Parlamentskorrespondenz Nr. 625 vom 01.07.2008

Finanzausschuss befürwortet Finanzprokuratur neu mehrheitlich

Weitere Themen: Finanztransaktionen, Treibstoffpreise, Umsatzsteuer

Wien (PK) - Nach seiner Aussprache mit der Notenbankspitze leitete der Finanzausschuss unter dem Vorsitz seines Obmanns Günter Stummvoll Regierungsvorlagen zur Reform der Finanzprokuratur (609 d.B.), für ein Abgabenänderungsgesetz 2008 (586 d.B.) und zur Haftungsübernahme für die geplante Van Gogh-Ausstellung in der Albertina (585 d.B.) sowie S-V- Antrag 837/A auf EU-Anpassungen im Glücksspielgesetz an das Plenum weiter. Die Grünen drängten auf die Einführung einer Finanztransaktionssteuer, mindestens in der EU (699/A(E), die FPÖ verlangte den Übergang der Umsatzsteuerschuld auf den Leistungsempfänger (Reverse Charge-System) als Maßnahme gegen den Umsatzsteuerbetrug (791/A(E)), das BZÖ forderte eine Preis-Obergrenze pro Liter Treibstoff von 1 Euro durch Flexibilisierung der Mehrwertsteuer (278/A(E)). Alle Oppositionsanträge wurden mit S-V-Mehrheit vertagt.

Finanzprokuratur Neu 

Das von SPÖ und ÖVP befürwortete Finanzprokuraturgesetz zielt darauf ab, die "Anwaltskanzlei der Republik" zu einer Wissensplattform auszubauen, die die Lösung von Rechtsfragen zwischen Gebietskörperschaften und staatsnahen Rechtsträgern koordiniert und als "One-Stop-Shop" zu einer kundenorientierten Verwaltung beiträgt. Die Reform soll eine höhere anwaltliche Wertschöpfung und Einsparungen in der Höhe von 1,817 Mill. Euro bis 2012 bringen.

Abgeordneter Peter Fichtenbauer (F) lehnte den Gesetzentwurf ab und begründete dies mit möglichen Kollisionen, die in der künftigen Tätigkeit der Finanzprokuratur zwischen den Interessen des Bundes, für deren Vertretung die Finanzprokuratur berufen sei, mit den Interessen von Ländern und Gemeinden zu befürchten seien. Überdies sei eine anwaltliche Tätigkeit, die Parteilichkeit erfordere, mit der vorgesehenen Erstellung von Schiedsgutachten, der Mediation und der außergerichtlichen Streitbeilegung als Vermittler nicht vereinbar. Der Abgeordnete problematisierte auch das vorgesehene auftragslose Einschreiten der Finanzprokuratur, sah Probleme bei der Einhaltung der Vertraulichkeit als Rechtsvertreter infolge der Eingliederung der Finanzprokuratur in das Finanzministerium und illustrierte zu erwartende Interessenkollisionen am Beispiel von Haftungsfällen, in denen sich der Bund in einem Prozess gegen die Finanzprokuratur von der Finanzprokuratur vertreten lassen würde. Der Finanzprokuratur fehlten wesentliche Eigenschaften eines Rechtsanwalts, insbesondere bei den Verschwiegenheitspflichten und im Kollisionsrecht. Sie sei nicht unabhängig, sondern überwiegend Behörde, führte Fichtenbauer aus. Der Abgeordnete hielt die Vorlage für nicht entscheidungsreif und beantragte die Vertagung der Beratungen, um einen besseren Gesetzentwurf auszuarbeiten.

