Parlamentskorrespondenz Nr. 417 vom 30.05.2007

EU-Unterausschuss diskutiert Abkommen mit AKP-Staaten

WTO: Landwirtschaft und Industrieproduktion weiterhin Knackpunkte

Wien (PK) – Der Ständige Unterausschuss in Angelegenheiten der Europäischen Union befasste sich heute eingehend mit den geplanten Wirtschaftspartnerschaftsabkommen der EU mit den AKP-Staaten sowie mit dem Stand der WTO-Verhandlungen.

Derzeit besteht zwischen der EU und den AKP-Ländern mit Ausnahme Kubas das so genannte Cotonou-Abkommen, das seit 2003 in Kraft ist. Intention dieses Vertrages ist es, durch enge wirtschaftliche und handelspolitische Kooperation die Armut in den AKP-Staaten zu reduzieren. Dieses Abkommen soll nun durch Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (Economic Partnership Agreements – EPAs) ersetzt werden.

Wirtschaftsminister Martin Bartenstein unterstrich in diesem Zusammenhang, dass seitens der EU der entwicklungspolitische Aspekt im Vordergrund stehe. Ziel sei es, in den AKP-Staaten eine nachhaltige Entwicklung zu fördern. In den laufenden Verhandlungen sei ein Zeitdruck entstanden, da der geltende WTO-Waiver, wonach die Abkommen nicht auf WTO-Konformität geprüft werden müssen, Ende des Jahres abläuft. Eine Verzögerung des Beschlusses würde wesentliche Verschlechterungen für die AKP-Staaten nach sich ziehen, insbesondere für die non-LDCs (nicht Least Developed Countries). Bartenstein artikulierte auch die vielfach geäußerte Sorge, die Marktliberalisierung würde die Märkte der betreffenden Länder mit EU-Produkten überschwemmen. Dem widersprächen aber die Ziele, die die EU mit diesen Abkommen verfolge, sagte der Minister, außerdem sei die EU zu großer Flexibilität und Asymmetrie bereit. Man wolle den AKP-Staaten einen quoten- und zollfreien Marktzugang verschaffen, wobei auch Ursprungsregeln ausgearbeitet würden. Ausgenommen seien Zucker und Mais, auch Südafrika beträfen diese Abkommen nicht. Als Begleitmaßnahme sehe die EU ab 2010 eine finanzielle Unterstützung von 2 Mrd. € jährlich für die AKP-Staaten vor, für die Jahre 2008 bis 2013 gebe es einen Development Fund.

Was die WTO-Verhandlungen betrifft, so stehe man nunmehr an einem Scheideweg, sagte Bartenstein. Als äußerst sensible Punkte seien weiterhin die Marktöffnung für die Landwirtschaft, die Industriezölle sowie die Landwirtschaftssubventionen heftig umstritten. In den letzten Wochen habe sich jedoch eine Dynamik entwickelt, und so sei für Mitte Juni ein fünftägiger Verhandlungsmarathon in Aussicht genommen, um Lösungsvorschläge für diese Bereiche zu erarbeiten. Österreich sei jedenfalls an einem Abschluss interessiert, betonte der Wirtschaftsminister, auch für die EU stehe der multilaterale Prozess im Vordergrund. Agreements würden subsidiär ausverhandelt.

Diskussion um Marktliberalisierung als Mittel zur Armutsbekämpfung

In der Diskussion sprach Abgeordnete Petra Bayr (S) abermals die Angst vieler afrikanischer Staaten an, dass die EU zwar Türen öffne, diese aber auf Grund der Strukturen der AKP-Länder nicht genützt werden können. Lokale Produkte könnten in Gefahr geraten, nicht mehr marktfähig zu sein. Außerdem sei der Anpassungsbedarf der nationalen Gesetze sehr groß. Dazu komme, dass manche Länder ihren Staatshaushalt bis zu 40 % aus den Zöllen decken, was budgetäre Probleme aufwerfe. Wenn man mit den Ausgleichszahlungen erst mit 2010 beginne, so würde eine Lücke von 2 Jahren entstehen. Bayr widersprach auch der oftmals geäußerten Meinung, dass die Liberalisierung der Märkte an sich zur Armutsbekämpfung führe.

