Parlamentskorrespondenz Nr. 662 vom 09.07.2008

Neuwahlen: Einstimmiger Beschluss im Nationalrat

Als Wahltermin wird der 28. September in Aussicht genommen

Wien (PK) - Die Präsidentin gab vor Eingang in die Tagesordnung bekannt, dass die Grünen beantragt hatten, ihren Antrag betreffend "Verhinderung der missbräuchlichen Verwendung der Anti-Mafia-Paragrafen" dringlich zu behandeln.

Erster Punkt der Tagesordnung war der S-V-G-Antrag 841/A betreffend vorzeitige Beendigung der XXIII. GP.

Abgeordneter Dr. CAP (S) nutzte die Gelegenheit, über die XXIII. Legislaturperiode Bilanz zu ziehen und kam dabei zu einem positiven Resümee. Diese 18 Monate brauchten den Vergleich zu anderen Regierungsperioden nicht zu scheuen, denn im Bereich der Armutsbekämpfung, in der Bildungs- und Kulturpolitik seien wichtige Erfolge erzielt worden.

Allerdings, und dies sei eine Schwäche dieser Regierung gewesen, habe man sich zu oft mit sich selbst beschäftigt, was in der Öffentlichkeit nicht immer einen guten Eindruck gemacht habe. Wenn also künftig eine Regierung besser kooperiere und zudem mit einer konstruktiven Opposition konfrontiert sei, dann könne man in der nächsten Periode auch die offenen Fragen gemeinsam lösen. Es gelte, Maßnahmen gegen die Teuerung zu finden, man brauche aber auch eine Verwaltungsreform und eine adäquate Pensionsreform sowie sozial akzeptable Lösungen im Gesundheitsbereich.

Es müsse sich in diesem Land etwas zum Besseren wenden, hin zu einem sozialeren Österreich. Dafür stehe seine Partei und dafür werde man in der bevorstehenden Wahlauseinandersetzung eintreten.

Abgeordneter Dr. SCHÜSSEL (V) meinte, man habe den Blick nach vorne zu richten. Die Rezepte der Vergangenheit seien nicht mehr wichtig, vielmehr brauche man Antworten für die Zukunft. Es brauche eine Vielzahl von Wahlmöglichkeiten, die maßgeschneidert für die Bedürfnisse der Menschen seien. Dies illustrierte der Redner anhand der Bildungs- und der Gesundheitspolitik.

Im übrigen solle man den öffentlichen Dienst mit etwas mehr Stolz betrachten, leiste dieser doch, zumal im internationalen Vergleich, Hervorragendes. Weiters setzte sich der Redner mit der Frage des Alters auseinander. Die Lebenserwartung steige weiter an, darauf müsse adäquat reagiert werden. So müsse der Zugriff auf das Privatvermögen abgeschafft werden, um zu vermeiden, dass Pflegebedürftige in die Armutsfalle tappen. Es brauche vielmehr eine gerechte Aufteilung der Kosten.

Ein weiteres Thema, das Schüssel behandelte, war die Frage der Integration, zu der Schüssel die Positionen der ÖVP einbrachte. Auch hinsichtlich der Sicherheit gelte es, auf die Herausforderungen der Zukunft entsprechend zu reagieren. Schließlich müsse man sich mit der Finanzkrise auseinandersetzen, wobei es eines gesamteuropäischen Handelns bedürfe. Man dürfe sich nicht ins Biedermeier zurückziehen, vielmehr müsse man mutig ins 21. Jahrhundert voranschreiten: "Machen wir nicht Frust, machen wir Lust auf die Politik."

Abgeordneter Dr. VAN DER BELLEN (G) sagte, Österreich sei in den Jahrzehnten seit 1970 ein wohlhabendes Land geworden, so wohlhabend, dass es sich ein Jahr Stillstand leisten konnte, ein Jahr, in dem die schlechteste "Große Koalition" aller Zeiten keine Lösungen fand und jedwede Glaubwürdigkeit verlor.

Jetzt, im anlaufenden Wahlkampf, würden die Regierungsparteien, zumal die ÖVP, plötzlich die Probleme des Landes erkennen, es stelle sich aber die Frage, warum sie in den vergangenen 18 Monaten nicht reagierten. Dieses Agieren trage jedenfalls nicht zur Erhöhung der Glaubwürdigkeit der Politik bei.

