Parlamentskorrespondenz Nr. 287 vom 02.04.2008

Molterer: EU wirkt als globaler Stabilisator in der Finanzkrise

Finanzausschuss bewältigt umfangreiche Tagesordnung

Wien (PK) - Die EU-Finanzpolitik im Jahr 2008 war das erste Verhandlungsthema in der Sitzung des Finanzausschusses. Weiters stimmten die Abgeordneten einer 3 Mill.-Euro-Aufstockung des Katastrophenfonds zur Finanzierung von Schadholz-Nasslagern nach den  Verwüstungen durch den Orkan Emma zu und empfahlen dem Plenum EU-Anpassungen im Investmentfondsgesetz zur Verbesserung der Transparenz für Anleger. Eine Änderung des Einkommensteuergesetzes dient der Sicherung des Kapitalbesteuerung nach einem höchstgerichtlichen Erkenntnis gegen das von Banken praktizierte Gutschrift-Lastschriftsystem beim Wegzug von Steuerpflichtigen. Zudem trat der Ausschuss dafür ein, auch die Dokumente von im Ausland geborenen Kindern von Gebühren zu befreien und verhandelte über Doppelbesteuerungsabkommen mit Albanien und Polen. Oppositionelle Anträge zur Steuerreform wurden mit Mehrheit vertagt.

Zunächst diskutierten die Abgeordneten mit Finanzminister Wilhelm Molterer unter der Verhandlungsführung von Ausschussobmann Günter Stummvoll das Arbeitsprogramme von Kommission und Rat über die finanzpolitischen Vorhaben der Europäischen Union im Jahr 2008 (III-116 d.B.). Der diesbezügliche Ressortbericht wurde mit der Mehrheit der Regierungsparteien im Ausschuss enderledigt.

In der Debatte brach Petra Bayr (S) eine Lanze für die Einführung einer Devisentransaktionssteuer zur Finanzierung von EU-Projekten in der Entwicklungszusammenarbeit und beim Klimaschutz. Ihre Fraktionskollegin Sylvia Rinner plädierte für das in Österreich bewährte Reverse-Charge System als Instrument im Kampf gegen den Steuerbetrug. Abgeordnete Marianne Hagenhofer (S) erbat Auskunft über EU-Importzölle auf Produkte aus China.

Angesichts der internationalen Finanzkrise lobte Abgeordneter Michael Ikrath (V) die EZB für ihr exzellentes Krisenmanagement, während sich Abgeordneter Jakob Auer (V) erleichtert darüber zeigte, wie hervorragend sich die österreichischen Banken in der Krise schlagen.  Abgeordneter Peter Sonnberger (V) erkundigte sich nach der österreichischen Position in der Diskussion um das Bankgeheimnis.

Abgeordneter Lutz Weinzinger (F) trat ebenfalls für das Reverse Charge System als Mittel gegen den Umsatzsteuerbetrug ein, verhielt sich aber ablehnend gegenüber Plänen zur Einführung von EU-Steuern, weil dies den Steuerwettbewerb zu Lasten der Bürger schwächen würde. Vorteile für Nettozahler erwarte er sich von EU-Steuern nicht. Weinzingers Fraktionskollege Wolfgang Zanger (F) zeigte sich besorgt wegen der zunehmenden Inflation.

Abgeordneter Bruno Rossmann (G) interessierte sich für Argumente pro und kontra das Reverse Charge System und wollte wissen, was das Finanzressort unternommen habe, um an deutsche Daten über Steuerbetrüger zu kommen. Die Konzentration der EU auf Wachstum und Beschäftigung im Rahmen der Lissabon-Strategie sei zu begrüßen; was fehle, sei die Erkenntnis, dass Klimaschutz Wachstum und Beschäftigung fördere. Weiters erinnerte Rossmann an EU-Kritik an der niederen Erwerbsquote älterer Arbeitnehmer in Österreich und an einer zu geringen Förderung junger Arbeitnehmer.

Die "integrierten wirtschaftspolitischen Leitlinien" sollten angesichts der Finanzkrise und der Konjunkturprobleme angepasst werden, verlangte der Abgeordnete. Für interessant hielt Rossmann auch die Frage, ob der Finanzminister angesichts jüngster WIFO-Prognosen am Ziel eines ausgeglichenen Haushalts für 2010 festhalte und ob er eine 3 Mrd. € umfassende Steuerreform ohne Gefahren für das Stabilitätsziel noch für möglich halte.

