Parlamentskorrespondenz Nr. 597 vom 19.06.2008

Ausführliche Klimaschutzdebatte im Umweltausschuss

Pröll: Regierung hält an Kyoto- und Biokraftstoffzielen fest

Wien (PK) – Mit einer ausführlichen Debatte über Berichte des Ressorts zu den Themenbereichen Umweltförderungen des Bundes und Klimaschutz sowie über die geplanten Vorhaben auf EU-Ebene setzten die Mitglieder des Umweltausschusses ihre Beratungen fort. Im Anschluss daran standen jeweils drei Entschließungsanträge der Freiheitlichen und der Grünen auf der Tagesordnung. Mit der Einladung von Seiten der Regierungsfraktionen, noch weitere Gespräche über die in den Anträgen enthaltenen Vorschläge zu führen, wurden alle Initiativen – mit Mehrheit – vertagt. 

Umweltförderungen des Bundes und Klimaschutzbericht

Eine positive Bilanz zieht der Bericht über die Umweltförderungen des Bundes für das Jahr 2007. Im Rahmen der Umweltförderungen

des Bundes wurden im Berichtsjahr insgesamt 5.137 Projekte entschieden. Die Empfehlungen der Kommissionen in Angelegenheiten der Wasserwirtschaft (früher Siedlungswasserwirtschaft),

der Umweltförderung im In- und Ausland und der Altlastensanierung waren ausschlaggebend, dass der Umweltminister Mittel für 4.816 Projekte genehmigen konnte. Die genehmigten Förderungsansuchen mit einem Förderungsbarwert von EUR 245,4 Mio. lösten ein umweltrelevantes Investitionsvolumen von EUR 1.004,9 Mio. aus. Ein weiterer Bericht befasste mit der Evaluierung der Umweltförderung des Bundes in den Jahren 2005 bis 2007, in dem fünf verschiedene Förderbereiche untersucht wurden: die Siedlungswasserwirtschaft, die Umweltförderung im Inland, die Umweltförderung im Ausland, das Joint Implementation/Clean Development Mechanism-Programm (kurz: JI/CDM-Programm) sowie die Altlastensanierung und –sicherung. Über alle Förderbereiche gerechnet, wurden insgesamt 12.034 Ansuchen bewilligt und mit einem Fördervolumen von 782,3 Mio. Euro gefördert.

Im Klimaschutzbericht 2008 vergleicht das Umweltbundesamt die österreichischen Treibhausgasemissionen mit den Zielen des Kyoto-Protokolls. Die Experten analysieren die sektoralen Emissionstrends im Zusammenhang mit gesamtwirtschaftlichen Faktoren, erheben den Stand der Umsetzung der Klimaschutzstrategie 2007 und bewerten die Zielerreichung in den in einzelnen Sektoren. Insgesamt lag der Treibhausgasausstoß 2006 in Österreich bei 91,1 Mill. Tonnen. Daraus folgt, dass durch Einsatz flexibler Mechanismen – JI/CDM-Programm und Emissionshandel – sowie aus forstlicher Bewirtschaftung noch 10,6 Mill. Tonnen Treibhausgasemissionen eingespart werden müssen. Auf großen Handlungsbedarf stieß das Umweltbundesamt in den Sektoren Verkehr, Raumwärme und Kleinverbrauch. Zur Diskussion stand weiters noch eine Vorschau über die wichtigsten Vorhaben der Europäischen Union im Jahr 2008, die auf der Grundlage der Arbeitsprogramme von Kommission und Rat erstellt wurde.

