Parlamentskorrespondenz Nr. 273 vom 27.03.2008

Justizausschuss: Einhellige Zustimmung für Regierungsvorlagen

Anträge der Opposition mit Stimmenmehrheit vertagt

Wien (PK) – Fünf Regierungsvorlagen und vier Anträge der Oppositionsfraktionen – zwei von den Freiheitlichen, je einer von den Grünen und vom BZÖ – standen heute Nachmittag auf der Tagesordnung einer Sitzung des Justizausschusses. Sämtliche Regierungsvorlagen wurden einstimmig plenumsreif gemacht, die Anträge wurden mit Stimmenmehrheit vertagt.

Unternehmensrechtsänderungsgesetz soll für mehr Transparenz sorgen

Die Regierungsvorlage sieht – in Umsetzung von EU-Vorgaben - eine Stärkung des Aufsichtrats  vor und soll mehr Information und Transparenz schaffen. Es geht u.a. darum, die Pflichten des Abschlussprüfers deutlicher und klarer zu fassen, die Anforderungen an seine Unabhängigkeit und seine Berufsethik zu stärken und eine Verpflichtung zur externen Qualitätssicherung sowie zur öffentlichen Aufsicht über den Beruf des Abschlussprüfers einzuführen. Diese Initiativen stellen Reaktionen auf die Bilanzskandale und Unternehmenszusammenbrüche in der EU dar.

In der Debatte wurde die Vorlage von Vertretern aller Fraktionen begrüßt, wenn auch seitens der Opposition mit Einschränkungen. So hätte sich Abgeordneter Albert Steinhauser (G) eine noch stärkere Berücksichtigung der Empfehlungen des Rechnungshofs gewünscht und eine externe Rotation der Prüfer vorgezogen. In ähnlichem Sinn äußerte sich B-Abgeordneter Gernot Darmann, während Abgeordneter Peter Fichtenbauer (F) anmerkte, dass die Entwicklung weiter gehen werde und das letzte Wort noch nicht gesprochen sei. Abgeordneter Johannes Jarolim (S) ortete eine deutliche Verbesserung der Prüfung und plädierte dafür, zunächst dieses System zu erproben. Dieser Ansicht schloss sich Abgeordneter Michael Ikrath (V) an. Nach seiner Überzeugung ist die interne Rotation der Prüfer vorzuziehen. Bundesministerin Maria Berger verwies in diesem Zusammenhang darauf, dass die externe Rotation in der gesamten EU nur in Italien in Gebrauch sei, und dies mit zweifelhaftem Erfolg.

Die Vorlage wurde in Form eines Abänderungsantrags aller fünf Fraktionen einstimmig dem Plenum zur Annahme empfohlen.

Neue Aufgaben für Notare, Entlastung für Gerichte

Die freiwillige Feilbietung von Liegenschaften und Baurechten – eine Aufgabe des Notars als Gerichtskommissär – hat wenig praktische Bedeutung. Um die Gerichte räumlich und personell dennoch zu entlasten, wird diese Aufgabe entsprechend der Regierungsvorlage dem Notar verbleiben, allerdings nicht mehr in seiner Funktion als Gerichtskommissär. Dies soll damit wirtschaftlicher und effizienter erledigt werden können.

Die Regierungsvorlage wurde in der Fassung eines Fünf-Parteien-Abänderungsantrag einstimmig angenommen.

Europäisches Übereinkommen und B-Antrag zum Thema Kinderrechte

Das Europäische Übereinkommen über die Ausübung von Kinderrechten samt Erklärung soll auf alle familienrechtlichen Verfahren vor einer Justizbehörde angewendet werden. Dies betrifft im einzelnen Fragen im Zusammenhang mit der Obsorge, mit dem persönlichen Verkehr und mit der Adoption. Ziel des Übereinkommens ist die Erleichterung der Ausübung der materiellen Kinderrechte, wobei unter dem Begriff Kind Jugendliche fallen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Das Übereinkommen ist seit 1. Juli 2000 in Kraft und wurde bisher von 12 Staaten ratifiziert.

Im unter einem debattierten Antrag beklagt das BZÖ "eine Vielzahl von Lücken, durch die Familien in Not geraten können", wodurch "die Versorgung der minderjährigen Kinder finanziell nicht gesichert ist". Die Antragsteller fordern daher von der Familienministerin, in Verhandlungen mit den Ländern die Schließung dieser Lücken durch Leistungen der Sozialhilfe zu erwirken. Die Justizministerin hingegen soll die Verfahren zur Gewährung von Unterhaltsvorschüssen durch eine vernetzte Abwicklung beschleunigen.

