Parlamentskorrespondenz Nr. 653 vom 08.07.2008

Geschlossen für die Erhaltung der gentechnikfreien Landwirtschaft

Entschließung des Nationalrats stärkt der Regierung den Rücken

Wien (PK) – Einig zeigte sich der Nationalrat heute, nach der teils hitzigen Debatte über die Regierungsumbildung und das bevorstehende Ende der Gesetzgebungsperiode, hinsichtlich der Beibehaltung der gentechnikfreien Landwirtschaft und einer gentechnikfreien Lebensmittelproduktion in Österreich.

Abgeordneter SCHULTES (V) zeigte sich als Erstrednder zu diesem Punkt der Tagesordnung über die gemeinsame Linie aller fünf Parteien erfreut. Um die Landwirte nicht zum Anbau von gentechnisch verändertem Saatgut zu zwingen, müsse aber ausreichend gentechnikfreies Saatgut bereit gestellt werden, betonte er. Dafür gelte es Sorge zu tragen. Generell bekräftigte Schultes, es sei notwendig, beim Thema Gentechnik "Kurs zu halten", eine Koexistenz zwischen gentechnikfreiem Anbau und dem Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen sei nicht möglich. 

Abgeordneter Mag. GASSNER (S) wertete den vorliegenden Antrag ebenfalls als positiv. Ausdrücklich sprach er sich auch gegen den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen zur Energiegewinnung aus, da ein Nebeneinander zwischen gentechnisch veränderten Pflanzen und gentechnisch nicht veränderten Pflanzen seiner Ansicht nach nicht möglich ist. Allgemein hielt Gaßner fest, er könne sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die ÖVP keine erfolgreiche Zusammenarbeit mit der SPÖ gewollt habe.

Abgeordneter DI PIRKLHUBER (G) bezeichnete den gemeinsamen Antrag als "Signal guter parlamentarischer Arbeit". Das  Ergebnis sei europaweit einzigartig, erklärte er, das Selbstbestimmungsrecht der Regionen in Bezug auf den Anbau gentechnisch veränderter Organismen werde zum bindenden Auftrag an die österreichischen Bundesregierung. Pirklhuber appellierte an Landwirtschaftsminister Pröll, auf EU-Ebene entsprechend aktiv zu werden. Eine Haltungsänderung Prölls urgierte der Abgeordnete in Bezug auf "Agrotreibstoffe", da diese seiner Meinung nach sehr wohl Auswirkungen auf die Nahrungsmärkte haben.

Abgeordneter DI KLEMENT (F) betonte, entscheidend werde sein, welche Konsequenzen aus dem vorliegenden Fünf-Parteien-Antrag gezogen werden. Die europäische Bevölkerung sei zu Recht skeptisch in Bezug auf den Anbau gentechnisch veränderter Organismen, sagte er. Was dringend benötigt werde, sei eine zwingende Haftung für Gentechnikkonzerne. Es könne nicht sein, dass Gewinne bei den Konzernen blieben und Schäden bei der Bevölkerung. Scharfe Kritik übte Klement an der Landwirtschaftspolitik der Regierung, wobei er u.a. auf Betriebsschließungen und die überbordende Bürokratie für Landwirte verwies.

Auch Abgeordneter DOLINSCHEK (B) begrüßte den Fünf-Parteien-Antrag. Die Mehrheit der Österreicherinnen und Österreicher spreche sich gegen den Anbau und den Verkauf von gentechnisch veränderten Organismen und gentechnisch veränderten Lebensmitteln aus, skizzierte er. Dolinschek ortet allerdings eine Lücke im Futtermittelbereich. Laut Greenpeace würden jährlich zig-Tausend Tonnen gentechnisch veränderter Futtermittel an Rinder und Schweine mit AMA-Gütesiegel verfüttert. Dolinschek forderte in diesem Sinn Gentechnikfreiheit bei der Fütterung als Voraussetzung für den Erhalt des AMA-Gütesiegels.

Landwirtschaftsminister DI PRÖLL wies darauf hin, dass ihm der vorliegende Fünf-Parteien-Antrag den Rücken bei Verhandlungen auf EU-Ebene stärke. Überdies unterstreiche der Antrag die absolut kritische Distanz Österreichs zur "grünen Gentechnik". So lange die Haftungsfrage nicht geklärt sei, werde er dem Anbau von gentechnisch verändertem Saatgut nicht zustimmen, sagte er. Das Konzept der gentechnikfreien Regionen in Europa will er unterstützen. Die Kritik von Abgeordnetem Klement an der Landwirtschaftspolitik wies Pröll zurück und hob seine erzielten Erfolge auf EU-Ebene zugunsten der österreichischen Bauern hervor.

