Parlamentskorrespondenz Nr. 852 vom 12.11.2007

EU-Unterausschuss diskutiert Strategie für Biotechnologie

BM Hahn: Österreich gehört zur Spitze

Wien (PK) – Der heutige Ständige Unterausschuss des Hauptausschusses in Angelegenheiten der Europäischen Union stand ganz im Zeichen der Fragen rund um Biowissenschaften und Biotechnologie. Grundlage dafür war eine Mitteilung der Kommission zur Halbzeitüberprüfung der diesbezüglichen Strategie. Diese war im Jahr 2002 von der Kommission entwickelt und veröffentlicht worden mit dem Ziel, bis zum Jahr 2010 Europa zum wettbewerbfähigsten Markt zu machen.

Bundesminister Johannes Hahn, der den Abgeordneten für Fragen zur Verfügung stand, betonte eingangs, die Biotechnologie werde als "die" Technik des 21. Jahrhunderts angesehen, sei aber nicht immer unumstritten. Über die Anwendung gebe es eine breite Debatte einschließlich der ethischen Dimension. Österreich unterscheide sich insofern von anderen Ländern, weil hier der öffentliche Diskurs weitaus stärker und kritischer geführt werde. Rote und weiße Biotechnologie werde als positiv empfunden, die grüne, also der Einsatz in der Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion, negativ. Was die Sicherheitsforschung betrifft, gehöre Österreich in Europa zur Spitze, obwohl die Risikoabschätzung grundsätzlich forschungsimmanent sein sollte, merkte er an.

Wie dem Bericht des Ministers zu entnehmen war, ist die Entwicklung in Österreich im Bereich der Biowissenschaften und Biotechnologie sehr positiv verlaufen, betrachtet man allein den Anteil von 15 % am gesamteuropäischen Biotechnologie-Forschungsmarkt. Das unterstreiche den hohen Stellenwert, den der Life-Science-Bereich in der österreichischen wissenschaftlichen Landschaft innehat, und man werde diesen Schwerpunkt auch in Zukunft setzen, sagte Hahn.

Eines der größten heimischen Projekte sei GEN-AU, das höchstdotierte Förderprogramm für Life-Sciences. Der Start sei 2001 gewesen und sei für einen Zeitraum von neun Jahren vorgesehen. Mit einem Fördervolumen von rund 100 Mill. € beabsichtige man damit, den Bereich der Biowissenschaften im Rahmen der Grundlagenforschung zu erfassen. Das Projekt sei in fünf Teilprojekte aufgesplittert, wobei sich ELSA mit den ethischen, legalen und sozialen Aspekten befasse. Auch das Institut für Technologiefolgenabschätzung nehme sich des Themas "Sicherheit und Risiko" an und schließlich beschäftige sich auch die Bioethikkommission mit diesen Fragen.

Um die volkswirtschaftliche Bedeutung der Biotechnologie zu unterstreichen, erläuterte Hahn, dass rund 50 Firmen dieser Sparte zuzurechnen und zirca 7.000 Vollzeitarbeitsplätze damit verbunden seien. 1.650 Personen seien im Bereich Forschung & Entwicklung tätig und die Branche habe im Jahr 2005 rund 7 Mrd. € umgesetzt. Der Schwerpunkt der heimischen Unternehmen liege bei der roten Biotechnologie, das heißt in der Entwicklung neuer Medikamente und Therapien, sowie bei der weißen Biotechnologie, wo es um vielfältige industrielle Anwendungen und Herstellungsverfahren gehe. Die Forschungsquote in diesem Bereich könne mit 14 % beziffert werden, wobei man von einem enormen Entwicklungspotential nach oben ausgehe. Grundsätzlich merkte der Minister an, 34,8 % der angemeldeten Patente auf europäischer Ebene entfielen auf Biowissenschaften und Biotechnologie.

Die Strategie der EU-Kommission

Die Strategie der Europäischen Kommission für Biowissenschaften und Biotechnologie gliedert sich in fünf relevante Punkte. Die Förderung der Forschung und Marktentwicklung für biowissenschaftliche und biotechnologische Anwendungen, wobei Österreich im Rahmen des 7. Rahmenforschungsprogramms stark engagiert ist, und zwar hinsichtlich Gesundheit, Lebensmittel, Landwirtschaft, Nanotechnologie und Sicherheitsforschung. Auch die Forschung für Klein- und Mittelbetriebe falle darunter. Der Wissenschaftsminister hob insbesondere das Programm "Joint Technology Initiatives" hervor, ein Programm, das sich bemüht, Europa in der pharmazeutischen und medizinischen Forschung wettbewerbsfähiger zu machen.

Die zweite Säule der Strategie betrifft die Förderung von Wettbewerbsfähigkeit, Wissenstransfer und Innovation von der Wissenschaftsbasis bis zur Industrie, wobei hier juristische und monetäre Aspekte im Vordergrund stünden. Hahn führte dazu aus, dass in Österreich die Novellierung des Patentgesetzes in Begutachtung sei und wies auch darauf hin, dass man hinsichtlich der Steuerbegünstigung von F&E sehr gut liege.

