Parlamentskorrespondenz Nr. 940 vom 30.11.2007

Großflächig erhöhte Feinstaubbelastung in Ostösterreich

Bericht über Immissionen von Luftschadstoffen 2003 - 2005

Wien (PK) - Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft hat dem Nationalrat alle drei Jahre einen schriftlichen Bericht über den Zustand, die Entwicklung und die Prognose der Immissionen von Luftschadstoffen, der Emissionen sowie den Erfolg der getroffenen Maßnahmen vorzulegen (IG-L-Bericht 2003–2005). Der 92 Seiten starke Bericht liefert zunächst eine kurze Beschreibung der gesetzlichen Grundlagen (Immissionsschutzgesetz-Luft, IG-L) sowie einen Überblick über die derzeitige Umsetzung des IG-L in Bezug auf die Immissionsmessungen. Für die Jahre 2003 bis 2005 werden Überschreitungen der Grenzwerte und die daraus folgenden Maßnahmen aufgeführt.

Immissionschutzgesetz-Luft

Seit 1. April 1998 gilt in Österreich das Immissionsschutzgesetz-Luft, welches zuletzt 2006 novelliert wurde. Zur Erreichung dieser Ziele wurde ein Instrumentarium für gebietsbezogene Maßnahmen zur Verringerung der durch den Menschen beeinflussten Emission und der Immission von Luftschadstoffen geschaffen. Das IG-L enthält als wesentliche Elemente u.a. allgemeine Vorgaben über die Immissionsüberwachung, die Überschreitung von Grenzwerten, Maßnahmenkataloge, die Vorsorge, Berichtspflichten und Kontrollen. In den Anlagen zu dem Gesetz sind Grenzwerte für Luftschadstoffe und die Deposition festgesetzt. Mit der letzten Novelle des IG-L wurden zudem Zielwerte für die Schadstoffe Nickel, Arsen, Kadmium und Benzo(a)pyren festegelegt.

Beurteilung der Luftgütesituation und Grenzwertüberschreitungen

Im Bericht wird ein Überblick über die Immissionssituation der Jahre 2003 bis 2005 gegeben, wobei der Schwerpunkt auf die Beschreibung der Grenzwertüberschreitungen gelegt wurde.

Für Feinstaub liegen seit 2002 für ganz Österreich Daten vor, die deutliche Grenzwertverletzungen u. a. in Graz, Wien und Linz, aber auch in nahezu allen anderen größeren Städten, in zahlreichen kleineren Städten v. a. südlich des Alpenhauptkamms und im Inntal sowie flächenhaft im Nordosten und Südosten Österreichs zeigen.

Der Grenzwert für den Jahresmittelwert wurde im Jahr 2003 an fünf Messstellen (Graz Don Bosco, Graz Mitte, Hartberg, Köflach, Wien Rinnböckstraße) überschritten, in den Jahren 2004 und

2005 an jeweils zwei Stationen in Graz.

In Ostösterreich steht die großflächig erhöhte Feinstaub-Belastung mit einem relativ hohen Anteil sekundärer Partikel in Verbindung; Feinstaub-Ferntransport (vorwiegend von Osten) kann hier eine wesentliche Rolle spielen. Die dominierenden Quellregionen von Ferntransport stellen Rumänien, Serbien, Ungarn, Nordmähren (Industriegebiet Ostrava) und Südpolen dar, darüber hinaus Bosnien, Slowenien, die Slowakei, Nordböhmen und das östliche Deutschland. Die bedeutendsten Quellen regionaler Schadstoffanreicherung (bei sehr niedrigen Windgeschwindigkeiten) sind für Nordostösterreich die Ballungsräume Wien und Bratislava.

