Parlamentskorrespondenz Nr. 540 vom 05.06.2008

Nationalrat beschließt mehrheitlich Justizbetreuungsagentur

Tourismusbranche erhält Anlaufstelle für Förderinformationen

In der Debatte über den 5 Parteien-Antrag 772/A(E) betreffend "One-Stop-Shop" für Förderungswerber bei klimarelevanten Förderungen im Tourismusbereich verwies Abgeordneter OBERNOSTERER (V) auf die positive Entwicklung der Tourismuswirtschaft in Österreich in den vergangenen Jahren. Mit Pro-Kopf-Einnahmen im Tourismus von 1.600 € sei Österreich Weltmeister, sagte er. In den letzten Jahren wurde ihm zufolge viel in den Tourismus investiert, in Zukunft seien vor allem auch klimarelevante Investitionen erforderlich. 

Abgeordnete Mag. TRUNK (S) hob die gute Zusammenarbeit zwischen den Fraktionen im Tourismusausschuss hervor. Alle Anträge im letzten Jahr seien gemeinsam erarbeitet und einstimmig beschlossen worden, unterstrich sie. Dringend notwendig ist es nach Ansicht von Trunk, die Förderungen und die Förderkriterien im Tourismusbereich insgesamt zu evaluieren. Nicht nur große Tourismusunternehmen, sondern auch kleine Betriebe und Familienbetriebe bräuchten Unterstützung. Den vorgesehenen One-Stop-Shop für klimarelevante Investitionen von Tourismusbetrieben wertete Trunk als ersten wichtigen Schritt in diese Richtung.

Abgeordnete Dr. MOSER (G) hielt fest, der vorliegende Entschließungsantrag sei ein Zeichen dafür, wie parlamentarische Arbeit funktionieren könne. Das One-Stop-Shop-Prinzip für klimarelevante Förderungen wäre für sie, wie sie erklärte, nicht nur im Tourismusbereich, sondern für die gesamte Wirtschaft, aber auch im Privatbereich sinnvoll.

Abgeordneter Mag. HAUSER (F) begrüßte den vorliegenden Antrag zwar ebenfalls, meinte aber, der Tourismusausschuss könnte noch mehr tun, wenn man ihn ließe. Seiner Darstellung nach werden vor allem die ÖVP-Abgeordneten jedoch immer wieder "zurückgepfiffen". Hauser urgierte u.a. mehr Geld für die "Österreich Werbung" und Maßnahmen gegen den Nächtigungsrückgang in den Nationalpark-Regionen.

Abgeordneter BUCHER (B) führte aus, der Klimawandel sei mit Bestimmtheit eine der größten Herausforderungen der nächsten Jahrzehnte. Auch für den Tourismus habe der Kampf gegen die Klimaerwärmung große Bedeutung. Bucher sprach sich für gezielte Förderungen von Tourismusbetrieben aus dem Klimafonds aus. Mit den Mitteln könnten etwa Energieeffizienzsteigerungen und die thermische Sanierung von Betrieben gefördert werden.

Staatssekretärin MAREK verwies auf die erfolgreiche letzte Wintersaison im Tourismus. Mit einer Umsatzsteigerung von 10 % habe ein Rekordwinter erreicht werden können, skizzierte sie. Vor allem bei Gästen aus osteuropäischen Ländern habe es zweistellige Zuwachsraten gegeben. Aber auch deutsche Gäste seien wieder stärker nach Österreich gekommen. Von der EURO 2008 erwartet sich Marek eine Million zusätzlicher Nächtigungen im Juni.

Zu den Wortmeldungen der Abgeordneten merkte Marek an, die Evaluierung der Förderungen der österreichischen Tourismusbank (ÖHT) sei bereits vereinbart worden. Nächstes Jahr könnte es ihr zufolge eine erste Zwischenbilanz geben. Einer einseitigen Erhöhung der Fördermittel für die "Österreich Werbung" durch den Bund stand sie hingegen ablehnend gegenüber. Was den vorliegenden Entschließungsantrag betrifft, kündigte Marek an, im Rahmen der ÖHT zunächst Informationen über mögliche Förderungen bündeln zu wollen.

Abgeordneter HÖRL (V) betonte, der österreichische Tourismus sei eine "Erfolgsstory". Trotzdem hält er es für notwendig, Tourismusbetriebe weiter zu fördern. Die meisten Betriebe seien sehr klein, skizzierte Hörl, 84 % der touristischen Unternehmen hätten weniger als 10 Mitarbeiter. Generell würde er sich, wie er sagte, im Rahmen der ÖHT nicht nur eine Informationsbündelung, sondern allgemein eine Bündelung der Förderungen für die Tourismusbranche wünschen.