Auch Abgeordneter Andreas Schieder (S) stellte den entwicklungspolitischen Aspekt in den Vordergrund. Freier Handel bedeute nicht a priori fairer Handel, merkte er an. Deshalb sei es notwendig, den Prozess der Handelsbeziehungen mit Normen zu begleiten, insbesondere in Hinblick auf die Arbeitswelt und den Umweltschutz. Abgeordneter Caspar Einem (S) schlug in diesem Zusammenhang vor, mit Nachdruck zu verlangen, die Einrichtung freier Gewerkschaften als verbindliches Element in den Verträgen zu verankern. Ähnlich äußerte sich Abgeordnete Ulrike Lunacek (G), die feststellte, Marktliberalisierung sei nicht per se ein Mittel zur Armutsbekämpfung.

Wirtschaftsminister Martin Bartenstein entgegnete darauf, die Liberalisierung der Märkte sei eines der Instrumentarium zur Armutsbekämpfung. Als Hindernisse zur Armutsbekämpfung hätten sich jedenfalls Handelseinschränkungen und Protektionismus erwiesen. Das Beispiel Asien zeige deutlich, dass die Marktöffnung erhebliche Beiträge zur Armutsbekämpfung leisten könne. Selbstverständlich seien in der Beziehung zwischen ungleichen Ländern andere Herangehensweisen notwendig. Es gebe aber Bereiche, die für eine Marktöffnung nicht geeignet seien, und hier hätte die Entwicklungshilfe einzusetzen. Er sehe daher nicht ein Entweder – Oder, sondern ein Sowohl – Als Auch, nämlich sowohl Marktöffnung als auch Entwicklungshilfe.

Dazu bemerkte Abgeordnete Ulrike Lunacek (G), die unterschiedliche Entwicklung zwischen Asien und Afrika sei auch auf die strukturellen Unterschiede der Länder und Regionen selbst zurückzuführen. Während in Afrika die Rohstoffabhängigkeit überwiege, hätte sich beispielsweise in Indien, aber auch in anderen asiatischen Ländern, auf Grund von Bildungseinrichtungen und einer eigenen Produktion ein Mittelstand herausbilden können. Dem pflichtete Bartenstein bei, indem er die Qualifikation und Ausbildung der Menschen als einen wesentlichen Aspekt bei der Entwicklung eines Landes herausstrich.

Einem verlieh seiner Sorge darüber Ausdruck, dass die Öffnung des Arbeitsmarkts für Models missbraucht werden und zu einer Möglichkeit für Frauenhandel führen könnte. Man werde hier hohe Standards anlegen, versicherte der Minister, um Missbrauch zu verhindern. Auch Abgeordneter Gerhard Kurzmann (F) hatte in seiner Wortmeldung insbesondere die Befürchtung geäußert, dass es auf Grund der Abkommen zu einer größeren Zuwanderung kommen könnte.

Abgeordnete Ulrike Lunacek (G) bewertete es positiv, dass auch der Rat der EU, die Liberalisierungsschritte mit ILO-Standards verknüpfe. Sie begrüßte zwar die Anpassungshilfe von 2 Mrd. € , meinte aber, dass ExpertInnen von einem Bedarf von 9 Mrd. € ausgehen. Dazu stellte Minister Bartenstein fest, dass die Anpassungshilfe von 2 Mrd. € ab 2010 jährlich und ohne Befristung ausbezahlt werde. Eine Milliarde werde als neuer Posten seitens der EU-Kommission aufgebracht und die zweite Milliarde komme von den EU-Ländern auf Grund von Umschichtungen.

Lunacek kam auf die Verhandlungsdauer und den nunmehrigen Verhandlungsdruck zurück und stellte die Frage, warum man so sehr auf Abschluss dränge. Wichtig sei doch, dass für die AKP-Staaten ein gutes Verhandlungsergebnis herauskomme. Sie halte es auch für den falschen Weg, Entwicklungsfinanzierung an Reformen zu knüpfen.