Exemplarisch zeigte der Redner das falsche Agieren der Regierung auf und illustrierte dies insbesondere am Beispiel der Finanz- und der Gesundheitspolitik. Auch in der Integration habe diese Regierung versagt. Die SPÖ habe die Führungskompetenz aufgegeben und sich seit 18 Monaten stets auf die ÖVP ausgeredet. Doch der Kniefall des neuen SP-Parteichefs vor dem Boulevard und damit vor der FPÖ mache die Sozialdemokratie grundsätzlich unglaubwürdig.

Seine Partei habe Kurs gehalten, sie sei sich ihrer Verantwortung bewusst, man werde sich mit Entschlossenheit und Optimismus den Herausforderungen der Zukunft stellen.

Abgeordneter STRACHE (F) konstatierte, beide Regierungsparteien seien nach wie vor nicht bereit, die Sorgen, Ängste und Nöte der Österreicherinnen und Österreicher ernst zu nehmen. In diesem Licht sei die Auflösung des Nationalrates das Eingeständnis des Scheiterns dieser Regierung, die Probleme der Bevölkerung einer Lösung zuzuführen.

Betrachte man die beiden Regierungsparteien, so müsse man konstatieren, dass nur das Türschild eine andere Bezeichnung aufweise, sonst seien die Interessen dieselben. Die Sozialdemokratie habe alle ihre Ziele aufgegeben, die ÖVP agiere völlig abgehoben, sodass sich die Frage stelle, weshalb diese das Volk überhaupt noch in ihrer Parteibezeichnung habe.

Die Regierung stelle die Interessen Brüssels vor jene Österreichs, und das sei der Grund, weshalb immer mehr Menschen der FPÖ vertrauten. Die Sozialdemokratie nütze nicht einmal die augenblickliche Situation dazu, ihre Grundsätze einzubringen, vielmehr gehe man selbst jetzt noch vor der ÖVP in die Knie, was die Frage aufwerfe, wozu dann überhaupt Neuwahlen ausgerufen wurden. In Wirklichkeit sei doch die Fortsetzung dieser Koalition schon beschlossene Sache, der falsche Kurs werde damit prolongiert.

Mehr denn je wäre es erforderlich, Politik mit sozialem Gewissen zu machen, die Menschen zu entlasten und ihre Kaufkraft zu sichern. Es brauche soziale Verantwortung für dieses Land, doch dafür stünden weder SPÖ noch ÖVP. Vor allem die Wiener SPÖ agiere in diesem Bereich mit massiven Gebührenerhöhungen überaus kritikwürdig.

Es brauche einen grundsätzlichen Politikwechsel, man müsse die Sorgen der Menschen ernst nehmen und eine Politik für die Menschen machen. Seine Partei stehe dafür.

Abgeordneter WESTENTHALER (B) meinte, Cap habe das falsche Manuskript erwischt und eine Rede aus dem Jahr 2006 gehalten. Wenn die SPÖ mit den Worten "wir versprechen" beginne, dann jage das der Bevölkerung mittlerweile kalte Schauer über den Rücken. Es stelle sich nur noch die Frage, wer von der SPÖ heute zurücktrete.

Es brauche eine Politik des Mutes, der aufgekrempelten Ärmel, die Menschen dürften nicht länger von der Politik im Stich gelassen werden. Eine Million Menschen lebten in Armut, es gehe der Bevölkerung nicht gut, sie quälten Zukunftssorgen, die Ankündigungen aus der Wirtschaft – massiver Jobabbau bei IBM, Bank Austria und Siemens – verschärften die soziale Schieflage in diesem Land. Und die Regierung sei in all diesen Fragen nicht nur säumig geblieben, sie habe die Lage sogar noch zusätzlich verschlechtert.

Gegen diese ungerechte Politik trete sein Bündnis auf, in der kommenden Wahlauseinandersetzung gehe es nicht um Macht und Posten, es müsse um den Menschen gehen. Die Bevölkerung habe genug gelitten, sie brauche einen Schub sozialer Wärme, um ein besseres, faireres und sozialeres Österreich zu gestalten, und dafür stehe seine Fraktion.