Abgeordnete PFEFFER (S) erklärte, mit dem Entschließungsantrag sollten zwei Dinge gleichzeitig erreicht werden: spezielle Förderungen für die Tourismuswirtschaft, vor allem für Klein- und Mittelbetriebe, und die Verbesserung des Klimaschutzes. Unternehmen seien, so Pfeffer, auch in der Tourismuswirtschaft oftmals mit einem "Förderdickicht" konfrontiert. Vor allem für Familienbetriebe sei das Eruieren und Beantragen von Förderungen eine schwer lösbare Aufgabe.

Abgeordneter Dr. EDER (V) konstatierte, Ziel von One-Stop-Shops sei es, alle bürokratischen Schritte bei einer einzelnen Stelle erledigen zu können. In diesem Sinn solle auch für die Tourismusbranche eine Anlaufstelle für Förderinformationen eingerichtet werden. Der Energiebedarf im Tourismus sei höher als im Gewerbe, machte Eder geltend, in diesem Sinn gebe es auch ein höheres Einsparungspotential.

Abgeordneter FAUL (S) machte auf den enormen Rückgang von Schulskikursen aufmerksam. Seiner Ansicht nach ist es unbedingt erforderlich, dieser Entwicklung durch verschiedene Initiativen, etwa die Förderung von Leihausrüstung, entgegenzutreten.

Abgeordnete MIKESCH (V) betonte, der Tourismus sei einer der wichtigsten Wirtschaftszweige Österreichs und ein bedeutender Beschäftigungsmotor. Vor allem hob sie auch die Bedeutung der Frauen in der Tourismuswirtschaft hervor.

Abgeordneter WIMMER (S) machte geltend, die Tourismus- und Freizeitwirtschaft trage beinahe 20 % zum Bruttoinlandsprodukt Österreichs bei. Fast jeder fünfte Beschäftigte in Österreich habe mittelbar oder unmittelbar mit der Freizeit- und Tourismusbranche zu tun. Den vorliegenden Entschließungsantrag begrüßte er nicht zuletzt in Anbetracht der geringen Eigenkapitalquote in der Tourismusbranche.

Abgeordneter HÖFINGER (V) zeigte sich ebenfalls über den vorliegenden Entschließungsantrag erfreut. Er wünscht sich, wie er ausführte, ein gut strukturiertes Büro als Ansprechpartner für Tourismusbetriebe, eventuell ergänzt durch Außenmitarbeiter, die vor Ort beraten könnten. Auch Informationen über das Internet wären seiner Meinung nach sinnvoll.

Abgeordnete Mag. LOHFEYER (S) gab zu bedenken, dass durch gezielte Beratung der Energieaufwand für Tourismusbetriebe halbiert werden könnte. Für die notwendigen Investitionen bräuchten die Betriebe aber Förderungen, bekräftigte sie.

Abgeordnete HÖLLERER (V) hob die wirtschaftliche Bedeutung des Tourismus hervor. Zum vorliegenden Antrag merkte sie an, derzeit müsse ein Betrieb, der umweltfreundliche Investitionen tätigen wolle, verschiedene Anträge bei verschiedenen Förderstellen einreichen. Sie begrüßte in diesem Sinn eine einheitliche Informations-Anlaufstelle.

Abgeordnete SCHASCHING (S) wertete den geplanten Informations-One-Stop-Shop als ganz wichtige Maßnahme. Ebenso bedeutsam wäre es ihrer Auffassung nach, das gesamte Förderwesen im Tourismus zu evaluieren. Vor allem für Kleinstbetriebe und Familienbetriebe ist es ihrer Meinung nach schwierig, mehr als ein paar "Krümel" vom Förderkuchen zu erhalten.

Abgeordnete FÜRNTRATH-MORETTI (V) äußerte sich über den Zuschlag der Ski-WM 2013 für Schladming erfreut. Sie erwartet sich positive Auswirkungen auf den Tourismus der Region.

Die dem Bericht des Tourismusausschusses angefügte Entschließung wurde vom Nationalrat einstimmig angenommen.   

Die nächsten Tagesordnungspunkte befassten sich mit der Grundbuchs-Novelle 2008 und der Änderung des Rechtsanwaltstarifgesetzes.

Abgeordnete Mag. BECHER (S) begrüßte neben der Umstellung auf eine elektronische Grundstücksdatenbank und der Abstimmung des Grundbuchs auf die neuen Technologien vor allem verfahrensbeschleunigende Maßnahmen sowie die Verwaltungsvereinfachungen, in denen sie große Vorteile für die Bürger und den Wirtschaftsstandort sah.

