Parlamentskorrespondenz Nr. 183 vom 06.03.2009

Gentechnik-Anbauverbote: Berlakovich will Allianzen schmieden

Aktuelle Aussprache im Landwirtschaftsausschuss

Wien (PK) – Bei der heute Nachmittag stattfindenden Sitzung des Landwirtschaftsausschusses wurde zu Beginn die Tagesordnung um einen – einstimmig angenommenen - Fünf-Parteien-Antrag betreffend die Beibehaltung der österreichischen Gentechnik-Anbauverbote ergänzt. Darin wird die Bundesregierung u.a. aufgefordert, weiterhin auf EU-Ebene gegen die Zulassung von gentechnisch veränderten Organismen zu stimmen und dafür einzutreten, dass das Selbstbestimmungsrecht der Regionen Europas auf eine gentechnikfreie Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion endlich anerkannt wird. Im Anschluss daran war eine Aussprache über aktuelle agrarpolitische Fragen angesetzt, bei der erstmals Minister Nikolaus Berlakovich den Abgeordneten Rede und Antwort stand.

Österreichischer Weg in der Gentechnik soll fortgesetzt werden

Die Vertreter aller Fraktion gratulierten Landwirtschaftsminister Berlakovich dafür, dass es ihm auf EU-Ebene gelungen ist, den Antrag der Kommission auf Aufhebung der österreichischen Anbauverbote für die Gentechnik-Maislinien MON 810 (Monsanto) und T25 (Bayer) abzuwehren. Es bestand auch Einigkeit darüber, dass der österreichische Widerstand gegen die Aufhebung der Anbauverbote nicht aufgegeben werden darf und Allianzen mit anderen EU-Ländern gesucht werden sollen.

Bundesminister Nikolaus Berlakovich dankte den Parlamentsfraktionen für die Unterstützung der österreichischen Linie im Bereich der Gentechnikverbote und berichtete über die intensiven und zähen Verhandlungen auf EU-Ebene. Trotz denkbar schlechtester Voraussetzungen – vor Beginn der Sitzung im Umweltministerrat gab es nicht einmal eine einfache Mehrheit für den österreichischen Weg – sei es schließlich gelungen, qualifizierte Mehrheiten (82 % bzw. 85 %) zu erreichen. Zu danken sei auch dem deutschen Umweltminister Gabriel, der trotz unterschiedlicher Positionen innerhalb der Regierung, schließlich doch auch Österreich unterstützt hat. Dagegen ausgesprochen haben sich die Niederlande, Großbritannien, Finnland, Estland und – in einem Fall – Schweden.

Es sei ein eigenartiges Verständnis von Demokratie, wenn die Kommission in derselben Causa immer wieder abstimmen lässt, meinte Abgeordnete Petra Bayr (S). Auch Bundeskanzler Faymann werde im Gespräch mit Kommissionspräsident Barroso darauf drängen, dass die Spielregeln geändert und das Selbstbestimmungsrecht der Länder gewährleistet wird.

Abgeordneter Wolfgang Pirklhuber (G) war der Auffassung, dass auch die Parlamentarier gefordert seien, ihre Netzwerke in Europa zu nutzen, um die heimischen Gentechnik-Anbauverbote auch in Zukunft abzusichern. Wichtig wäre es seiner Auffassung nach, das Netzwerk der gentechnikfreien Regionen in Europa einzubinden. Da die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) offensichtlich Lobbying für die Gentechnik betreibt, müssen Regelungen gefunden werden, die die Umsetzung von Schutzmaßnahmen auch ohne Bestätigung durch die EFSA ermöglichen, argumentierte Pirklhuber. Sein Wunsch, auch den Antrag 474/A[E], der als Vorläufer des vorliegenden Fünf-Parteien-Antrags anzusehen ist, auf die Tagesordnung zu setzen, wurde eingangs mehrheitlich abgelehnt.

