Parlamentskorrespondenz Nr. 709 vom 09.10.2007

Expertengruppe: Einheitlicher Anlagenbegriff kaum möglich

Ausdehnung der Parteistellung wäre sehr sorgfältig zu erwägen

Wien (PK) – Die Definition eines einheitlichen, für alle Materien geltenden Anlagenbegriffs ist aufgrund unterschiedlicher Schutzzwecke einzelner Materiengesetze kaum möglich. Deshalb empfiehlt sich eine Weiterverfolgung dieses Ansatzes nicht. Zu diesem Schluss kommt eine im Bundeskanzleramt eingerichtete Expertengruppe, die sich im Sinne des Regierungsprogramms eingehend mit dem Themenkomplex Anlagenrecht, einheitlicher Anlagenbegriff und einheitlicher Parteienbegriff befasst hat und deren Bericht (III-83 d.B.) nun dem Parlament vorgelegt wurde.

Schon aufgrund des europäischen Gemeinschaftsrechts ergebe sich die zwingende Notwendigkeit verschiedenartiger Anlagenbegriffe, heißt es im Bericht, zudem würde ein einheitlicher Anlagenbegriff für Wirtschaftstreibende und Behörden keine maßgeblichen Verbesserungen bringen, wenn damit nicht gleichzeitig auch eine Vereinheitlichung des Anlagenrechts verbunden wäre. Die Expertinnen und Experten regen anstelle eines vereinheitlichten Anlagenbegriffs daher eine Verbesserung der Aus- und Fortbildung der AnlagenreferentInnen und der Sachverständigen, eine Verbesserung der Informationstätigkeit durch die Zentralstellen sowie verbesserte innerorganisatorische Maßnahmen und eine verstärkte Koordination von Anlagenverfahren an.

Differenziert wird von den Expertinnen und Experten die Frage der Nachbarrechte in Anlagenverfahren beurteilt. Ihrer Meinung nach gilt es hier vor allem einmal politisch zu klären, ob einem raschen Verfahren oder der Rechtssicherheit Priorität eingeräumt werden soll, wobei ausdrücklich festgehalten wird, dass durch die Gewährung von Parteienstellung die Rechtssicherheit erhöht wird. Übergangene Parteien würden schließlich die Gefahr der Ausschöpfung des Instanzenzugs bzw. die Gefahr von Zivilprozessen ansteigen lassen. Vermerkt wird in diesem Zusammenhang überdies, dass eine persönliche Ladung von Parteien – statt der Kundmachung in Tageszeitungen – nach Erfahrungen der Praxis den sozialen Frieden und die Akzeptanz behördlicher Entscheidungen erhöht.

Grundsätzlich sprechen sich die ExpertInnen dafür aus, in legistischer Hinsicht eine größtmögliche Angleichung der Regelungen in Bezug auf die Parteienstellung zu erreichen, sich bei der Ausgestaltung der Nachbarrechte aber weiter an den Schutzzwecken des jeweiligen Gesetzes zu orientieren. Als vorbildliche legistische Regelungen, die auch für andere Bereiche Modellcharakter haben könnten, wird von ihnen insbesondere das Steiermärkische Baugesetz sowie die Delegationsmöglichkeit nach der Niederösterreichischen Bauordnung angeführt.

Unbestritten ist der Expertengruppe zufolge, dass sich ein gut funktionierender "Sachverständigenapparat" positiv auf den Verfahrensablauf und die Verfahrensdauer auswirkt. Dennoch werden bundesweite Pools von Sachverständigen, auf die alle Gebietskörperschaften zugreifen können, zwiespältig gesehen. Die ExpertInnen verweisen etwa auf die Gefahr einer Externalisierung der Kosten einzelner Behörden und geben zu bedenken, dass jedenfalls die Schaffung verfassungsgesetzlicher Grundlagen notwendig wäre. Alternativ zu den im Regierungsprogramm vorgeschlagenen Sachverständigen-Pools können sich die ExpertInnen Sachverständigen-Pools für den Bereich eines Landes und der gleichzeitigen Koordinierung der Vorgangswiese mit Hilfe einer Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern gemäß Art. 15a B-VG vorstellen.

Über ihr Mandat hinaus hat die Expertengruppe, die sich aus VertreterInnen aller Bundesministerien, des Verfassungsdienstes des Bundeskanzleramtes, der Sozialpartner, der Länder sowie des Städte- und Gemeindebundes zusammensetzte, eine Reihe weiterer Vorschläge gemacht. Dazu zählen die Evaluierung des vereinfachten Verfahrens und des Probebetriebs gemäß der Gewerbeordnung, eine stärkere Verfahrenskoordination auch in Bezug auf das Baurecht, eine Vereinfachung der Ladung potentieller Parteien, ein österreichweiter, regelmäßiger Erfahrungsaustausch von AnlagenreferentInnen sowie die Ausbildung der AnlagenreferentInnen in Konfliktmanagement und Mediation. Auch eine Missbrauchsregelung für Fälle, wo Konkurrenzunternehmen des Anlagenwerbers wiederholt die Parteistellung missbrauchen und etwa die Verfahrensführung von Anrainern finanzieren, um neue Konkurrenten zu verhindern, wird eingemahnt.

Angeschlossen an den Bericht sind ein Teilnehmerliste der Expertengruppe, Resümeeprotokolle der einzelnen Sitzungen und eine umfassende Auflistung von Anlagenbestimmungen in Bundesgesetzen. (Schluss)