Der dritte Punkt der Strategie betrifft Anregung gesellschaftlicher Debatten über Nutzen und Risiken von Biowissenschaften und Biotechnologie. In diesem Zusammenhang informierte Hahn, dass man beabsichtige, auf europäischer Ebene ein Netzwerk nationaler Bioethikkommissionen einzurichten.

Schließlich zielt die Strategie auf die Gewährleistung eines nachhaltigen Beitrags der modernen Biotechnologie zur Landwirtschaft sowie auf die Verbesserung der Umsetzung und Wettbewerbswirkung von Rechtsvorschriften ab.

Antrag der Grünen zu Risikoforschung abgelehnt

Abgeordneter Wolfgang Pirklhuber (G) brachte in der Debatte einen Antrag auf Stellungnahme ein, der sich auf die Abstimmung zur Aufhebung des österreichischen Import- und Verwendungsverbots für gentechnisch veränderte Maislinien T25 und MON810 bezieht. Die Grünen kritisieren darin, dass eine fundierte und unabhängige Risikobewertung fehle. Nur dadurch könne man aber die Importverbote gegenüber der WTO wissenschaftlich ausreichend begründen und Gentechnikzulassungsanträge umfassend prüfen. Die Europäische Kommission überlasse die Risikobewertung jedoch der Europäischen Lebensmittelagentur, die sich fast ausschließlich an den Angaben der Zulassungswerber orientiere.

Die Grünen ersuchen in dem Antrag die Mitglieder der Bundesregierung, der Europäischen Kommission umgehend weitere Studien vorzulegen, um die österreichischen Importverbote mit neuen wissenschaftlichen Argumenten zu untermauern; sich weiters dafür einzusetzen, dass auf EU-Ebene eine unabhängige Risiko- und Sicherheitsforschung im Bereich der Agro-Gentechnik etabliert werde und schließlich aktiv dafür einzutreten, dass EU-weit gültige Rechtsgrundlagen für das Selbstbestimmungsrecht der Regionen auf Gentechnikfreiheit geschaffen werden.

Der gegenständliche Antrag wurde bei der Abstimmung mehrheitlich mit den Stimmen von SPÖ und ÖVP abgelehnt und blieb somit in der Minderheit.

In der Diskussion unterstrich Abgeordneter Pirklhuber (G), der Begriff Biotechnologie sei äußerst dynamisch und umfassend. Er vermisste eine etablierte kritische, öffentliche Diskussion in Europa und bedauerte, dass für die Risikoforschung zu wenig Geld vorhanden sei. Hier müsste der Wissenschaftsminister gemeinsam mit anderen zuständigen RessortkollegInnen eine Strategie entwickeln und eine Schwerpunktsetzung etablieren. Man brauche eine entsprechende Risikoforschung, da sonst die WTO konterkariere, betonte er. Pirklhuber forderte, an den österreichischen Universitäten, insbesondere an der Bodenkultur, eine ökologische Sicherheits- und Risikoforschung, etwa durch eine Gastprofessur, einzurichten. Weltweit hätten die wenigen RisikoforscherInnen mit massiven Schwierigkeiten zu kämpfen, stellte er fest.

Es gehe auch um die Selbstbestimmung der Regionen, appellierte Pirklhuber an Minister Hahn, der im Vorfeld der Diskussion darauf aufmerksam gemacht hatte, dass er keine detaillierten Einschätzungen in Bezug auf die Landwirtschaft machen könne. Wenn man Biodiversität, das auch Ziel der EU sei, ernst nehme, so müsse man bei der Forschung ansetzen, und dabei sollte Österreich eine Vorreiterrolle einnehmen.

FPÖ: Biotechnologie von Gentechnologie unterscheiden

Abgeordneter Norbert Hofer (F) thematisierte die Stammzellenforschung mit kritischem Blick auf deren ethische Problematik und regte an, mehr Geld für die adulte Stammzellenforschung bereit zu stellen. Hier gebe es auch bereits mehr klinische Anwendung. Das transatlantische Abkommen zu den Biopatenten benachteiligt seiner Meinung nach die europäischen Biowissenschaften und könnte den ausreichenden Schutz des geistigen Eigentums gefährden.

Abgeordneter Karlheinz Klement (F) regte an, genauere Definitionen zu verwenden und klar zwischen Biotechnologie und Gentechnologie zu unterscheiden. Die Biotechnologie im klassischen Sinn sei eine große Chance für Österreich, merkte er an. Klement äußerte sich auch skeptisch zur Gewinnung von Bioäthanol aus importierten Grundstoffen und rief dazu auf, den Mut zu besitzen, Dinge auch wieder abzustellen.

BZÖ: Bessere Absetzbarkeit von Spenden für F & E

Abgeordneter Veit Schalle (B) sprach die Absetzbarkeit von Spendengeldern für Forschung & Entwicklung an und warnte davor, einen kleinen Spalt in Richtung Gentechnologie in der Landwirtschaft aufzumachen. Den Bauern werde hier etwas vorgemacht, sagte er.

