Parlamentskorrespondenz Nr. 162 vom 28.02.2008

Im Zentrum der Wirtschaftspolitik: Kleine und mittlere Unternehmen

KMU-Bericht 2006/07 dokumentiert dynamische Entwicklung

Wien (PK) - "Kleine und mittlere Unternehmen" spielen in der Wirtschaftspolitik Österreichs und in der Europäischen Union eine immer wichtigere Rolle. "Kleinstunternehmen" mit weniger als 10 Beschäftigten, "kleine Unternehmen" mit 10 bis 49 Beschäftigten und "mittlere Unternehmen" mit 50 bis 249 Beschäftigten - so die Definitionen der Ökonomen - werden wegen ihrer starken Gründungs- und Beschäftigungsdynamik oft als "Wachstums- und Jobmotoren" apostrophiert. Über langfristige Entwicklungen und aktuelle Trends in der Entwicklung der KMU sowie über deren zunehmende Bedeutung in den wirtschaftspolitischen Konzepten auf nationaler und europäischer Ebene informiert Wirtschaftsminister Martin Bartenstein in seinem "Bericht über die Situation der kleinen und mittleren Unternehmungen der gewerblichen Wirtschaft", der dem Nationalrat seit kurzem vorliegt (III-120 d.B.).

KMU - eine dynamische Entwicklung 

In Österreich waren 2006 306.400 kleine (inkl. "kleinste") und mittlere Unternehmen tätig, ihr Anteil an allen Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft betrug 99,7 %. Die Zahl ihrer MitarbeiterInnen stieg gegenüber 2005 um 1,6 % auf 1,313 Millionen oder 61 % aller unselbständig Beschäftigten in der gewerblichen Wirtschaft. Rechnet man die 304.000 Selbständigen hinzu, ergibt sich eine Gesamtbeschäftigungszahl von 2,5 Millionen Menschen in den heimischen KMU.

Die Zunahme der Zahl der KMU seit 1995 um 116.200 oder 61 % zeigt eine langfristig dynamische Entwicklung an. Die Zahl der unselbständig Beschäftigten in KMU nahm um 8 % oder 92.000 zu. Besonders starke Dynamik sowohl bei den Unternehmensgründungen als auch bei der Schaffung neuer Arbeitsplätze zeigen Kleinstunternehmen, deren Zahl um 17 % zunahm.

Die Entwicklung der österreichischen KMU entspricht im Wesentlichen dem europäischen Trend. 2003 waren in der EU-15 99,8 % der 18,7 Millionen Unternehmen KMU. In 92,4 % der Unternehmen waren weniger als zehn Personen beschäftigt (Kleinst- oder Mikrounternehmen). Der Anteil der kleinen Unternehmen (10 bis 49 Beschäftigte) lag bei 6,5 %, jener der mittleren Unternehmen (50 bis 249 Beschäftigte) bei 0,9 Prozent. Der KMU-Anteil in den 13 Beitrittsländern lag auf ähnlichem Niveau, die Unternehmen dort sind im Durchschnitt aber etwas kleiner als in der EU-15.

Von den 135,2 Millionen Beschäftigten in der EU-15 waren 2003 69,8 % in KMU (39,7 % in Kleinstunternehmen, 17,3 % in kleinen Unternehmen, 12,8 % in mittleren Unternehmen) und 30,2 % in Großbetrieben tätig. Die dominierende Größenklasse in der EU-15 sind also die Kleinstunternehmen, überdurchschnittlich hoch ist deren Anteil in Griechenland, Italien und Spanien: Mehr als die Hälfte der Beschäftigten arbeiten dort in Unternehmen mit weniger als zehn Beschäftigten. In Österreich liegt der Anteil der kleinen und mittleren Unternehmen über dem Durchschnitt.

KMU-spezifische Wirtschaftspolitik

In seinem Bericht informiert der langjährige Wirtschaftsminister im Detail über die Fülle nationaler Maßnahmen, die zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für KMU ergriffen wurden: Von der Novelle zum Öffnungszeitengesetz 2003 über die Steuerreform 2004/05, das KMU-Förderungsgesetz 2006, die Bemühungen um eine KMU-verträgliche Umsetzung von "Basel II", Maßnahmen in der Sozialpolitik und im Kampf gegen den Sozialbetrug, in der Wettbewerbspolitik und im öffentlichen Beschaffungswesen, über die KMU-spezifische Forschungs- und Technologietransferförderung, über die Förderung der Ökostromproduktion und von ökologischen Innovationen, die KMU-Exportförderung im Rahmen der Internationalisierungsoffensive "Go International" und die Maßnahmen zur Erleichterung der Unternehmensfinanzierung, etwa durch das Programm "mid market" an der Wiener Börse.

