Parlamentskorrespondenz Nr. 126 vom 26.02.2009

Hauptausschuss beschließt Verlängerung von Friedenseinsätzen

Einsatz im Tschad weiterhin umstritten

Wien (PK) – Der Hauptausschuss trat heute vor der Plenarsitzung des Nationalrats zusammen, um über die weitere Teilnahme des österreichischen Bundesheeres an multinationalen Friedenseinsätzen zu beraten. Dabei ging es um die EU-Militäroperation ALTHEA (EUFOR) in Bosnien und Herzegowina und den multinationalen Friedenseinsatz im Kosovo (KFOR), weiters um die UN-Mission in Nepal (UNMIN) und schließlich um die UN-Mission in der Zentralafrikanischen Republik und im Tschad (MINURCAT). Der Einsatz im Tschad wurde nur mit den Stimmen von SPÖ und ÖVP genehmigt, die beiden anderen Anträge passierten den Hauptausschuss einstimmig.

EU-Mission im Tschad wird durch UNO-Einsatz abgelöst

Österreich beteiligt sich auch nach Beendigung der EU-Operation EUFOR TCHD/RCA am UN-Friedenseinsatz im Tschad. Die Mission der EU ist bis 15. März 2009 befristet und wird durch eine militärische Komponente im Rahmen der Mission der Vereinten Nationen in der Zentralafrikanischen Republik und im Tschad (MINURCAT) abgelöst.

Nach einem Beschluss des Hauptausschusses, der mehrheitlich mit den Stimmen von SPÖ und ÖVP erfolgte und dem eine kontroversielle Diskussion voranging, wird Österreich ein Logistikkontingent von bis zu 130 Angehörigen des Bundesheeres, eines Auf- und Abbauteams von bis zu je 50 Angehörigen des Bundesheeres sowie von bis zu 30 weiteren Personen für vorbereitende bzw. unterstützende Tätigkeiten entsenden. Das österreichische Kontingent besteht aus einem Kontingentskommando sowie je einem Führungs-, Versorgungs-, Transport-, Instandsetzungs-, Unterstützungs-, Sicherungs- und sanitätsdienstlichen Element. Einzelne Angehörige des Kontingents sollen nach Bedarf für Stabs- und Verbindungsfunktionen bei den übergeordneten Stäben und den multinationalen Einheiten von MINURCAT abgestellt werden. Der Einsatz wird vorerst bis 15. März 2010 befristet, Einsatzraum ist der Tschad und die zentralafrikanische Republik mit dem Schwerpunkt der Grenzgebiete zum Sudan im Osten des Tschad im Raum Abeché bzw. im Nordosten der Zentralafrikanischen Republik sowie der Hauptkommunikationslinien in diesen Gebieten.

MINURCAT hat die Aufgabe, Bedingungen zu schaffen, welche die Sicherheit der Flüchtlinge im Tschad gewährleisten und eine freiwillige, sichere und dauerhafte Rückkehr der Binnenvertriebenen begünstigen. Das Mandat umfasst Aufgaben in den Bereichen Sicherheit und Schutz von Zivilpersonen sowie Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit.

Die Opposition äußerte abermals Bedenken gegen das österreichische Engagement. So bezeichnete Abgeordnete Ulrike Lunacek (G) den Einsatz zwar grundsätzlich als sinnvoll, die politische Situation im Sudan und in Darfur sei jedoch weiterhin mehr als brisant, sagte sie. Auch im Tschad selbst könne sie keine positive Entwicklung im Sinne eines gemeinsamen Prozesses erkennen. Kein Verständnis zeigte die Abgeordnete dafür, dass die Kosten für den Einsatz der Entwicklungszusammenarbeit (EZA) zugerechnet werden, dies zu einem Zeitpunkt, wo es keinerlei Erhöhungen für die Mittel der EZA gibt. Gerade die ärmsten Länder litten unter einer Ernährungs- und Wirtschaftskrise sowie unter dem Klimawandel – Entwicklungen, die sie nicht selber verschuldet haben, argumentierte sie.

Abgeordneter Gernot Darmann (B) fürchtete für die Sicherheit der SoldatInnen. Die österreichischen SoldatInnen müssten nunmehr zur Unterstützung der anderen Truppen in Kampfgebiete vordringen, da sie ausschließlich mit logistischen Aufgaben betraut werden. Außerdem habe die UNO vor kurzem im Gazastreifen bewiesen, dass sie nicht in der Lage ist, ihre eigenen Institutionen zu schützen. Wie Lunacek ging auch Darmann von einer längeren Dauer der Krise in der afrikanischen Region aus, woraus beide auf einen Einsatz des österreichischen Bundesheeres über den März 2010 hinaus schlossen.

