Parlamentskorrespondenz Nr. 650 vom 07.07.2008

Bericht über die Hospiz- und Palliativversorgung in Österreich

Stagnation aufgrund fehlender Finanzierungsregelungen

Wien (PK) - Mit der Vorlage eines Berichts der Bundesministerin für Gesundheit, Familie und Jugend zur "Hospiz- und Palliativversorgung" in Österreich wird einer Entschließung des Nationalrates vom 5. Juni 2008 nachgekommen (III-157 d.B.). Die Unterlage, die aus einem 40-seitigen Bericht und einem umfangreichen Anhang besteht, wurde vom ÖBIG (Österreichisches Bundesinstitut für Gesundheitswesen) erstellt.

Die Ausgangsbasis

In Österreich gibt es ein breites Bekenntnis zur Verbesserung der Versorgung von unheilbar kranken und sterbenden Menschen durch eine angemessene Hospiz- und Palliativversorgung, heißt es einleitend in der Zusammenfassung des Berichts. Im Frühjahr 2005 wurde eine Arbeitsgruppe aus Bund, Ländern und Sozialversicherung sowie Ärztekammer eingerichtet, mit dem Ziel, eine Einigung über die Rahmenbedingungen für eine abgestufte Hospiz- und Palliativversorgung herbeizuführen und damit den Umsetzungsprozess einer gleichwertigen, flächendeckenden Versorgung in Gang zu setzen. In den meisten Bundesländern bestehen bereits Konzepte und Pläne zur Hospiz- und Palliativversorgung, zeigen die Autoren des Berichts auf. Die Analyse dieser Konzepte unterstreiche aber die Notwendigkeit einer bundesweiten Verständigung auf einheitliche Vorgaben, vor allem in Bezug auf die erforderlichen Versorgungsangebote mit einheitlichen Bezeichnungen und den quantitativen Bedarf sowie auf einen Stufenplan zur Umsetzung.

Die empfohlenen Maßnahmen

Zwei Unterarbeitsgruppen haben Empfehlungen zum Auf- und Ausbau der Hospiz- und Palliativversorgung ausgearbeitet sowie Grundlagen für den Diskussions- und Entscheidungsprozess über die Finanzierung dieses Versorgungsbereichs aufbereitet: Bundesweit soll das System einer abgestuften Hospiz- und Palliativversorgung umgesetzt werden, das den Patientinnen und Patienten eine ihren Bedürfnissen angemessene Versorgung garantiert. Das System besteht aus einer palliativen Grundversorgung in den bestehenden Einrichtungen des Gesundheits- und Sozialwesens sowie – bei komplexen Situationen und schwierigen Fragestellungen – einer Versorgung durch eigene, spezialisierte Dienste und Einrichtungen. Diese Maßnahme soll von dem Ziel geleitet werden, bundesweit eine flächendeckende, bedarfsgerechte, einheitliche Versorgung – etappenweise - bis 2012 sicherzustellen.

Neben der Errichtung der Strukturen sind Maßnahmen zur Vernetzung der Versorgungsstrukturen, im Bereich der Bildung (vor allem Verankerung der Palliativmedizin in der ärztlichen Ausbildung) und Qualitätssicherung vorgesehen sowie als flankierende Maßnahme eine breite und kontinuierliche Öffentlichkeitsarbeit über die Hospiz- und Palliativversorgung zur Verbesserung des Informationsstandes in den Fachkreisen und in der österreichischen Bevölkerung. Der Stufenplan zum Auf- und Ausbau soll einen bundesweiten Rahmen darstellen, an dem sich die Umsetzungsmaßnahmen in den Bundesländern orientieren sollen.

Die Umsetzung kann nicht dem freien Spiel der Kräfte überlassen werden und sollte daher in einem koordinierten, bundesweit abgestimmten Prozess erfolgen, empfehlen die Autoren des Berichts. Zu diesem Zweck wird die Einsetzung von Koordinationen in den Bundsländern (auf Landesebene unter Berücksichtigung der regionalen Gegebenheiten) sowie einer bundesweiten Koordination (zur Gewährleistung der bundesweiten Abstimmung) vorgeschlagen. Die Umsetzung soll durch ein begleitendes Monitoring evaluiert werden.

