Parlamentskorrespondenz Nr. 367 vom 24.04.2008

Rechnungshofausschuss diskutiert Privatisierungen durch ÖIAG

Geteilte Meinungen zum Verkauf von Austria Tabak und VA Tech

Wien (PK) – Am Nachmittag befassten sich die Mitglieder des Rechungshofausschusses sodann mit zwei Berichtskapiteln, bei denen es einerseits um die Privatisierung der Austria Tabak und der VA Tech durch die ÖIAG sowie um die Verwendung der Privatisierungsgewinne und andererseits um die Einbringung von Abgabenrückständen bei den Finanzämtern ging.

ÖIAG - Österreichische Industrieholding Aktiengesellschaft:

Der RH überprüfte von Juli bis August 2006 die Gebarung der Österreichischen Industrieholding Aktiengesellschaft (ÖIAG). Die Schwerpunkte der Überprüfung betrafen die Verwendung der Privatisierungsgewinne nach den Vorgaben des ÖIAG–Gesetzes 2000 und die Privatisierungen der Austria Tabak Aktiengesellschaft (Austria Tabak) sowie der VA Technologie Aktiengesellschaft (VA Tech). Die Überprüfung bezog sich auf den Zeitraum 2000 bis 2006. Mit den seit dem Jahr 2000 durchgeführten Privatisierungen schuf die Österreichische Industrieholding Aktiengesellschaft (ÖIAG) die Voraussetzungen dafür, die Restschulden zu tilgen und faktische Schuldenfreiheit zu erlangen.

Die von 2000 bis 2006 erfolgten Privatisierungen führten zu Privatisierungserlösen in Höhe von 6,368 Mrd. €. An Privatisierungskosten fielen rund 250 Mill. € an. Insgesamt tilgte die ÖIAG Schulden in Höhe von 6,051 Mrd. €. Den zum 31. Dezember 2006 bestehenden Restschulden von rund 243 Mill. € standen Zwischenveranlagungen von liquiden Mitteln gegenüber, die zur Tilgung der Darlehen am Ende der Laufzeit verwendet werden. Unter Berücksichtigung dieses Umstandes war die ÖIAG als schuldenfrei zu betrachten.

Die Rechnungshofprüfer wiesen darauf hin, dass sich bei Veräußerungen an Investoren im Vergleich zu Börsengängen hohe Bankberatungskosten ergaben. Die Zahlung von Prämien an privatisierte Unternehmen hielten sie wegen der gesetzlichen Unterstützungspflicht der zu privatisierenden Gesellschaften entbehrlich. Weiters gibt der Rechnungshof zu bedenken, dass bei der Einladung zur Sitzung betreffend die Beschlussfassung des Verkaufs der von der ÖIAG gehaltenen Austria Tabak–Anteile keine Unterlagen zur Vorbereitung der Aufsichtsratsmitglieder beigefügt waren. Im Ergebnis lag der von der ÖIAG tatsächlich erzielte Privatisierungsgewinn über dem höchsten Schätzwert. Insgesamt hatte die ÖIAG aus der Privatisierung der Austria Tabak seit der 1997 erfolgten Börseneinführung rund 1.281 Mill. € erlöst. Ein Bewertungsgutachten zur Burteilung der Preisangemessenheit der Kaufangebote holte die ÖIAG nicht ein. Bei der Übernahme der VA Tech durch die Siemens Aktiengesellschaft Österreich war nach Ansicht der Rechnungshofprüfer schon frühzeitig absehbar, dass die Einheit des Unternehmens nach Übernahme und Integration in den Siemens–Konzern nicht gewahrt bleiben und sich auch das Ziel der Erhaltung der österreichischen Arbeitsplätze als nicht haltbar erweisen werde.

