Parlamentskorrespondenz Nr. 851 vom 09.11.2007

Hauptausschuss stimmt weiteren internationalen Entsendungen zu

Österreichisches Bundesheer-Kontingent in Bosnien wird halbiert

Wien (PK) – Der Hauptausschuss des Nationalrats stimmte in seiner heutigen Sitzung nicht nur der Teilnahme Österreichs an der EU-Mission im Tschad zu, sondern befasste sich auch mit einer Reihe anderer internationaler Einsätze österreichischer Angehöriger des Bundesheeres, der Polizei und der Justiz. Unter anderem ging es um die Verlängerung der Einsätze in Afghanistan, im Kosovo, in Bosnien-Herzegowina, im Nahen Osten und in Zypern. Mit Ausnahme des Afghanistan-Einsatzes wurden dabei alle Anträge der Außenministerin vom Hauptausschuss einhellig gebilligt, für die weitere Beteiligung Österreichs an der internationalen Sicherheitsbeistandstruppe in Afghanistan (ISAF) stimmten SPÖ, ÖVP und Grüne.

Im Rahmen der Diskussion im Ausschuss räumte Staatssekretär Hans Winkler ein, dass die Situation in Afghanistan kritischer geworden sei, vor allem im Süden des Landes. Als umso wichtiger wertete er daher den Einsatz der internationalen Sicherheitsbeistandstruppe. Österreich beteiligt sich seit dem Jahr 2002 an diesem Einsatz und wird, vorerst begrenzt mit 31. Dezember 2008, auch in Hinkunft bis zu 10 Stabsmitglieder des Bundesheeres und bis zu fünf weitere Einsatzkräfte für vorbereitende und unterstützende Tätigkeiten stellen.

Was den multinationalen Friedenseinsatz im Kosovo betrifft, hielt Staatssekretär Winkler gegenüber den Abgeordneten fest, dass der Einsatz getrennt vom Status des Kosovo gesehen werden müsse. Es gebe überhaupt keinen Zweifel daran, dass das UNO-Mandat auch dann weiter gelte, sollte es nach dem 10. Dezember zu einer einseitigen Unabhängigkeitserklärung kommen, betonte er. Er hoffe allerdings, so Winkler, immer noch auf eine einvernehmliche Lösung.

Wie sich Österreich im Falle einer einseitigen Unabhängigkeitserklärung verhalten würde, darauf wollte sich Winkler nicht festlegen. Seiner Meinung nach ist es aber von großer Bedeutung, dass die EU-Länder geschlossen vorgehen, eine Meinung die auch der außenpolitische Sprecher der SPÖ Andreas Schieder vertrat. Schieder betonte, es dürfe nicht so sein, dass einzelne EU-Staaten die anderen Mitglieder unter Zugzwang setzten.

Abgeordnete Ulrike Lunacek sprach sich für den Fall einer einseitigen Unabhängigkeitserklärung strikt gegen eine Anerkennung des Kosovo durch Österreich aus. Ihrer Ansicht nach wäre das ein neutralitätsrechtliches Problem.

Um die Hälfte reduziert wird die österreichische Truppenstärke in Bosnien und Herzegowina. Grund dafür ist die positive Entwicklung der Sicherheitslage in der Region, die die EU veranlasst hat, die Personalstärke der Operation ALTHEA im ersten Halbjahr 2007 von 6.500 auf 2.500 Personen zu verringern. In einem Krisenfall ist es allerdings möglich, das österreichische Kontingent für einen Zeitraum von drei Monaten um bis zu 250 Personen aufzustocken. Weitere 30 Personen können für vorbereitende und unterstützende Tätigkeit entsendet werden. Grundlagen für ALTHEA bilden das Rahmenübereinkommen für den Frieden in Bosnien und Herzegowina (Dayton Abkommen) und das betreffende UNO-Mandat.

Der Klubobmann der Grünen Alexander Van der Bellen und sein Fraktionskollege Peter Pilz sprachen sich im Zusammenhang mit dem Bosnien-Einsatz grundsätzlich gegen "Vorratsbeschlüsse" bei internationalen Entsendungen aus, gestanden aber zu, dass es im vorliegenden Fall sachliche Gründe für ein solches Vorgehen gebe.

Was die Entsendung von bis zu vier ZollbeamtInnen und bis zu zwei PolizistInnen zur EU-Grenzassistenzmission in Rafah anbelangt, teilte Staatssekretär Winkler den Abgeordneten mit, dass der Grenzübergang derzeit geschlossen sei, der Einsatz im Falle einer Öffnung aber wieder aufgenommen werden solle. Die betroffenen BeamtInnen würden sowohl in Israel als auch in Palästina die übliche Immunität genießen, versicherte er auf eine Anfrage von Abgeordnetem Leopold Mayerhofer (F).

