Parlamentskorrespondenz Nr. 740 vom 14.09.2006

Aus dem Parlament in die Hofburg

Das Parlament war 42 Jahre lang Heinz Fischers Arbeitsplatz

Wien (PK) - Nur Anton Benya amtierte länger als Präsident des Nationalrates. Heinz Fischer saß der ersten Kammer des Hauses 12 Jahre vor, gehörte weitere zwei Jahre dem Nationalratspräsidium an und krönte seine politische Laufbahn mit dem Amt des Bundespräsidenten.

Geboren wurde Heinz Fischer am 9. Oktober 1938 in Graz als jüngster Spross einer in die Wolle gefärbten sozialdemokratischen Familie. So verwundert es auch nicht, dass sein Vater Rudolf sich sofort nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wieder der Sozialdemokratie zur Verfügung stellte, wo er wichtige Funktionen übernahm – von 1954 bis 1956 war er im ersten Kabinett Raab Staatssekretär -, und so wuchs Heinz Fischer praktisch von frühester Jugend mit der hohen Politik auf.

Für Heinz Fischer war es dann auch beinahe eine Selbstverständlichkeit, zum erstbesten Zeitpunkt selbst politisch aktiv zu werden. Als sich 1953 der Verband Sozialistischer Mittelschüler konstituierte, zählte Fischer zu den Gründungsmitgliedern.

1956 maturierte Fischer und begann an der Universität Wien Jus zu studierten. Konsequenterweise wechselte er vom VSM zum Verband Sozialistischer Studenten (VSStÖ), wo er bald zu den Exponenten des linken Flügels zählte, während der rechte Flügel damals vom späteren Tabakgeneral Beppo Mauhart und vom späteren Vizekanzler Hannes Androsch angeführt wurde. Auf Universitätsboden schnupperte Fischer auch erstmals "parlamentarische Luft": Er trat als Kandidat des VSStÖ zu den ÖH-Wahlen an und wurde so erstmals Mandatar, saß er doch 1959 bis 1961 im Zentralausschuss der Hochschülerschaft.

1961 promovierte Fischer zum Doktor der Rechte, und damit lag für ihn eigentlich der weitere Lebensweg klar vor ihm. Doch noch ehe er weitere Überlegungen anstellte, erhielt er das Angebot, als Rechtsexperte Mitarbeiter des SPÖ-Parlamentsklubs zu werden. Nach kurzer Bedenkzeit nahm er an und bezog Anfang 1962 ein Büro im Parlament, das ihm – mit einer vierjährigen Unterbrechung 1983 bis 1987 – für 42 Jahre Arbeitsplatz bleiben sollte. Zunächst organisierte er gemeinsam mit Leopold Gratz, später in alleiniger Verantwortung die Arbeit der sozialistischen Fraktion im Hohen Haus.

Seine kompetente und sachverständige Art fand dabei nicht nur allerorten Anerkennung, sie prädestinierte ihn gleichsam auch für "höhere Weihen", und so war es nicht weiter erstaunlich, dass die SPÖ ihn 1971 als Kandidaten für die Nationalratswahl nominierte. Im November wurde er als Abgeordneter angelobt und nahm in der zweiten Reihe des Sitzungssaales Platz, um eine gute Kommunikationsbasis mit dem neuen Klubobmann Gratz zu haben, da Fischer weiterhin die Agenden des Klubdirektors wahrnahm.

Ob seiner langjährigen Erfahrung war Fischer schnell eingearbeitet und wurde zum unverzichtbaren Bestandteil der sozialistischen Parlamentarierriege. Dem trug die Partei Rechnung, als sie Fischer 1975 zum geschäftsführenden Klubobmann  - nominell hatte Kanzler Kreisky dieses Amt inne - wählte. Vier Jahre später wurde Fischer auch stellvertretender Parteivorsitzender, eine Funktion, die er ein Vierteljahrhundert ausüben sollte.

Als sich Anfang der achtziger Jahre das Ende der Ära Kreisky abzuzeichnen begann, zählte Fischer neben Gratz und Blecha - Androsch war im Januar 1981 aus allen politischen Ämtern geschieden - zu den prominentesten "Kronprinzen" des "Sonnenkönigs". Als Kreisky 1983 die neuerliche absolute Mehrheit versagt blieb und er daraufhin zurücktrat, ging die SPÖ eine Koalition mit den Freiheitlichen ein, in der Heinz Fischer das Amt des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung übernahm. Beinahe vier Jahre gehörte er der Bundesregierung an, ehe er im Januar 1987 wieder den Posten des Klubobmannes ‑ und diesmal nicht "nur" geschäftsführend ‑ übernahm.

