Parlamentskorrespondenz Nr. 817 vom 20.10.2008

Nationalrat reagiert auf Finanzmarktkrise

Weitreichendes Gesetzespaket passiert Finanzausschuss

Wien (PK) - Wegen der weltweiten Krise der Geld- und Kapitalmärkte hat der Finanzausschuss dem Nationalrat heute ein Gesetzespaket zur Sicherung heimischer Banken und Versicherungen empfohlen. Der Regierungsentwurf für ein Interbankmarktstärkungsgesetz und ein Finanzmarktstabilitätsgesetz (682 d.B.) ermöglicht Finanzhilfen, staatliche Beteiligungen an Finanzinstituten und als letztes Mittel die Teilverstaatlichung betroffener Unternehmen. Die Abwicklung solcher Maßnahmen soll der ÖIAG obliegen. Im Bankwesengesetz wird für private Bankguthaben eine unbegrenzte Einlagensicherung verankert. Die Finanzmarktaufsicht soll Banken höhere Eigenmittel vorschreiben und Leerverkäufe an der Börse ("short sellings") verbieten können. Finanzielle Vorsorge für den Fall, dass tatsächlich gehandelt werden müsse, trifft eine Ergänzung des Bundesfinanzgesetzes 2008. Das Maßnahmenpaket wurde in getrennter Abstimmung teils einstimmig, teils mehrheitlich angenommen. Per V-S-Abänderungsantrag wurde die Einlagensicherung für Personen- und Kapitalgesellschaften auf 50.000 Euro erhöht. Ausschussentschließungen zielen auf eine bessere Anlegerentschädigung und auf die gleiche Bewertung von Anleihen im direkten oder im Fondsbesitz. Außerdem definierte der Ausschuss, welche Maßnahmen unter den Begriff "Rekapitalisierung fallen sollen. Weitergehende Vorschläge der Opposition, etwa die Kürzung von Managergehältern per Bescheid (FPÖ) oder die Einrichtung eines parlamentarischen Mitwirkungsausschusses (BZÖ) fanden im Finanzausschuss keine Mehrheit. 

In der Debatte plädierte Abgeordneter Peter Fichtenbauer (F) dafür, die Sozialverträglichkeit der Maßnahmen und deren Akzeptanz in der Bevölkerung zu gewährleisten, indem man dem Finanzminister die Möglichkeit gibt, per Bescheid in Managerverträge einzugreifen. Die vorgesehene Verordnungsermächtigung reiche dafür nicht aus. Es sei aber notwendig, "die Stopptaste zu drücken", wenn ein Manager, der einen Millionenschaden verursacht habe, enorme Abfertigungsansprüche geltend machen wolle. Zudem verlangte Fichtenbauer eine Präzisierung, welche Veranlagungen im Einzelnen geschützt werden sollen. Die ausschließliche Orientierung auf den Shareholder-Value sei zu überwinden, sagte Fichtenbauer, es gelte, den guten europäischen Tugenden in der Finanzwirtschaft zum Durchbruch zu verhelfen.

Abgeordneter Josef Bucher (B) registrierte mit Genugtuung, dass Vorschläge des BZÖ im Abänderungsantrag von SPÖ und FPÖ berücksichtigt worden seien. Für Haftungen und Beteiligungen hielt es Bucher für zweckmäßig, einen Fonds einzurichten, um die Optik zu vermeiden, der Staat stelle den Banken Geld ohne entsprechende Kontrolle zur Verfügung. Außerdem trat der Abgeordnete für die Einsetzung eines parlamentarischen Mitwirkungsausschusses nach deutschem Vorbild ein.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (S) beantragte die beiden Entschließungen und die Ausschussfeststellung, die klarstellte, inwiefern auch Liquiditätsmaßnahmen zugunsten von Finanzinstitutionen als Rekapitalisierungsmaßnahmen zu betrachten seien.

Abgeordneter Alexander Van der Bellen (G) unterzog die Regierungsvorlage und den Abänderungsantrag von SPÖ und ÖVP einer detaillierten Kritik, wobei er es insbesondere für klärungsbedürftig hielt, was eine "angemessene Entschädigung" sei und wie weit die Kontrollkompetenzen des Rechnungshofs reichten. Gegenüber der Konstruktion der Clearing-Stelle für Interbank-Geschäfte meldete Van der Bellen Zweifel an und brach eine Lanze für kleine und mittlere Betriebe sowie für Private, die nun durch Fremdwährungskredite in Probleme geraten. Hier verlangte der Abgeordnete ein befristetes Moratorium. Schließlich sprach sich Van der Bellen für Vorkehrungen gegen Insidergeschäfte von Beamten aus, die über privilegierte Informationen verfügten.

