Parlamentskorrespondenz Nr. 81 vom 11.02.2009

Behindertenbericht: 11 % der Menschen mit Behinderung manifest arm

Beschäftigungspflicht im öffentlichen Dienst zu 95,6 % erfüllt

Wien (PK) - Um aktuelle Daten sowohl über die Anzahl von Menschen mit Behinderungen als auch über deren Probleme im Alltag zu erhalten, beauftragte das Sozialministerium die Statistik Austria mit der Durchführung einer Befragung zum Thema "Menschen mit Beeinträchtigungen", deren Ergebnisse in den Behindertenbericht 2008 (III-23 d.B.) eingeflossen sind. Diese Befragung wurde von Oktober 2007 bis Februar 2008 durchgeführt. Insgesamt 8.195 zufällig ausgewählte Personen (hochgerechnet: rund 8,2 Mio. Personen) nahmen daran teil.

20,5 % aller Befragten gaben eine dauerhafte Beeinträchtigung an, das sind hochgerechnet 1,7 Mio. Personen der österreichischen Wohnbevölkerung in Privathaushalten. In dieser Zahl sind sowohl Menschen mit leichten Sehbeeinträchtigungen als auch Menschen mit psychischen Problemen oder vollständig immobile Menschen enthalten.

Dauerhafte Beeinträchtigungen sind stark altersabhängig. Bei den unter 20-Jährigen beträgt der Anteil der Beeinträchtigten 6,2 % bei den Männern und 4,5 % bei den Frauen; in der Altersgruppe der 20- bis unter 60-Jährigen sind 16,3 % der Männer und 14,7 % der Frauen betroffen. Den höchsten Wert erreichen bei beiden Geschlechtern die über 60-Jährigen (Männer: 48,3 %; Frauen: 48,5 %).

Rund 20,8 % der weiblichen und 20,2 % der männlichen Bevölkerung haben eine lang andauernde Beeinträchtigung. In den Altersgruppen unter 60 Jahren sind die Männer etwas stärker betroffen als die Frauen, in der Altergruppe der ab 60-Jährigen weisen die Frauen etwas häufiger dauerhafte Beeinträchtigungen auf. Die mit Abstand häufigsten dauerhaften Beeinträchtigungen sind Probleme mit der Beweglichkeit. Hochgerechnet sind rund 1 Mio. Personen, das sind 13 % der österreichischen Bevölkerung in Privathaushalten, davon betroffen.

7 % der Bevölkerung haben mehr als eine Beeinträchtigung, das entspricht etwa 580.000 Personen mit mehreren dauerhaften Beeinträchtigungen. Von Mehrfachbeeinträchtigungen sind vorrangig ältere, allein lebende Frauen betroffen. Das gemeinsame Auftreten von mehrfachen Beeinträchtigungen, höherem Alter und der Tatsache, allein zu leben, bedeutet einen erhöhten Versorgungsbedarf in dieser Bevölkerungsgruppe. Weitere 579.000 Personen (7 % der Bevölkerung) haben andere, vor allem chronische Beeinträchtigungen (z.B. Allergien, Bluthochdruck, Migräne, Asthma, Diabetes oder chronische Schmerzen).

Geistige Probleme oder Lernprobleme betreffen 1 % der Bevölkerung (rund 85.000 Personen), Probleme beim Sprechen 0,8 % (rund 63.000 Personen). Dauerhafte Beeinträchtigungen treten für beide Geschlechter im höheren Alter am häufigsten auf. Frauen im Alter ab 60 Jahren sind dabei generell stärker betroffen.

Personen mit dauerhaften Problemen mit der Beweglichkeit sind die größte Gruppe innerhalb der Personen mit Beeinträchtigungen (1 Mio. bzw. 13 % der Bevölkerung). Frauen sind dabei insgesamt häufiger betroffen als Männer (14,1 % gegenüber 11,9 %). Was die Stärke der Beeinträchtigungen betrifft, leiden hochgerechnet 6,1 % der Wohnbevölkerung unter dauerhaften Bewegungsbeeinträchtigungen mittlerer Stärke, bei 4,3 % sind sie schwerwiegend und bei 2,7 % leicht.