Finanzstaatssekretär Christoph Matznetter replizierte, indem er von einem guten Gesetzentwurf sprach und die Absicht der Regierung erläuterte, die von vielen Rechtsanwälten gewürdigte juristische Kompetenz der Finanzprokuratur für die Republik zu nutzen. Für die Bürger sei es von Vorteil, dass sie sich in Prozessen mit dem mächtigen Gegner Staat nicht auch noch mit den Gewinninteressen des gegnerischen Anwalts auseinanderzusetzen hätten, denn die Finanzprokuratur sei ohne Gewinnabsicht tätig. Sorgen des Abgeordneten Fichtenbauer wegen Interessenkollisionen zerstreute der Staatssekretär, der Gesetzentwurf regle die einzelnen Tätigkeitsbereiche der Finanzprokuratur genau und grenze sie voneinander ab. Die Bediensteten der Finanzprokuratur unterliegen bei ihrer Tätigkeit einerseits der Amtsverschwiegenheit und der Verschwiegenheit des Rechtsvertreters. Ersparnisse seien zu erwarten, weil die Leistung der Finanzprokuratur erhöht werde; davon profitiere der Steuerzahler. Wie jeder andere Anwalt auch soll die Finanzprokuratur stets erreichbar sein, um in dringlichen Fällen sofort tätig werden zu können, erfuhr Abgeordnete Marianne Hagenhofer (S) vom Staatssekretär auf eine diesbezügliche Frage.

Die Besorgnis des Abgeordneten Johannes Jarolim, die Finanzprokuratur könnte sich wegen ihrer weitreichenden Befugnisse zu einem "Kurator der Republik" entwickeln, teilte der Staatssekretär nicht.

Die Notwendigkeit, seitens der Finanzprokuratur rasch einschreiten zu können, begründet der Präsident der Finanzprokuratur Wolfgang Peschorn, indem er auf mögliche negative Kompetenzkonflikte zwischen Behörden hinwies, deren Klärung in dringenden Rechtsfragen zu Fristversäumnissen führen könnten. In solchen Fällen, "bei Gefahr im Verzug", sei es zweckmäßig, wenn die Finanzprokuratur von sich aus tätig werden könne.   

Abgeordneter Kurt Gaßner (S) bedauerte, dass Länder und Gemeinden die Finanzprokuratur nur zum Rechtsanwaltstarif in Anspruch nehmen können und erfuhr von Staatssekretär Matznetter, dass dies aus wettbewerbsrechtlichen Gründen notwendig sei, um gleichheitswidrige Konkurrenzsituation gegenüber Anwaltskanzleien im juristischen Breitengeschäft zu vermeiden.

Abgeordneter Johannes Jarolim (S) sah weitgehende Machtbefugnisse für die Finanzprokuratur und sprach sich dafür aus, dass jeder die Finanzprokuratur beiziehen könne. Hinsichtlich der vorgesehenen Rechtsberatung wollte der Abgeordnete bis zum Plenum klargestellt sehen, dass die Ministerien sich beraten lassen können, von wem sie wollen. Abgeordneter Michael Ikrath (V) schloss sich dem Verlangen des Abgeordnetem Jarolim an, eine Klarstellung hinsichtlich der vorgesehenen Beratungstätigkeit vorzunehmen.

Abgeordneter Bruno Rossmann (G) begrüßte im Hinblick auf die Kritik des Rechnungshofs an den externen Rechtsberatungen im Finanzressort die Reform der Finanzprokuratur, um ihr weiter reichende Befugnisse einzuräumen, und schlug seinerseits vor, das Gehaltsgesetz zu ändern, um zu gewährleisten, dass die Finanzprokuratur hochqualifizierte Mitarbeiter bekomme.

Auch Abgeordneter Josef Bucher (B) plädierte für eine Reform der Finanzprokuratur, da die Rechnungshofkritik an der Finanzprokuratur für die Politik nur die Alternative offen lasse, die Finanzprokuratur zu reformieren und so auszustatten, dass sie für den Nutzen der Republik tätig werden könne - oder sie abzuschaffen.

Abgeordneter Lutz Weinzinger (F) untermauerte schließlich den Vertagungsantrag seiner Fraktion mit der Notwendigkeit, die Vorlage intensiv zu überdenken.

Abgabenänderungsgesetz 2008

Einstimmig passierte ein Entwurf für ein Abgabenänderungsgesetz 2008 (586 d.B.) den Ausschuss. Es befreit die Amtssitze internationaler Organisationen nach dem Vorbild diplomatischer Vertretungen von der Grundsteuer, erweitert die elektronische Steueranmeldung und legt bei der Asbestsanierung des Internationalen Amtssitzzentrums eine 35 %-Kostenbeteiligung der Stadt Wien in Form jährlicher Teilbeträge fest.