Abgeordneter Mag. IKRATH (V) erkannte in der Novelle ebenfalls eine grundlegende technologische Erneuerung des Grundbuchs und hob den Aspekt der Verwaltungsvereinfachung hervor. Allein durch das Streichen von bestehenden Informationsverpflichtungen würden 170 Mill. € jährlich eingespart werden, teilte er mit.

Abgeordnete HRADESCNI (G) unterstützte das Gesetz auch im Namen ihrer Fraktion, kritisierte aber Ungenauigkeiten des Grundsteuerkatasters, dessen Vermessungen noch auf das 19. Jahrhundert zurückgehen. Sie brachte einen S-V-G-B-Entschließungsantrag ein, in dem die Justizministerin aufgefordert wird, dafür zu sorgen, dass in den Grundbuchsauszügen die Unverbindlichkeit der Angaben über das Flächenausmaß deutlich hervorgehoben wird.

Abgeordneter Dr. FICHTENBAUER (F) äußerte sich ebenfalls zustimmend zur Novelle, sah aber Probleme beim Vier-Parteien-Antrag. Er warnte, der Hinweis auf die Unverbindlichkeit des Grundbuchsauszugs könnte zu einem Misstrauen der Bevölkerung führen. Ein Verweis auf die entsprechende Bestimmung des Landesvermessungsgesetzes wäre seiner Meinung nach ausreichend gewesen.

Abgeordneter Mag. DARMANN (B) fiel auch seinerseits in den Chor der zustimmenden Wortmeldungen ein und würdigte die Novelle als Meisterleistung des Justizministeriums. Er erwartete sich von der technologischen Erneuerung der Grundstücksdatenbank vor allem eine Erhöhung der Praxistauglichkeit des Grundbuchs und des Vermessungsrechts.

Abgeordneter KÖFER (S) stellte anerkennend fest, die heimische Justiz unterstreiche mit dieser Novelle ihre internationale Vorreiterrolle bei der Anwendung elektronischer Medien. Als Wermutstropfen verbuchte er allerdings die weiterhin bestehende Gebührenpflicht der Gemeinden für die Einsichtnahme ins Grundbuch.

Abgeordnete FRANZ (V) sprach auch ihrerseits von Verwaltungsvereinfachung und Verfahrensbeschleunigung, wobei sie vor allem die Entlastung der Gemeinden bei der Verbücherung von Plänen öffentlicher Anlagen begrüßte.

Abgeordneter GLASER (V) betonte, mit dieser Novelle bleibe die europaweit vorbildliche Zusammenarbeit zwischen Grundbuch und Vermessungsämtern auch weiterhin aufrecht.

Abgeordneter PRASSL (V) rückte ebenfalls die internationale Vorbildwirkung des österreichischen Grundbuchs sowie die Verfahrensvereinfachungen in den Mittelpunkt seiner Wortmeldung.

Bundesministerin Dr. BERGER bezeichnete den hohen Grad an Elektronisierung des Grundbuchs, aber auch des Firmenbuchs als internationales Vorzeigeprojekt. Sie kündigte ferner die rasche Umsetzung des Entschließungsantrags an. Dem Anliegen bezüglich Gebührenfreiheit für die Gemeinden konnte sich Berger hingegen nicht anschließen, da, wie sie sagte, die Gebühren wichtige Einnahmen für den Bund darstellten.

Bei der Abstimmung wurden das Grundbuchsgesetz und das Rechtsanwaltstarifgesetz jeweils einstimmig angenommen. Der Entschließungsantrag erhielt mehrheitliche Zustimmung.

In der Diskussion zum Justizbetreuungsagentur-Gesetz meldete Abgeordneter Mag. STEINHAUSER (G) grundsätzliche Bedenken gegen die Schaffung einer Justizbetreuungsagentur an und warnte, dieses Gesetz lege die Schiene für eine spätere Teilprivatisierung des Strafvollzugs. Er bezeichnete es zudem als falschen Weg, fehlendes Personal durch eine ausgegliederte Agentur bereitzustellen, anstatt die dafür notwendigen Planstellen zu schaffen, und warf der Regierung Etikettenschwindel vor.

Abgeordnete Mag. WURM (S) begründete den Schritt mit in den letzten Jahren drastisch gestiegenen Kosten des Maßnahmenvollzugs und rechnete vor, die Ausgliederung ermögliche für 2009 2 Mill. € und für 2010 8 Mill. € an Einsparungen. Mit Nachdruck versicherte sie, dass die Justizwache und das Sicherheitspersonal weiterhin hoheitlich organisiert bleiben und von einer Privatisierung des Strafvollzugs keine Rede sein könne.

