Parlamentskorrespondenz Nr. 228 vom 12.03.2008

Mehr Kompetenzen für BetreuerInnen im Bereich der 24-Stunden-Pflege

Kdolsky kündigt große Ausbildungsreform für Herbst 2008 an

Wien (PK) – Bei der heute Nachmittag stattfindenden Sitzung des Gesundheitsausschusses drehte sich alles wieder um die in der Vorwoche vertagte Regierungsvorlage für ein Gesundheitsberufe-Rechtsänderungsgesetz, wobei besonders die Kompetenzerweiterung der 24-Stunden-BetreuerInnen im Mittelpunkt des Interesses stand.

Bundesministerin Andrea Kdolsky freute sich über den Beschluss, weil damit ein seit vielen Jahren bestehender illegaler Zustand auf legale Beine gestellt werde. Für die Ausweitung der Kompetenzen werden genaue Rahmenbedingungen festgelegt, die zudem eine klare Qualitätskontrolle und eine Dokumentationspflicht beinhalten.

Die Regierungsvorlage wurde schließlich mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP und Grünen angenommen.

24-Stunden-Betreuung auf legale Basis gestellt

Die vorige Woche im Ausschuss eingebrachte Abänderung der Regierungsvorlage zum Gesundheitsberufe-Rechtsänderungsgesetz 2007 (GesBRÄG 2007) sah eine Novellierung von zusätzlichen Gesetzen vor, nämlich dem Ärztegesetz, dem Hausbetreuungsgesetz, der Gewerbeordnung und dem Bundespflegegeldgesetz.

Darin wird nun eine Erweiterung der Kompetenzen der so genannten 24-Stunden-BetreuerInnen festgelegt. Den selbständig oder unselbständig tätigen Betreuungskräften ist es in Hinkunft gestattet, den Betroffenen unter anderem bei der Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme, bei der Körperpflege, bei der Arzneimittelaufnahme, beim Anlegen von Bandagen und Verbänden und bei der Verabreichung von Insulininjektionen zu helfen, sofern ihnen diese Tätigkeiten von Ärzten bzw. qualifiziertem Pflegepersonal übertragen werden. Ebenso wird eine umfassende Dokumentations- und Informationspflicht festgeschrieben. Die Delegationsmöglichkeit an Laienkräfte durch Ärzte und Pflegefachkräfte gilt nur für den häuslichen Bereich und nicht für Heime.

Die Änderungen im Ärztegesetz sehen unter anderem vor, dass eine Übertragung der Tätigkeiten nur dann möglich ist, wenn die Betreuungskräfte ständig oder zumindest mehrmals wöchentlich über längere Zeiträume hinweg im Privathaushalt der betreuten Personen anwesend sind. Außerdem dürfen grundsätzlich maximal drei Personen, die zueinander in einem Angehörigenverhältnis stehen, in diesem Privathaushalt zu betreuen sein.

Bundesministerin Andrea Kdolsky ging auf die Eckpunkte der Sammelnovelle ein, die zunächst einmal der Umsetzung einer EU-Richtlinie bezüglich der Anerkennung von Berufsqualifikationen für diverse Gesundheits- und Krankenpflegeberufe diene. Sie sei froh darüber, dass heute nun auch die neuen Regelungen hinsichtlich der 24-Stunden-Betreuung beschlossen werden können, weil damit ein seit Jahren bestehender illegaler Zustand einer legalen Lösung zugeführt werden könne. Unter genau definierten Bedingungen werde es den Betreuungspersonen nun möglich sein, Assistenz bei der Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme sowie bei der Körperpflege zu leisten.

Es ging dabei vor allem um die Regelung der Graubereiche, die schwer zu definieren sind, sie glaube jedoch, dass die Gratwanderung zwischen Qualitätsansprüchen und dem Machbarem gelungen sei. Weitere Eckpunkte sind eine klare Qualitätskontrolle und eine umfassende Dokumentationspflicht, betonte Kdolsky.

Aufgrund der Fristsetzung musste nun rasch eine Lösung in diesem Bereich gefunden werden, erinnerte die Ministerin. Im Herbst soll jedoch, wie geplant, eine umfassende Reform der Gesundheitsberufe vorgelegt werden. Dabei soll es sich um ein modulares System handeln mit einer eineinhalbjährigen Einstiegsphase, informierte sie. Ein Vertreter ihres Ressorts erläuterte noch die Haftungsfragen. Wie auch in anderen Situationen des täglichen Lebens gelten auch in diesem Sektor die Prinzipien der Anordnungsverantwortung, der Durchführungsverantwortung, der Einlassungsverantwortung und der Fahrlässigkeit. Es komme in jedem Fall zu einer haftungsrechtlichen Verbesserung, weil man sich nun auf eine Rechtsgrundlage berufen könne.