Abgeordneter Gerhard Huber (B) machte sich für einen Importstopp von gentechnisch veränderten Futtermitteln stark. Grundsätzlich sollte zudem ein europaweites Anbauverbot von GVO angestrebt werden.

Landwirtschaftsminister Nikolaus Berlakovich versicherte, dass er sich mit Nachdruck dafür einsetzen wird, dass jedes EU-Land selbst bestimmen kann, ob es GVO zulässt oder nicht. Es sei sicher nicht zielführend, wenn permanent über diese Frage abgestimmt wird, unterstrich er, aber es könne niemand die Kommission zwingen, das Regelwerk zu ändern. Im Umweltministerrat gebe es den einhelligen Tenor, dass es ein Selbstbestimmungsrecht für die einzelnen Staaten in Bezug auf den Einsatz von Gentechnik geben soll. Er werde jedenfalls "das Eisen schmieden, solange es noch heiß ist" und weiter Allianzen suchen.

Berlakovich nahm sodann zu den zahlreichen Fragen der Mandatare Stellung. Der Abgeordneten Bayr (S) gegenüber betonte er, dass der Einsatz von GVO beim Anbau von Agrotreibstoffen für ihn auch in Zukunft nicht in Frage komme. Bezüglich des Gentechnikfreiheit-Gütesiegels wurde noch kein Konsens mit den Sozialpartnern erzielt. Er gebe allerdings zu bedenken, dass derartig gekennzeichnete Produkte auch von den Konsumenten honoriert werden müssen. In Österreich gebe es bereits das sehr bewährte AMA-Gütesiegel, erinnerte Berlakovich, und dies werde in Zukunft an Bedeutung gewinnen. Über eine gesetzliche Regelung berate eine interministerielle Arbeitsgruppe, führte der Minister weiter aus, er sei jedoch der Auffassung, dass zu viele Gütesiegel eher zu einer Verwirrung der Konsumenten führen würden (Frage des Abgeordneten Kurt Gaßner, S). Was die "Koexistenz" gentechnischer und gentechnikfreier Produktionsmethoden in Europa angeht, von der vor allem die Grenzregionen betroffen sind, so sei man in einem intensiven Kontakt mit den Nachbarstaaten; bis dato seien noch keine Problemfälle aufgetreten. Zur Frage des Abgeordneten Jakob Auer (V) betreffend die "rote" und "grüne" Gentechnik merkte der Landwirtschaftsminister an, dass es wichtig sei, die Debatte zu versachlichen. Während die Anwendung von Gentechnik in der Medizin von den meisten Menschen positiv gesehen wird, wird der Einsatz von GVO in der Landwirtschaft verteufelt.

Landwirtschaftsminister Berlakovich will keine neue Agrarreform

Abgeordneter Wolfgang Pirklhuber (G) wies auf die dramatische Situation der heimischen Landwirte hin. Derzeit müssen mehr als 4.000 Betriebe jährlich ihre Arbeit aufgeben. Aufgrund der neoliberalen Agrarpolitik in den letzten zehn Jahren, die geprägt war von einer Billigpreisstrategie und industrieller Massenproduktion, wurde die Landwirtschaft in einen Strukturwandel hineingetrieben. Dringend notwendig seien seiner Meinung nach daher eine Novellierung des Marktordnungsgesetzes, eine Überarbeitung des ÖPUL-Programms sowie der Milchordnung. Die in Europa vorgesehene Abschaffung der Quoten hielt Pirklhuber für einen weiteren neoliberalen Schritt, der negative Auswirkungen haben wird. Bedenklich sei aus seiner Sicht auch die Tatsache, dass jede Form der auf Direktvermarktung setzenden Qualitätsproduktion zurückgegangen ist. Langfristig betrachtet wünschte er sich die Einführung einer Grundsicherung im Landwirtschaftsbereich.