SPÖ: Kritik an Gentechnik im Agrarbereich ist weiter aufrecht

Abgeordnete Elisabeth Grossmann (S) wies auf die Vielfältigkeit der Biotechnologie hin, die dadurch auch eine Querschnittsmaterie sei. Sie wollte wissen, ob man hinsichtlich der Haftungsbestimmungen in Bezug auf die Koexistenz gentechnikfreier Produktion und Produktion mit gentechnisch veränderten Produkten beabsichtige, vom Verursacherprinzip abzugehen. Österreich sei ein klassisches Biobauernland und der biologische Anbau sei nur dann möglich, wenn es gentechnikfreie Zonen gibt, so ihre Sorge um die Zukunft. Sie wies auch auf die gestiegenen Lebensmittelpreise hin, die durch die Kraftstoffgewinnung aus Pflanzen entstehen. Da die Anbauflächen beschränkt seien, stelle sich hier das Problem der Konkurrenz. Den Antrag der Grünen lehnte sie deshalb ab, weil sie diese Fragen intensiv mit dem Landwirtschaftsminister diskutieren möchte.

Abgeordneter Kurt Gartlehner (S) unterstrich die Notwendigkeit einer kritischen Betrachtung und einer Risikoforschung und konzedierte dabei dem Institut für Technologiefolgenabschätzung gute Arbeit. Seine Kritik an der Gentechnik im Agrarbereich sei weiterhin aufrecht, hielt er fest und kritisierte auch die Firmen, die gentechnisch verändertes Saatgut anbieten, das nicht mehr keimfähig ist. Das würde etwa bei Ernteausfällen zu einer enormen Belastung für die Bauern werden. Die kritische Haltung der öffentlichen Meinung habe sich die betreffende Industrie selbst zuzuschreiben, sagte er.

ÖVP: Agrarproduktion nicht in gut und böse einteilen

Abgeordneter Karl Donabauer (V) zeigte sich zufrieden mit der Entwicklung der Biotechnologie in Österreich, denn man habe bewiesen, dass man sich zeitgerecht neuen Herausforderungen zugewendet hat. Die hohe Präsenz dieses Wissenschaftszweigs in Österreich sichere auch eine nachhaltige Beschäftigung. Man müsse an all die Fragen jedoch mit höchster Sensibilität vorgehen, meinte Donabauer, der jedoch davor warnte, die Agrarproduktion in gute und schlechte Sektoren einzuteilen. Er forderte auch, Biobetrieben einen entsprechenden Ertrag durch Preisgestaltung sicherzustellen.

Seine Klubkollegin Dorothea Schittenhelm begründete die Ablehnung des grünen Antrags mit dem Hinweis, dass es bereits eine unabhängige Risikoforschung gibt. Der dritte Punkt betreffend Rechtsgrundlagen für gentechnikfreie Regionen ist ihrer Auffassung nach überholt.

Hahn: Österreich ist in Biotechnologie ein Schwergewicht

Bundesminister Johannes Hahn bekräftigte, dass bei der Haftung das Verursacherprinzip beibehalten werden sollte und er die Bestimmungen des Gentechnikgesetzes für sehr brauchbar halte. Er erinnerte abermals an das GEN-AU-Projekt und betonte, dass Österreich in diesem Forschungsfeldern ein europäisches Schwergewicht darstellt. In den letzten Jahren seien im Bereich der Biowissenschaften beachtliche Einrichtungen gegründet worden, die sich mit der Fragestellung höchst praktischer Anwendungen befassen. Hahn nannte insbesondere das Zentrum für Molekulare Biowissenschaften. 84 % der Forschungsaktivitäten im Bereich der Biotechnologie entfielen auf die universitäre (73 %) und auf die außeruniversitäre Forschung (11 %).

Die Einrichtung von Lehrstühlen und Gastprofessuren liege im autonomen Bereich der Universitäten, so Hahn, er sei aber sicher, dass die neue Rektorin an der Bodenkultur ein offenes Ohr für Risikoforschung habe. Weiters informierte der Minister, dass im Jahr 2005 eine nationale Strategie für Biotechnologie publiziert worden ist, aber er trete dafür ein, diese Frage im Rahmen des Forschungsdialogs abermals zu diskutieren. Hinsichtlich der steuerlichen Absetzbarkeit sei er mit dem Finanzminister im Gespräch, und die Überlegungen gingen dahin, im Bereich der Stiftungen etwas zu tun. Die Steigerung der Drittmittelfinanzierung sei notwendig, denn sie stelle nicht nur in Österreich, sondern in ganz Europa eine Schwäche dar.

Was die Stammzellenforschung betrifft, so sei vieles wissenschaftlich noch nicht geklärt und die einzelnen Länder gingen unterschiedlich vor. Bei den Biopatenten verhandle der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit. Er, Hahn, könne aber zusagen, dass alles unternommen werde, was zur Stärkung der europäischen Position und des geistigen Eigentums beitrage. Österreich bemühe sich intensiv um eine Sensibilisierung kritischer Entwicklungen auf EU-Ebene, bekräftigte er abschließend. (Schluss)