Der Zeitrahmen sei ohne Zweifel knapp, gab daraufhin Bartenstein zu, aber es liege auch im Interesse der AKP-Länder, zu einem Abschluss zu kommen, um keine Störung des Marktes zu verursachen. Er ging damit auch auf eine Wortmeldung der Abgeordneten Dorothea Schittenhelm (V) ein, die sich nach Alternativen zum WTO-Waiver erkundigt hatte. Außerdem sei die EU bereit, die Verluste aus den Zolleinnahmen abzudecken, sagte Bartenstein. Eine Verlängerung des WTO-Waivers hätte durchaus seinen Preis und die Schaffung eines EPA-Plus-Status sei nicht sinnvoll, da nur ein Land die Voraussetzungen dafür mitbringe. Er sehe daher keine vernünftige Alternative zu einer zeitgerechten Behandlung. Was Reformmaßnahmen betreffe, so gebe es dafür Prioritäten, fuhr Bartenstein in Beantwortung der von Abgeordneter Lunacek gestellten Fragen fort. Diese würden gemeinsam als Voraussetzung für die Gelder vereinbart.

Abgeordneter Veit Schalle (B) wies auf die steigende Bedeutung hin, die China dem afrikanischen Kontinent beimisst. Die AKP-Staaten würden derzeit von China ausgebeutet, vor allem um Rohstoffe abzubauen. Seiner Sorge, wie man die entsprechende Verwendung der Gelder aus der EU kontrollieren werde, begegnete Bartenstein mit dem Hinweis, dass die NGOs mit ihren Partnerorganisationen ein gut funktionierendes Netz aufgebaut hätten, womit gewährleistet werde, dass die Gelder in die richtigen Strukturen fließen. Man werde jedoch nicht von den hohen Standards der Ernährungssicherheit abgehen, versicherte er, vielmehr müsse man den Ländern helfen, diese notwenigen Hürden zu überwinden.

Gegenüber Abgeordnetem Veit Schalle (B), der sich auch für den Erhalt der kleinen bäuerlichen Strukturen eingesetzt hatte, bemerkte Abgeordneter Franz Glaser (V), es werde nicht möglich sein, die Strukturen in diesen Ländern zu konservieren. Dies würde zu einem Kollaps führen, weshalb es einer angepassten Entwicklung bedürfe. Nur so würde man die Ernährungs- und Energiesouveränität erhalten können. In diesen Ländern müsse man aber auch die Wettbewerbsfähigkeit fördern. Er, Glaser, habe jedoch den Eindruck, dass die betreffenden Staaten ein neues Selbstbewusstsein haben. Abgeordnete Ulrike Lunacek (G) räumte ein, dass eine Entwicklung der Wirtschaft und der Landwirtschaft erforderlich sei. Dennoch komme es gerade in diesen Ländern auch auf Grund von Monopolisierung zur Landflucht. Man müsse daher sensibel vorgehen, sagte sie.

WTO-Verhandlungen: Keine Liberalisierung der Daseinsvorsorge

Die Abgeordneten Caspar Einem und Petra Bayr (beide S), Beatrix Karl (V) sowie Ulrike Lunacek (G) thematisierten die Liberalisierung der Dienstleistungen im Rahmen der WTO. Bayr wollte wissen, wie man seitens der EU sicherstellen wolle, dass es zu keiner weiteren Liberalisierung der Dienstleistungen kommt, insbesondere zu keiner Liberalisierung der Daseinsvorsorge.

Dazu informierte der Minister, dass Brüssel vor dem Hintergrund der Verhandlungen zur Dienstleistungsrichtlinie sehr vorsichtig geworden sei. Was arbeitsrechtliche Standards betreffe, die von den Abgeordneten Andreas Schieder und Caspar Einem (beide S) eingefordert worden waren, so teilte Bartenstein grundsätzlich deren Auffassung, räumte jedoch realistischerweise ein, dass Österreich in Brüssel nicht selten der einzige Rufer nach arbeitsrechtlichem Schutz und Umweltschutz sei. Auf WTO-Ebene werde "das Ganze dann völlig ruhig", so der Minister. Auch die Entwicklungsländer lehnten arbeitsrechtliche Standards ab.

Wichtig sei der Investitionsschutz, fuhr Bartenstein fort. Was das Problem der Landwirtschaft betrifft, so sei die Frage der Ernährungssicherheit im Mandat enthalten. Alle Beteiligten müssten jedoch Flexibilität zeigen. Viele Entwicklungsländer seien in der Zwischenzeit zu Nahrungsmittelimporteuren geworden. Dazu sei zu bemerken, dass nicht Europa der große Exporteur sei, sondern beispielsweise Schwellenländer wie Brasilien. Die Marktverzerrungen liefen nicht mehr allein zwischen EU und Entwicklungsländern, sondern auch innerhalb der Entwicklungsländer. (Schluss)