Abgeordneter Josef Muchitsch (S) sorgte sich um die kleineren landwirtschaftlichen Betriebe, deren Einkommen eine immer größer werdende Kluft zu jenen mit Massenproduktion aufweisen. Weiters sprach er den Schutz vor Naturgefahren bzw. die Wildbachverbauung an, wobei er sich vor allem auf die Gemeinde Radmer bezog.

Weiters stellten die Abgeordneten noch Fragen zu folgenden Themen: Mittel für Bildung, Forschung, Aus- und Weiterbildung (Abgeordnete Anna Höllerer, V), die Härtefallkommission (Abgeordnete Rosemarie Schönpass, S), die Exportinitiative (Abgeordneter Johannes Schmuckenschlager, V), Budgetmittel für Hochwasserschutz (Abgeordneter Ewald Sacher, S) Entlastung der Betriebsmittelkosten und Entbürokratisierung (Abgeordneter Harald Jannach, F), AMA-Gütesiegel (Abgeordneter Franz Essl, V), Förderung der Alternativenergien/Biomasse (Abgeordneter Jakob Auer, V), Vorsorgeinstrumente für Naturkatastrophen (Abgeordneter Hermann Schultes, V), Gebührenbefreiung bei Hofübernahmen, Steuerbefreiung von Agrardiesel (Abgeordneter Gerhard Huber, B) und Milchkuhprämie (Abgeordneter Wolfgang Spadiut, B).

Landwirtschaftsminister Nikolaus Berlakovich räumte gegenüber dem Abgeordneten Pirklhuber (G) ein, dass es einen Strukturwandel in der Landwirtschaft gibt, der allerdings im Gegensatz zu früher eine rückläufige Tendenz aufweise. "Wir machen eine Agrarpolitik gegen die Kräfte des freien Marktes", unterstrich der Minister, ohne die Unterstützungssysteme und Prämien würde es sicher noch viel weniger Landwirte geben. Man müsse zudem akzeptieren, dass es einen gesellschaftlichen Wandel gibt und viele junge Leute lieber andere Berufe wählen als den Hof der Eltern zu übernehmen, weil damit ein besonders hoher persönlicher Einsatz verbunden ist. Außerdem weise Österreich im Vergleich zu anderen Ländern in der EU im Bereich der Landwirtschaft und den Verarbeitungsbetrieben noch immer sehr kleine Strukturen auf. Was den Milchsektor angeht, so war Berlakovich anderer Meinung als Pirklhuber. Er halte es für einen Fortschritt, wenn nun auf EU-Ebene Regulierungsmaßnahmen durchgeführt und etwa Produkte aus dem Markt genommen werden.

Von einer neuen EU-Agrarreform halte er nichts, da er den Bauern nicht zumuten wolle, ständig auf neue Modelle umzusteigen. Dennoch werde er in Zusammenarbeit mit den Bundesländern ein Konzept ausarbeiten, wie es agrarpolitisch in Österreich weitergehen soll. Es sei für ihn auch keine ausgemachte Sache, dass es ab 2013 keine Agrarförderungen mehr gibt. Wenn die Bauern nicht von ihren Produktpreisen leben können, müsse es ein Prämiensystem geben, damit gerade eine so kleinstrukturierte Landwirtschaft wie in Österreich weiter bestehen kann. Was die Direktvermarktung der landwirtschaftlichen Produkte angeht, so sei diese in der Tat rückläufig, konstatierte der Ressortchef. Die Landwirte hätten sich aber den Marktgegebenheiten angepasst und die Kooperation mit dem Lebenshandmittelhandel verstärkt, hob der Minister positiv hervor. Aufgrund der strengen heimischen Umwelt- und Naturschutzauflagen sei der Feinkostladen Österreich Realität geworden. Dies sei auch ein wichtiger Marketingfaktor im Rahmen der Exportinitiative, unterstrich der Minister. Erfreulicherweise konnten die Agrarexporte in den letzten Jahren gesteigert werden, mittlerweile wurde ein Gesamtwert von über 8 Mrd. Euro erzielt.