Auf europäischer Ebene spielen KMU eine zunehmend wichtige Rolle in der Lissabon-Strategie für Wachstum und Beschäftigung, was seinen Ausdruck auch in der Europäischen Charta für Kleinunternehmen findet. Der Leser des jüngsten KMU-Berichts wird im Detail über KMU-politische Maßnahmen des Europäischen Rates informiert, erhält einen Überblick über das Schlüsselthema KMU beim EU-Vorsitz Österreichs im Jahr 2006 und erfährt von der KMU-politischen Elementen in den Rahmenprogrammen für Wettbewerbsfähigkeit und Innovation sowie für Forschung und technologische Entwicklung.

Gewerbe und Handwerk

2006 stieg die Zahl der kleinen und mittleren Unternehmen in Gewerbe und Handwerk um 2.500 (2,8 %) auf 92.000 oder 99,8 % der Unternehmen der Sparte. Sie beschäftigten 445.700 Mitarbeiter, vier Fünftel der Beschäftigten in der Branche. Seit 2005 nahm die Zahl der unselbständig Beschäftigten um 13.400 (3,1 %) zu.

In Gewerbe und Handwerk stieg der Umsatz 2006 im Vergleich zum Vorjahr real um 2 % auf 59,3 Mrd. €. Der Anteil der Exporterlöse wuchs von 6 % auf 7 %. Die Umsatzentwicklung war 2006 in allen Branchen im gesamten Bundesgebiet positiv oder stabil, am wenigsten günstig im Bekleidungsgewerbe, bei Fleischern, Textilreinigern und Bäckern. Größere Betriebe behaupteten sich generell besser als Kleinbetriebe. Betriebe mit weniger als 10 Beschäftigten zeigten Umsätze auf Vorjahresniveau (+0,1 %), Betriebe mit 10 bis 19 Beschäftigten einen Zuwachs um 2 % und Betriebe ab 20 Beschäftigten ein Plus von 3,3 %. Die Investitionen je Beschäftigtem stiegen 2006 um 20 % und betrugen im Durchschnitt 5.400 €.

Industrie

Rückläufig entwickelte sich die Zahl der KMU in der Industrie, wo sie einen Branchenanteil von 93,8 % und 33 % der Beschäftigten innehaben. 6.240 (-1,8 %) kleine und mittlere Unternehmen beschäftigten 139.900 Mitarbeiter, um 3,3 % weniger als 2005.

Handel

Die 80.200 KMU des Handels (99,8 % der Branche) beschäftigten 2006 270.000 Menschen (59 % der Handelsbeschäftigten). Seit 2005 erhöhte sich die Zahl der KMU um 1.700 (2,2 %). Die Zahl der unselbständigen KMU-Beschäftigten stieg um 2.700 (1 %).

Der Einzelhandel erzielte im 1. Halbjahr 2007 eine reale Umsatzsteigerung von durchschnittlich 1,7 %. Am stärksten wuchs der Schuheinzelhandel mit einem Plus von über 7 %, gefolgt vom Radio-, Elektro-, EDV- und Fotohandel. Bei Eisenwaren, Bau- und Heimwerkerbedarf, im Bekleidungseinzelhandel sowie bei den Drogerien und Parfümerien wuchsen die Umsätze um mehr als 3 %. Die höchsten realen Umsatzrückgänge verzeichnete der Sportartikeleinzelhandel.

Die größten Umsatzsteigerungen erzielten Geschäfte mit einem Jahresumsatz von 2 Mill. € und mehr. Erstmals nach mehreren Jahren freuten sich Einzelhändler wieder über eine Zunahme der Kundenfrequenz um 2,5 %. Im Großhandel betrug das reale Umsatzwachstum im 1. Halbjahr 2007 durchschnittlich 1,8 %.

Die Zahl der KMU in der Branche Finanzdienstleistungen sank 2006 um 2,5 % auf 1.100. Der Anteil der KMU an der Sparte betrug 95 %. 33.100 Mitarbeiter, um 1,3 % mehr als 2005, repräsentierten ein Drittel aller Beschäftigten bei Banken und Versicherungen.

