Parlamentskorrespondenz Nr. 624 vom 01.07.2008

Konsumentenschutzausschuss mit umfangreicher Tagesordnung

Gesundheitsministerin Andrea Kdolsky im Ausschuss

Wien (PK) – In der heutigen Sitzung des Konsumentenschutzausschusses begrüßte Obmann Johann Maier (S) Gesundheitsministerin Andrea Kdolsky; die Mehrzahl der Punkte der umfangreichen Tagesordnung betraf ihr Ressort. Zu Beginn der Sitzung wählten die Mitglieder des Ausschusses Abgeordneten Wolfgang Zanger (F) einstimmig zum Obmannstellvertreter; Zanger folgt in dieser Funktion auf Harald Vilimsky (F), der aus dem Ausschuss ausgeschieden ist. 

EuGH-Urteil führt zu Änderung des Lebensmittelrechts

Nach kurzer Debatte stimmte der Ausschuss der Änderung des Lebensmittel-, des Lebensmittelsicherheits- und des Verbraucherschutzgesetzes zu. Wie Ministerin Andrea Kdolsky einleitend sagte, wird damit einem EuGH-Urteil nachgekommen. Im konkreten geht es um die Regelung des Kontrollsystems in der biologischen Landwirtschaft und insbesondere um die ausdrückliche Ermöglichung des Zugangs von ausländischen Kontrollstellen zum Kontrollsystem. Die Folge einer Nichtumsetzung wäre die Verhängung finanzieller Sanktionen durch den EuGH, die der Bund zu tragen hätte.

Abgeordneter Wolfgang Pirklhuber (G) appellierte an die Ministerin, dafür Sorge zu tragen, dass die Kontrollstellen mit der entsprechenden Ausstattung versehen werden. Abgeordneter Sigisbert Dolinschek fragte nach der Höhe der drohenden Sanktionen und erfuhr, dass dieselben uneinheitlich seien; es werde aber an eigenen Katalogen gearbeitet.

Kein Konsens bei Kennzeichnungspflicht von verarbeiteten Eiern 

Keinen Konsens erzielte der Ausschuss hingegen in der Frage der Kennzeichnungspflicht von verarbeiteten Eiern. Drei Anträge – einer von den Regierungsfraktionen, zwei von den Grünen – wurden unter einem diskutiert. Der S-V-Antrag wurde dem Plenum zur Annahme empfohlen, die beiden G-Anträge wurden auf Antrag des Abgeordneten Johann Rädler (V) mit der Mehrheit der Koalition vertagt.

Das Problem: Im Gegensatz zur verpflichtenden Angabe von Herkunft und Haltungsform auf Frischeiern gibt es für den Konsumenten derzeit keine Möglichkeit selbiges bei verarbeiteten Eiern in Fertig- bzw. Eiprodukten sowie in der Gastronomie festzustellen. Der Entschließungsantrag von SPÖ und ÖVP gibt darüber hinaus zu bedenken, dass in Österreich die Käfighaltung ab 2009 verboten sein wird und viele eierproduzierende Bauern befürchten, dass die eierverarbeitende Industrie künftig Eier aus dem Ausland beziehen könnte, anstatt österreichische, tierfreundlich produzierte Qualitätseier aus Boden- oder Freilandhaltung zu beziehen.

Die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung werden daher ersucht, sich auf EU-Ebene zur Wahrung der Interessen der Konsumenten für eine Kennzeichnungspflicht von verarbeiteten Eiern in Fertig- bzw. Eiprodukten und in der Gastronomie nach Herkunft und Haltungsform einzusetzen. Weitere Forderungen: der Zeitraum bis zur Erlassung verpflichtender EU-Vorschriften soll auf nationaler Ebene genutzt werden, um mit einem auf Freiwilligkeit basierenden, möglichst effizient ausgestaltetem österreichischen System eine Kennzeichnung so schnell wie möglich umzusetzen sowie Vorbereitungen zu treffen, um im Bereich der Qualitätsauslobungen durch die Schaffung einer "Clearingstelle", Informationsmöglichkeiten zur Kennzeichnung der Haltungsformen der Legehennen bei Eiern bereitzustellen.

In zwei gleichlautenden Entschließungsanträgen fordern die Grünen die Bundesregierung auf, die rechtlichen Bestimmungen zur Lebensmittelkennzeichnung dahingehend zu ändern, dass Angaben zur Haltungsform der Legehennen bei allen Lebensmitteln, die Ei als Zutat enthalten, verpflichtend vorgeschrieben werden. Außerdem sollen Initiativen ergriffen werden, um die EU-weite Kennzeichnungspflicht für Eier auf eierhaltige Produkte jeder Art auszudehnen und die Öffentlichkeitsarbeit über artgerechte Tierhaltung und deren Kennzeichnung zu fördern und zu verstärken.