Bei Stickstoffdioxid stellen die größeren Städte, aber auch ländliche verkehrsnahe Standorte die Belastungsschwerpunkte

dar. Der Grenzwert für NOx (Stickoxide) zum Schutz der Vegetation wurde an den Messstellen eingehalten. Die Schwefeldioxid-Belastung lag 2003 bis 2005 deutlich unter dem in Österreich bis Mitte der Neunzigerjahre beobachteten Niveau. Grenzwertverletzungen traten im Bereich einzelner Industriebetriebe sowie grenznah im Osten auf. Die Schwefeldioxid-Grenzwerte zum Schutz der Ökosysteme wurden überall eingehalten. Die Alarmwerte für Schwefeldioxid und Stickstoffdioxid wurden in ganz Österreich eingehalten.

Bei den Komponenten Kohlenstoffmonoxid (CO), Blei im Schwebestaub und Benzol (die letzten beiden Komponenten wurden allerdings nur an sehr wenigen Standorten bestimmt) wurden keine Grenzwertverletzungen registriert. Staubniederschlag wird schwerpunktmäßig vor allem im Bereich größerer Industrieanlagen und in größeren Städten gemessen. Grenzwertverletzungen traten u. a. in Arnoldstein, Kapfenberg und Leoben auf. Die Grenzwerte für Blei und Cadmium im Staubniederschlag wurden in Arnoldstein und Brixlegg überschritten.

Maßnahmenkataloge

Ein weiteres Kapitel des Berichts befasst sich mit den Maßnahmen zur Reduzierung der einzelnen Belastungen. Im Bereich Feinstaub und Schwebestaub wurden z.B. folgende Maßnahmen ergriffen: Geschwindigkeitsbeschränkungen auf Autobahnen, Dieselpartikelfilterpflicht für Baumaschinen, Fahrverbote in bestimmten Bereichen bei fünf aufeinander folgenden Tagen mit PM10-Werten (Feinstaub) über 50 μg/m³ (Klagenfurt), emissionsmindernde Maßnahmen für die Voestalpine (Linz), Emissionsreduktion von Baumaschinen, Ersatz von "Heizöl leicht" durch emissionsärmeren Brennstoff, Verbot von Fahrten mit Diesel-PKW an hochbelasteten Tagen (Steiermark).

Die Maßnahmen zielen insbesondere auf eine Reduktion der Emissionen

des Off-Road-Bereichs (v.a. Baumaschinen) und des Straßenverkehrs (Geschwindigkeitsbeschränkungen, Fahrverbote, Verbot bestimmter Streumittel) sowie im Bereich Brennstoffe (Ersatz von Heizöl leicht durch Heizöl extra leicht) und der Landwirtschaft (Gülleausbringung) ab. Von einigen Bundesländern wurden weiter gehende Maßnahmenpakete außerhalb des IG-L beschlossen und z. T. auch schon umgesetzt.

Was die Reduzierung der NOx-Emissionen angeht, so wurden neben Geschwindigkeitsbeschränkungen, welche ein grundsätzlich geeignetes und kosteneffektives Mittel zur Verringerung der Emissionen darstellen, teilweise zeitlich und sektoral differenzierte Verkehrsbeschränkungen verordnet. Wie die Entwicklung der NO2-Belastung zeigt, waren die bisher erlassenen Maßnahmen allerdings nicht ausreichend, um die Einhaltung der Grenzwerte zu erzielen. Es werden also weitere Maßnahmen notwendig sein, um nachhaltig unter die vorgeschriebenen Grenzwerte zu kommen.

In einem weiteren Abschnitt beschreiben die Autoren den Trend der Schadstoffemissionen sowie der entsprechenden Immissionen. Der Bericht enthält eine grobe Übersicht über die Entwicklung der Emissionen der genannten Schadstoffe in Österreich der Jahre 1990 – 2005 mit Datenstand Jahresanfang 2007.

Prognose

Die künftigen Entwicklungen bei den verschiedenen Luftschadstoffen sind nach Ansicht der Autoren schwer abzuschätzen, da verschiedene Parameter mit zum Teil unterschiedlichen Trends berücksichtigt werden müssen.