Die Kostenschätzung

Eine erste grobe Schätzung der Kosten einer abgestuften Hospiz- und Palliativversorgung ergibt ein jährliches Kostenvolumen in der Höhe von rund 101,7 Millionen Euro für den Betrieb der Einrichtungen und Dienste (im Vollausbau, auf Preisbasis 2006). Hinzu kommen noch Kosten, die von der Sozialversicherung und von den Ländern für Leistungen wie Heilmittel, ärztliche Hilfe, etc. übernommen werden. Die Höhe dieser Kosten könne derzeit nicht verlässlich abgeschätzt werden. Ebenso wenig könne gegenwärtig die Höhe der vom System zusätzlich zum Status-quo aufzubringenden Mittel seriös berechnet werden. Es herrsche breiter Konsens darüber, dass die Einführung einer abgestuften Hospiz- und Palliativversorgung zu Entlastungseffekten in anderen Bereichen, also etwa dem Krankenhaus- und dem niedergelassenen Bereich, führen wird. Quantitative und kostenmäßige Einschätzungen derartiger Effekte wurden bislang in Österreich nur punktuell angestellt; diese Einschätzungen lassen keine Schlüsse auf Gesamteffekte zu.

Unbestritten ist jedenfalls, dass eine spezialisierte Hospiz- und Palliativversorgung erstens eine Qualitätsverbesserung in der Versorgung der Zielgruppe bewirkt und zweitens (in Entsprechung des mehrheitlichen Wunsches der Bevölkerung) eine Verlagerung der Sterbeorte aus dem Krankenhaus in die vertraute Umgebung zur Folge hat – zwei Effekte, die allfällige zusätzliche Kosten zumindest relativieren sollten, so die Autoren.

Ist-Zustand: Stagnation wegen fehlender Finanzierungsregelungen

Der Auf- und Ausbau der Hospiz- und Palliativversorgung stagniert gegenwärtig; ein Umstand, der hauptsächlich auf die derzeitige Finanzierungssituation mit weitgehend fehlenden Finanzierungsregelungen zurückgeführt wird. So ist die aktuelle Situation insbesondere von folgenden Umständen gekennzeichnet: Die Hospiz- und Palliativversorgung bewegt sich in einem Bereich zwischen Gesundheitswesen und Sozialwesen. Bei strenger Auslegung der geltenden Rechtslage komme es zu gravierenden Patientenbenachteiligungen: Für die extramuralen Angebote der Hospiz- und Palliativversorgung gibt es keine allgemein gültigen Finanzierungsregelungen. Dadurch sind hier viele (individuelle), zeitlich begrenzte Modell-Lösungen entstanden. - Die Kosten der vorhandenen Angebote der Hospiz- und Palliativversorgung werden von einer Vielzahl von Finanziers gedeckt. - Spenden spielen generell eine Rolle (selbst im Bereich der Palliativstationen, die über das LKF-System finanziert werden, sind die Betreiber mangels Kostendeckung auf zusätzliche Finanzierungsmöglichkeiten, zum Beispiel Spenden, angewiesen.

Resümierend stellen die Autoren fest, dass zur Umsetzung einer flächendeckenden abgestuften Hospiz- und Palliativversorgung die langfristige Finanzierung der einzelnen Versorgungsangebote gesichert sein müsse. Neben einer Regelfinanzierung der Hospiz- und Palliativversorgung ist auch die Aufbringung der Mittel für allfällige Investitionen, für die erforderlichen Personalschulungen sowie für die vor allem in der Aufbauphase notwendigen Koordinationen zu klären. Aufgrund der Tatsache, dass sich die Hospiz- und Palliativversorgung zwischen dem Gesundheits- und dem Sozialbereich bewegt, ist bei den weiteren Schritten zur Implementierung auf eine Abstimmung zwischen diesen beiden Sektoren zu achten. (Schluss)