Bundesministerin Dr. SCHMIED setzte sich mit den Erfordernissen in der Bildungspolitik auseinander. So bezeichnete die Rednerin die gesetzliche Verankerung der Bildungsgrundsätze als einen bildungspolitischen Meilenstein. Damit würde ein wichtiger Schritt zu den besten Ausbildungsstätten gesetzt.

Es gehe um Chancen für die Zukunft, und dazu habe man die Weichen gestellt. Die Rednerin schloss mit der Hoffnung, dass auch der künftige Nationalrat in bildungspolitischen Fragen den nötigen Konsens finde.

Bundesminister DI PRÖLL räumte ein, dass sich die Menschen von der großen Koalition viel erwartet haben und dann relativ ernüchtert feststellen haben müssen, dass diese Hoffnungen nicht erfüllt wurden. Dennoch sei in den letzten eineinhalb Jahren viel geschehen, betonte er. Pröll nannte unter anderem die Entlastung der Familien, Maßnahmen gegen die Teuerungswelle, die Erreichung der Vollbeschäftigung, den Finanzausgleich, das Demokratiepaket, wodurch man das Wahlalter gesenkt habe, und Fortschritte in der Umweltpolitik. Durch VP-Innenminister sei Österreich eines der sichersten Länder der Welt. Dann sei aber etwas passiert, wofür die ÖVP nicht verantwortlich sei, sagte Pröll. Die schwere Führungskrise bei der SPÖ habe sich in der Tagesarbeit niedergeschlagen, und in zentralen Themen sei nichts mehr weitergegangen. Die ÖVP habe daher die Notbremse ziehen müssen. Sie wolle Probleme mit klugen Modellen und nicht mit Einmaleffekten lösen. Die ÖVP werde daher ihren sicherheitspolitischen und umweltpolitischen Kurs fortsetzen und für Nachhaltigkeit in der Pflege sorgen. Die ÖVP werde aber nicht mehr versprechen, als sie halten könne, weil sie auf Glaubwürdigkeit setze, bekräftigte Pröll.

Abgeordneter Dr. WITTMANN (S) replizierte auf seinen Vorredner und warf der ÖVP vor, die Regierung verlassen zu haben. Innerhalb der letzten zwölf Jahre sei es immer die ÖVP gewesen, die Neuwahlen vom Zaun gebrochen habe. Das sei Teil ihrer Politik. Denn wenn die Umfragen für sie gut seien und der Machterhalt in Sicht sei, lasse die ÖVP wählen. Dieser "Schüssel-Molterer-Kurs" koste der Republik rund 120 Mio. €, rechnete Wittmann vor. Konkret bezeichnete er Vizekanzler Molterer als Teil des Problems, weil dieser alles blockiert habe und dem Partner keinen Erfolg gönnen wollte. Er habe damit die gesamte Republik in Geiselhaft genommen und trage für den Bruch der Koalition die Verantwortung, resümierte Wittmann.

Abgeordneter Dr. STUMMVOLL (V) wies Abgeordneten Wittmann darauf hin, dass der Erstunterzeichner des Entschließungsantrags zur vorzeitigen Beendigung der Legislaturperiode nicht aus der ÖVP komme, sondern der SPÖ-Klubobmann Cap sei. Stummvoll zitierte im Anschluss daran, langjährige SPÖ-Mitarbeiter und Spitzenfunktionäre, die gemeint haben, die Mehrheit der SPÖ habe die große Koalition innerlich nie gewollt und sei in Wahrheit bis heute aus ihrer Oppositionsrolle nicht in der Regierung angekommen. Vor allem hätten der ehemalige Bundeskanzler Vranitzky und der ehemalige Finanzminister Lacina den Schwenk der SPÖ in der EU-Politik scharf kritisiert. An der Führungskrise der SPÖ sei nicht die ÖVP schuld, sagte Stummvoll und wies darauf hin, dass erstmals in der Republik ein Bundeskanzler scheibchenweise demontiert worden ist. Die ÖVP hingegen stehe nicht für den Zick-Zack-Kurs der SPÖ, sondern für Klarheit, Verlässlichkeit, Ehrlichkeit und Handlungsfähigkeit.