Transport und Verkehr

In der Sparte Transport und Verkehr waren 2006 knapp 94.700

unselbständig Beschäftigte in 17.800 KMU tätig. Ihr Anteil an der Sparte belief sich auf 99,7 %; jener ihrer Mitarbeiter betrug 46 %. Seit 2005 stieg die Zahl der KMU um 320 (1,8 %), die KMU-Beschäftigtenzahl um 2.250 (2,4 %). Im Landverkehr lagen die nominellen Umsatzzuwächse im 1. und 2. Quartal 2007 um 3,8 % und 4,7 % über dem jeweiligen Vorjahreswert. Die Zahl der Fahrzeuge im Straßengüterverkehr wuchs wegen der starken Zunahme kleiner LKW mit weniger als 3,5 Tonnen, große LKW verzeichneten Rückgänge.

Tourismus und Freizeitwirtschaft

56.500 kleine und mittlere Unternehmen in der Sparte Tourismus und Freizeitwirtschaft - 99,9 % aller Unternehmen der Branche - boten 2006 209.500 Menschen einen Arbeitsplatz. Seit 2005 stieg die Anzahl der KMU um 520 (0,9 %), die Zahl der Beschäftigten um 3.500 (1,7 %).

Bei einem Gesamtzuwachs der Nächtigungszahlen um 0,7 % setzte sich der Trend zum Qualitätstourismus fort: 5-/4-Stern-Hotels erzielten Nächtigungszuwächse von 2,8 %, 3-Stern-Betriebe stagnierten und 2-/1-Stern-Hotels verzeichneten Rückgange. Der direkte Anteil des Tourismus am BIP betrug 2006 8,7 % (2005: 8,8 %).

Wirtschaftsnahe Dienstleistungen

Von 2005 auf 2006 wuchs die Zahl der kleinen und mittleren Unternehmen in der Sparte Information und Consulting um 3.700 (7,6 %) auf 52.500. Die Zahl der KMU-Beschäftigten stieg ebenfalls um 3,700 (3,2 %) auf 119.900. KMU haben in dieser Branche einen Anteil von 99,9 % der Betriebe und 75 % der Mitarbeiter. Sie steigerten ihren Umsatz 2006 nominell um 7,3 %, wobei Unternehmensberater, Informationstechniker (+12,2 %) und Ingenieurbüros (+11 %) sowie Betriebe mit einem Jahresumsatz zwischen 50.000 € und 100.000 € mit +14 % an der Spitze lagen. Auf Exporte entfielen 10,3 % des Gesamtumsatzes (2005: 9,3 %). Die  Investitionstätigkeit blieb 2006 mit 4,6 % des Umsatzes von 38,9 Mrd. auf dem Niveau des Vorjahres.

Arbeitsproduktivität der KMU nimmt auf hohem Niveau weiter zu

Die Wertschöpfung je KMU-Beschäftigtem stieg in Österreich seit 1988 im Durchschnitt um 1,5 %. Dieser Wert liegt zwar hinter den Spitzenreitern Irland (+4,5 %) und Spanien (+3 %) sowie hinter Deutschland (+2,2 %) und dem EU-15-Durchschnitt von 1,9 %, wird von den Autoren des Berichts aber dennoch positiv beurteilt, weil die österreichischen KMU bereits in den achtziger Jahren ein überdurchschnittlich hohes Produktivitätsniveau erreicht haben.

KMU gehen immer öfter über die Grenzen 

Einen Spitzenwert erreichen die österreichischen KMU bei der Exportorientierung: 31 % der Unternehmen haben 2002 Exportumsätze erzielt - höher ist der Anteil nur noch in Luxemburg mit 38 %.

Mehr Neugründungen, weniger Insolvenzen

Zwar lag 2006 die Zahl der Neugründungen mit 30.200 Unternehmen kurzfristig unter dem Wert von 2005, langfristig nimmt die Gründungsintensität (Neugründungen in Prozent der aktiven Unternehmen) aber zu und lag 2006 bei 8,4 %. Die meisten neuen Unternehmen werden in den Sparten Gewerbe und Handwerk sowie Handel gegründet, wobei die Gründungsdynamik zwischen 1998 und 2006 beim Gewerbe zunahm, im Handel aber schwächer wurde. Als ein wichtiger Parameter gilt die "Überlebensquote". Sie liegt fünf Jahre nach Gründung bei 75 % der neuen Betriebe.