Rund 50.000 Personen (0,6 % der Bevölkerung) sind auf die Benutzung eines Rollstuhls angewiesen. Die überwiegende Mehrheit der Rollstuhlbenützer (90,3 %) verwendet einen manuell betriebenen Rollstuhl. Dauerhafte Bewegungsbeeinträchtigungen treten unabhängig von ihrer Stärke bei den ab 60-Jährigen am häufigsten auf. Frauen dieser Altersgruppe sind sowohl von schwerwiegenden Bewegungsbeeinträchtigungen als auch von Bewegungsbeeinträchtigungen mittleren Ausmaßes am häufigsten betroffen.

Dauerhafte Probleme mit dem Sehen sind die am dritthäufigsten genannte Beeinträchtigung (3,9 % der Bevölkerung bzw. rund 318.000 Personen). Als dauerhafte Sehbeeinträchtigungen wurden Sehbeeinträchtigungen gezählt, die trotz Brille, Kontaktlinsen oder anderer Sehhilfen bestehen. Auch hier sind Frauen häufiger betroffen als Männer (4,3 % vs. 3,4 %).

2,5 % der Bevölkerung (202.000 Personen) sind von dauerhaften Hörbeeinträchtigungen betroffen. Frauen sind häufiger davon betroffen als Männer (2,7 % bzw. 2,1 % der Bevölkerung).

Weitere 2,5 % der Bevölkerung gaben an, nervliche oder psychische Probleme zu haben (wie z.B. Depressionen, Angststörungen oder psychosomatischen Erkrankungen); Frauen häufiger als Männer (2,9 % gegenüber 2,1 %), und zwar in jeder Altersgruppe. Nervliche und psychische Probleme treten bereits im Alter zwischen 20 und 60 Jahren relativ häufig auf (2,1 % bei Männern, 2,8 % bei Frauen), sind jedoch im Alter von 60 und mehr Jahren am häufigsten (3,8 % bei Männern, 4,9 % bei Frauen).

Der Bund als Dienstgeber von Menschen mit Behinderungen

Die Republik Österreich als Dienstgeber versucht, der Beschäftigungspflicht behinderter Personen gemäß Behinderteneinstellungsgesetz so weit wie möglich nachzukommen. Die Anzahl der beschäftigten begünstigten Behinderten stieg in den letzten Jahren kontinuierlich an und zeigt, dass der öffentliche Dienst verstärkt bereit ist, Menschen mit Behinderungen zu beschäftigen.

In der Vorschreibungsperiode 2006 waren von 6.102 Pflichtstellen nur 268 nicht besetzt, die Beschäftigungspflicht war damit zu 95,6 % erfüllt. Die Problembereiche, die eine Beschäftigungsmöglichkeit für Menschen mit Behinderungen erschweren, liegen im Exekutivbereich und bei den Lehrern. Manche Ministerien wie das BMSK, das BMF oder das BMGFJ haben ihre Einstellungsverpflichtung allerdings bei weitem übererfüllt.

Von unterschiedlichen geistigen Problemen oder Lernproblemen ist rund 1 % der Bevölkerung (85.000 Personen) dauerhaft betroffen. Frauen und Männer sind davon etwa im gleichen Maß betroffen (1 % Frauen bzw. 1,1 % Männer).

Rund 0,8 % der Bevölkerung in Privathaushalten haben ein dauerhaftes Problem beim Sprechen, gemeint sind damit z.B. Stottern oder Lautbildungsstörungen nach einem Unfall bzw. Schlaganfall. Das entspricht hochgerechnet etwa 63.000 Personen, wobei schwerwiegende dauerhafte Probleme beim Sprechen im Alter von 60 und mehr Jahren am häufigsten auftreten.

Mehrfache dauerhafte Beeinträchtigungen treten bei rund 7 % der Wohnbevölkerung (580 000 Personen) auf. Multiple Beeinträchtigungen treten häufiger bei Frauen und im höheren Alter auf. Mehrfach beeinträchtigte Personen mit dauerhaften Mobilitätsproblemen haben auch Probleme beim Sehen, beim Hören (jeweils zu 77,7 %), Probleme beim Sprechen (zu 78,3 %) und andere dauerhafte Beeinträchtigungen wie chronische Erkrankungen oder Schmerzen (zu 46,6 %).