Für Abgeordnete Dr. GLAWISCHNIG-PIESCZEK (G) liegt der Grund für den Neuwahlantrag in der erwiesenen Unfähigkeit von SPÖ und ÖVP, miteinander zu arbeiten. Beiden ginge es nur um das Parteiinteresse und nicht darum, die Probleme der Menschen zu lösen. Die Dritte Präsidentin des Nationalrats versuchte ihre Argumente an Hand der aus ihrer Sicht gescheiterten Familienpolitik zu untermauern. Die Familien fühlten sich allein gelassen, sagte sie. Die Regierung habe es nicht geschafft, flächendeckend ganztägig offene Kindergärten auch über die Sommermonate anzubieten. Auch habe die Regierung die Teuerung nicht in den Griff bekommen, weil sie falsche Ansätze gewählt habe. Die tatsächliche Problematik der Teuerung ist laut Glawischnig-Piesczek im steigenden Ölpreis zu suchen, weshalb man aus den fossilen Energieträgern aussteigen und den gesamten Energiebereich umstellen müsse. Notwendig wäre auch ein flächendeckender massiver Ausbau des öffentlichen Verkehrs. Auch die kleinsten EinkommensbezieherInnen mit unter 1.000 € pro Monat habe man nicht entlastet, so die weiteren Vorwürfe Glawischnig-Piesczeks.

Abgeordneter KICKL (F) ortete in der SPÖ eine Absetzbewegung und warf der ÖVP, und vor allem Vizekanzler Molterer Arroganz vor. Beide Parteien hätten die Bodenhaftung und die Demut vor der Bevölkerung verloren. Die ÖVP hätte nicht erkannt, dass der Wind gegen Brüssel weht. Sie setze sich mit dem Staat gleich und damit sei die ÖVP auf dem Holzweg. Den SPÖ-Schwenk in der EU-Politik empfand Kickl als unglaubwürdig. Klubobmann Cap nannte er eine "Symbolfigur für politische Rückhaltlosigkeit und Charakterlosigkeit". Auch der designierte Parteiobmann Faymann stehe dafür, in Wien die Sozialbauten für Ausländer geöffnet zu haben, kritisierte Kickl.

Abgeordneter SCHEIBNER (B) schlug vor, nur die Hälfte der Wahlkampfkosten rückzuerstatten, da die Regierung nicht die volle Legislaturperiode gearbeitet hat. Eine solche große Koalition, die Stillstand und Streit bedeutet hat, dürfe es nicht mehr geben, hielt Scheibner fest. Sie habe das gesamte Kapital, das die ÖVP-BZÖ-Regierung hinterlassen habe, verspielt. Anstatt den Wirtschaftsstandard zu stärken und Arbeitsplätze zu sichern, beschränke sich die Regierung auf das Ideologisieren. Selbstverständlich seien die Pensionen zu sichern, sagte Scheibner, und zwar jene der Jungen, zumal die bestehenden Pensionen ohnehin gesichert seien. Die Regierung habe es trotz Zweidrittelmehrheit auch verabsäumt, eine Staatsreform auf den Weg zu bringen, so seine weitere Kritik. Er warf ÖVP und SPÖ auch vor, nach der Wahl nicht mit allen Parteien reden zu wollen. Das seien ideologische Scheuklappen, die in einer Demokratie nichts zu suchen haben.