Abgeordnete Petra Bayr (S) sprach die JI/CDM-Projekte an, bei der ihrer Meinung nach österreichische Firmen noch mehr an der Wertschöpfung beteiligt sein sollten. - Abgeordneter Norbert Hofer (F) konnte den Umweltförderungsmaßnahmen im Ausland, etwa in China und Indien, wenig abgewinnen. Aus volkswirtschaftlicher Sicht wären Investitionen im Inland sinnvoller, weil damit heimische Arbeitsplätze geschaffen würden. - Auch Abgeordnete Ruperta Lichtenecker (G) warf – ebenso wie ihre Fraktionskollegin Gabriela Moser - einen kritischen Blick auf das JI/CDM-Programm, weil dies viel teurer komme als die Umweltförderung im Inland und weil damit oft fragwürdige Projekte gefördert werden, die zudem den entwicklungspolitischen Kriterien nicht entsprechen. Außerdem sollte die Beteiligung von österreichischen Firmen viel größer sein. – Abgeordneter Veit Schalle (B) erkundigte sich danach, wie die Kyoto-Ziele erreicht werden sollen und forderte eine Mittelumschichtung weg von der Landwirtschaft und der Großindustrie hin zur thermischen Sanierung, der Solartechnologie und der Photovoltaik. – Die Berichte zeigten deutlich, wie gut es um die heimische Umweltpolitik stehe, betonte Abgeordneter Konrad Steindl (V). So haben sich etwa seit 2003 die klimaschutzrelevanten Fördermaßnahmen mehr als verdoppelt.

Bundesminister Josef Pröll ging auf Berichte über die Umweltförderungen ein, die klar belegen, welche Schwerpunkte gesetzt wurden, wie viel Geld in die Hand genommen wurde und welche wirtschaftlichen und ökologischen Auswirkungen damit verbunden waren. Ein Bekenntnis legte er zum JI/CDM-Programm ab, das eine Säule von mehreren sei, um die Klimaschutzziele zu erreichen. Mit 531 Mill. € für insgesamt 45 Mill. Tonnen Emissionsreduktionseinheiten sei das österreichische Programm ausfinanziert, informierte Pröll. Es werde zudem mit einer Erhöhung des Preise für die Emissionszertifikate um 10 % bis 15 % gerechnet. Intensiv sei man bestrebt, mehr österreichische Firmen für die JI/CDM-Projekte zu gewinnen, es gebe eigene Arbeitsgruppen, Workshops zusammen mit der Wirtschaftskammer und verstärkte Werbungsaktivitäten. Dem Abgeordneten Hofer hielt Pröll entgegen, dass viele Entwicklungsländer "händeringend darum bitten", Projekte in ihr Land zu bekommen.

Was die Biokraftstoffe betrifft, so werde die Regierung an ihrem Vorhaben (10 % alternative Kraftstoffe bis 2010) festhalten; dies habe vor kurzem auch Bundeskanzler Gusenbauer wieder bestätigt. Sehr gut unterwegs sei man bei der Wasser-Rahmenrichtlinie der EU, führte Pröll weiter aus, morgen werden etwa schon die Förderrichtlinien für die Siedlungswasserwirtschaft besprochen. Bezüglich des angesprochenen NOx-Maßnahmenpakets verwies der Minister auf eine freiwillige Vereinbarung mit der E-Wirtschaft. Hinsichtlich der Altlastensanierung gab der Ressortchef zu bedenken, dass der Dreck, der jahrzehntelang abgelagert wurde, nicht in einigen Jahren beseitigt werden könne. Er glaube jedoch, dass sehr vieles bereits erreicht wurde, vor allem in den zentralen Problemlagen. Schließlich machte Pröll darauf aufmerksam, dass gestern die 15a-BVG-Vereinbarung mit den Ländern über die Wohnbauförderung in die Begutachtung geschickt wurde. Darin vorgesehen sei beispielsweise, dass es keine Förderung von Ölheizungen in Neubauten geben werde und dass Energieeffizienzkriterien eingeführt werden sollen.