Auch Abgeordneter AUER (V) konnte der Kritik Klements an der österreichischen Landwirtschaftspolitik nichts abgewinnen. Klement habe offenbar vergessen, dass die österreichischen Bauern im internationalen Vergleich einen relativ hohen Milchpreis erhalten, das Umweltprogramm ÖPUL vorbildlich sei und Österreich bei den Flächenprämien im Vergleich zu Deutschland hervorragend abschneide, bekräftigte er. Überdies verwies er auf das Investitionsförderungsprogramm für die österreichische Landwirtschaft und die Agrardieselrückvergütung. Allgemein gab Auer zu bedenken, dass man im Jahr 1970 für ein Liter Diesel ein Kilo Weizen aufbringen habe müssen, heute seien es sieben Kilo Weizen.

Abgeordnete BAYR (S) unterstrich eingangs, dass bei der Behebung der Nahrungsmittelkrise gentechnisch veränderte Lebensmittel keine Rolle spielen. Vielmehr habe die Krise ihre Ursachen in der ungleichen Verteilung, in einer falschen Politik und in der Spekulation mit Rohstoffen. Man brauche daher eine intelligente Entwicklungspolitik und die Förderung der ländlichen Entwicklung, da Entwicklungsländer noch immer schlechte Anbaumethoden haben und über schlechtes Saatgut verfügen. Außerdem verrotte ein Drittel der landwirtschaftlichen Produkte, weil diese nicht auf die Märkte gebracht werden können. Eine falsche Politik ortete Bayr hinsichtlich der Beimischung von Agrosprit, aber auch beim internationalen Währungsfonds, der durch seine Exportförderungen die Ernährungssouveränität vieler Länder zunichte gemacht habe. Es bedürfe daher einer Änderung dieser Politik. Bayr forderte auch eine europäische Spekulationssteuer.

Abgeordneter HAIMBUCHNER (F) begrüßte den vorliegenden Antrag, fügte aber gleichzeitig hinzu, dass dieser, seiner Ansicht nach, zu wenig sei. Vor allem müsse man die Grundlagenforschung in diesem Bereich forcieren, meinte er. Landwirtschaftsminister Pröll warf er vor, sich in der EU nicht durchzusetzen. Diese habe dazu beigetragen, dass die Landwirtschaftspolitik so kompliziert geworden sei und man nun nicht mehr daraus heraus komme. Haimbuchner kritisierte in diesem Zusammenhang die hohen Agrarsubventionen an die Konzerne.

Abgeordneter ESSL (V) entgegnete, die Agrarpolitik in Österreich habe dazu geführt, dass der Strukturwandel geringer ist als in der übrigen EU. Außerdem liege Österreich bei der Agrarförderung und bei den Direktzahlungen im Spitzenfeld. Auch er zeigte sich zufrieden mit dem vorliegenden Fünf-Parteien-Entschließungsantrag und wies auf die Wichtigkeit hin, den Regionen ihre Selbstbestimmung zu sichern und die Versorgung mit eigenem Saatgut zu gewährleisten. Das sei ein Beitrag dazu, eine Monopolstellung internationaler Unternehmen zu verhindern, sagte er.

Abgeordnete SCHÖNPASS (S) stellte fest, gentechnisch veränderte Organismen seien kein positiver Beitrag zur Lebensmittelversorgung. Gentechnik forciere vielmehr den Chemieeinsatz, fördere Monopole, bringe aber nicht mehr Erträge. Im Gegensatz dazu führe eine moderne Landwirtschaft zu größeren Ernten und zerstöre nicht die natürlichen Ressourcen. Darüber hinaus könne sie einen Beitrag im Kampf gegen den Klimawandel leisten. Abschließend forderte Schönpass eine klare Kennzeichnung der Produkte, um die Wahlfreiheit für die KonsumentInnen sicherzustellen.

Abgeordneter FREUND (V) wies auf die breite Ablehnung gentechnisch veränderter Organismen hin. Als Beispiel dafür, wie man trotz des Drucks aus Brüssel die Genfreiheit sicherstellen kann, nannte er Oberösterreich, das mit seiner Allianz gentechnikfreier Zonen eine Vorreiterrolle einnehme. Durch das Gentechnikvorsorgegesetz habe dieses Bundesland schwere Hürden für die Aussaat eingebaut und darüber hinaus eine Regelung für die Haftung getroffen.

Abgeordnete BINDER-MAIER (S) sprach sich ebenfalls für eine klare und genaue Kennzeichnung aus. Sie thematisierte auch die zahlreichen Risken und unbekannten Gefahren, die die Gentechnik mit sich bringt. Binder-Maier nannte in diesem Zusammenhang die zunehmende Resistenz gegen Antibiotika sowie die zunehmenden Allergien. Die Folgen des Einsatzes gentechnisch veränderter Organismen seien nicht mehr zu reparieren, sagte sie. In den USA sei zudem ein Bienensterben zu beobachten, was negative Auswirkungen auf die Flora habe. Binder-Maier setzte sich am Ende ihrer Ausführungen auch dafür ein, die Imkerei in den landwirtschaftlichen Schulen nicht nur als Freifach anzubieten.