Abgeordnete STADLBAUER (S) sah das instabile Element allein in der ÖVP. Seit 1990 sei es jedes Mal die ÖVP gewesen, die eine Gesetzgebungsperiode früher beendet hat. Man wisse auch nicht, wer derzeit in der ÖVP das Sagen hat, Parteiobmann Molterer oder Klubobmann Schüssel oder Bundesminister Pröll oder Landeshauptmann Pröll. Die einzige Klarheit bestehe nur darin, dass kein Mann das Sagen habe. Die ÖVP sei auch nicht verlässlich, weil sie jedes Mal so lange wählen lasse, bis sie das Wahlergebnis akzeptieren könne. Für Stadlbauer mangelt es in der ÖVP auch an Ehrlichkeit, da Klubobmann Schüssel noch am Sonntag bekräftig hat, das SPÖ-Präsidium abwarten zu wollen, Vizekanzler Molterer aber die Auflösung der Koalition bereits während des SPÖ-Präsidiums bekanntgegeben hat. Sie hielt die ÖVP auch nicht für handlungsfähig, weil diese die Änderung bei den Pensionen vom Computer errechnen lassen möchte, was unmenschlich sei. Die SPÖ habe in den letzten Jahren versucht, das Land sozial gerechter zu gestalten und gleiche Chancen für alle, unabhängig vom Einkommen, zu erreichen, unterstrich Stadlbauer. Die SPÖ sei auch die einzige Partei, die ihre Stimme für die Frauen erhebe.

Abgeordneter NEUGEBAUER (V) erinnerte an die Worte des Bundespräsidenten, die Koalition mit Würde und Stil zu beenden. Aufeinander loszugehen und einander persönlich zu diffamieren, wie dies im letzten Wahlkampf geschehen sei, gehöre nicht zu einem guten Stil. Für die ÖVP sei Wahrheit und Ehrlichkeit angesagt und sie werde keine Wahlversprechen machen, die nicht umsetzbar sind, bekräftigte er. Als Bildungssprecher seiner Fraktion würdigte er die gute Zusammenarbeit mit der Unterrichtsministerin, solange Themen des Koalitionsprogramms abgearbeitet worden sind, habe dies bestens funktioniert. Sie habe dann nicht funktioniert, wenn Schmied versucht habe, eigene Wahlprogramme zu realisieren. Der Faux Pas mit der Kronenzeitung habe die Glaubwürdigkeit der SPÖ untergraben und Österreich international nicht gut getan, sagte Neugebauer. Er hielt es im Interesse des Staatsganzen auch für notwendig, ab und zu etwas Unpopuläres zu sagen. Man müsse das Allgemeininteresse vor das Parteiinteresse stellen, meinte er abschließend.

Abgeordneter ÖLLINGER (G) bemerkte aus seiner Sicht, in den letzten Monaten sei nichts weiter gegangen. Die Bevölkerung habe es satt, mit dieser Art von Politik weiterhin konfrontiert zu werden. Die Neuwahlen seien nun eine Flucht in die Verantwortungslosigkeit, denn im Herbst seien große Probleme zu lösen, dann habe man aber weder eine funktionierende Regierung noch ein funktionierendes Parlament. Beide Parteien hätten sich unnötigerweise selbst gelähmt, indem man übereingekommen sei, einander nicht zu überstimmen. Somit werde die Gebietskrankenkasse im Herbst vor dem Ruin stehen und Selbstbehalte bis zu 30 % einführen müssen. Auch die Studiengebühren würden weiter bleiben. Die beiden Regierungsparteien wollten nur einen Boxenstopp einlegen, um zu sehen, wer als Sieger durchgeht, ohne aber etwas ändern zu wollen, mutmaßte Öllinger.

Abgeordneter VILIMSKY (F) bekräftigte, für die FPÖ zähle das nach der Wahl, was sie vorher versprochen habe. Den Vertrag von Lissabon bezeichnete er als einen Ausverkauf der rot-weiß-roten Interessen. Die Schuld für die Aufkündigung der Koalition gab er Klubobmann Schüssel, der nun zum dritten Mal aus Machtkalkül auf den Knopf gedrückt habe. Nicht die FPÖ sitze somit im Hooligansektor der Politik, sondern die ÖVP. Sie habe vom ersten Tag an gegen den Regierungspartner gearbeitet. Die SPÖ selbst befinde sich in Auflösung und habe alles versprochen, aber nichts gehalten. Die SPÖ habe den eigenen Bundeskanzler abmontiert und durch den neoliberalen Faymann ersetzt, der trotz der Teuerungswelle nicht mit der Wimper gezuckt habe, ÖBB- und ASFINAG-Vorstände mit Millionengagen in die Pension zu schicken, um Personen aus den eigenen Reihen zu installieren. Abschließend brachte Vilimsky einen Entschließungsantrag ein, in dem gefordert wird zu prüfen, ob man die durch die vorzeitigen Neuwahlen verursachten Kosten den Verantwortlichen von SPÖ und ÖVP in Rechnung stellen kann.