Zusammenfassend hob der RH die nachfolgenden Empfehlungen hervor: Eine vollständige Kostenplanung und laufende Kostenüberwachung wären vorzunehmen, um Soll–Ist–Vergleiche durchführen und in den Privatisierungsprozess lenkend eingreifen zu können. Bei Auftragsvergaben wäre auf die Verhältnismäßigkeit der Preisgestaltung besonders zu achten. An Mitglieder des Aufsichtsrates sollten keine Aufträge vergeben werden.

Abgeordneter Günther Kräuter (S) gab zu bedenken, dass der Rechnungshof die Privatisierung der Austria Tabak, bei der es vorrangig um die Gewinnmaximierung ging, sehr kritisch beleuchtet hat. Weiters wurden die Nicht-Einbindung des Privatisierungsausschusses, die unvollständigen Kostendarstellungen, die fehlende laufende Kostenüberwachung etc. bemängelt, was deutlich zeige, dass die primitivsten Spielregeln außer acht gelassen wurden.

Abgeordnete Dorothea Schittenhelm (V) erinnerte daran, dass die ÖIAG zunächst einen riesigen Schuldenberg in der Höhe von 6 Mrd. € abbauen musste und darin auch erfolgreich war. Sie frage sich, wie die Situation der Unternehmen heute wäre, wenn man diese Privatisierungsschritte nicht unternommen hätte.

Wie auch in der aktuellen Causa rund um die Ablösung von ÖBB-Chef Huber ersichtlich, gehe es um das grundlegende Problem der Interessensverquickung von Geschäftsführern und Aufsichtsräten, meinte Abgeordneter Christian Faul (S). Es könne einfach nicht angehen, dass es "Leute gibt, die den Staat bewusst bestehlen", zeigte er sich entrüstet. Kritisch beurteilte er auch, dass in den vorliegenden Fällen Bewertungsgutachten nicht eingeholt, zusätzliche Prämien erteilt und Honorare ausbezahlt wurden, die von den Investmentbanken gar nicht in dieser Höhe verlangt wurden.

Abgeordneter Alois Gradauer (F) gab seinem Vorredner total recht und sprach von unbeschreiblichen, skandalösen Vorgängen, die in der Causa rund um die Ablöse von Martin Huber ihre Fortsetzung finden. Im besonderen ging er auf die undurchsichtige Vorgangsweise bei der Veräußerung der Austria Tabak-Anteile ein, wo nur auf den Preis geschaut und keine Garantie für die Absicherung der Arbeitsplätze, zumindest für eine bestimmte Zeit, verlangt wurde. Dieser Meinung schloss sich auch sein Fraktionskollege Abgeordneter Gerald Hauser an.

Die ÖIAG sei nun zwar schuldenfrei, der Staat aber ärmer, urteilte Abgeordneter Bruno Rossmann (G), denn man müsse sich natürlich die Frage stellen, wie hoch der Wert der Unternehmen heute wäre. Der Bericht des Rechnungshofs habe in der Tat skandalöse Dinge ans Licht gebracht und lese sich wie ein Kriminalroman, führte er weiter aus. Nicht nachzuvollziehen sei etwa, warum überhaupt Prämien für die Privatisierung bezahlt wurden und warum keine Leistungskriterien im Vorfeld festgelegt wurden. Der Verkauf der Austria Tabak könne sicher nicht als Erfolg bezeichnet werden, meinte Rossmann, er war vielmehr ein Verlustgeschäft.

Abgeordneter Erwin Hornek (V) thematisierte die unterschiedlichen ideologischen Standpunkte, die in der Diskussion erkennbar wurden. Die entscheidenden Fragen für ihn seien jedoch, wie war es vorher und wie ist es jetzt. Faktum ist, dass der Wert der Firmen gestiegen ist, dass vor dem Jahr 2000 bis zu 50.000 Mitarbeiter in den verstaatlichen Betrieben abgebaut wurden und dass aufgrund der Zinsenlast jährlich 10 Mrd. S aufgewendet werden musste. Man sollte sich auch näher anschauen, wie hoch die Steuereinnahmen von 1992 bis 2000 waren und wie hoch sie jetzt sind. Viele Beispiele haben gezeigt, dass der Staat nicht der beste Unternehmer ist, meinte sein Fraktionskollege Abgeordneter Konrad Steindl. Außerdem könne man sich nicht vom internationalen Wettbewerb abkoppeln, sondern man müsse rechtzeitig auf die geänderten Rahmenbedingungen reagieren, erklärte Hornek unter Bezugnahme auf die Post.

