelbetriebe seien. Die Weichenstellung und Neuorientierung in der EU-Wirtschaftspolitik sei eine der bemerkenswerten Leistungen der österreichischen EU-Präsidentschaft. In diesem Zusammenhang verlangte Abgeordneter Christoph Matznetter (S) Initiativen zur Stärkung des Eigenkapitals der hoch kompetitiven österreichischen KMU, da Investitionen Arbeitsplätze schaffen.

Wirtschaftsminister Martin Bartenstein wies eingangs seiner Ausführungen zum Thema Energiepolitik darauf hin, dass die Mittelausweitung im Bereich Kernenergie auf die Frist von sieben statt vier Jahren abgestellt sei und 70 % der Mittel für den Bereich Kernfusion, eine umweltfreundliche, ergiebige und zukunftsträchtige, wenn auch noch nicht gänzlich ausgereifte Energiequelle aufgewendet werden. Im Rahmen der EU-Energiepolitik habe eine Verbesserung der Energieeffizienz um 20 % bis 2020 sowie die Nutzung alternativer Energien oberste Priorität. Die Wahl des Energiemix verbleibe allerdings weiterhin in der Kompetenz der Mitgliedstaaten. Wie bisher werde – so Bartenstein – Atomkraft auch weiterhin für Österreich keine Option sein.

Gleichermaßen falle der Tourismus in die Kompetenz der einzelnen Mitgliedstaaten. Österreich setzte sich sehr wohl für Nachhaltigkeit ein. Der von mehreren Abgeordneten favorisierten Schwerpunktsetzung "Tourismus und Kultur" schloss sich der Minister an.

Beim Thema Außenhandelspolitik teilte der Wirtschaftsminister mit, dass die Exporte in Österreich hervorragend laufen, derzeit habe man eine Steigerung von plus 10 %, man werde heuer beim Exportvolumen die 100-Mrd.-€-Schallmauer durchstoßen. Auf die Frage des Abgeordneten Hannes Bauer (S) nach Informationen über die EU-Außenhandelspolitik und –beziehungen machte Bartenstein auf die routinemäßige Information des Parlaments über die Ratsarbeitsgruppen aufmerksam.

Weiters informierte Minister Bartenstein über die KMU-Politik als Schwerpunkt der österreichischen EU-Präsidentschaft. Das "Think-small-first-Prinzip" sei in die Europäische Agenda eingebracht worden. Künftig müsse zuerst mittelstandsbezogen gedacht werden - erst dann sollen Ausnahmen für die Großen getroffen werden, nicht umgekehrt, so wie bisher.

Im Hinblick auf das Modell "Flexicurity" bestritt der Wirtschaftsminister die Behauptung des Abgeordneten Christoph Matznetter (S), in Österreich fehle es im Hinblick auf eine Flexibilisierung der Arbeit an Sicherheit. Die Aufwendungen für Soziales seien während der Regierung Schüssel um ein Prozent auf 29,5 % erhöht worden, womit Österreich im sozialen Vergleich gut liege. Er stelle sehr wohl auf Sicherheit ab und orientiere sich etwa am deutschen Modell der Arbeitszeitflexibilisierung auf Betriebsebene mit Beschäftigungsgarantie. In Österreich erfolge derzeit eine Abkehr vom alten Abfertigungssystem zum neuen System der Mitarbeitervorsorge.

Außerdem betonte Bundesminister Bartenstein, dass Österreich im Unternehmenssektor nicht beim klassischen Fremdfinanzierungsmodell durch Banken bleiben werde. Es erfolge bereits eine schrittweise Umstellung, und auch wenn amerikanische Marktverhältnisse nicht eins zu eins auf Europa übertragbar seien, arbeite man bereits mit Eigenmittelsurrogaten und einer Herabsetzung der Unternehmenssteuern.

Auf Kritik an schwachen Investitionsraten reagierte der Minister mit dem Hinweis auf den Bericht des WIFO vom Dezember 2005, dem zu entnehmen sei, dass Österreich unter Berücksichtigung der ausgegliederten Strukturen bei den öffentlichen Investitionen europaweit auf respektablem Niveau liege.

Österreich habe bei der Erreichung der Lissabonziele seine Hausaufgaben gemacht. Zielvorstellung der Regierung Schüssel sei die Schaffung von 10 Millionen neuen Jobs in fünf Jahren. Die europäische Entwicklung mache diesbezüglich Mut: Die Arbeitslosenrate sinke tendenziell, das Ziel, europaweit unter 18 Millionen zu kommen, scheint erreichbar. In Österreich sei die Zahl der Arbeitslosen im vergangenen Jahr um rund 13.000 gesunken.

Lob von Minister und Abgeordneten für das Bundesvergabeamt

Weiters nahm der Ausschuss den Tätigkeitsbericht des Bundesvergabeamtes über den Zeitraum Jänner bis Dezember 2005 (III-214 d.B.) mit der Mehrheit von ÖVP, F und Grünen zur Kenntnis.

Abgeordneter Christoph Matznetter (S) brachte den negativen Kompetenzkonflikt zur Sprache, der in der Causa "Stadion Klagenfurt" zu Tage getreten sei, und plädierte für eine einheitliche Zuständigkeit in Vergaberechtsangelegenheiten. Die Arbeit des Bundesvergabeamtes, das mit äußerst komplexen Materien befasst sei, lobte der Abgeordnete ausdrücklich.

Im Rahmen seiner Antwort auf Detailfragen der Abgeordneten Johann Moser (S), Michaela Sburny (G) und Ulrike Baumgartner-Gabitzer (V) sowie des Abgeordneten Maximilian Hofmann (F) verwies der Vorsitzende des Bundesvergabeamtes Michael Sachs auf die Ergebnisse einer Evaluierung seiner Behörde, die in die Novelle des Bundesvergabegesetzes 2006 eingeflossen seien. Die Auswirkungen der Novelle seien zum derzeitigen Zeitpunkt aber noch nicht abschätzbar. Die Kontrolle der Rechtsschutzbehörde obliege dem Verfassungsgerichtshof, dem Verwaltungsgerichtshof und dem Europäischen Gerichtshof.

Der Fall "Stadion Klagenfurt" habe gezeigt, dass der Vergaberechtsschutz in Österreich funktioniere. Aus seiner Sicht wäre es allerdings wünschenswert, so Sachs, dass der Vergaberechtsschutz nicht nur materiellrechtlich einheitlich geregelt sei, sondern von einer einheitlichen Behörde wahrgenommen werde. Der Fall der Fahrzeugbeschaffung für die Polizei habe die Präventivwirkung aufgezeigt, die von der Tätigkeit des Bundesvergabeamtes ausgehe.

Bundesminister Martin Bartenstein schloss sich dem Lob der Abgeordneten für das Bundesvergabeamt an. Zur Diskussion um eine einheitliche Vergaberechtszuständigkeit machte der Minister auf die unterschiedliche Position der Länder dazu aufmerksam. (Fortsetzung)


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