Altersstruktur, Bildungsniveau

9 % der Menschen, die über 16 Jahre alt sind, sind laut EU-SILC behindert im engeren Sinn. Das sind 633.000 Personen. In der Altersgruppe der 16 bis 64-Jährigen sind 5 % der Frauen und 6 % der Männer behindert. Bei den über 65-Jährigen sind es 28 % der Frauen und 20 % der Männer. Da Frauen unter den älteren Menschen stärker vertreten sind, bedeutet das, dass beinahe doppelt so viele ältere Frauen (214.000) als Männer (111.000) Behinderungen aufweisen.

31 % der behinderten Menschen (rund 200.000) leben in Einpersonenhaushalten. Der Anteil der allein lebenden behinderten Personen liegt in allen Altersgruppen über dem der nicht behinderten Personen. Von den Menschen mit Behinderungen im Erwerbsalter (16 bis 64 Jahre) leben 19 % der Männer und 23 % der Frauen allein; bei den über 65-jährigen Männern liegt der Anteil bei 21 %, signifikant höher ist dieser bei älteren Frauen (52 %). Das bedeutet, mehr als die Hälfte der älteren behinderten Frauen sind ausschließlich auf professionelle bzw. informelle Unterstützung von Personen, die nicht im selben Haushalt wohnen, angewiesen.

Das Niveau der Bildungsabschlüsse zwischen nicht behinderten und behinderten Menschen ist sehr unterschiedlich. Während 18 % der nicht behinderten Bevölkerung zwischen 24 und 64 Jahren maximal einen Pflichtschulabschluss haben, sind es bei den Menschen mit Behinderungen 38 %.

Eine Lehre oder mittlere Schule haben 53 % der Nichtbehinderten und 51 % der behinderten Menschen in dieser Altersgruppe abgeschlossen.

Während in der Gruppe der nicht behinderten Männer im erwerbsfähigen Alter 12 % über maximal einen Pflichtschulabschluss verfügen, ist der Anteil bei den behinderten Männern fast drei Mal so hoch (32 %).

23 % der nicht behinderten 16 bis 64-jährigen Frauen haben maximal einen Pflichtschulabschluss, während dies für einen doppelt so hohen Anteil (46 %) der behinderten Frauen im erwerbsfähigen Alter zutrifft.

Relativ gering sind die Unterschiede bei den Abschlüssen von Lehre bzw. mittlerer Schule. Während 60 % der 24 bis 64-jährigen nicht behinderten Männer einen Abschluss haben, sind es 58 % bei den Behinderten.

Bei den Frauen dieser Altersgruppe beträgt der Unterschied 3 %-Punkte (46 % zu 43 %).

Starke Unterschiede zeigen sich bei den Matura- und Universitätsabschlüssen. Nur 10 % der behinderten Männer im Erwerbsalter haben zumindest Matura (29 % der nicht behinderten Personen). Bei den Frauen ist das Verhältnis ident (11 % zu 30 %).

Im Vergleich aller behinderten mit den nicht behinderten Personen über 24 Jahren (inklusive über 64-Jährige) haben 51 % der Behinderten zumindest Pflichtschulabschluss (23 % der nicht behinderten Bevölkerung), 40 % einen Lehr- oder mittleren Schulabschluss (51 %) und nur 9 % Matura- oder einen Universitätsabschluss (27 %).

Armutsgefährdungsquote bei behinderten Personen liegt bei 20 %

Während 22 % der nicht behinderten Bevölkerung über ein Pro-Kopf- Haushaltseinkommen im untersten Einkommensviertelder Gesamtbevölkerung verfügt, ist dies bei 34 % der behinderten Personen im engeren Sinn der Fall. Besonders hoch sind die Anteile der behinderten Frauen im Erwerbsalter (38 %) und der über 65-jährigen Frauen (36 %) im untersten Einkommensviertel.