In der weiteren Diskussion sprachen die Abgeordneten folgende Themen an: die Zielerreichung im Bereich erneuerbarer Energien sowie die CCS-Technologie (Abgeordnete Ruperta Lichtenecker, G), Maßnahmen im Verkehrsbereich (Abgeordnete Andrea Eder-Gitschthaler, V), das Erreichen der Kyoto-Ziele (Abgeordnete Katharina Pfeffer, S), Müllverbrennungsanlagen (Abgeordneter Hubert Kuzdas, S), verpflichtende ökologische Kriterien bei der Wohnbauförderung, forcierter Ausbau der Gebäudesanierung sowie Förderung des Austausches von alten PKW vor allem bei Menschen mit geringen Einkommen (Abgeordneter Veit Schalle, B) sowie das Zertifikationssystem bei den Biokraftstoffen (Abgeordnete Angela Lueger, S).

Abgeordneter Erwin Hornek (V) befasste sich vor allem mit dem Klimaschutzbericht, der klar aufzeige, dass es in den Bereichen Verkehr, Raumwärme und Kleinverbraucher Handlungsbedarf gebe. Seiner Ansicht nach sei es unabdingbar, auf erneuerbare Energie zu setzen, wie dies in Österreich bereits erfolgreich getan werde. Als Beispiel nannte er, dass es derzeit bereits 2,4 Millionen Quadratmeter an thermischen Sonnenkollektoren gibt, was im Vergleich zu Deutschland sehr beachtlich sei.

Für Abgeordneten Norbert Hofer (F) spielte die Frage der Energieeffizienz eine große Rolle. Dringend notwendig seien Maßnahmen im Verkehr, bei der Raumwärme und der Warmwasseraufbereitung. Ein klares Bekenntnis legte er auch zur Wasserkraft ab.

Nach Ansicht von Abgeordneter Ruperta Lichtenecker (G) stehe der Minister "vor einem Scherbenhaufen" in der Klimapolitik. Dieser Bewertung schloss sich auch Abgeordnete Gabriela Moser (G) an, die der Auffassung war, dass jahrelang nichts passiert sei. Ansetzen müsste man vor allem im Verkehrsbereich, zumal bei 50 % der Fahrten der zurückgelegte Weg weniger als fünf Kilometer betrage. Wie man angesichts der aktuellen Entwicklungen sehe, ändern die Menschen ihr Verhalten nur, wenn die Preise steigen. Außerdem sollte der Klimaschutzbericht auch im Verkehrs-, Bauten- und Wirtschaftsausschuss behandelt werden, forderte sie.

In Beantwortung der einzelnen Fragen ging Bundesminister Josef Pröll zunächst auf die angesprochene CCS-Technologie (Einlagerung von CO2) ein, die er kritisch sah. Die Forschung in diesem Bereich werde massiv vorangetrieben, erklärte er, aber die Technologie stecke noch in den Kinderschuhen. Die Reduktionsmaßnahmen haben für ihn absoluten Vorrang. Festgehalten werde natürlich auch an den Zielen bezüglich des Anteils an erneuerbaren Energien, der von der EU mit 34 % für Österreich fixiert wurde. Dies hindere uns jedoch nicht daran, die im Regierungsprogramm festgeschriebenen 45 % bis 2020 anzupeilen, merkte Pröll an. Was die Solartechnik angeht, so liege Österreich im Vergleich etwa zu Deutschland sehr gut, führte der Minister weiter aus, auch der Photovoltaik soll nun ein neuer Schub verliehen werden. Am 3. Juli wird der Wirtschaftsminister zudem ein "Grünbuch zur Energieeffizienz in Österreich" präsentieren. Im Herbst soll auch der Energiecheck für alle österreichischen Haushalte anlaufen, antwortete Pröll auf eine Frage der Abgeordneten Lichtenecker.