Finanzstaatssekretär Christoph Matznetter beantwortete Detailfragen des Abgeordneten Bruno Rossmann (G), indem er darauf hinwies, dass die Ausweitung der elektronischen Steueranmeldung Vorteile für die Unternehmen und die Finanzverwaltung bringe. Matznetter räumte ein, dass mehr Plausibilitätskontrollen wünschenswert wären, die richtige Balance in der Kontrolle sei aber für die Akzeptanz bei den Usern wichtig.  

Die Regierungsvorlage (585 d.B.) zur Haftungsübernahme für die geplante Ausstellung "Vincent van Gogh. Gezeichnete Bilder" erhielt die Zustimmung von SPÖ, ÖVP, FPÖ und BZÖ. Das Gesetz sei notwendig, da der Haftungsrahmen für Schäden an Leihgaben der Bundesmuseen im Budget 2008 nicht ausreiche, heißt es in den Erläuterungen.

Abgeordneter Wolfgang Zinggl (G) problematisierte die Haftungsübernahme für die geplante Ausstellung der Albertina mit dem Hinweis auf das enorme Risiko für den Steuerzahler und die Benachteiligung privater Aussteller, die sich mangels Staatshaftung große Ausstellungen mit Originalwerken nicht leisten könnten, da die Versicherungsprämien zuletzt stark gestiegen seien.

Abgeordneter Ferdinand Maier (V) hielt es für unerlässlich, den Weg Wiens und Österreichs zum weltweit anerkannten Museumsstandort fortzusetzen. Dazu gehöre auch Mut zum Risiko.

Finanzstaatssekretär Christoph Matznetter stellte klar, die Aussicht 100.000 Besucher mehr in die Albertina zu bringen, sei eine klare wirtschaftliche Begründung für die Haftungsübernahme. Es wäre nicht einzusehen, würde der Staat zwar Haftungen im Bereich von Eisenbahnen und Strassen übernehmen, bei der Kultur aber darauf verzichten.

Ausschussobmann Günter Stummvoll hielt es für wichtig, dass sich nicht nur jene Österreicher, die sich Flugreisen nach Paris, London oder in die USA leisten könnten, Originale von Van Gogh anschauen können, sondern auch ein breiteres Publikum.

Änderung des Glücksspielgesetzes  

Einstimmig verabschiedete der Ausschuss S-V-Antrag 837/A zur zeitgerechten Umsetzung der 3. Geldwäsche-Richtlinie der Europäischen Union im Glücksspielgesetz, nachdem sich die parlamentarische Arbeit an der diesbezüglichen Regierungsvorlage wegen komplexer Fragen zur zukünftigen Ausgestaltung des Glücksspielwesens verzögert hatte.

Abgeordneter Bruno Rossmann (G) begrüßte die Umsetzung der Geldwäscherichtlinie im Glücksspielgesetz, mahnte aber zugleich eine weiter gehende Reform des Glückspielwesens ein und trat in diesem Zusammenhang für eine diesbezügliche Enquete ein.

Finanzstaatssekretär Christoph Matznetter wies auf die komplexen Probleme und Interessenlagen hin, die im Bereich der Glücksspiels bestehen: Suchtverhalten sowie Jugend- und Konsumentenschutzfragen. Dann informierte er über die intensive Arbeit an der Lösung dieser Probleme und kündigte eine Regierungsvorlage noch in diesem Jahr an. Problemlösungen für "Internetwetten" - eine Frage des Abgeordneten Josef Bucher (B) - sollen, so Matznetter, in einem zweiten Schritt ausgearbeitet werden.  

Finanztransaktionssteuer für EZA, Sozialunion und Umweltschutz

Den schließlich auf Antrag von Abgeordnetem Michael Ikrath (V) vertagten Antrag 699/A(E) der Grünen erläuterte Abgeordnete Ulrike Lunacek. Die neue Steuer soll in der EU und auf globaler Ebene zur Finanzierung von Entwicklungszusammenarbeit sowie sozialer und ökologischer Maßnahmen beitragen.