Ähnlich äußerte sich Abgeordneter Mario Kunasek (F), der zunächst sicherheitspolitische Aspekte ansprach. Seine Partei habe nach wie vor massive Bedenken gegen den Einsatz, betonte er, und erkundigte sich danach, was man für den Eigenschutz vorsehe.

Im Gegensatz dazu unterstützten die Abgeordneten der Regierungsparteien die Entsendung. Der Krisenherd habe wesentlich entschärft werden können, stellte Abgeordneter Stefan Prähauser (S) fest, sodass der Einsatz trotz anfänglicher Bedenken aus heutiger Sicht, vor allem aus humanitären Gründen, als gerechtfertigt betrachtet werden könne. Die Flüchtlinge aus Darfur fänden nun im Tschad Zuflucht, nachdem diese Region jetzt wieder als halbwegs sicher gelte. Prähauser hob insbesondere die Leistungen des Bundesheeres im Rahmen der bisherigen Mission hervor, worin er auch von Abgeordneter Elisabeth Grossmann (S) bestätigt wurde. Sie habe die Situation vor Ort kennengelernt und habe außerordentlich viel Lob für die Einsatzkräfte entgegennehmen können. Die Lage habe sich gebessert, bemerkte Grossmann, nun gehe es darum, polizeiliche und justizielle Strukturen aufzubauen und die Arbeit der Hilfsorganisationen zu schützen, damit sich diese wieder auf ihre Kernaufgaben konzentrieren können.

Auch Abgeordneter Wolfgang Schüssel (V) hielt fest, der Einsatz im Tschad habe sich als richtig erwiesen, und die positive Entwicklung habe die ursprüngliche Skepsis zerstreut. Die Ziele, wie die Stabilisierung der Region und die humanitäre Hilfe, seien erreicht worden. Auch wenn eine langfristige Sicherung aus heutiger Sicht noch nicht abzusehen sei, halte er es für richtig und sinnvoll, den Einsatz fortzusetzen. Unser Ziel müsse es sein, die UNO-Einrichtungen zu stärken, ein Rückzug sei der falsche Weg, bemerkte Schüssel in Richtung der Opposition.

Bundesminister Michael Spindelegger informierte die Abgeordneten, dass die UNO an Österreich das dringende Ersuchen gerichtet habe, den Einsatz fortzusetzen. Das sei auch eine Anerkennung für die Leistungen des österreichischen Bundesheeres, merkte er an. Die Bundesregierung habe daraufhin sorgfältig die Kapazitätsfrage geprüft, sagt Spindelegger, die Situation sei als bewältigbar eingestuft worden. Was die Sicherheitslage in der Region betrifft, so wurde diese vom Außenminister als relativ ruhig beurteilt, wobei er zugab, dass es durchaus Unsicherheiten gebe. Es bewege sich aber etwas zum Positiven, meinte Spindelegger, zumal es nun zwischen dem Tschad und dem Sudan direkte Kontakte gebe und man sich auch auf einen Gefangenenaustausch geeinigt habe.

Die Anrechnung der Ausgaben auf die EZA sei nichts Neues, betonte Spindelegger, dafür gebe es genaue Richtlinien der OECD. Es würden Kosten für den humanitären Aspekt und jene, die mit der Verlegung der Truppen in den Tschad unmittelbar in Zusammenhang stehen, angerechnet.

Die ursprünglich geäußerten Bedenken in Hinblick auf die Neutralität und den Überhang an französischem Engagement hätten sich als unrichtig erwiesen, betonte Verteidigungsminister Norbert Darabos in seiner Stellungnahme. Die österreichischen SoldatInnen hätten ausgezeichnete und allseits anerkannte Arbeit geleistet und nun gehe man im Rahmen der UNO-Mission in den Logistikbereich. Auch dafür sei das Bundesheer bestens geeignet, unterstrich der Minister. Die Belastungen vor Ort seien extrem, vor allem hinsichtlich des Klimas, aber die Einsatzkräfte hätten sich sehr gut angepasst. Für die Sicherheit stünden 22 Personen zur Verfügung, merkte Darabos an, die österreichischen Einsatzkräfte würden aber auch durch die gesamte UNO-Mission gesichert.

Es sei von Anfang an klar gewesen, dass die Überbrückungsmission in die UNO-Mission übergehen werde. Eine Verlängerung des Einsatzes über den März 2010 hinaus sei keine ausgemachte Sache, bekräftigte Darabos.    