Abgeordneter Wolfgang Pirklhuber (G) versuchte, den Abgeordneten der Koalitionsfraktionen eine goldene Brücke zu einem Fünf-Parteien-Antrag zu bauen. Seine Fraktion sei bereit, führte er aus, nicht auf der Kennzeichnungspflicht zu bestehen und die eigenen Anträge als "miterledigt" zu betrachten, wenn SPÖ und ÖVP in ihrem Antrag die Freiwilligkeit strichen. Man sollte es dem Ministerium überlassen, in Verhandlungen die bestmögliche Lösung zu finden. Damit würde man auch die eierproduzierenden Bauern unterstützen.

Abgeordneter Johann Rädler (V) konnte dem nichts abgewinnen und stellte einen Vertagungsantrag für die Anträge der Grünen.

Abgeordneter Wolfgang Zanger (F) hingegen sprach sich für eine Verpflichtung zur Kennzeichnung im Sinn der G-Anträge aus.

Auch Abgeordneter Johann Maier (S) äußerte Sympathie für die Position der Grünen, zeigte aber auch Verständnis für den Koalitionspartner, der dabei offenbar nicht mitgehen könne.

Bundesministerin Andrea Kdolsky machte deutlich, dass bis Ende des Jahres eine "zumutbare" Regelung vorliegen werde.

Kennzeichnung von Lebensmitteln: Wo A drauf steht, soll A drin sein

Die Kennzeichnung von Lebensmitteln beschäftigte den Ausschuss noch weiter. Unter einem wurden fünf Anträge zu diesem Themenkreis diskutiert.

Ziel eines S-V-G-Entschließungsantrags ist die Verbesserung der Lebensmittelkennzeichnung, wobei zunächst die Weiterentwicklung von Systemen der Ursprungs- und Herkunftskennzeichnung vor allem für landwirtschaftliche Produkte (z.B. Milch) gefördert werden soll.  Bei der Ausgestaltung der Kennzeichnungspflichten auf unverpackte und im Rahmen der Gemeinschaftsverpflegung angebotene Produkte soll auch die Machbarkeit sowie der administrative Mehraufwand für kleinere Lebensmittelbetriebe und die Gastwirtschaft berücksichtigt werden. Die durch die unterschiedliche Auslegung des Begriffs "deutlich sicht- und lesbar" entstehende Verzerrung des freien Handels soll verhindert werden, in dem man sich für die Festsetzung einer ausreichenden Schriftgröße bei gutem Kontrast einsetzt.

Die Abgeordneten der SPÖ treten dafür ein, dass in Hinkunft auf den in der EU produzierten Lebensmitteln das Erzeugerland und der Name sowie die Anschrift des Herstellers angegeben werden müssen. Überdies fehle für Europa ein "Made in the EU"-Kennzeichnungssystem.

Einen konsumentenpolitischen Forderungskatalog für den Bereich der Lebensmittel hat das BZÖ in Form eines Entschließungsantrages vorgelegt, der u.a. folgende Ziele verfolgt: staatlicher Schutz vor gesundheitsgefährdenden Nahrungsmitteln durch verstärkte Kontrollen der Qualität und durch richtige Etikettierung; kein Angebot an gentechnisch veränderten Nahrungsmitteln; staatlicher Druck in Richtung laufende Qualitätsverbesserung; volle Deklaration von Inhaltsstoffen und wesentlichen Verarbeitungsschritten und Verarbeitungsmethoden ohne Ausnahme bestimmter Produkte und auch im Verkauf an Frischwaretheken und in der Gastronomie; informative Gütezeichen ohne Irreführung ("Made in Austria" muss aus österreichischen Grundprodukten bestehen); gesundheits- und inhaltsstofforientierte Qualitätsklasseneinteilungen; rasche Information der Konsumenten über Neuerungen und Gefahren.

Mit der Praxis, dass Fleisch von Tieren, die lebend und oftmals unter Qualen quer durch Europa transportiert und in Österreich geschlachtet werden, das Gütesiegel "A" erhalten, setzen sich die Freiheitlichen in einem Entschließungsantrag auseinander. Das habe zur Folge, dass dieses Fleisch im Inland als "österreichisches Fleisch" verkauft und als solches auch exportiert werde. Um Konsumenten nicht länger zu täuschen, sollten daher alle erforderlichen Schritte gesetzt werden, um zu gewährleisten, dass künftig nur noch Fleisch von in Österreich aufgewachsenen Tieren mit dem A-Stempel versehen werden darf, fordert die FPÖ.

In einem weiteren FPÖ-Entschließungsantrag treten die F-Mandatare für eine Kennzeichnungspflicht für Fleisch, Milchprodukte und Eier von Tieren, die mit gentechnisch veränderten Organismen gefüttert wurden, ein. Das Gesundheitsrisiko für Tiere durch den Verzehr gentechnisch veränderter Pflanzen sei nach wie vor ungeklärt, argumentiert F-Abgeordneter Norbert Hofer. Zudem vermutet die Wissenschaft, dass das gentechnisch veränderte Erbgut über Fleisch oder Milch in den menschlichen Organismus gelangen und dort nicht bekannte Effekte auslösen könne.