Abgeordneter Johannes Jarolim stellte einen Vertagungsantrag für den Antrag und begründete diesen mit der bestehenden Arbeitsgruppe zur Reform des Familienrechts. Abgeordneter Gernot Darmann (B) wollte diesbezüglich genauere Informationen, Abgeordneter Wolfgang Zinggl wollte wissen, wie es mit der Verankerung der Kinderrechte in der Verfassung stehe. Seine Fraktionskollegin Barbara Zwerschitz trat für eine Anhebung der Altersgrenze auf 19 Jahre ein. V-Abgeordnete Ridi Steibl erwartete zum Thema Kinderrechte weiter intensive Auseinandersetzungen. Abgeordnete Sonja Ablinger (S) sprach die vielfach sehr langen Wartezeiten von Müttern auf Unterhaltszahlungen an, was die Armutsproblematik verschärfe, und forderte eine Beschleunigung der Verfahren. Auch Abgeordnete Barbara Riener (V) fragte nach einem Zeitplan, während S-Mandatarin Gisela Wurm für eine Ausweitung der Rechte von Kindern eintrat. Ausschuss-Obmann Heribert Donnerbauer (V) unterstrich die Bedeutung der Verankerung der Kinderrechte in der Verfassung; gleichwohl sollte das Übereinkommen jetzt in Kraft gesetzt werden. Die Verankerung von Kinderrechten in der Verfassung werde bei der nächsten Verfassungsnovelle erfolgen.

Dies sah auch Justizministerin Maria Berger so: Gemäß Regierungsübereinkommen würde die Kinderrechtskonvention im Grundrechtekapitel umgesetzt. Das Unterhaltsvorschussrecht sei Teil des Familienrechtspakets, führte die Ministerin weiter aus. Die Arbeit daran sei weitgehend abgeschlossen, soweit das Justizministerium allein zuständig sei. Eine Beschleunigung der Verfahren sei vorgesehen, der entsprechende Entwurf würde in wenigen Wochen in Begutachtung gehen. Eine Beschleunigung erhoffte sich die Ministerin auch von einer Verbesserung der Kommunikation der befassten Behörden. Außerdem sei an eine weitere Stärkung der Opferrechte und an zusätzliche Maßnahmen zum Schutz vor häuslicher Gewalt gedacht. Analog zum Strafverfahren soll auch im Zivilverfahren eine getrennte und schonende Einvernahme eingeführt werden, sagte Berger und betonte, dass beim Familienrechtspaket insgesamt breite Übereinstimmung herrsche.

Das Übereinkommen und die Absicht seiner Umsetzung durch Gesetze wurden einhellig gutgeheißen, der Vertagungsantrag für den Antrag fand mehrheitliche Zustimmung.

Art.15a-Vereinbarung zum Verkehr mit Baugrundstücken

Die bisher geltende Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern gemäß Art. 15a B-VG über zivilrechtliche Bestimmungen betreffend den Verkehr mit Baugrundstücken sah vor, dass ein Rechtsgeschäft dann unwirksam wird, wenn nicht binnen zweier Jahre nach Ablauf der dafür bestimmten Frist das Ansuchen um die verwaltungsbehördliche Genehmigung, die Anzeige des Rechtsvorgangs bei der Behörde beziehungsweise die erforderliche Erklärung nachgeholt wird. Dieser Passus soll nun durch eine Regierungsvorlage dahin gehend geändert werden, dass die Rechtsunwirksamkeit des Rechtsgeschäfts in Hinkunft nicht mehr an den bloßen Ablauf von zwei Jahren anknüpft. Vielmehr soll nach den Bestimmungen der neuen Vereinbarung das Rechtsgeschäft dann rechtsunwirksam werden, wenn eine von der Grundverkehrsbehörde gesetzte Frist zur Nachholung der versäumten Handlung ungenützt verstreicht .

Die Vorlage fand ohne Diskussion einstimmige Befürwortung.

15a-Vertrag über Abgeltung medizinischer Leistungen für Häftlinge

Mit einer Vereinbarung gemäß Art.15a B-VG soll die Abgeltung stationärer medizinischer Versorgungsleistungen von öffentlichen Krankenanstalten für Insassen von Justizanstalten geregelt werden. Darin verpflichten sich die Bundesländer, dem Justizministerium für diesen Zweck insgesamt einen jährlichen Pauschalbetrag von rund 8,6 Mio. € zu leisten, der nach einem komplizierten Schlüssel auf die einzelnen Länder aufgeteilt wird. Die Vereinbarung gilt für den Zeitraum von Anfang 2009 bis Ende 2013.

Bundesministerin Maria Berger wies darauf hin, dass die in Rede stehenden Kosten für den Bund in der letzten Zeit exorbitant gestiegen seien; die Tarife stünden vielfach in keinem Verhältnis zu den Leistungen.

Die Regierungsvorlage wurde einstimmig angenommen.

Grüne fordern Änderung des Namensrechts - vertagt

Der Gesetzesantrag der Grünen sieht vor, das Namensprivileg des Mannes im Namensrecht endgültig zu beseitigen. Durch die Reform soll es auch ermöglicht werden, auf kulturelle Besonderheiten (z.B. die Unterscheidung von männlichen und weiblichen Namensformen in den slawischen Sprachen) Rücksicht zu nehmen.

Abgeordneter Albert Steinhauser (G) plädierte für die vorgeschlagenen Änderungen, zumal die letzte Novelle 1995 erfolgt sei und sich seither vieles geändert hätte. Es sollte die Bildung
"neuer familiärer Identitäten" ermöglicht und das Männerprivileg beseitigt werden.