Abgeordnete HAUBNER (B) qualifizierte die Neuwahlen als Armutszeugnis für die beiden Regierungsparteien. Die Koalition sei ein Meister im Umfallen gewesen, urteilte Haubner und sprach von gebrochenen Wahlversprechen. Sie warf der Regierung insbesondere vor, die Steuerreform nicht vorgezogen und die Mineralölsteuer nicht gesenkt zu haben. In den Neuwahlen sah sie nun eine Chance für Österreich. Das BZÖ werde sich jedenfalls für die Entlastung der Bürger einsetzen, damit sich Leistung wieder lohnt, kündigte Haubner an. Weitere Prioritäten waren für die Rednerin die offensive Stärkung der Familien mit einer Wahlfreiheit über den persönlichen Lebensstil sowie die Sicherheit der Pensionen.

Abgeordnete RUDAS (S) warf der ÖVP vor, in den letzten zwölf Jahren dreimal "ohne Argumentation" Koalitionen gesprengt zu haben. Während es bei der politischen Arbeit doch darum gehen sollte, "die Welt zu verbessern", betreibe die Volkspartei eine Politik von vorgestern, sie blockiere wichtige Lösungen wie die Erhöhung des Pflegegeldes, die Abschaffung der Studiengebühren oder die Gesundheitsreform, stand für Rudas fest.

Abgeordneter AUER (V) dankte den Kollegen im Budgetausschuss für ihre faire Partnerschaft über die Parteigrenzen hinweg. Der Start in der Budgetpolitik sei durchaus passabel gewesen, vor allem auch deshalb, weil der Finanzminister ein Gespür für die Bedürfnisse des ländlichen Raums hatte, sagte Auer, der zudem ein positives Bild der wirtschaftlichen Lage Österreichs zeichnete. Zur SPÖ stellte er fest, die Sozialdemokraten hätten den Übergang von der Opposition auf die Regierungsbank nicht geschafft.

Abgeordnete SBURNY (G) sah die Bilanz der Regierungsarbeit in erster Linie von Versäumnissen in den Zukunftsbereichen geprägt, wobei sie insbesondere die Frauenpolitik ansprach. Angesichts der bevorstehenden Neuwahlen erneuerte Sburny die Forderung ihrer Fraktion nach einer Begrenzung der Wahlkampfkosten mit gleichzeitiger Kontrolle durch den Rechnungshof, die sie in Form eines Entschließungsantrages einbrachte.

Abgeordnete Dr. BELAKOWITSCH-JENEWEIN (F) warf den Regierungsparteien vor, das Scheitern der Gesundheitsreform bewusst für die Neuwahlen in Kauf genommen zu haben. SPÖ und ÖVP sei es nur darum gegangen, ihr Macht- und Proporzsystem aufrecht zu halten, auf der Strecke seien die Österreicher geblieben, die nun Gefahr laufen, "ab dem Herbst keinen Arzt mehr zu haben". Die Koalition habe 18 Monate lang reinen Stillstand produziert, nun würden sich die Menschen freuen, diese Politiker abwählen zu dürfen, prophezeite die Rednerin.

Abgeordneter Mag. DARMANN (B) präsentierte Maßnahmen aus Kärnten wie Teuerungsausgleich, Billigtankstellen und Pendlerpauschale als rasche Hilfe für die Bevölkerung und betonte, dort, wo das BZÖ Verantwortung trage, werde auf die Bedürfnisse der Menschen eingegangen. 

Abgeordneter MAYER (S) warf der ÖVP Klientelpolitik vor und erinnerte an den Agrardiesel und die steuerliche Behandlung der Stiftungen. Dem hielt er den Einsatz der SPÖ für einen Teuerungsausgleich entgegen. Den Wahltag werden die Österreicher nutzen, um endlich den "unseligen Schüssel-Blockadekurs" abzuwählen, zeigte sich Mayer überzeugt.