Abgeordneter Josef Bucher (B) sprach sich einmal mehr dafür aus, die Betriebe von Verwaltungsaufwendungen zu entlasten, insbesondere bei statistischen Abfragen. "Kommt eine europäische Finanzmarktaufsicht?" fragte Bucher angesichts der Diskussion über einer stärkere Kontrolle der Finanzmärkte.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (S) sah Österreich in der Wachstums- und Beschäftigungspolitik gut unterwegs und wies auf das Engagement der Bundesregierung bei der Intensivierung von Bildung und Berufsausbildung hin. Ein möglichst baldiger Beitritt der mittel- und südosteuropäischen Nachbarländer Österreichs zur Euro-Zone läge im Interesse der heimischen Wirtschaft, sagte Krainer.

Finanzminister Wilhelm Molterer lobte einleitend die slowenische EU-Präsidentschaft, die gemeinsam mit der Kommission gute Arbeit bei den Schwerpunkten Beschäftigung, Wachstum und Inflationsbekämpfung leiste. Die EU erweise sich in der gegenwärtigen globalen Finanzkrise als ein Stabilisator. Sie habe im Rahmen des Lissabon-Prozesses sieben  Millionen Jobs geschaffen, senke die Arbeitslosigkeit und sei weiterhin auf einem stabilen Wachstumspfad unterwegs. Zudem sichere die EU die Zukunft Europas durch einen erfolgreichen Aufholkurs in Forschung und Entwicklung. Er, Molterer, sei optimistisch, dass Europa mit den aktuellen Problemen weiterhin gut umgehen könne. Die EZB habe auf die Subprime Krise reagiert, indem sie für die Liquidität der Banken gesorgt habe, ohne die Geldmenge zu erhöhen. Österreichische Banken seien von der Subprime Krise nur wenig betroffen, teilte auch der Finanzminister mit Erleichterung mit.

Er werde die Einführung einer Finanztransaktionssteuer beim EU-Budget-Review auf die Tagesordnung setzen, sagte Molterer. Die Steuer könne einen Beitrag zur EU-Finanzierung leisten, zeigte sich der Finanzminister überzeugt, die Finanzplätze Großbritannien und Deutschland seien noch nicht begeistert und auch bei der Kommission sei Skepsis spürbar, teilte Molterer mit. Klar sei jedenfalls, dass ein größerer Eigenfinanzierungsanteil der EU den Beitrag der Nettozahler reduzieren würde. 

Bei der Erweiterung der Eurozone lege die EU mit Unterstützung Österreichs Wert auf die Einhaltung der diesbezüglichen Kriterien. Unter den Euro-Kandidaten liege die Slowakei derzeit voran, sagte Molterer.

Als Maßnahmen zur Eindämmung der Inflation sah der Finanzminister eine höhere Transparenz bei den Ölreserven und ein Ende der Flächenstilllegung in der Landwirtschaft.

Steuerwettbewerb werde es auch in Zukunft geben, aber in einem bestimmten Rahmen, wie er etwa schon bei den Verbrauchssteuern bestehe. Bis Anfang 2009 plane die Kommission einen Vorschlag für eine harmonisierte Bemessungsgrundlage für die Körperschaftssteuer zu unterbreiten.

Beim Kampf gegen den Umsatzsteuerbetrug setze eine Gruppe von EU-Ländern auf konventionelle Maßnahmen, eine kleinere Gruppe dränge auf Alternativen und ein Reverse Charge-Pilotprojekt in Österreich. Er werde dem aber nur zustimmen, wenn eine längerfristige Perspektive für dieses System bestehe, weil die Betriebe zu Recht darauf hinweisen, dass das System mit Umstellungskosten verbunden sei. Er erwarte einen Beschluss über das Reverse Charge System noch vor dem Sommer, führte der Finanzminister aus.

In der Diskussion um das Bankgeheimnis klärte der Finanzminister darüber auf, dass es einen Informationsaustausch und eine Quellenbesteuerung in drei Ländern, darunter auch in Österreich, gibt. Da das österreichische Bankgeheimnis kein Instrument sei, das betrügerische Machenschaften erleichtere, verteidige er das österreichische Bankgeheimnis.

In der Zollpolitik verschärfe die EU wegen gesundheitlicher Risken phytosanitäre Maßnahmen gegenüber Importen aus China. Auch im Textilbereich sei mit Zöllen zu rechnen.

Die deutsche CD-Rom mit Daten über Steuerbetrüger werde noch im April in Wien erwartet, sagte der Finanzminister und teilte mit, dass in diesem Zusammenhang bisher 57 Selbstanzeigen erstattet wurden. Deutschland achte sehr genau darauf, seine Informationen zeitgleich und im selben Umfang an andere Länder weiterzugeben. Die Kooperation mit Deutschland sei sehr gut, sagte der Finanzminister.

Bei der Jugendbeschäftigung sei Österreich auf dem Weg zu einer europäischen Spitzenposition.

Bei den integrierten wirtschaftspolitischen Leitlinien sehe er keinen Anlass für Veränderungen, sagte der Finanzminister, und hielt die Konzentration der EU auf deren Umsetzung für richtig.

