Parlamentskorrespondenz Nr. 4 vom 08.01.2007

Die Wettbewerbshüter berichten aus ihrem arbeitsreichen Alltag

Personalmangel in der Bundeswettbewerbsbehörde

Wien (PK) - Die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) hat dem Nationalrat kürzlich über ihre Tätigkeit von Juli 2005 bis Juni 2006 berichtet. Es handelt sich um den letzten Tätigkeitsbericht von Walter Barfuss, dem ersten Leiter der Wettbewerbsbehörde, dessen Funktionsperiode am 1. Juli 2007 enden wird (III-10 d.B.).

Die Bundeswettbewerbsbehörde tritt als "Amtspartei" in kartellgerichtlichen Verfahren für einen funktionierenden Wettbewerb ein, wobei sie meist gut ausgestatteten und beratenen "Interessen" gegenübersteht. Zuständig für alle Branchen haben sich die "Wettbewerbshüter" in der Öffentlichkeit einen guten Ruf erarbeitet und werden bei der Lösung wettbewerbsrechtlicher und wettbewerbspolitischer Probleme von vielen Seiten in Anspruch genommen. So stieg der Aktenanfall der BWB im Berichtszeitraum um 10 %. Mittlerweile übernimmt die Behörde jährlich rund 530 neue nationale, 400 neue europäische und 400 neue sonstige Fälle. 

Einmal mehr liest man im Bericht daher von einem "institutionellen Missverhältnis" zwischen den von der BWB zu bewältigenden Aufgaben und den personellen Ressourcen der Behörde. Würden die ReferentInnen ihre durch enorme Überstundenleistungen angesparten Zeitguthaben von mittlerweile insgesamt 9 Mann/Fraumonaten tatsächlich in Form von Zeitausgleich konsumieren, wäre die BWB praktisch "blockiert", erfährt man im Tätigkeitsbericht der Bundeswettbewerbsbehörde. Aus Personalgründen sei die BWB derzeit etwa nicht in der Lage, die vom Rechnungshof in seinem - durchwegs positiven - BWB-Prüfbericht empfohlenen "Indikatoren und Kennzahlen zur effizienteren Gestaltung der Wettbewerbspolitik" zu entwickeln.

Außergerichtliche Verfahren 

Konkret befasste sich die Wettbewerbsbehörde im Berichtsjahr mit "Honorarordnungen" und "unverbindlichen Empfehlungen" von Wirtschaftsverbänden für die Preisgestaltung ihrer Mitglieder. Die BWB prüfte Entwürfe und beriet Fachverbände in den Branchen Spedition und Logistik, Technische Büros/Ingenieurbüros sowie in der Bauwirtschaft über die zuletzt verschärften Bestimmungen im europäischen Wettbewerbsrecht sowie im Kartellgesetz 2005. Kritik übten die Wettbewerbshüter an der althergebrachten und aus ihrer Sicht kartellrechtswidrigen Honorarordnung der Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten.

Mit der Altpapier Recycling Organisation (ARO) verhandelte die BWB über deren "Modul 7-Vereinbarung" mit großen (Abfall-)Anfallstellen im Einzelhandel über die gesonderte Erfassung, Vorsortierung und Verdichtung von Papier- und Kartonabfällen. Das Ergebnis: Wettbewerbsrechtlich bedenkliche Exklusivitätsbestimmungen, die den Wettbewerb am Entsorgungs- und Verwertungsmarkt ausschließen könnten, wurden von der ARO aus dem Vertrag gestrichen.

Angesichts finanzieller Probleme der Telekom Austria AG (TA) bei der flächendeckenden Versorgung mit Telefonzellen samt kostenloser Erreichbarkeit gebührenfreier Rufnummern (Bereich 0800) haben sich BWB und Bundeskartellanwalt um einen Kompromiss bemüht, der mittlerweile als Entwurf für eine Novelle zur Universaldienst-Verordnung von Seiten des BMVIT vorliegt; er zielt darauf ab, die Erreichbarkeit gebührenfreier Nummern von Telefonzellen vom Universaldienst auszunehmen.  

Branchenuntersuchungen

    

Im Rahmen einer Branchenuntersuchung führte die BWB im Berichtszeitraum Gespräche mit der E-Wirtschaft, wobei es, wie die BWB betont, nicht um das Abstellen von (Wettbewerbs-)Rechtsverstößen, sondern um den Abbau von Wettbewerbshindernissen ging. Resultat dieser Bemühungen war die Herausgabe eines Wettbewerbsbelebungspaketes durch den Verband der Elektrizitätsunternehmen Österreichs (VEÖ) am 30. Juni 2006. Die E-Wirtschaft will ihre Kunden besser informieren (Informationsblatt), den Vorgang beim Lieferantenwechsel vereinfachen und von acht auf sechs Wochen beschleunigen sowie auf das System der "kommunizierenden Gefäße" (Fixpreisklauseln) verzichten. Netztarifsenkungen werden nicht mehr durch automatische Strompreiserhöhungen ausgeglichen. Dazu kommt ein Verhaltenskodex für Lieferanten und die Vermeidung von Zeitverzögerungen bei der Übermittlung von Abrechnungsdaten der Kunden durch einen einheitlichen österreichweiten elektronischen Standard ab November 2007. Die Einhaltung der Maßnahmen wird durch ein Monitoring überwacht werden; außerdem wird der VEÖ den Behörden einen jährlichen Bericht übermitteln.