Abgeordneter GAHR (V) schloss sich dem insofern an, als auch er meinte, die Gentechnik sei ein Thema ohne Grenzen. Um erfolgreich dagegen auftreten zu können, brauche Österreich einen Blick für die Realität und gute Argumente. Auch er sprach sich für Transparenz in der Kennzeichnung aus, sowie dafür, genfreies Saatgut und genfreie Futtermittel sicherzustellen. Wichtig sei auch, genfreie Regionen auszuweisen. Den Entschließungsantrag erachtete er als ein starkes Signal in Richtung Brüssel.

Abgeordneter SCHOPF (S) betonte, eine gentechnikfreie Landwirtschaft und gentechnikfreie Lebensmittel brächten einen großen Vorteil, sowohl für die Landwirtschaft als auch für den ländlichen Raum. Die Bauern und Bäuerinnen hätten nur dann Zukunft, wenn sie gentechnikfreie Produkte erzeugten. Es sei daher noch mehr Information notwendig, um das Bewusstsein der Bevölkerung zu schärfen. Schopf befürwortete ebenfalls eine massive Verbesserung der Kennzeichnung. Darüber hinaus forderte er, bessere Rahmenbedingungen zu schaffen und ausreichend gentechnikfreie Futtermittel sicherzustellen.

Abgeordnete HÖLLERER (V) bekräftigte, Österreich habe sehr viel für die Gentechnikfreiheit getan. Auf EU-Ebene schaue es jedoch anders aus, bedauerte sie. Dennoch sei man mit der österreichischen Linie gut unterwegs, da bereits 45 Regionen in Europa gentechnikfrei seien. Der zur Diskussion stehende Entschließungsantrag stärke Minister Pröll auf EU-Ebene zusätzlich, denn dieser habe sich schon bisher für die Gentechnikfreiheit eingesetzt. Höllerer teilte die Forderung all jener, die sich für mehr Forschung in Bezug auf Sicherheit und Risiko ausgesprochen haben.

Abgeordneter WIMMER (S) warnte vor den Lobbyisten in Brüssel, deren Druck hoch sei, um genmanipulierte Produkte in Verkehr zu bringen. Er erinnerte an die Aufhebung des Importverbots für gentechnisch veränderten Mais. Minister Pröll müsse daher "mehr auf den Tisch hauen", um die Interessen Österreichs in Brüssel zu vertreten, verlangte er.

Abgeordneter KAINZ (V) widersprach seinem Vorredner heftig und hielt fest, dass es vor allem Minister Pröll sei, der Österreichs Interessen in Brüssel vertrete. Um sich durchsetzen zu können, brauche man Verhandlungsgeschick sowie Fach- und Sachkompetenz. "Auf den Tisch hauen" sei nicht der richtige Weg. Pröll sei sowohl ein starker Partner in der EU, aber auch für die Bauern und Bäuerinnen sowie für die KonsumentInnen. Der Entschließungsantrag sei die konsequente Fortführung der bisherigen Landwirtschaftspolitik und stärke dem Minister den Rücken in Brüssel.

Abgeordneter FAUL (S) kritisierte scharf Raiffeisen, indem er einen Zeitungsartikel zitierte, der Anleitungen für Spekulationsgeschäfte gibt. Die ÖVP stehe unter dem Kuratel von Raiffeisen und in Abhängigkeit der "Schwarzen Presse", sagte er. Er kritisierte auch die Herstellung von "Aufmischweizen", einem aus seiner Sicht billigen und schlechten Weizen.

In einer Tatsächlichen Berichtigung konterte Abgeordneter SCHULTES (V), Aufmischweizen sei ein höchst qualitatives Produkt, das in Italien zur Verbesserung von anderem Weizen verwendet werde.

Für Abgeordneten PRINZ (V) sind verbale Bekenntnisse zu gentechnikfreien und hoch qualitativen Landwirtschaftsprodukten zu wenig. Er warnte vor Verschlechterungen für die Bauern. Diese hätten ein Anrecht auf gerechte Preise und auf einen Ausgleich für natürliche Produkte. Die ÖVP sei daher ein verlässlicher Partner für die Bäuerinnen und Bauern, während die Grünen zu viel Bürokratie verlangten, die SPÖ die Förderungen kürzen wolle und die FPÖ eine Renationalisierung anstrebe.

Abgeordneter SIEBER (V) bedauerte das Bauernsterben, meinte aber, dass Österreich über eine klein strukturierte Landwirtschaft verfüge und viele die Doppelbelastung im Nebenerwerb nicht mehr schafften. Er kritisierte vor allem die Lebensmittelketten, die mit ihren Eigenmarken die Bemühungen der Österreichischen Milchproduzenten unterlaufen.

Bei der Abstimmung wurde der Entschließungsantrag aller fünf Parlamentsfraktionen einstimmig angenommen.

(Schluss Gentechnik/Forts. NR)