Hinsichtlich der Budgetverhandlungen informierte der Minister, dass die Gespräche noch nicht abgeschlossen sind, konkrete Zahlen könne er daher heute noch nicht nennen. Unumstritten sei jedoch, dass etwa der agrarischen Aus- und Weiterbildung großes Augenmerk geschenkt wird. Es sei erfreulich, dass die Nachfrage nach entsprechenden Angeboten in der letzten Zeit gestiegen ist. Ein wesentlicher Punkt sei ihm gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten die Absicherung der bäuerlichen Investitionsprämien. Gegenüber der Abgeordneten Rosemarie Schönpass (S) merkte er an, dass sich die Härtefallkommission bewährt habe, derzeit laufen die Nominierungen. Gesichert sei auch die ausreichende Dotierung der Wildbach- und Lawinenverbauung sowie die Bezuschussung zu den Krisenvorsorgeinstrumenten (z.B. Hagelversicherung), so der Minister, auch in der EU werde überlegt, diese auszubauen. Weitere wichtige Anliegen waren ihm die Entlastung der Betriebsmittelkosten, Entbürokratisierungsmaßnahmen sowie die weitere Forcierung der alternativen Energieformen, die aus seiner Sicht enorme Zukunftsperspektiven aufweisen. Die Milchkuhprämie soll in Österreich als einzigem Land 2010 ausbezahlt werden.

 

Landwirtschaftsberichte im Ausschuss zur Kenntnis genommen

Abgerundet wurde die Debatte durch die Behandlung des Grünen Berichts 2008 und des Berichts betreffend die Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft im Jahre 2009, die der Ausschuss einstimmig bzw. mit S-V-Mehrheit zur Kenntnis nahm.

Abgeordneter Wolfgang Pirklhuber (G) beklagte unter anderem überzogene Auflagen für die Bauern, forderte mehr Direktförderungen an die Betriebe sowie eine stärkere Konzentration der Subventionstätigkeit des Ministeriums auf arbeitsplatzrelevante Projekte. Überdies sollte seiner Meinung nach mehr auf Bioregionen als auf Genussregionen gesetzt werden. Bei der betrieblichen Beratung wünschte er eine Schwerpunktsetzung in Richtung Betriebsoptimierung anstatt in neue Investitionen.

Abgeordneter Jakob Auer (V), der sich ebenfalls für eine stärkere Betriebsoptimierung aussprach, meinte, es gelte nun, dafür zu sorgen, dass die Landwirtschaft bei sinkenden Erzeugerpreisen mit der Kostensteigerung auf dem Gebiet der Betriebsmittel zu Rande kommt.

Abgeordneter Harald Jannach (F) drückte seine Hoffnung aus, dass in Zukunft der Anteil der Förderungen von Kleinbetrieben erhöht werden kann.

Landwirtschaftsminister Nikolaus Berlakovich stellte klar, dass Umweltförderungen Flächenprämien seien, und präzisierte, wer mehr Fläche umweltfreundlich bewirtschafte, bekomme demnach auch mehr Förderung.

Fleischkennzeichnung, Milchwirtschaft, Agrarpolitik: Oppositionsanträge vertagt

Ein FPÖ-Antrag betreffend Kennzeichnung von Fleisch mit dem A-Stempel wurde ebenso vertagt wie ein Entschließungsantrag des BZO, in dem Abgeordneter Gerhard Huber Maßnahmen zur Absicherung einer wirtschaftlich gesunden Milchwirtschaft forderte. Auch hinsichtlich eines Entschließungsantrags des Abgeordneten Wolfgang Pirklhuber (G), der in seiner Initiative einen umfangreichen Maßnahmenkatalog betreffend die Neugestaltung der globalen Agrarpolitik für Nord und Süd präsentierte, entschied der Ausschuss mehrheitlich auf Vertagung. (Schluss)