Parlamentskorrespondenz Nr. 260 vom 13.04.2007

Expertenhearing zum Auftakt der Budgetberatungen

Doppelbudget auf dem Prüfstand des Ausschusses

Wien (PK) – Wie schon in den vergangenen Jahren wurden die Budgetberatungen des Budgetausschusses auch dieses Jahr mit einem öffentlichen Expertenhearing eingeleitet. Dr. Markus Marterbauer, Prof. Dr. Gerhard Lehner, Univ.-Prof. Dr. Herbert Walther, Univ.-Prof. Mag. Dr. Dieter Mandl und Dr. Oliver Ginthör diskutierten gemeinsam mit den Abgeordneten über das Doppelbudget 2007/2008 und kamen dabei durchaus zu unterschiedlichen Schlussfolgerungen. 

Abgeordneter Alexander van der Bellen (G) eröffnete die Debatte mit dem Hinweis auf das überraschend hohe BIP-Wachstum in den ersten Monaten des Jahres 2007 und fragte die Experten, ob das Budget dieser Entwicklung Rechnung trägt und daraus entstehende Spielräume für Zukunftsbereiche wie zum Beispiel Bildung, Forschung oder auch Kinderbetreuung nützt. Was den immer wieder angesprochenen Klimaschutzfonds betrifft, meinte van der Bellen, er könne die dafür vorgesehenen 500 Mill. € im Budget nicht finden.

Abgeordneter Bruno Rossmann (G) forderte weitere Schritte in Richtung einer Ökologisierung des Steuersystems und wandte sich überdies mit Nachdruck gegen die Abschaffung der Erbschaftssteuer, wobei er argumentierte, Vermögen sollte grundsätzlich stärker, der Faktor Arbeit hingegen geringer besteuert werden.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (S) brachte ebenfalls den durch die bessere Konjunkturlage entstandenen Spielraum zur Diskussion und erinnerte, der gegenständliche Voranschlag basiere auf der Dezember-Prognose, die aktuellen Prognosen seien aber deutlich besser. Seine Fraktionskollegin Abgeordnete Marianne Hagenhofer drängte in diesem Zusammenhang auf eine neue Strategie in der Arbeitsmarktpolitik, weg von der Quantität und hin zu mehr Qualität.

Abgeordneter Lutz Weinzinger (F) vermisste eine entsprechende Schwerpunktsetzung vor allem in den Bereichen Bildung und Familienpolitik. Er kritisierte auch, dass Schulden des Staates wie etwa jene aus den ausgegliederten Unternehmungen am Budget "vorbeigeschmuggelt" und den künftigen Generationen aufgebürdet würden.

Abgeordneter Günter Stummvoll (V) sah das Doppelbudget vor allem unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit und der Entlastung der Bürger, dies auch als eine Folge der Maßnahmen, die in der vorangegangenen Legislaturperiode getroffen wurden.

Abgeordneter Ferdinand Maier (V) drängte auf eine Akzentsetzung insbesondere in Richtung forschungswirksamer Maßnahmen und einer Breitbandoffensive.

Abgeordneter Josef Bucher (B) wies auf mögliche Einsparungseffekte durch eine Verwaltungsreform hin und forderte darüber hinaus eine Beseitigung der kalten Progression. Angesichts der guten Konjunkturlage wäre seiner Meinung nach eine Entlastung des Mittelstandes schon vor 2010 notwendig.

Oliver Ginthör meinte, das 3-prozentige Wachstum sollte eine Möglichkeit geben, deutliche Akzente im Bereich Bildung zu setzen, der Spielraum des Budgets reiche dazu allerdings nicht aus. Das Problem liegt seiner Einschätzung nach darin, dass der Panzer der Fixausgaben noch immer zu wenig reduziert wurde, um den durch die gestiegenen Steuereinnahmen entstandenen Rückenwind auszunützen. Ginthör warnte in diesem Zusammenhang aber auch vor der Annahme, dass die Steuereinnahmen in den nächsten Jahren so weitersprudeln werden wie bisher. Wenn es nicht gelingt, budgetäre Überschüsse zu erwirtschaften, dann werde eine Steuerreform 2010 nicht möglich sein.