Weiters kam der Bundesminister auf den Post-Kyoto-Prozess zu sprechen, der im Dezember in Polen seine Fortsetzung finden wird. Dabei wurden folgende Verhandlungsschwerpunkte festgelegt: Technologietransfer in Entwicklungsländer, tropische Entwaldung und Klimaanpassung. Was das EU-Klima- und Energiepaket angeht, so befürchte er, dass es aufgrund des negativen Ausgangs der Volksabstimmung in Irland heuer nicht mehr zu einer endgültigen Lösung kommen wird. Dem Abgeordneten Schalle gegenüber stellte er fest, dass er keine große Renaissance der Atomkraft in Europa sehe, zumal viele Länder über das Planungsstadium nicht hinauskommen. Ein Ausstieg aus dem EURATOM-Vertrag sei rechtlich nicht möglich. Aber Österreich sei natürlich dagegen, dass Mittel für den Neubau von AKW verwendet werden.

Auf nationaler Ebene werde mit dem bereits in Begutachtung geschickten Entwurf für ein Klimaschutzgesetz e in klarer Rechtsrahmen festgelegt, unter dem die Klimaschutz-Ziele der einzelnen Sektoren eindeutigen Zuständigkeiten in Bund und Ländern zugeordnet und festgeschrieben werden. Es soll konkret fixiert werden, wer was zum Klimaschutz beizutragen hat und wie die Sanktionen bei einer Zielverfehlung aufzuteilen sind. Sollte es in einzelnen Sektoren zu keiner Einigung kommen, sieht das Gesetz eine automatische Lastenteilung im Verhältnis 50:50 zwischen dem Bund und den Ländern, bzw. eine Lastenteilung entsprechend des Bevölkerungsschlüssels zwischen den einzelnen Ländern vor.

Vorschläge der Freiheitlichen und Grünen in der Umweltpolitik

In der Folge befassten sich die Ausschussmitglieder mit sechs Entschließungsanträgen der FPÖ und der Grünen, die alle mehrheitlich vertagt wurden. Im Interesse der Energieeffizienz, des Klimaschutzes und österreichischer Arbeitsplätze beantragt die FPÖ die Kennzeichnung von Lebensmitteln, die einen Transportweg von über 500 km hinter sich haben. In einem weiteren Entschließungsantrag schlagen die F-Mandatare die Durchführung eines Pilotprojekts vor, mit dem Ziel, eine gewisse Anzahl an Privathaushalten energieautonom zu machen. Da es im Nordburgenland rund um den Neusiedlersee bereits jetzt eine Reihe von Windparks mit unzähligen Windkraftwerken gibt, wäre diese Region der optimale Standort für einen Feldversuch in Österreich. Die Finanzierung des Projekts könnte zum Teil über das 7. EU-Rahmenprogramm für Forschung, technologische Entwicklung und Demonstration erfolgen. Außerdem sprechen sich die FPÖ-Abgeordneten in einem Entschließungsantrag für die Einrichtung einer Europäischen Agentur für erneuerbare Energie aus.

"Wir müssen raus aus teurem Öl und Gas", sagen die Abgeordneten der Grünen und schlagen dem Nationalrat ein Klimaschutz-Umstiegspaket vor. Um den Menschen beim Umstieg auf Sonnenenergie zu helfen, soll die Bundesregierung in Zusammenarbeit mit den Ländern rasch ein Klimaschutz-Entlastungspaket auf den Weg bringen. Ein zweiter Entschließungsantrag der Grünen richtet sich auf einen Klimaschutz-Aktionsplan der Bundesregierung mit folgenden Zielen und Eckpunkten: Senkung der Treibhausgasemissionen bis 2020 um 30 % und bis 2050 um 80 % und Verankerung dieser Ziele in einem Klimaschutzgesetz; Stopp aller Subventionen für die Atomindustrie; Abschaffung des Euratom-Vertrages; Stromspar-Offensive; Ausbau des Ökostromanteils auf 85 % bis 2015 und auf 100 % bis 2030; ökologisch-soziale Steuerreform und Einrichtung eines Energiewende-Fonds mit 200 Mill. € jährlich für Zusatzfinanzierungen zur Energiewende-Politik. Schließlich fordern die Grünen im dritten Entschließungsantrag eine neue österreichische Klimastrategie, die aus einem umfassenden Maßnahmenpaket besteht. (Schluss)