Abgeordnete FUHRMANN (V) replizierte hingegen, die ÖVP habe auf die Anliegen der jungen Generationen reagiert. Sie nannte vor allem die Lehrlingsinitiative Bartensteins und das Engagement Hahns zur Sicherung der Studienplätze der österreichischen Studierenden. Die Erfolge der VP-nahen Listen bei der Hochschülerschaft oder der Schülervertretung zeigten für Fuhrmann, dass die Jungen der ÖVP und nicht der SPÖ ihr Vertrauen schenken.

Abgeordneter Mag. KOGLER (G) ging scharf mit der ÖVP ins Gericht, der er vorwarf, Regierungen, die sie mit "Neustartgejohle" inszeniert, auch ständig selbst zu sprengen. Mit Kritik sparte Kogler aber auch nicht gegenüber der SPÖ. Die Sozialdemokraten konnten in Fragen der sozialen Gerechtigkeit deshalb nicht auf den Tisch hauen, weil sie nie über die Kante geschaut haben, sagte der Grün-Sprecher, der jegliche Glaubwürdigkeit der SPÖ vermisste. Fest stand für Kogler jedenfalls, dass soziale Gerechtigkeit eine Umverteilung braucht und auch etwas kostet. Der Wahltag werde nach den Worten des Redners ein Tag der Richtungsentscheidung zwischen Grün und Blau, und nicht zwischen Rot und Schwarz sein.

Abgeordneter Dr. FICHTENBAUER (F) konstatierte, die SPÖ habe sich selbst von ihren Grundsätzen verabschiedet, und kritisierte insbesondere die Weigerung, über den Lissaboner Vertrag eine Volksabstimmung abzuhalten. An die ÖVP wiederum appellierte Fichtenbauer, in Sachen EU nicht in eine Denk- und Sprechverbotspolitik zu verfallen.

Abgeordneter DOLINSCHEK (B) bezeichnete die Sozialpartner und den Bundespräsidenten als die Architekten einer Großen Koalition, "bei der von Anfang an nicht weiter gegangen ist". Das Scheitern sei vor allem auch wegen überzogener Wahlversprechen der SPÖ vorprogrammiert gewesen. Die Regierung habe ihre Mehrheit nicht dafür eingesetzt, die Teuerung zu bekämpfen und durch eine Steuerreform die Familien und den Mittelstand zu entlasten, kritisierte der Redner weiter. In einem Entschließungsantrag forderte Dolinschek eine anteilige Kürzung der Wahlkampfkostenrückerstattung im Fall einer vorzeitigen Auflösung des Nationalrates.

Abgeordneter AMON (V) betonte, die ÖVP sei bereit gewesen, Verantwortung zu übernehmen, könne jedoch nichts für "das Tohuwabohu und das Chaos" in der SPÖ. Für die Menschen sei nicht nachvollziehbar, was dort passiere, meinte er. Amon sieht die SPÖ in Auflösung begriffen und verwies etwa auf den Wechsel in der Parteispitze, den Rücktritt von SPÖ-Wissenschaftssprecher Josef Broukal und den Rücktritt der Kärntner SPÖ-Vorsitzenden Gabriele Schaunig.

Abgeordneter HOFER (F) führte aus, der Anfang vom Ende der SPÖ sei gewesen, ein Mandat dem liberalen Abgeordneten Alexander Zach zur Verfügung zu stellen. Schließlich vertrete das Liberale Forum in manchen Punkten völlig konträre Ansichten zur SPÖ, skizzierte er. Hofer zufolge hat die Regierung vor allem notwendige Reformen im Sozialbereich verabsäumt.

Bei der Abstimmung wurde der Antrag auf vorzeitige Beendigung der XXIII. Gesetzgebungsperiode einstimmig angenommen. In der Minderheit blieben der Entschließungsantrag der FPÖ betreffend In-Rechnung-Stellen der Kosten bei vorgezogenen Neuwahlen, der Entschließungsantrag der Grünen betreffend Wahlkampfkostenbegrenzung durch Transparenz und der Entschließungsantrag des BZÖ betreffend anteilige Verkürzung der Wahlkampfkostenrückerstattung im Falle einer vorzeitigen Auflösung des Nationalrats. (Forts.)