Rechungshofpräsident Josef Moser ging zunächst auf die Wortmeldung der Abgeordneten Schittenhelm ein und wies darauf hin, dass der Rechnungshof die Ausgangssituation bei der ÖIAG genau beleuchtet und detailliert dargestellt habe. Der Prüfauftrag betraf im konkreten die Jahre 2000 bis 2006, wobei es um folgende Schwerpunkte ging: Zielvorgaben, Privatisierungen 2000 bis 2006, Schuldenstand und –entwicklung, Privatisierung und Schuldenmanagement, Privatisierungskosten sowie Privatisierung der Austria Tabak und VA Tech. Von den insgesamt acht Empfehlungen wurden bisher fünf umgesetzt. Die drei offenen betreffen folgende Punkte: verpflichtend einzurichtende Ausschüsse (z.B. Privatisierungsausschuss) sollten auch mit den vorgesehenen Aufgaben befasst werden; Aufträge sollten stets schriftlich festgehalten werden und zur Beurteilung der Angemessenheit von Übernahmeangeboten sollten Bewertungsgutachten eingeholt werden.

Der als Auskunftsperson geladene ÖIAG-Chef Peter Michaelis, der seit dem Jahr 2001 diese Funktion inne hat, erinnerte daran, dass die ÖIAG mit enormen Schulden gestartet sei und dann über 6 Mrd. € an Privatisierungserlösen erzielen konnte. Generell glaube er, dass die ÖIAG einen guten Weg beschritten habe, da die Aufsichtsräte nicht mehr von der Politik bestellt, sondern unabhängige Unternehmer eingesetzt wurden. Dadurch sei es gelungen, die Sachenentscheidungen und die Fachkompetenz in den Vordergrund zu rücken, unterstrich er. Ein Beweis dafür sei, dass die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit von Firmen wie Voest und Böhler-Uddeholm um ein Vielfaches gesteigert werden konnte. Nach anfänglichem Personalabbau seien die Unternehmen wieder in der Lage, neue Arbeitsplätze zu schaffen. Was die Beratungsprovision angeht, so glaube er, dass mit den Banken sehr gut verhandelt wurde. Michaelis verteidigte auch die Beiziehung von Investmentbanken beim Börsegang von einigen Firmen, weil dies mit den eigenen Leuten nicht durchführbar gewesen wäre. Sogar die Raiffeisen International, die auf eine eigene Bank zurückgreifen hätte können, habe sich die Expertise von zwei Investmentbanken geholt, gab er zu bedenken. Bei der Veräußerung der Austria Tabak musste aufgrund der Tatsache, dass schließlich nur mehr ein Anbieter übrig geblieben sei und rasch gehandelt werden musste, auf die Einbindung des Privatisierungsausschusses verzichtet werden. Schließlich konnte beim Verkauf deutlich mehr Erlös erzielt werden als man ursprünglich angenommen hatte. Es wurde dabei auch festgelegt, dass die Arbeitsplätze zumindest auf drei Jahre gesichert sind, informierte er. Generell stellte Michaelis fest, dass sich der Wert der privatisierten Unternehmen gesteigert habe und das verbliebene Restvermögen der ÖIAG heute mehr wert sei (8,7 Mrd. €) als im Vergleich zur Ausgangssituation.