Nach längerer Debatte wurde der Antrag der Koalitionsfraktionen (828/A[E]) mit Mehrheit befürwortet; Antrag 38/A(E) gilt als miterledigt. Die übrigen Anträge (123/A[E], 330/A[E] und 513/A[E]) wurden mit Mehrheit vertagt.

Abgeordnete Gertrude Aubauer (V) übte zunächst Kritik an der oft "unlesbaren Mikroschrift" bei Kennzeichnungen, die gerade für ältere Menschen ein Problem darstelle. – Abgeordneter Manfred Haimbuchner (F) sah einen Widerspruch zwischen dem Bestreben, regionale Produkte zu vermarkten und zugleich die Bezeichnung "made in the EU" einzuführen. Zudem plädierte er bezüglich Schriftgröße auf praktikable Lösungen. – Auch B-Abgeordneter Sigisbert Dolinschek sah die Herkunftsbezeichnung "made in the EU" als problematisch an. - Abgeordnete Anna Höllerer (V) ortete Schwierigkeiten bezüglich der Herkunftsbezeichnung und sah im österreichischen Gütesiegel Werbung für österreichische Qualitätsprodukte.

Abgeordneter Wolfgang Pirklhuber (G) brach eine Lanze für die Kennzeichnung von Fleisch, Milchprodukten und Eiern von Tieren, die mit gentechnisch veränderten Organismen gefüttert wurden. Er verwies auf jüngste Studien, wonach GVO in der Blutbahn und in Organen solcher Tiere nachgewiesen worden seien. Zum A-Stempel meinte er, dass zwar jeder Baumstamm zurückverfolgt werden könne, nicht aber das Schnitzel auf dem Teller; dezidiert wandte sich der Mandatar in diesem Zusammenhang gegen Praktiken der "Fleischmafia". Bezüglich Gütesiegel für Gentechnik-Freiheit stellte er die Schweiz als vorbildlich dar und plädierte für ein offensives Vorgehen. – Abgeordnete Elisabeth Grossmann (S) bezog sich in ihrer Wortmeldung auf Antrag 123/A(E) und verwies auf eine entsprechende laufende bzw. in Vorbereitung befindliche Evaluierung; sie stellte im Hinblick darauf für den Antrag einen Vertagungsantrag.

Bundesministerin Andrea Kdolsky informierte den Ausschuss über einen Vorschlag der Europäischen Kommission bezüglich Information der VerbraucherInnen durch eine Herkunfts-und Ursprungskennzeichnung von Lebensmitteln. Die Kommission sehe auch die Kennzeichnung von unverpackter Ware vor. Sie kam in diesem Zusammenhang auch auf den – wie sie sagte "heiklen" – Bereich der allergenen Stoffe zu sprechen. Bezüglich der Lesbarkeit sei an eine Schriftgröße von mindestens 3 mm gedacht, wobei es allerdings auch auf den Kontrast ankomme. Aus der Sicht Österreichs bedürfe es noch weiterer Konkretisierungen. Zum Thema Qualitätsauslobung werde ein EU-Grünbuch vorbereitet, Anfang 2009 könne mit einem Gesetz gerechnet werden. Der so genannte Schlachtstempel verweise nicht auf eine Herkunft, sondern auf den Ort der Schlachtung und tierärztlichen Beschau. Sobald die EU-Linie deutlich sei, werde man mit der Diskussion über die Umsetzung in Österreich beginnen.

Abgeordneter Bernhard Vock (F) plädierte für das Halten hoher Standards; da es innerhalb der EU keine einheitlichen Standards gebe, könne auch die EU nicht als Herkunftsland bezeichnet werden. – Abgeordneter Norbert Sieber (V) betonte, dass "A drin sein muss, wenn A drauf steht". In Richtung des Abgeordneten Pirklhuber meinte Sieber, dass der Nachweis von GVO im Blut und in den Organen nicht möglich sei. In Summe gebe es überhaupt bereits ein Zuviel an Kennzeichnung.

Im Konflikt zwischen den Interessen der Wirtschaft und den Interessen der Konsumenten positionierte sich Abgeordneter Johann Maier (S) auf der Seite der Konsumenten, deren Intereressen es zu schützen gelte. Er stellte klar, dass die Herkunftsbezeichnung "made in the EU" zusätzlich zur Landesbezeichnung gedacht sei. Maier ortete einen Umdenkprozess in der EU bezüglich der Kennzeichnung von Lebensmitteln. – Abgeordnete Bettina Hradecsni sprach sich für Transparenz bei Gütesiegeln aus.

Der Antrag der Koalitionsfraktionen (828/A[E]) wurde vom Ausschuss mit Mehrheit befürwortet; Antrag 38/A(E) gilt als miterledigt. Die übrigen Anträge (123/A[E], 330/A[E] und 513/A[E]) wurden mit Mehrheit vertagt. (Fortsetzung)