Was die Ökologisierung des Steuersystems betrifft, betonte Ginthör, die Belastung als Ganzes dürfe dabei nicht steigen, sämtliche Schritte müssten im europäischen Gleichklang gesetzt werden. Die Erbschaftssteuer wiederum hielt er für nicht reformierbar, er sprach angesichts der geringen Einnahmen aus diesem Titel allerdings von einem "Politikum". Als Herausforderungen für die Zukunft sah er vor allem eine Entlastung des Faktors Arbeit und des Mittelstandes. Große Effekte erwartete er sich ferner durch eine Verwaltungsreform, die aber langfristig angelegt sein und in die Strukturen eingreifen müsse.

Gerhard Lehner betrachtete die Einnahmenschätzungen, die dem Doppelvoranschlag zugrunde liegen, als durchaus realistisch, meinte aber ebenfalls, man sollte nicht jetzt schon auf zusätzliche Einnahmen hoffen. Zum Klimaschutzfonds bemerkte er, auch er habe ihn im Budget nicht gesehen, die zusätzliche Erhöhung der Mineralölsteuer sei aber noch nicht budgetiert und werde diesem Fonds zugewiesen. Überhaupt stehe die Ökologisierung des Steuersystems, wie er zu bedenken gab, erst am Anfang. Lehner trat dafür ein, den Spreizeffekt zwischen Diesel und Benzin bei der Mineralölsteuer aufzuheben.

Bei der Erbschaftssteuer plädierte er für die Abschaffung, wobei er meinte, diese Steuer sei nicht reformierbar. In Sachen Verwaltungsreform wiederum warnte er vor allzu hohen Erwartungen und bemerkte, große Milliardenbeträge könnten sicherlich nicht eingespart werden.

Insgesamt schätzte Lehner das Doppelbudget als nachhaltig ein. Die Ausgabenquote, die Schuldenquote und die Abgabenquote nehmen weiter ab, die Zinszahlungen allerdings seien nach wie vor eine große Hypothek, meinte er.

Dieter Mandl fand vor dem Hintergrund der positiven wirtschaftlichen Entwicklung keine richtungsweisenden Ansätze und keine Stärkung der Zukunftsbezogenheit im vorliegenden Doppelbudget. Er vermisste insbesondere Maßnahmen in der Bildungspolitik und im Gesundheitsbereich und meinte überdies, hinsichtlich der Vorbereitung einer zukünftigen Steuerreform oder einer Verwaltungsreform könne er im Budget nichts entnehmen. Nicht erkennbar waren für Mandl auch familienpolitische Zielsetzungen.

Markus Marterbauer trat dafür ein, die möglichen größeren Spielräume, die durch die positive Konjunkturentwicklung entstanden sind, nun verstärkt durch Zukunftsinvestitionen zu nützen. Positive Ansätze sah er in den Bereichen Forschung und Bildung, die soziale Absicherung hingegen ist seiner Einschätzung nach noch nicht ausreichend umgesetzt, Defizite ortete er auch in der Kinderbetreuung.

Die hohe Belastung des Faktors Arbeit betrachtete Marterbauer als zentrales Problem. Für eine langfristige Senkung der Abgabenquote besteht seiner Meinung nach keine Notwendigkeit. Wer einen guten Sozialstaat will, der brauche Einnahmen, argumentierte er. Eine Entlastung des Faktors Arbeit sei nur durch eine stärkere Belastung anderer Bereiche, insbesondere des Vermögens, möglich.

Zur Familienförderung bemerkte Marterbauer, das Geld werde in Österreich falsch ausgegeben. So verwende man zu wenig Mittel für Sachleistungen in Form von Kinderbetreuungseinrichtungen.

Herbert Walther betrachtete das Budget als die Fortschreibung der bisherigen Budgets mit einigen Akzentsetzungen in wachstumsorientierte Bereiche. Die Spielräume, die sich aus den höheren Einnahmen eröffnen, sollten aber nicht unverzüglich zu neuen Begehrlichkeiten führen, warnte er. Grundsätzlich kritisierte er, dass sich die Belastung des Faktors Arbeit weiter erhöht, die Belastung des Faktors Kapital aber weiter abgenommen habe. Mit Nachdruck wandte er sich auch gegen eine Abschaffung der Erbschaftssteuer. Diese Steuer sollte vor allem auch als Signal beibehalten werden.