Die Armutsgefährdungsquote von behinderten Personen ist mit 20 % fast doppelt so hoch wie die von nicht behinderten Personen (11 %). Behinderte Frauen haben eine um die Hälfte höhere Armutsgefährdungsquote als Männer (23 % zu 16 %). Die höhere Armutsgefährdung von behinderten Personen hängt vor allem mit der geringeren Erwerbseinbindung, geringerem Erwerbseinkommen und den Folgen der fehlenden oder schlechteren beruflichen Position für die Berechnung der Pensions- und Sozialleistungen zusammen.

Abgesehen von der prekären Einkommenssituation sind behinderte Personen in noch viel stärkerem Ausmaß von zusätzlichen Problemlagen als nicht behinderte Personen betroffen. 11 % der Menschen mit Behinderungen sind manifest arm, bei den nicht behinderten Menschen sind es 4 %. Am stärksten von manifester Armut betroffen sind die 16- bis 64-jährigen behinderten Frauen (16 %).

Arbeitslosengeld, Notstandshilfe

2007 erhielten im Jahresdurchschnitt 199.649 Personen Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe, davon wiesen 31.155 Menschen gesundheitliche Vermittlungseinschränkungen auf. Dies entspricht einem Anteil von rund 16 %. Auffällig ist, dass 2007 innerhalb dieser Gruppe der beim Arbeitsmarktservice vorgemerkten BezieherInnen von Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe der Anteil der Notstandshilfebezieher mit 69,7 % signifikant höher war als in der Gruppe der nichtbehinderten Leistungsbezieher (dort lag der Anteil der Notstandshilfebezieher bei 42,7 %). Dies dürfte zum einen an der längeren Dauer der Arbeitslosigkeit von Menschen mit gesundheitlichen Vermittlungseinschränkungen liegen, kann zum anderen aber auch als ein Zeichen für deren oftmals prekäre wirtschaftliche Situation gesehen werden, heißt es im Bericht.

Grundsätzlich gilt, dass die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes bzw. der Notstandshilfe mit dem Alter steigt. Im Jahr 2007 wiesen Frauen mit gesundheitlichen Vermittlungseinschränkungen eine kürzere Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes und der Notstandshilfe (120 Tage) auf als Männer (128 Tage). Die kürzere Bezugsdauer dürfte u.a. auf die verstärkte Einbeziehung in arbeitsmarktpolitische Maßnahmen im Rahmen des „Sonderprogramms 2006/2007 für behinderte Personen“ zurückzuführen sein.

Insgesamt bezogen im Jahr 2007 Menschen mit gesundheitsbedingten  Vermittlungseinschränkungen durchschnittlich 151 Tage lang Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe.

Die durchschnittliche Leistungshöhe (Arbeitslosengeld und Notstandshilfe) für Menschen mit vermittlungsrelevanten Gesundheitsproblemen lag im Jahr 2007 bei monatlich 625,7 €. Im Vergleich dazu erhielten nichtbehinderte Menschen 2007 durchschnittlich 695,3 € an Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe.

Behinderte Frauen und Arbeitslosigkeit

Die Tatsache, dass Frauen über ein geringeres Erwerbseinkommen verfügen als Männer, spiegelt sich in der Höhe des Arbeitslosengeld- bzw. Notstandshilfebezugs wider, wobei bei der Notstandhilfe hinzukommt, dass Frauen wesentlich stärker von einer Leistungsreduktion infolge der Anrechnung des Partnereinkommens betroffen sind als Männer: Frauen haben generell einen niedrigeren Bezug von Arbeitslosengeld und Notstandshilfe als Männer, wobei der Unterschied mit zunehmendem Alter größer wird. Vergleicht man die diesbezüglichen Daten für Frauen mit gesundheitsbedingten Vermittlungseinschränkungen und nichtbehinderte Frauen, so ergibt sich Folgendes: 2007 betrug die durchschnittliche monatliche Höhe des Arbeitslosengeldes bzw. der Notstandshilfe für nichtbehinderte Frauen 614,4 €, Frauen mit gesundheitlichen Vermittlungseinschränkungen bezogen demgegenüber lediglich 545,2 €. Nichtbehinderte Männer erhielten im Vergleich dazu durchschnittlich monatlich 756,4 €, Männer mit gesundheitlichen Vermittlungseinschränkungen 672,3 €. (Schluss)


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