Abgeordneter Mag. DONNERBAUER (V) stellte klar, es handle sich um keinen Schritt zur Privatisierung des Vollzugs, und meinte überdies, man habe auf zahlreiche Bedenken, die im Begutachtungsverfahren geäußert wurden, reagiert. So beschränke sich die Ausgliederung ausschließlich auf die Betreuung und Therapie, auch seien die Kontrolle durch das Parlament und die Verantwortung der Ministerin sichergestellt.

Abgeordneter Dr. FICHTENBAUER (F) unterstützte ebenfalls das Gesetz, in dem er eine vernünftige und pragmatische Lösung sah. Die Bedenken der Grünen hingegen hielt er für überzogen.

Abgeordneter Mag. DARMANN (B) verwies auf die stetig steigenden Kosten des Maßnahmenvollzugs und meinte, der Weg könne nur in die Richtung einer justizeigenen Betreuungsagentur gehen, die eine kostenschonende und qualitativ hochstehende Betreuung ermöglicht.

Bundesministerin Dr. BERGER berichtet von enormen Personalproblemen im Strafvollzug und merkte kritisch an, in den letzten Jahren sei den steigenden Häftlingszahlen nicht Rechnung getragen worden. Jüngste Ausweitungen der Planstellen wären bloß ein Tropfen auf den heißen Stein gewesen. Angesichts  der angespannten Situation sei Phantasie gefragt. Ein Produkt dieser Phantasie sei nun diese Justizbetreuungsagentur, sagte sie. Berger betonte, dass das Personal der Agentur vollkommen gleichberechtigt in die Anstalten integriert werde, und schloss Personalverleihung ausdrücklich aus. Die Lösung ermögliche eine bessere und kostengünstigere Betreuung, war sich die Ministerin sicher.

Abgeordnete Mag. STADLBAUER (S) bezeichnete die Maßnahme als äußerst kreative Vorgangsweise, die der Tatsache Rechnung trage, dass der Finanzminister die Planstellen nicht erhöht. Sie erinnerte überdies daran, dass schon bisher Personal zugekauft werden musste.

Abgeordnete Dr. KARL (V) ging auf Bedenken gegenüber dem Begutachtungsentwurf betreffend die Errichtung einer Justizbetreuungsagentur ein. Auf Anregung des Wirtschaftsministeriums sei nunmehr ausdrücklich geregelt, dass das Angestelltengesetz und die übrigen für private Arbeitgeber geltenden arbeitsrechtlichen Vorschriften anzuwenden sind. Dem Vorschlag der Bundesarbeitskammer, eine gesetzliche Verpflichtung vorzusehen, einen Kollektivvertrag auch tatsächlich und innerhalb einer angemessenen Frist abzuschließen, wurde nur teilweise entsprochen. Dennoch sei diesem Gesetz die Zustimmung zu erteilen, urteilte Karl. 

Abgeordneter Dr. WITTMANN (S) wies darauf hin, dass der Maßnahmenvollzug in den letzten Jahren von großen Aufwandssteigerungen im Bereich der medizinischen Betreuungs- und Versorgungsleistungen gekennzeichnet ist. Es sei daher eine hervorragende Idee, derartige Leistungen auf eine Bundesagentur auszulagern und auch die privatrechtlichen Dienstverträge über die Agentur abwickeln zu lassen. Dadurch rechne man mit Einsparungen in der Höhe von rund 2 Mill. € im Jahr 2009 und rund 8 Mill. € im Jahr 2010. Diesen Ausführungen schloss sich auch sein Fraktionskollege Abgeordneter KÖFER (S) an. Er regte zudem noch die Errichtung eines eigenen Gefangenkrankenhauses für ganz Österreich an, um weitere Kosten einsparen zu können. Abgeordneter PENDL (S) bedankte sich bei der Justizministerin und ihren Beamten für die gute Lösung.

Abgeordneter Dr. JAROLIM (S) hielt fest, dass es sich beim Gesetz nicht um den ersten Schritt in Richtung Privatisierung der Justiz handle.

Abgeordnete RIENER (V) unterstützte grundsätzlich die Errichtung der Justizbetreuungsagentur. Als Personalvertreterin gab sie jedoch zu bedenken, dass bisherige Ausgliederungen oft nicht den erwünschten Einsparungseffekt gebracht haben. Abgeordnete Dr. BRINEK (V) war der Auffassung, dass hinsichtlich der Resozialisierungsmaßnahmen ganz andere Wege als bisher beschritten werden müssen. Es sei Aufgabe der neuen Agentur, einen guten "policy-mix" zu finden und zu organisieren. Ihr Fraktionskollege Abgeordneter OBERNOSTERER (V) gratulierte der Ministerin zum vorliegenden Gesetz, bei dem es um Kosteneinsparungen und nicht um eine Privatisierung der Justiz gehe.

Der Gesetzentwurf wurde mehrheitlich angenommen. (Forts./Berufsausbildung)