Abgeordneter Heribert Donnerbauer (V) zeigte sich für Weiterentwicklungen offen; dies sei eine Frage der Praktikabilität. Der Antrag solle jedenfalls nicht "vom Tisch gewischt" werden. Seine Fraktionskollegin Gertrude Brinek stellte mit Hinweis auf das Familienrechtspaket, in dem die Materie aufgegriffen werden sollte, einen Vertagungsantrag. S-Abgeordneter Johannesw Jarolim zeigte Sympathie für den Antrag und sprach sich generell für eine Rücknahme von Formalismen aus. Auch B-Mandatar Gernot Darmann äußerte sich positiv zum Antrag. Abgeordneter Wolfgang Zinggl (G) äußerte Verwunderung über den Vertagungsantrag, zumal die Wichtigkeit des Anliegens anerkannt werde und der Gesetzesvorschlag sehr sorgfältig formuliert sei.

Der Antrag wurde mit Mehrheit vertagt.

FPÖ für Ergänzung des Grundrechtsbeschwerde-Gesetzes

Die Fraktion der Freiheitlichen tritt in einem Antrag für eine Ergänzung des Grundrechts-Beschwerdegesetzes ein. Nach dem Vorschlag des Abgeordneten Dr. Fichtenbauer und seiner Mitstreiter soll dem § 10 der folgende Satz angefügt werden: "Der Oberste Gerichtshof entscheidet über das Vorliegen von Tatverdacht und Haftgründe nach Maßgabe eigener Beweiswürdigung und eigener Tatsachenfeststellungen aufgrund der Aktenlage." In der Begründung führen die Antragsteller entsprechende Auffassungen unter namhaften Juristen an, denen zufolge für derartige Entscheidungen des OGH nicht Nichtigkeitsgründen Grundlage sein sollen.

Abgeordneter Robert Aspöck stellte fest, die Intention des Antrags entspreche der Ansicht der Rechtswissenschaft und lud alle Fraktionen ein, dem Antrag beizutreten. Abgeordneter Johannes Jarolim äußerte sich zustimmend, stellte aber gleichwohl einen Vertagungsantrag, damit alle Betroffenen angehört werden könnten.

Der Antragsteller, F-Mandatar Peter Fichtenbauer, anerkannte die "konsensuale Zielabsicht" und sprach von einer "freundlichen Vertagung", stellte aber klar, dass die Gesetze allein vom Parlament gemacht würden.

Der Antrag wurde mit Stimmenmehrheit vertagt.

F-Antrag als Reaktion auf "Fall Luca" vertagt

Mehrheitlich vertagt wurde schließlich auch ein Antrag der FPÖ, in dem Abgeordneter Peter Fichtenbauer Strafen für Unterlassungen zum Schaden von Minderjährigen verlangt. Konkret geht es den Freiheitlichen dabei um die Einfügung eines neuen Paragraphen 302a StGB mit dem Wortlaut: "Wer auf Grund öffentlich-rechtlicher Dienstverpflichtung oder als Beamter sowie als Angestellter der Jugendwohlfahrt oder sonst als Beschäftigter in der Jugendwohlfahrt durch sein Handeln oder durch Unterlassung für Körperverletzung von Minderjährigen verantwortlich wird, soll mit einer Freiheitsstrafe von einem bis zu fünf Jahren, im Fall des Todes des Minderjährigen bis zu zehn Jahren bestraft werden."

Fichtenbauer sah seine Initiative als Reaktion auf den "Fall Luca" und argumentierte, die gegenwärtige Regelung des Tatbestandes des Amtsmissbrauchs reiche nicht aus, um auch das "Wegschauen" zu erfassen.

Anderer Meinung war hingegen Abgeordnete Barbara Riener (V), die zwar Sympathie für das Anliegen Fichtenbauers zeigte, sich aber gegen eine Gesetzgebung als Folge eines Einzelfalles aussprach. In dieser heiklen Materie sei behutsames Vorgehen gefordert, meinte sie überdies. Bedenken gegen eine zusätzliche Regelung im Strafrecht brachte auch Abgeordnete Sonja Ablinger (S) vor. Ihrer Meinung nach sollte eher bei der Ausbildung der LehrerInnen und SozialarbeiterInnen angesetzt werden. Abgeordneter Albert Steinhauser (G) sah im Antrag ein untaugliches Mittel, durch das die Mitarbeiter der Jugendämter einem Generalverdacht ausgesetzt würden, und schlug dem gegenüber die Standardisierung der Anzeigepflicht sowie eine bessere personelle Ausstattung der Jugendämter vor. Abgeordneter Gernot Darmann (B) plädierte für eine generelle Anzeigepflicht.

Justizministern Maria Berger äußerte sich ebenfalls skeptisch zur Verankerung eines neuen Straftatbestandes und rief vielmehr zu einer Verbesserung der Zusammenarbeit aller Beteiligten auf. Denkbar wäre für Berger auch die Standardisierung der Melde- und Anzeigepflichten sowie ein Austausch der Daten der Krankenhäuser. (Schluss)