Abgeordnete Sabine Oberhauser (S) erinnerte daran, dass ihre Fraktion keine inhaltlichen Bedenken hatte, sondern dass letzte Woche nur die Vorgangsweise strittig war. Sie kündigte an, dass die SPÖ der nun vorliegenden Endfassung zustimmen werde.

Abgeordneter Erwin Rasinger (V) gab zu bedenken, dass es sich um eine außerordentliche komplizierte Materie handle, vor allem was die Abgrenzung zwischen den Berufsgruppen betrifft. Die 24-Stunden-Betreuung sei für ihn nur ein Auftakt zu einer Debatte, da das Thema Pflege das Parlament noch sehr lange begleiten werde.

Abgeordneter August Wöginger (V) brachte einen Abänderungsantrag ein, der die medizinische, insbesondere die sanitätsdienstliche Versorgung im Rahmen der EURO 2008 sicherstellen soll. Es wird festgelegt, dass ca. 500 ehrenamtliche SanitäterInnen vor allem aus der Bundesrepublik Deutschland herangezogen werden können. In diesem Zusammenhang ist auch ein weiterer Abänderungsantrag zum Arzneimittelgesetz und Arzneiwareneinfuhrgesetz zu sehen. Die nunmehr geschaffene Möglichkeit der vorübergehenden Tätigkeit von ausländischen Sanitätern impliziert nämlich, dass für derartige Fälle eine Ausnahme von der grundsätzlich bestehenden Zulassungspflicht für Arzneimittel erforderlich ist. In einer von Wöginger eingebrachten Ausschussfeststellung heißt es: "Die hier für die 24-Stunden-Betreuung getroffene Regelung besagt nicht, welche Betreuungsleistungen aufgrund der geltenden Rechtslage außerhalb der 24-Stunden-Betreuung durch gewerblich tätige Personen erbracht werden dürfen."

Abgeordnete Ursula Haubner (B) unterstrich die Position des BZÖ, wonach durch die geplanten Änderungen kein neuer Betreuungsberuf geschaffen werden dürfe. Sie erkundigte sich zudem, wer die anfallenden Kosten für die Qualitätskontrolle tragen wird. Insgesamt habe sie den Eindruck, dass es besser gewesen wäre, ein Gesamtpaket für alle Gesundheits- und Pflegeberufe vorzulegen, weil es dadurch zu einer transparenteren Rechtslage gekommen wäre.

Abgeordnete Maria Grander (V) wies darauf hin, dass durch die Möglichkeit der selbstständigen Betreuung auch Angehörige, die manchmal ganz aus ihren Berufen aussteigen, nun die Chance haben, eine Beschäftigung zu bekommen.

Abgeordneter Kurt Grünewald (G) beurteilte den Entwurf per Saldo als überwiegend positiv. Er trat dafür ein, dass diplomierten Pflegeberufen in Hinkunft ein höherer Berufsabschluss ermöglicht werden sollte, wie dies in den meisten EU-Staaten der Fall ist. Im Gegenzug könnte man dann einige nicht so anspruchsvolle Tätigkeiten an andere Berufsgruppen abtreten. Was die Festlegung der zu betreuenden Personen betrifft, so hielt er es nicht für sinnvoll, dass diese Regelung nur auf Angehörige beschränkt ist. Abgeordnete Sabine Mandak (G) räumte ein, dass es zu einer klaren Verbesserung gegenüber dem Ist-Zustand komme und Tätigkeiten legalisiert werden, die die de facto jetzt schon erbracht werden. Sorgen bereitete ihr jedoch die Tendenz, dass bei den Gesundheits- und Pflegeberufen das erforderliche Ausbildungsniveau nach unten rutsche.

Für Abgeordnete Dagmar Belakowitsch-Jenewein (F) sind einige Punkte noch nicht geklärt, z.B. die Frage der Haftung und die Übernahme der Kosten. Ihr Fraktionskollege Abgeordneter Bernhard Themessl verlangte, dass selbständigen Betreuungskräfte über die Haftungsproblematik, für die sie selbst eine Lösung finden müssen, informiert werden müssen.

Abgeordneter Franz-Joseph Huainigg (V) bedauerte, dass die persönlichen Assistenten von behinderten Menschen nur eine Person betreuen dürfen. Er hätte sich in diesem Punkt eine Änderung gewünscht. Außerdem sollte man auch die Bedürfnisse von Wohngemeinschaften bzw. familienähnlichen Wohnstrukturen berücksichtigen, schlug er vor.

Abgeordnete Christine Lapp (S) sprach von einem wichtigen Schritt, da die 24-Stunden-Betreuung auf eine legale Basis gestellt werde. Sehr positiv sei auch, dass eine Evaluierung durchgeführt werden soll, um eventuell notwendige Anpassungen vornehmen zu können.

Bei der Abstimmung wurden die Regierungsvorlage, der Abänderungsantrag und die Ausschussfeststellung jeweils mehrheitlich angenommen. Mehrheitliche Zustimmung fand auch der Abänderungsantrag zum Arzneimittelgesetz. (Schluss)