Die Entsendungen im Detail

Im Detail wird Österreich auch künftig mit bis zu 600 Angehörigen des Bundesheeres sowie bis zu weiteren 100 Heeresangehörigen in einem Infanteriekontingent am multinationalen Friedenseinsatz im Kosovo (KFOR) teilnehmen, wobei der Einsatz vorerst bis 31. Dezember 2008 genehmigt wurde. Für den Fall einer Krise sind zur kurzfristigen Verstärkung - der Antrag der Außenministerin spricht von maximal drei Monaten - zusätzliche 250 Bundesheerangehörige vorgesehen. Bis zu 30 weitere Personen können vorbereitende oder unterstützende Tätigkeiten ausführen.

Der Einsatzraum erstreckt sich auf das Gebiet des Kosovo und betrifft nicht die Pufferzone von 15 km Tiefe auf dem Gebiet von Serbien entlang der Grenze des Kosovo, die ebenfalls zum Einsatzgebiet der KFOR gehört. Die Durchführung von Versorgungsmaßnahmen erfolgt auch in Albanien, Griechenland und Mazedonien. Ziel der KFOR ist es, die Bestrebungen der Staatengemeinschaft zur Wiederherstellung von Frieden, Sicherheit und Stabilität in Südosteuropa und die Hilfeleistung für die Menschen im Kosovo weiterhin zu unterstützen.  

Österreich nimmt aber nicht nur an KFOR teil, sondern entsendet auch bis zu fünf österreichische PolizistInnen und bis zu zehn Angehörige des Bundesministeriums für Justiz zum EU-Planungsteam für eine mögliche EU-Rechtsstaatlichkeitsmission im Kosovo (EUPT Kosovo).

Die EU-Mission soll die Aufgaben der UNO-Übergangsverwaltungsmission UNMIK in den Bereichen Polizei und Justiz übernehmen. Wie es seitens des Außenministeriums heißt, besteht zwar derzeit noch immer Unsicherheit bezüglich der Klärung des endgültigen Status des Kosovo, dennoch erscheint eine Übergabe der Agenden im Laufe des ersten Halbjahres 2008 möglich. Das Planungsteam soll einen reibungslosen Übergang der Aufgaben von UNMIK im Bereich Justiz und Polizei an die EU-Mission sicherstellen.

Gleichfalls fortgesetzt wird die Entsendung von bis zu fünf PolizistInnen zur EU-Polizeimission in Bosnien und Herzegowina (EUPM) bis zum 31. Dezember 2008. Der Einsatz hat zum Ziel, mittels Anleitung, Beobachtung und Inspektion zur Einrichtung einer tragfähigen, professionellen und multiethnischen Polizeistruktur beizutragen, die internationalen Standards entspricht. Da diese Ziele noch nicht erreicht worden sind, will die EU die Mission bis Ende 2009 verlängern.

Beendigung der Mission in Albanien und Montenegro

Mit Ende 2007 beendet wird hingegen die European Union Monitoring Mission in Albanien und Montenegro (EUMM). Allerdings wird ein Team von drei BeobachterInnen bis 31. März 2008 noch abschließende Aktivitäten in Sarajewo und Pristina durchführen. Diesem Team wird auch ein Angehöriger des österreichischen Bundesheeres angehören. Gleichzeitig sind bei Bedarf fünf österreichische SoldatInnen für vorbereitende und unterstützende Tätigkeiten vorgesehen.

Missionen in den Palästinensergebieten

Österreich engagiert sich seit Jahren im Rahmen internationaler Programme im Nahen Osten. Auch diese Entsendungen sollen bis zunächst 31. Dezember 2008 weitergeführt werden.

So werden auch in Zukunft bis zu vier ZollbeamtInnen und bis zu zwei PolizistInnen ihren Dienst bei der EU Grenzassistenzmission EU BAM Rafah (EU Border Assistance Mission Rafah) versehen. Sie sollen mithelfen, die Umsetzung des Übereinkommens für den Grenzübergang Rafah zwischen der Palästinensischen Behörde und Israel zu kontrollieren und zur Zusammenarbeit zwischen palästinensischen, israelischen und ägyptischen Behörden beizutragen. Da der Grenzübergang seit der Machtübernahme der Hamas im Gazastreifen gänzlich geschlossen ist, konzentriert sich die Tätigkeit der Mission derzeit auf die Ausbildung von Grenzbeamten der Palästinensischen Behörde.