Den Klimaschutzfonds bemängelte Walther als inhaltsleer. Es bestehe die Gefahr, dass die Umweltpolitik wieder in die Geiselhaft der Agrarpolitik genommen werde. Mit sanften Maßnahmen seien die Klimaziele jedenfalls nicht zu erreichen, auf rein technische Lösungen dürfe man sich längerfristig nicht verlassen, mahnte Walther. In der Bildungspolitik wiederum plädierte er dafür, mehr Mittel in den Problemzonen, insbesondere in den Volks- und Hauptschulen im städtischen Bereich einzusetzen.

Molterer: Ausgeglichener Haushalt und wichtige Investitionsimpulse

Finanzminister Wilhelm Molterer sprach von einer hochinteressanten Diskussion, die eine breite Meinungsvielfalt widerspiegle. Er glaube, dass es der Regierung sehr gut gelungen sei, die verschiedensten Interessen zu bündeln und letztlich eine solide finanzielle Basis für die beiden Jahre 2007 und 2008 zu erstellen.

Einen weitgehenden Konsens gebe es bezüglich der den Budgets zu Grunde liegenden Prinzipien, meinte Molterer. Einerseits gehe es darum, das langfristige Ziel eines ausgeglichenen Haushalts nicht außer Auge zu lassen. Außerdem müssen die richtigen investitiven Signale für die Zukunft gesetzt werden, damit Wachstum und Beschäftigung angekurbelt werden. Die dafür notwendigen Spielräume sollen durch entsprechende Strukturreformen geschaffen werden, führte der Vizekanzler weiter aus. Ein weiterer Eckpunkt sei eine Reduktion der Abgabenquote, um sowohl die Kaufkraft als auch den Wettbewerb zu stärken.

Was die Frage der Doppelbudgets angeht, so werde jetzt das Budget des Jahres 2008 beschlossen und der Beschluss des Budgets 2007 quasi nachgeholt, erläuterte Molterer. Wichtig für ihn sei jedoch eine Weiterentwicklung des Haushaltsrechts, eine entsprechende Novelle soll noch in dieser Legislaturperiode vorgelegt werden.

Bezüglich der Einnahmenschätzungen habe man sich auf die Wifo-Prognosen vom Dezember des Vorjahres bezogen, erklärte Molterer, da er der Auffassung sei, dass man bei der Budgeterstellung auf der "sicheren Seite" sein soll. Gerade in wirtschaftlich guten Zeiten sei es schwierig, Budgets vorzulegen, da natürlich die Begehrlichkeiten sehr groß seien. Aber er sei überzeugt davon, dass steigende Einnahmen dafür genützt werden müssen, um das Defizit abzubauen. Wenn man keine Steuerentlastung und keine Konjunkturpakete durchgeführt hätte, wäre heuer schon ein Überschuss möglich gewesen, räumte der Finanzminister ein. Man habe sich jedoch ganz bewusst für diese Maßnahmen entschieden, um die Kaufkraft und die Binnennachfrage zu stärken. Der steigende Inlandskonsum sei ein Beweis dafür, dass dies auch gelungen ist.

Molterer ging sodann auf die Frage der Primärüberschüsse ein, die für ihn sehr wohl relevant sei. Die Zahlen belegen, dass eine steigende Tendenz erkennbar ist, und zwar von 1,3 % im Jahr 2005 auf etwa 1,8 % im Jahr 2008. Bei den Schulden erwarte man sich, dass im Jahr 2008 die "magische" Grenze von 60 % unterschritten wird.

Schließlich wies der Minister noch darauf hin, in welchen konkreten Bereichen Investitionssignale gesetzt werden. Als Beispiele nannte er die zusätzlichen Mittel für Bildung, Universitäten, Forschung und Entwicklung, Klimaschutz sowie die Maßnahmen im Bereich der Infrastruktur. Obwohl die Arbeitslosigkeit sinke, werden auch die Ausgaben für die Arbeitmarktpolitik auf dem bisherigen Niveau bleiben, betonte Molterer. Gleichzeitig sei ihm auch die Verwaltungsreform ein großes Anliegen, die sowohl Bund als auch Länder und Gemeinden betreffe.

Der Vizekanzler teilte mit, dass bereits intensiv an den Vorbereitungen für eine Steuerentlastung im Jahr 2010 gearbeitet werde. Da man die wirtschaftliche Entwicklung nicht so langfristig vorhersehen könne, wolle er auch noch keine Angaben bezüglich eines konkreten Volumens machen. Generelle Ziele seien jedenfalls, die Abgabenquote zu senken und die Kaufkraft zu stärken, betonte er.