2006 wurden 3.084 Insolvenzverfahren eröffnet und 3.623 Konkursanträge mangels Masse abgewiesen. Die Gesamtzahl der Insolvenzen betrug damit 6.707. Nachdem die Zahl der Insolvenzen von 2001 bis 2005 parallel zur Zahl der Unternehmen wuchs, nahmen die Insolvenzen 2006 um 5 % ab. Insgesamt sank die Insolvenzanfälligkeit der österreichischen Unternehmen in der gewerblichen Wirtschaft seit 1995 von 2,6 % auf 2,2 %.

Ein europäischer Trend: Ein-Personen-Unternehmen (EPU)

Zugenommen hat zuletzt die Zahl der Ein-Personen-Unternehmen (EPU) ohne unselbständig Beschäftigte. Der Anteil der EPU an allen Unternehmen ist zwischen 1991 und 2001 um mehr als 5 %-Punkte gestiegen. Auch in der gewerblichen Wirtschaft entwickelten sich EPU dynamisch und erreichten 2006 die Zahl von 156.744, um 5 % mehr als 2005. 43.500 (28 %) dieser Betriebe sind Handelsunternehmen. 42.000 (27 %) sind in Gewerbe und Handwerk tätig. Überdurchschnittlich hoch war der EPU-Anteil in den Sparten Finanzdienstleistung, Unternehmensberatung, Informationstechnologie, Direktvertrieb sowie Versicherungs- und Handelsagenten.

Die Betriebswirtschaftliche Situation der KMU in Österreich

Umsatzrentabilität und Eigenkapitalquote weisen 14 % der heimischen KMU als betriebswirtschaftliche Elite aus. Diese Unternehmen finanzieren mehr als 20 % des Betriebsvermögens mit Eigenkapital und erwirtschaften betriebswirtschaftliche Gewinne von mehr als 5 % der Betriebsleistung. Weitere 10 % der Unternehmen befinden sich mit Umsatzrenditen von über 2,5 % und mehr als 10 % Eigenkapital in einer überdurchschnittlich guten betriebswirtschaftlichen Situation. Im Mittelfeld rangieren mehr als die Hälfte der KMU. Sie haben ihre Finanzierungs- und Ertragssituation weitgehend im Griff. 20 % der Unternehmen wiesen zuletzt aber ein negatives Eigenkapital aus und konnten keine Gewinne erzielen.

Im Durchschnitt erreichen KMU eine Umsatzrentabilität von 2,3 % der Betriebsleistung, wobei generell die Ertragskraft mit zunehmender Betriebsgröße steigt. Großunternehmen erwirtschaften im Durchschnitt eine Umsatzrentabilität von 3,6 %. Langfristig zeigt die Entwicklung aber auch bei den KMU nach oben: Im Drei-Jahresvergleich nahm die Umsatzrentabilität um rund 0,2 %-Punkte zu. Hinsichtlich der Ertragskraft liegen KMU in der Sparte Wirtschaftsdienstleistungen an der Spitze, gefolgt von Industrie sowie Gewerbe und Handwerk.

Hauptproblem der österreichischen KMU ist nach wie vor der Eigenkapitalmangel. Mit einer durchschnittlichen Quote von 23 % liegt Österreich im europäischen Vergleich weiterhin an letzter Stelle, der KMU-Bericht 2006 vermerkt aber eine Zunahme der Eigenkapitalquote innerhalb von zwei Jahren um 2 Prozentpunkte. Die wichtigste Kapitalquelle der KMU sind Banken, die 34 % des Betriebsvermögens finanzieren.

Während größere Betriebe in der Regel mehr Eigenkapital und eine bessere Unternehmensfinanzierung haben, verfügen Kleinstbetriebe oft über zu wenig Eigenkapital und finanzieren langfristige Investitionen mit "kurzfristigem" Kapital, was Liquiditätsprobleme nach sich zieht. Während sich Kleinstbetrieben zu 56 % mit Bankkrediten finanzieren, tragen Banken bei den Mittelbetrieben nur zu 27 % zur Finanzierung bei.

Mit einer Eigenkapitalquote von rund 31 % und einer Anlagendeckung von 118 % ist die Finanzierungsqualität bei Industrie-KMU am besten. In Gewerbe und Handwerk sowie im Handel ist die fristenkongruente Finanzierung der KMU mit einer durchschnittlichen Anlagendeckung über 100 % sichergestellt. Die geringste Eigenkapitalquote weisen  KMU im Tourismus aus. (Schluss)


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