Darüber hinaus wird Österreich ein bis zwei StrafrechtsexpertInnen und bis zu zwei PolizistInnen zur EU-Polizeimission für die Palästinensischen Gebiete (EUPOL COPPS – Coordinating Office for Palestinian Police Support) entsenden. Sie sollen helfen, einen modernen und effektiven Polizeiapparat mit internationalen Standards aufzubauen. Die Palästinensische Zivilpolizei steht auch nach den jüngsten Auseinandersetzungen zwischen Fatah und Hamas unter der Kontrolle des Präsidenten der Palästinensischen Behörde, Mahmoud Abbas. Die Fortsetzung von EUPOL COPPS habe daher an zusätzlicher Bedeutung gewonnen, da sie gleichzeitig eine Stärkung der gemäßigten Elemente um den Präsidenten bedeutet, so die Außenministerin.

Einsatz für den Irak außerhalb des Irak

Fünf AusbildnerInnen aus dem Bundesministerium für Inneres und dem Bundesministerium für Justiz sollen im Rahmen der Integrierten Mission der Europäischen Union zur Stützung der Rechtsstaatlichkeit im Irak (EUJUST LEX) bis Ende 2008 an entsprechenden Ausbildungsinstitutionen tätig sein. Diese Institutionen fungieren unter der Obhut anderer EU-Mitgliedstaaten und befinden sich außerhalb des Irak. Wie der Antrag der Außenministerin ausführt, konnten in den ersten 27 Monaten der Mission insgesamt 1.237 höhere Beamte des irakischen Polizei- und Justizwesens ausgebildet werden. Die Kurse seien bisher in 13 EU-Mitgliedstaaten abgehalten worden.

Verlängerung der Missionen in Georgien, am Golan und in Zypern

Auch UNOMIG, die United Nations Observer Mission in Georgia, wird von Österreich weiter bis 31. Dezember 2008 unterstützt. Bis zu zwei Angehörige des Bundesheeres als Militärbeobachter und bis zu fünf weitere Personen für vorbereitende und unterstützende Tätigkeiten sind dafür vorgesehen. Der Einsatzraum umfasst das Gebiet von Abchasien bzw. die Region Suchumi. UNOMIG soll das Waffenstillstandsabkommen zwischen der Regierung von Georgien und den abchasischen Behörden in Georgien sowie die auf seiner Grundlage gebildete Sicherheits- und Waffenverbotszone überwachen.

Ebenso werden österreichische SoldatInnen weiterhin die UNO-Friedenstruppe (United Nations Disengagement Observer Force – UNDOF) auf den Golanhöhen unterstützen. Wie es von Seiten der Außenministerin heißt, erscheint es im Hinblick auf die langjährige Beteiligung Österreichs an der Mission, die für den Frieden und die Stabilität im Nahen Osten sowie für die internationale Sicherheit besondere Bedeutung hat, angezeigt, diese Entsendung wegen der im Jahr 2007 andauernden, turnusmäßigen Übernahme von Funktionen, im bisherigen Umfang bis vorerst 31. Dezember 2008 fortzusetzen. Das österreichische Kontingent umfasst daher auch im nächsten Jahr bis zu 387 Bundesheerangehörige in einem Infanteriebataillon und als Stabsoffiziere im Hauptquartier. Für kurze Dauer darf die maximale Stärke um 5 Personen überschritten werden. Bis zu weitere 30 Personen sind für vorbereitende und unterstützende Tätigkeiten vorgesehen.

Auch Zypern, konkret die Trennungslinie zwischen dem griechischen und dem türkischen Teil Zyperns, gehört zum traditionellen Einsatzgebiet österreichischer SoldatInnen im Ausland. Somit werden bis Ende 2008 bis zu 8 Angehörige des Bundesheeres als Stabsangehörige und bis zu 5 weitere Personen für vorbereitende und unterstützende Tätigkeiten die UNO-Mission UNFICYP (United Nations Peacekeeping Force in Cyprus) unterstützen.

Schließlich stimmte der Hauptausschuss der Verlängerung der Entsendung von bis zu zwei Angehörigen des Bundesheeres als Stabsoffiziere von RACVIAC sowie der Entsendung von weitern 5 Personen für vorbereitende und unterstützende Tätigkeiten zu. RACVIAC ist das Regionale Verifikations- und Unterstützungszentrum zur Implementierung von Rüstungskontrollabkommen in Südosteuropa. Dieses Projekt wurde im Zuge des Stabilitätspakts für Südosteuropa beschlossen. Aufgaben von RACVIAC sind unter anderem Informationen über die Pflichten aus internationalen Rüstungskontrollabkommen, Implementierung von Verifikationseinsätzen, Training von ExpertInnen für nationale und internationale Verifikationseinsätze, vertrauensbildende Maßnahmen, Seminare und Informationsaustausch. (Schluss)