Abgeordnete Ulrike Lunacek (G) untermauerte die Notwendigkeit, einen ersten Schritt auf EU-Ebene zu setzen, um die Spekulation mit Nahrungsmitteln zu begrenzen. Denn das Millenniumsziel, die Weltarmut bis 2015 zu halbieren, drohe durch die weltweit steigenden Agrarpreise in das Jahr 2022 verschoben zu werden.

Abgeordneter Günter Stummvoll (V) berichtete vom enormen Widerstand, auf den er bei dem Versuch gestoßen sei, den bereits beschlossenen Vierparteienantrag auf Einführung einer Devisentransaktionssteuer auf EU-Ebene zu vertreten.

Auch Abgeordneter Michael Ikrath (V) erinnerte daran, dass Österreich schon mit seinem Eintreten für eine Devisentransaktionssteuer ziemlich allein dastehe, wenn man von Frankreich und Belgien absehe, die solche Steuern eingeführt haben. Sinnvoll wäre eine solche Steuer nur im globalen Maßstab. Um die Ergebnisse neuer Studien abzuwarten, beantragte Ikrath die Vertagung der Debatte.

Abgeordneter Bruno Rossmann (G) stellte klar, dass der aktuelle Antrag der Grünen auf eine Finanztransaktionssteuer ziele, um Spekulationen einen Riegel vorzuschieben. Bundeskanzler Finanzminister und Staatssekretär sollten sich in der EU für jene Maßnahmen einsetzen, die sie selbst für sinnvoll halten, verlangte Rossmann und wies darauf hin, dass Frankreich das Thema auf die Agenda seines EU-Vorsitzes gestellt habe.

Finanzstaatssekretär Christoph Matznetter erinnerte an das Eintreten Österreichs für eine Devisentransaktionssteuer und kündigte Studien über Auswirkungen einer solchen Steuer auf die Lebensmittelpreise an.

Abgeordnete Ulrike Lunacek (G) befürchtete eine Vertagung auf den "St. Nimmerleinstag", Ausschussobmann Günter Stummvoll versprach hingegen, bei diesem Thema auch nach der - mit S-V-Mehrheit erfolgenden - Vertagung "am Ball zu bleiben".

FPÖ will Reverse Charge-System einführen

FPÖ-Abgeordnete beantragten eine Reform der Umsatzbesteuerung und verlangten im Sinne des Reverse Charge-Systems den Übergang der Steuerschuld auf den Leistungsempfänger (791/A(E)).

Staatssekretär Christoph Matznetter bekannte sich nachdrücklich zur Bekämpfung des Umsatzsteuerbetrugs durch das Reverse Charge-System, machte aber darauf aufmerksam, dass man für eine Richtlinienänderung alle 26 anderen EU-Länder überzeugen müsse, wobei zuletzt sehr viel weiter gegangen sei. Der Antrag wurde auf Antrag des Abgeordneten Hannes Bauer (S) vertagt. Ausschussobmann Günter Stummvoll kündigte die Abhaltung einer informellen Informationsveranstaltung für die Abgeordneten an.

BZÖ für 1 Euro-Fixpreis pro Liter Treibstoff

BZÖ-Antrag 278/A(E) zur Deckelung der Treibstoffpreise mit 1 Euro mittels einer Flexibilisierung der Mehrwertsteuer vertrat Abgeordneter Josef Bucher (B) im Interesse der Pendler, die täglich ihr Fahrzeug brauchen, um an ihre Arbeitsplätze zu gelangen.

Der Antrag wurde auf Antrag der Abgeordneten Gabriele Tamandl (V) mit S-V-Mehrheit vertagt. Tamandl forderte den Antragsteller auf, einen praktikableren Vorschlag zu unterbreiten. Täglich die Mehrwertsteuersätze für Treibstoffe zu ändern, wäre nicht umsetzbar; die Bürokratie würde ausufern. (Schluss)