Staatssekretär Christoph Matznetter war der Auffassung, dass die vorliegenden Budgets sehr transparent gestaltet wurden und er empfahl eine eingehende Lektüre des Budgetberichts, aus dem man viel herauslesen könne. Auch er ging auf die Investitionsschwerpunkte ein, wie z.B. die zusätzlichen Mittel für die Bildung oder für den sozialen Bereich, wo deutliche Akzente gesetzt wurden. Als Beispiele führte er die Anhebung der Ausgleichszulagenrichtsätze oder des Bundespflegegeldes an. Was die generelle Ausrichtung des Budgets betrifft, so stimme er voll mit Molterer überein, da man versuchen müsse, "in guten Zeiten die notwendigen Spielräume zu schaffen".

In Beantwortung einer Frage des G-Abgeordneten Bruno Rossmann stellte der Budgetexperte Oliver Ginthör fest, dass es bei der Verwaltungsreform nicht um ein einfaches "Köpfezählen" gehe. Es seien verstärkte Maßnahmen notwendig, u.a. eine klare Definition sowie eine Einschränkung der Aufgaben, um die Effizienz zu steigern. Was die Entwicklungen bei der Körperschaftssteuer angeht, so habe man trotz der Senkung des Steuersatzes im Jahr 2005 überraschenderweise keinen Einbruch bei den Einnahmen bemerkt (nur minus 42 Millionen Euro). Die Absenkung der KöSt habe aber – ebenso wie die Möglichkeit der Gruppenbesteuerung – zu einer Erhöhung der Attraktivität des Standortes geführt. Nicht genug wurde seiner Meinung nach bezüglich der Entlastung des Faktors Arbeit getan, wobei auch die Sozialversicherung miteinbezogen werden muss. Viel werde auch davon abhängen, ob die Effizienz des Gesundheitssystems gesteigert werden könne, urteilte er. Das Volumen der geplanten Steuerreform, die möglichst bald kommen sollte, müsste seiner Ansicht nach bei etwa 3 bis 5 Mrd. € liegen.

Auch Gerhard Lehner stellte hinsichtlich der Körperschaftssteuer fest, dass die Gewinnentwicklung in den letzten zwei Jahren die Steuerreform überholt habe; die diesbezüglichen Ansätze im Budget halte er im großen und ganzen für realistisch. Abgeordnetem Franz Eßl (V) gegenüber merkte er an, dass die positiven wirtschaftlichen Effekte aber schwer zu quantifizieren wären. Der Einnahmenentfall durch die Gruppenbesteuerung werde etwa mit 150 bis 200 Mill. € beziffert, was aber angesichts der positiven Auswirkungen eine vertretbare Größenordnung sei.

Markus Marterbauer lobte die verbesserte Transparenz der Budgets, einige Punkte, wie z.B. der Stellenplan des Innenministeriums, seien allerdings schwer nachzuvollziehen. Bei der Körperschaftssteuer schloss sich Marterbauer den Aussagen von Lehner an; der einnahmendämpfende Effekt wurde durch die ausgezeichneten Gewinne überkompensiert. Er rechne damit, dass im Jahr 2008 noch höhere Einnahmen zu erwarten sind. Generell sollten diese Fragen auf europäischer Ebene gelöst werden, da nur solange ein Effekt erzielt werden könne, bis auch die nächsten Länder nachziehen. Ausdrücklich warnte er davor, dass jetzt, wo die wirtschaftliche Situation gut sei, die Steuern gesenkt werden. Als eines der größten Probleme sah er die Konsumschwäche an, die er auf die schwache Einkommensentwicklung, die zunehmende Schere in der Einkommensverteilung sowie auf die Verunsicherung aufgrund der steigenden Arbeitslosigkeit zurückführte. Aus verteilungspolitischer Sicht haben die Budgets 2007 und 2008 leicht positive Effekte, schloss er.

Herbert Walther hielt es für notwendig, dass bei der Unternehmensbesteuerung gewisse Mindestgrenzen und Rahmenbestimmungen festgelegt werden. Ansonsten werde der Steuerwettbewerb dazu führen, dass in ganz Europa die Steuerlast auf jene gelegt werde, die nicht mobil sind, also die Arbeitnehmer. Positiv beurteilte er, dass ein Budget präsentiert wurde, das halbwegs konjunkturell angemessen sei.

(Forts./Budgetbegleitgesetz)