Die SO2-Emissionen Österreichs liegen seit dem Ende der Neunziger Jahre auf relativ konstantem Niveau. Der im Verlauf der Achtziger und Neunziger Jahre beobachtbare starke Rückgang setzte sich seit 1999 nicht fort. Die nationale Emissionsprognose (EMIPRO 2005) für NEC-Gase erwartet 2010 eine Emission von 26 kt SO2. Die Vorgaben des Emissionshöchstmengengesetzes von 39 kt/Jahr 2010 sind damit erfüllt und keine weiteren Reduktionen vorgeschrieben. Die SO2-Emissionen der nördlichen Nachbarstaaten Tschechien und Deutschland haben im Verlauf der Neunziger Jahre stark abgenommen, nach 2000 veränderten sich die Emissionen nur noch geringfügig. Auch in den anderen ostmitteleuropäischen Staaten ist nach 1990 ein rückläufiger Trend zu beobachten.

Die österreichischen NOx-Emissionen (inkl. Treibstoffexporte und -importe in Kraftfahrzeugen, d.h. Tanktourismus) nahmen bis Mitte der Neunziger Jahren ab und stiegen dann wieder bis 2003, wobei der

leicht sinkende Trend laut Emissionsprognose bis 2010 zunehmen wird. Zur Erreichung der Emissionsziele wird jedoch eine drastische Reduktion der NOx-Emissionen notwendig sein. Zur Vermeidung von Grenzwertüberschreitungen werden voraussichtlich sowohl fahrzeugtechnische Maßnahmen zur Verminderung der NOx- und NO2-Emissionen des Straßenverkehrs, sowie Maßnahmen zur Verringerung des Verkehrsvolumens – sowohl im städtischen Bereich als auch auf Autobahnen – erforderlich sein. Maßnahmen zur Erreichung

dieses Grenzwertes können sich daher nicht punktuell auf stark befahrene Straßen beschränken, sondern müssen den Straßenverkehr (als absolut dominierenden Sektor) im gesamten Stadtgebiet berücksichtigen.

Beim Feinstaub werden der Straßenverkehr – der neben Abgasemissionen einen hohen Beitrag von (Wieder)Aufwirbelungsemissionen v. a. im Winter beisteuert –, der Hausbrand, dessen Beitrag von der Heizungsstruktur (hohe Emissionen vor allem aus holz- und kohlegefeuerten Einzelheizungen) abhängt, sowie industrielle Emissionen als die bedeutendsten Verursachungsquellen angesehen. Die Unsicherheiten in der Berechnung der PM10-Emissionen machen auch Aussagen über deren Trend schwierig. Die bisher beobachteten zeitlichen Variationen der PM10-Belastung lassen sich überwiegend meteorologischen Einflussfaktoren zuordnen (etwa hohe Belastung 2003, niedrige Belastung 2004) und erlauben keinerlei Rückschluss auf etwaige Veränderungen der PM10-Emissionen. Ein Rückgang des Beitrags von PM10-Ferntransport aus Ostmitteleuropa ist langfristig infolge emissionsmindernder Maßnahmen an Großemittenten in dieser Region zu erwarten.

Was Kohlenstoffmonoxid angeht, so wurden in den letzten Jahren keine Überschreitungen des CO-Grenzwertes registriert. Dies dürfte sich

auch in Zukunft nicht ändern. Bei Blei sind auch in Hinkunft keine Überschreitungen des Grenzwertes für die Konzentration in der Luft

zu erwarten. Es kann davon ausgegangen werden, dass die höchsten Belastungen wie schon bisher im Nahbereich von Industriebetrieben auftreten. Die in den letzten beiden Jahren gemessenen Benzolbelastungen lassen den Schluss zu, dass Überschreitungen

des derzeitigen IG-L-Grenzwerts in Zukunft nicht zu erwarten sind. Zudem dürften die Kfz-Emissionen des Verkehrs weiter sinken, verursacht durch die Beschränkung des Benzolgehalts von Otto-Treibstoffen auf 1 % ab 1.1.2000 (bisher: 3 %) sowie die Abnahme der Fahrzeuge ohne Katalysator und Aktivkohlekanister.