Eine heftige Debatte entwickelte sich über die Kosten des Einsatzes. Die Abgeordneten Gernot Darmann (B) sowie Mario Kunasek und Christian Lausch (beide F) sprachen die in der Öffentlichkeit diskutierte prekäre budgetäre Situation des Bundesheeres an. Dazu betonte Abgeordneter Wolfgang Schüssel (V) die Wichtigkeit internationaler Einsätze. Bundesminister Norbert Darabos bezifferte die Kosten des Einsatzes mit 10 Mio. € und betonte, es mache keinen Sinn, Inlandsausgaben gegen Auslandsausgaben auszuspielen, denn das Bundesheer habe mehrere Säulen.

Ungemindertes Engagement im Kosovo sowie in Bosnien und Herzegowina

Das Engagement Österreich, zur Stabilisierung des Kosovo beizutragen, ist ungemindert. Heimische SoldatInnen beteiligen sich seit Jahren am multinationalen Friedenseinsatz KFOR im Kosovo als auch an der EU-Militäroperation ALTHEA (EUFOR) in Bosnien und Herzegowina. Ziel der KFOR ist es, die Bestrebungen der Staatengemeinschaft zur Wiederherstellung von Frieden, Sicherheit und Stabilität in Südosteuropa und die Hilfeleistung für die Menschen im Kosovo zu unterstützen. Grundlagen für ALTHEA bilden das Rahmenübereinkommen für den Frieden in Bosnien und Herzegowina (Dayton Abkommen) und das betreffende UNO-Mandat. Aufgaben sind die Verhinderung von gewaltsamen Ausschreitungen, die Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung und die Schaffung eines gesicherten Umfelds.

NATO und EU sind bestrebt, die Kräfte auf dem Westbalkan gemeinsam zu nutzen (Konzept der "Over-the-Horizon–Reserves"). Aus diesem Grund werden zusätzlich zu den Kräften von ALTHEA (EUFOR) und KFOR zwei Bataillone als operative Reservekräfte (Operative Reserve Force - ORF) für den Fall, dass sich die Sicherheitslage verschärft, bereitgestellt. Nach dem ORF-Konzept muss eines dieser Bataillone mit ersten Teilen bereits vier Tage nach einer Alarmierung im Einsatzraum wirksam sein können (Status "Ready"), die übrigen ORF-Truppen müssen in der Lage sein, binnen zwei Wochen nachzurücken (Status "Stand by"). Auch zu diesen operativen Reservekräften entsendet Österreich bis zu 230 Angehörige des Bundesheeres und bis zu weiteren 30 Personen für vorbereitende und unterstützende Tätigkeiten. Die beiden ORF-Bataillone stehen derzeit unter deutschem bzw. italienischem Kommando, wobei die ÖsterreicherInnen dem von Deutschland geführten Bataillon, das im Bereitschaftsstatus "Ready" steht, zugeteilt ist.

Die Mitglieder des Hauptausschusses genehmigten die Verlängerung dieses Einsatzes bis zum 31. Juli 2010 einstimmig.

Österreich unterstützt weiterhin Mission UNMIN in Nepal

Weiters passierte der Antrag des Bundesministeriums für europäische und internationale Angelegenheiten zur neuerlichen Entsendung von 2 Angehörigen des Bundesheeres als militärische Experten und weiteren 5 Angehörigen des Bundesheeres für vorbereitende und unterstützende Tätigkeiten im Rahmen der Politischen Mission der UNO in Nepal (UNMIN) den Hauptausschuss einstimmig. Österreich unterstützt die Mission seit März 2007, hat aber aufgrund einer routinemäßigen Rotation des UNMIN-Personals und des verminderten Bedarfs seit August 2008 keine Militärbeobachter mehr bereitgestellt. Nachdem die Vereinten Nationen Österreich um eine neuerliche Entsendung ersucht haben, soll diese nun bis 31. Dezember 2009 fortgesetzt werden.

UNMIN unterstützt die Umsetzung der zwischen der Regierung Nepals und der Kommunistischen Partei Nepals geschlossenen Abkommen, nämlich das "Umfassende Friedensabkommen (Comprehensive Peace Accord) vom 21. November 2006 sowie das "Abkommen zur Überwachung der Verwaltung von Waffen und bewaffnetem Personal" (Agreement on Monitoring of the Management of Arms and Armies) vom 28. November 2006.

Wie der vorliegende Antrag ausführt, hat es in der Zwischenzeit eine Reihe positiver Entwicklungen gegeben, allerdings besteht weiterhin Bedarf an einer Unterstützung des Friedensprozesses. Dies betrifft insbesondere die Erarbeitung einer föderalen Verfassung und die Wiedereingliederung ehemaliger maoistischer Kombattanten. Mit der neuerlichen Verlängerung der Mission strebt die internationale Staatengemeinschaft den Abschluss der laufenden Arbeiten zur Überwachung des Umgangs mit den Waffen und dem bewaffneten Personal gemäß dem oben genannten Abkommen an. (Schluss)