In der österreichischen Stabilitätspolitik bleibe das Ziel eines ausgeglichenen Haushalts vorrangig, sagte Molterer, der sich optimistisch für ein Wiederanspringen der Konjunktur zeigte. Sorge äußerte der Ressortleiter aber darüber, dass die Beiträge der Bundesländer zum Stabilitätspakt hinter den Erwartungen zurückbleiben.

Die Einführung einer Europäischen Finanzmarktaufsicht hielt der Finanzminister nicht für sinnvoll. Er setze auf den Informationsaustausch der nationalen Aufsichtsbehörden und auf deren Kooperation in konkreten Fällen. 

Für seine sachlichen Ausführungen und sein Eintreten für eine europäische Finanztransaktionssteuer erhielt der Finanzminister Lob von Abgeordnetem Werner Kogler (G). Mit seiner Forderung nach einem mittelfristigen europäischen Informationssystem für Bankauskünfte bei Vorliegen von Verdachtsmomenten ab einer bestimmten Einlagenhöhe rief Kogler aber Widerspruch des Finanzministers und auch bei Abgeordnetem Michael Ikrath (V) hervor. Ikrath zeigte sich verwundert, dass die Grünen an dieser Stelle den Datenschutz ohne richterliche Zustimmung aufgeben wollten, obwohl sie wissen, wie wichtig den Bürgern das Bankgeheimnis sei. 

Nach dem Sturm: 3 Mill. € für Schadholz-Lager  

Die Behebung der Schäden, die die beiden Orkane "Paula" und "Emma" in Österreich verursacht haben, machen eine Aufstockung des Katastrophenfonds um 3 Mill. € notwendig. Da der Anfall von 8,5 Mill. Festmetern Schadholz die Verarbeitungskapazität der Holzindustrie übersteigt, sollen - um der Borkenkäfergefahr entgegenzutreten - Nasslager errichtet und 40 % der Investitionskosten aus Mitteln des Katastrophenfonds gefördert werden. Eine vom Ausschuss einstimmig verabschiedete Änderung des Katastrophenfondsgesetzes ermächtigt die Bundesregierung, die Mittel des Fonds zur Bewältigung der Folgen von Naturkatastrophen künftig erforderlichenfalls zu verdoppeln. Nicht benötigte Mittel des Fonds sollen wie bisher einer Rücklage mit maximal 29 Mill. € zugeführt werden.

Abgeordneter Jakob Auer (V) begrüßte unisono mit den Sprechern der anderen Fraktionen die Bereitstellung von 3 Mill. € für Schadholz-Nasslager, um einer Borkenkäferplage entgegenzuwirken, und dankte den Katastrophendiensten und den Feuerwehren, die die enormen Herausforderungen angenommen haben, die bei der Beseitigung des Schadholzes bestehen. Bedauerlicher Weise seien bereits zahlreiche schwere Unfälle mit Personenschaden zu beklagen.

Abgeordnete Petra Bayr (S) verlangte angesichts zunehmender Naturkatastrophen eine kohärente Politik zur Anpassung an den Klimawandel und zugleich engagierte Maßnahmen zum Klimaschutz.

Abgeordneter Wolfgang Zanger (F) schlug vor, Katastrophenfondmittel auch für die Folienkonservierung von Schadholz einzusetzen.

Abgeordneter Bruno Rossmann (G) stimmte der Gesetzesänderung zu, verlangte aber ausreichende Transparenz bei der Vergabe der Fördermittel und regte einmal mehr an, Katastrophenschutzmaßnahmen nicht aus dem Katastrophenfonds, sondern aus dem Budget zu finanzieren.

Abgeordneter Josef Bucher (B) regte an, die Wiederaufforstung der Windbruch-Flächen zu fördern und steuerlich zu begünstigen.

Abgeordneter Kurt Gaßner (S) sah die Feuerwehren, die immer weniger bei Feuereinsätzen, aber immer mehr bei Verkehrsunfällen und verschiedensten Katastrophen zum Einsatz kommen, tendenziell überlastet.

Finanzminister Wilhelm Molterer sah den Sinn des Katastrophenfonds darin, schon montags finanziell helfen zu können, wenn am Wochenende eine Katastrophe hereinbreche. Den Feuerwehren sicherte der Finanzminister die vereinbarte 90 Mill.-Euro-Betrag zu und zeigte sich offen für eine Diskussion über neue Wege bei der Finanzierung der Feuerwehren. Von Folienlagern für Schadholz halte er wenig, sagte Molterer, Nasslager seien wesentlich sicherer. Aufforstungen werden aus Mitteln zur Förderung der ländlichen Entwicklung unterstützt, auch steuerliche Begünstigungen seien möglich. (Fortsetzung)