Die Grenzwerte für Staubniederschlag, Blei und Cadmium im Staubniederschlag werden in Österreich im Nahbereich einzelner Industriebetriebe überschritten. Durch emissionsmindernde Maßnahmen

konnten in den letzten Jahren bereits Reduktionen bei diesen Schadstoffen erzielt werden, ein weiterer Rückgang des Staubniederschlags und von Blei und Cadmium im Staubniederschlag hängt von der Umsetzung emissionsmindernder Maßnahmen ab, die nach den ab 2003 erstellten Statuserhebungen (Brixlegg, Arnoldstein, Imst) erarbeitet werden.

Ausblick

Aus lufthygienischer Sicht ist Feinstaub als jener Luftschadstoff anzusehen, der mit den gravierendsten gesundheitlichen Auswirkungen verbunden ist. Ein wesentliches Kriterium für eine Reduktion der Feinstaubbelastung – speziell in Sanierungsgebieten – ist die Sicherstellung der Einhaltung der Grenzwerte gemäß IG-L.

Auf Bundesebene ist geplant, bereits getroffene, erfolgreiche Maßnahmen wie die Spreizung der Normverbrauchsabgabe für Neufahrzeuge mit und ohne Dieselpartikelfilter, sowie den Einsatz von schwefelfreien Kraftstoffen mit weniger als 10 mg/kg Schwefelgehalt seit 1.1.2004, wodurch die kraftstoffseitige

Voraussetzung für den Einsatz von Partikelfiltern auf nationaler Ebene gesetzt wurde, durch weitere Maßnahmen zu ergänzen. So ist seitens des BMLFUW eine Verordnung gemäß § 21  Immissionsschutzgesetz-Luft in Vorbereitung, die Genehmigungsvoraussetzungen für bisher nicht bundesrechtlich genehmigungspflichtige Anlagen vorsieht. Dies betrifft u.a. landwirtschaftliche Anlagen und stationäre Motoren. Dementsprechend

wären mit einer solchen Verordnung gezielt Minderungen der Staubemissionen der betroffenen Anlagen zu erreichen.

Im Industrie- und Gewerbebereich werden zurzeit etliche Verordnungen zu § 82 Gewerbeordnung (GewO) überprüft und vor allem in Hinblick auf eine Reduktion der Feinstaubbelastung novelliert. Im Laufe der Evaluierung von im Rahmen des IG-L erstellten Statuserhebungen hat sich gezeigt, dass die Immissionsbelastungen auf verschiedene Verursacher zurückzuführen sind, die darüber hinaus

räumlich und zeitlich im unterschiedlichen Maße zur Gesamtsituation beitragen und zum Teil auch durch grenzüberschreitenden Schadstofftransport verursacht werden. Deshalb ist dieses Problem vielerorts nicht durch Einzelmaßnahmen zu beheben, weshalb eine gut koordinierte, länderübergreifende Vorgangsweise sinnvoll erscheint.

Aus diesem Grund wurde von der Landesumweltreferentenkonferenz und dem BMLFUW am 16. Juni 2005 eine informelle Bund–Länder–Arbeitsgruppe auf technischer Ebene eingesetzt, die über die

Arbeiten im Rahmen des Vollzuges des IG-L hinausgehend einen Vorschlag für eine koordinierte Gesamtstrategie und für Maßnahmen zur langfristigen Lösung der Feinstaubproblematik unter Beachtung

weiterer die Luftqualität beeinflussender Schadstoffkomponenten erarbeiten sollte. Dieses so genannte Optionenpapier53 wurde in intensiver Kooperation von Experten der Ämter der Landesregierungen, des Umweltbundesamtes und des Lebensministeriums erarbeitet. Von Seiten des BMLFUW werden vermehrt Anstrengungen unternommen, um die im Optionenbericht enthaltenen Vorschläge für Maßnahmen umzusetzen. (Schluss)