Abgeordneter Jakob Auer (V) wollte aus der aktuellen Finanzmarktkrise politische Lehren ziehen und die Chance für Verbesserungen nützen. Es stelle sich die Frage, warum US-Bewertungsagenturen der Investmentbank Lehman-Brothers noch am Tag vor deren Konkurs eine gute Bewertung gaben oder warum die USA Europa die "Basel II"-Bestimmungen "aufs Auge gedrückt haben", ohne sie selbst umzusetzen. Auer fragte auch, "wo die Deutsche Bankenaufsicht gewesen ist" und drängte auf die Einrichtung einer Europäischen Rating-Agentur. Besorgt zeigte sich Auer wegen des enormen Wachstums der Währungsreserven Chinas, während die US-Währungsreserven abnehmen.

Abgeordnete Marianne Hagenhofer (S) befasste sich mit den Sorgen der Menschen, die bald in Pension gehen und eine Pensionsabsicherung in der Zweiten Säule haben.

Abgeordneter Johannes Jarolim (S) hielt es für ein Gebot der Stunde, über notwendige kurzfristige Maßnahmen zur Stabilisierung des Finanzsektors hinaus langfristige Entscheidungen im Interesse der Nachhaltigkeit zu treffen. Abgeordneter Michael Ikrath (V), der den V-S-Abänderungsantrag einbrachte und erläuterte, stimmte seinem Vorredner ausdrücklich zu und sprach sich für eine Ordnungspolitik aus, die die Finanzwirtschaft enger an die Realwirtschaft bindet. Ikrath begrüßte die Absicherung der KMU, zumal diese unter konjunkturellem Druck stehen und befürwortete auch die Gleichbewertung direkter und fondsgebundener Anleihen zur Stabilisierung von Versicherungen.

Finanzminister Wilhelm Molterer bekannte sich nachdrücklich dazu, Lehren aus der Krise zu ziehen und das Prinzip der Nachhaltigkeit in den Vordergrund zu rücken. "Europa soll sich auf seine Hinterbeine stellen", sagte der Minister. "Es darf nicht sein, dass die "Basel II"-Bestimmungen in den USA nicht angewendet werden, sagte Molterer. Es brauche mehr Transparenz auf den Finanzmärkten sowie bei den Managergehältern, und es brauche Spielregeln für die Märkte und eine funktionierende Finanzmarktaufsicht. Die Aufsicht solle Schritt für Schritt europäischer werden. Nicht als Ersatz für nationale Aufsicht, aber überall dort, wo Banken grenzüberschreitend tätig seien.

Die vorgeschlagenen Maßnahmen stünden laut Minister Molterer auf festem europäischen Grund. Den Abänderungsantrag mit der vorgesehenen Verbesserung der Einlagensicherung begrüßte der Finanzminister ausdrücklich.

Auf die Fragen der Abgeordneten eingehend sagte der Minister, die Verordnungsermächtigung ziele auf eine Balance zwischen unternehmerischer Tätigkeit und staatlicher Verantwortung. Die zusätzliche Möglichkeit, rechtsverbindliche Verträge abzuschließen, ermögliche ein flexibles und zugleich Sicherheit schaffendes Vorgehen. Die Einlagensicherung sei im bestehenden Bankwesengesetz ausreichend präzise geregelt, hielt Molterer fest. Da sie aber noch nie eingesetzt wurde, müsse man die Bevölkerung über deren genaue Funktionsweise informieren.

Die vorgesehene Clearing-Stelle sei als Bank konstruiert, die sich ihrerseits der Kontrollbank bediene. Ihr Zweck sei es, die normale Liquidität zwischen den Banken wiederherzustellen. Im Gegensatz zum Abgeordneten Werner Kogler (G) stand dabei die Prüftätigkeit des Rechnungshofes für den Finanzminister außer Zweifel, dieser überprüfe sowohl das Finanzressort als auch die Ausfuhrförderung.

Zinsen-Bestimmungen seien für den Fall von Darlehen an Finanzinstitute notwendig, erfuhren die Abgeordneten vom Minister.

Beim angesprochenen Moratorium für KMU und Private wollte Molterer nicht ausschließen, dass man in Zukunft über diese Frage werde sprechen müssen. Insiderhandel sei jedenfalls für alle, auch für Beamte, ausgeschlossen, hielt Molterer fest.

Abgeordneter Bruno Rossmann (G) bedauerte, dass die Regierung darauf verzichte, die steuerliche Begünstigung der Stock-options von Managern zu beseitigen, und hielt es für sehr wichtig, KMU zu helfen, denen Kredite fällig gestellt oder zusätzliche Sicherstellungen abverlangt werden.

Abschließend appellierten Abgeordneter Hermann Schultes (V) und Finanzstaatssekretär Christoph Matznetter unisono an die Abgeordneten, sich staatstragend zu verhalten und den Menschen verständlich zu machen, dass die vorliegenden Maßnahmen dazu dienten, Sparguthaben zu sichern und die Liquidität der Banken im Interesse der Wirtschaft zu gewährleisten. Bei der Stabilisierung der Geldwirtschaft gehe es nicht darum, "Wallstreet-Banker zu fördern", sondern darum, Grundlagen der Wirtschaft und der Arbeitsplätze zu erhalten, schloss Matznetter pointiert. (Schluss)