Die Bundesregierung habe einen guten Grund, dass es keine weiteren Privatisierungsaufträge gibt, erklärte Staatssekretär Christoph Matznetter, die Ausverkaufssituation sei nun beendet. Außerdem müsse in Zukunft im Sinne der Steuerzahler verhindert werden, dass Private stille Reserven beheben und dann den Mehrwert erlösen. Bei der ganzen Diskussion solle man nicht außer acht lassen, dass die Wertsteigerungen der Unternehmen u.a. auf die positive Entwicklung der Märkte zurückzuführen sind. Die Regierung versuche nun mit aller Kraft, die vorhandenen Werte auszubauen und die Unternehmen in ihren Expansionsbestrebungen zu unterstützen, um wieder in ein ruhiges Fahrwasser zu kommen. - Einstimmige Annahme.

Thema "Einbringung von Abgabenrückständen"

Nach einer kurzen Debatte über das Kapitel "Einbringung von Abgabenrückständen bei den Finanzämtern" vertagte der Rechnungshofausschuss die Beratungen über den Rechnungshofbericht Bericht III-96 d.B. einstimmig.

Die Abgeordneten Ruth Becher (S), Andrea Eder-Gitschthaler (V) sowie Gabriele Tamandl (V) hatten sich in der Debatte nach den Ursachen für die steigende Zahl der Aussetzung von Steuereintreibungen erkundigt. Abgeordneter Kurt Rossmann (G) wollte wissen, warum die Löschung von Abgaben und Forderungen zugenommen haben, wobei ihm auffiel, dass bei der Umsatzsteuer hauptsächlich Klein- und Kleinstbetriebe betroffen seien. Rossmann drängte darauf, Pfandrechte verstärkt zu nutzen. Die Früherkennung von Risken sollte durch Informationen per Internet erleichtert werden. Abgeordneter Alois Gradauer (F) erkundigte sich nach internationalen Vergleichszahlen.

Finanzstaatssekretär Christoph Matznetter sprach von einem hochsensiblen Bereich der Verwaltung, in dem es gelte, die Gleichbehandlung der Steuerpflichtigen zu gewährleisten. Abgeordneter Ruth Becher (S) teilte der Staatssekretär mit, die Auswahl der Prüfungsfelder erfolge zu 90 % elektronisch und zu 10 % manuell. Der Entfall von Haftungsforderungen gehe oft auf  Billigkeitsentscheidungen zurück, etwa dann, wenn bei Uneinbringlichkeit zunächst versucht wurde, auf das Vermögen Dritter, etwa eines geschiedenen Ehepartners zurückzugreifen. Zur Aussetzung der Einhebung von Steuerrückständen komme es während laufender Verfahren, erklärte Matznetter.

2007 habe der Abgabenerfolg um 8,2 % zugenommen, die Rückstände aber erfreulicherweise um 0,7 % abgenommen. Als Ursachen dafür nannte der Finanzstaatssekretär die Einführung des Reverse-Charge-System in der Bauwirtschaft und die erfolgreiche Aufdeckung von Scheinfirmen.

Rechnungshofpräsident Josef Moser berichtete von der positiven Umsetzung von Rechnungshofempfehlungen für die Einbringung von Abgabenrückständen. Ein Personalentwicklungsplan sei ausgearbeitet und die Aus- und Weiterbildung verstärkt worden. Die Verwertung von Pfandrechten erfolge nunmehr EDV-gestützt. Weitere Empfehlungen befinden seien in Umsetzung, sagte der Rechnungshofpräsident und kündigte eine Überprüfung im Zuge eines Follow-up durch den Rechnungshof an.

Der Vergleich der Rückstandsdaten in Österreich und Deutschland zeige, dass Deutschland 2006 bei den Rückständen eine Quote von 4,2 % und eine Löschungsquote von 34,6 % im Jahr 2006 verzeichnet habe. In Österreich betrug die Rückstandsquote 11 % und die Löschungsquote 7 %, teilte Rechnungshofpräsident Josef Moser mit. (Schluss)