Nach den Nationalratswahlen 1990 wurde Fischer mit überwältigender Mehrheit zum Nationalratspräsidenten gewählt, welche Funktion er bis 2002 ausübte. In diesem Amt war er nach Anton Benya der am zweitlängsten amtierende Vorsitzende, und in seiner Ära als Präsident des Hohen Hauses standen ihm drei Zweite (Dr. Lichal, Dr. Neisser, DI Prinzhorn) und fünf Dritte (Dr. Schmidt, Mag. Haupt, Dr. Brauneder, Dr. Khol, Dr. Fasslabend) Präsidenten zur Seite. Von Dezember 2002 bis Frühjahr 2004 war Heinz Fischer Zweiter Präsident des Nationalrates. Das Bild im Empfangsalon des Parlaments wurde von Xenia Hausner geschaffen. (Copyright des nebenstehenden Fotos: Parlamentsdirektion.)

Unter der Vorsitzführung Fischers wandelte sich das Parlament zu einem Ort der Begegnung. Nicht nur dass die Zahl ausländischer Besuche nach 1990 sprunghaft anstieg ‑ so waren u.a. der spanische König Juan Carlos, Ex‑Präsident Michail Gorbatschow oder der Vorsitzende der palästinensischen Autonomiebehörde Yassir Arafat zu Gast ‑, auch in kultureller Hinsicht konnte das Haus am Ring in jenen Jahren einen merklichen Aufschwung verzeichnen. Künstler aller Schattierungen, Wissenschaftler und andere Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens kamen immer wieder zu den verschiedensten Veranstaltungen im Parlament zusammen.

Doch bei allem Engagement in der Politik hat Fischer nie auf ein zweites Standbein im Berufsleben verzichtet. Schon in den siebziger Jahren unterrichtete er an der Universität Innsbruck Politikwissenschaften, ist mittlerweile dort ordentlicher Universitätsprofessor und etablierte sich in den letzten 30 Jahren auch als Autor zahlreicher politikwissenschaftlicher und historischer Sachbücher, wie etwa "Das politische System Österreichs" (1975) und "Die Kreisky‑Jahre" (1993). In der Zwischenzeit legte Heinz Fischer auch seine Memoiren unter dem Titel "Reflexionen" (1998) vor. Für den ORF besprach Fischer 1999 zwei Doppel-CDs über die Geschichte der Republik, 2006 erschien ein weiterer reflexiver Band mit dem Titel "Überzeugungen".

So sehr Fischer also die heimische Politik mitgestaltet hatte, als überzeugter Sozialdemokrat bemühte er sich aber auch stets um eine internationale Perspektive in der Politik. Fischer war führend in der Sozialistischen Internationale tätig und bekleidete 1992 bis 2004 die Funktion eines stellvertretenden Vorsitzenden der SPE. So stand Fischer mit allen großen Sozialdemokraten – von Willy Brandt, Bruno Kreisky und Olof Palme über Francois Mitterand und Andreas Papandreou bis zu Felipe Gonzalez – in einem vertrauten Verhältnis, zu seinen Gesprächspartnern zählten auch Nelson Mandela, Alexander Dubcek, Indira Gandhi und Fidel Castro. Stets war es Fischer dabei darum zu tun, nach Wegen für eine friedliche und gedeihliche Entwicklung zu Welt zu suchen.

Seine Erfahrung und seine internationale Reputation führten denn auch dazu, dass Fischer von der SPÖ zu ihrem Kandidaten für die Bundespräsidentschaftswahlen 2004 nominiert wurde. Mit 52,4 Prozent der Stimmen wurde er am 25. April bereits im ersten Wahlgang zum Staatsoberhaupt gewählt und trat turnusgemäß am 8. Juli 2004 sein Amt an. Im höchsten Amt der Republik profiliert sich Fischer seit nunmehr mehr als zwei Jahren als moralische Instanz in der Tradition seiner Vorgänger. (Schluss)