Der Stromregulator E-Control und die Bundeswettbewerbsbehörde halten fest, dass mit dem Wettbewerbsbelebungspaket einige gute Ergebnisse erzielt werden konnten, merken aber an, "die Schritte zur Belebung des Wettbewerbs hätten noch größere sein können."  

Branchenuntersuchung Gasmarkt – ein Zwischenbericht

Eine erste Analyse der Wettbewerbssituation auf dem österreichischen Gasmarkt liegt in Form eines Zwischenberichts aus der Gas-Branchenuntersuchung vor. Die BWB betont, dass eine rechtliche Bewertung dem Gas-Endbericht vorbehalten ist, weist aber darauf hin, dass der Wettbewerb bei den Kleinkunden durch Intransparenz behindert sei. Laut BWB weisen verschiedene Tarifmodelle den reinen Gaspreis zum Teil nicht gesondert aus (All-In-Preise), was die Vergleichbarkeit der Angebote erschwert. Etablierte Versorger haben bei den Kleinkunden nach wie vor eine sehr starke Marktstellung, was auch in einer niedrigen Zahl an Versorgerwechseln abgelesen werden könne. Ausländische Anbieter seien im Kleinkundensegment nicht aufgetreten, schreibt die BWB, neue Anbieter sind Tochtergesellschaften der etablierten Gasversorger. Im Kleinkundensegment war es den Gasunternehmen möglich, die monopolistischen Marktverhältnisse vor der Liberalisierung im Wesentlichen auf den liberalisierten Markt zu übertragen, analysiert die BWB.

Wettbewerbsdruck registriert der Bericht hingegen bei den Großkunden, für die sich regelzonenweite Märkte gebildet haben. Auch dort herrsche aber kein massiver Wettbewerbsdruck aus dem Ausland. Als Markteintrittsbarriere wirkt der Zugang zu Transit- und Transportkapazitäten außerhalb Österreichs. Dennoch liegt die Wechselquote im Großkundensegment deutlich höher als im Kleinkundensegment. Nicht alle Gashändler haben die gleichen Bedingungen beim Zugang zu Gasbeschaffungsmärkten und zum kurzfristigem Gashandelsmarkt, heißt es im Bericht der Bundeswettbewerbsbehörde.

Verfahren vor dem Kartellgericht

Der aktuelle Tätigkeitsbericht der Bundeswettbewerbsbehörde informiert auch über ausgewählte Verfahren vor dem Kartellgericht. Der Leser erfährt, dass ein Großteil der bis Ende 2005 beim Kartellgericht angemeldeten Zusammenschlüsse aus wettbewerbsrechtlicher Sicht unbedenklich ist. Weniger als 5 % der Vorhaben geben nach inhaltlicher Prüfung durch die BWB Anlass zu Bedenken und sind daher (auf Betreiben der BWB) zur Ausräumung dieser Bedenken entweder entsprechend zu modifizieren oder in einem von BWB und/oder Bundeskartellanwalt beantragten kartellgerichtlichen Verfahren zu untersuchen.

Im Detail berichtet die Bundeswettbewerbsbehörde etwa über den geplanten und von der BWB geprüften, aufgrund einer Entscheidung der slowakischen Regierung letztlich nicht zustande gekommenen Erwerb von 66 % des Flughafens Bratislava durch den Flughafen Wien.

Eine Verpflichtungszusage der Styrian Airways, Mitweberber am Flughafen Klagenfurt nicht zu diskriminieren, räumte Bedenken der BWB beim Erwerb der Fluglinie durch die Kärnten Tourismus Holding aus.

Nicht zufrieden zeigen sich die Wettbewerbshüter mit der Entscheidung des Kartellobergerichts, den Zusammenschluss der Erste Bank mit der Ceska und Slovenska sporitelna für nicht anmeldebedürftig zu erklären. Die BWB teilt nicht die Auffassung des Kartellobergerichts, "dass bei der Prüfung der Inlandswirkung Auslandsumsätze nicht zu berücksichtigen seien, wenn es sich um ausländische Unternehmen handelt, die erworben werden."

Als sinnvoll und im Interesse der Verbraucher gelegen sieht die BWB den Haftungsverbund zwischen der Erste Bank und 53 Sparkassen, macht dabei aber auch auf einige rechtliche Detailprobleme aufmerksam.

Erfahrungen mit rechtlichen Neuerungen

Schließlich teilt die Bundeswettbewerbsbehörde dem Gesetzgeber ihre bisherigen Erfahrungen mit jüngsten Gesetzesänderungen im Bereich der Wettbewerbspolitik mit.

Das Kartellgesetz 2005 mit seinen weitergehenden Verpflichtungen für die Unternehmen, die kartellrechtliche Zulässigkeit ihres Verhaltens selbst zu beurteilen, hat laut BWB die Sensibilität der Wirtschaft erhöht und ihre Neigung verstärkt, bei der Bundeswettbewerbsbehörde Rechtssicherheit zu suchen. Die in der Wettbewerbsgesetznovelle 2005 erstmals vorgesehene Kronzeugenregelung beginnt laut BWB erst zaghaft, Realität zu werden. Die administrativen Neuerungen im Zusammenschlusskontrollverfahren bringen für die BWB administrative Mehrbelastungen mit sich, klagt die BWB.

Die neue Möglichkeit, die das Nahversorgungsgesetz der BWB bietet, kaufmännisches Wohlverhalten und die Diskriminierung gewerblicher Letztverkäufer auch vor dem Kartellgericht durchzusetzen, beurteilen die Wettbewerbshüter positiv und sinnvoll. (Schluss)


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