Parlamentskorrespondenz Nr. 206 vom 12.03.2009

Humanitäres Bleiberecht oder Einladung an Wirtschaftsflüchtlinge?

Heftige Debatte über Asylgesetz im Nationalrat

Wien (PK) – Fragen des Niederlassungs- und Aufenthaltsrechts, speziell die Regelung eines humanitären Bleiberechts, standen heute im Mittelpunkt der Debatte des Nationalrats nach Beendigung der Fragestunde. Grundlage dafür war eine Regierungsvorlage; unter einem diskutiert wurden ein Antrag der Grünen (32/A) und drei Anträge der Freiheitlichen (249/A[E], 251/A[E] und 254/A[E]). Vor Beginn der Debatte wurde die Tagesordnung einstimmig um Antrag 487/A – Änderung der Geschäftsordnung des Nationalrats – ergänzt; der Antrag steht als neuer Punkt am Ende der Tagesordnung.

Asyl ist Schutz vor Verfolgung, und zwar auf Zeit, nämlich bis zum Wegfall des Asylgrunds Verfolgung. So fasste FPÖ-Klubobmann STRACHE die Position seiner Partei in der Asyl- und Aufenthaltsdebatte zusammen. Die vorgesehene Gesetzesänderung wertete er als "Einladung an Wirtschaftsflüchtlinge", Österreich drohe damit zum "Zentrum eines internationalen Asylbetrugs" zu werden: Wer lange genug verschleppe und betrüge, der werde belohnt. Als Beispiel nannte Strache die Familie Zogaj, die "endlich in den Kosovo gebracht" gehöre. Asylverfahren dürften nicht endlos verschleppt, illegale Einwanderer müssten abgeschoben werden. Strache argumentierte u.a. mit dem hohen Anteil von Asylwerbern unter Tatverdächtigen und sprach sich sowohl gegen die Möglichkeit eines Asylantrags nach Verhaftung bzw. Verurteilung als auch gegen Neuanträge aus: "So papierlt man den Rechtsstaat Österreich", diagnostizierte Strache. Asylverfahren sollten nicht länger als 3 Monate dauern, forderte der FP-Klubchef.

"Wer Asyl braucht, soll Asyl bekommen", betonte Abgeordneter KÖßL (V); "Tür und Tor auf" wäre allerdings eine falsche Einstellung. Gerade in der Krise, in der für Österreich bis zu 500.000 Arbeitslose drohten, hieße es, Menschen in die Armutsfalle zu locken, wollte man sie nach Österreich holen. Kößl zeigte sich mit Strache einig, dass die Verfahren rasch erledigt werden sollten, verteidigte aber die Möglichkeiten für "Altfälle" (vor dem 1. Mai 2004), entsprechende Anträge zu stellen. Die Patenschaft sei eine "vernünftige Möglichkeit", die allerdings auch mit Verantwortung verbunden sei. Der Asylbeirat habe beratende Aufgaben, betonte der Abgeordnete, die Letztverantwortung bleibe bei der Innenministerin. Insgesamt sei das Gesetz eine vernünftige Regelung, sagte Kößl.

BZÖ-Klubobmann WESTENTHALER sah in der von Kößl genannten Zahl von 500.000 Arbeitslosen einen "Offenbarungseid". Die Vorlage sollte treffender "Scheinasylantenlegalisierungsgesetz" heißen, die ÖVP gebe damit den Anspruch auf, eine "Sicherheitspartei" zu sein. Österreich sei ausnahmslos von sicheren Drittstaaten umgeben; wer nicht auf dem Luftweg komme, müsse daher dorthin zurückgeschoben werden, sagte der Mandatar. Zum ersten Mal werde in einem österreichischen Gesetz von "Einwanderungsrecht" gesprochen, fuhr Westenthaler fort, und kam dann auf die jüngste Kriminalstatistik zu sprechen, wonach in Österreich pro Tag 1.572 Straftaten begangen würden. Die Innenministerin sei mit dem Gesetz gescheitert, der Beirat – in dem kein Vertreter der Länder sitze – sei eine Farce. "Zurück an den Start", fasste Westenthaler seine Einschätzung zusammen.

Abgeordneter PENDL (S) warf den Rednern von FPÖ und BZÖ vor, bewusst die unterschiedlichen Gesetzesmaterien im Fremdenrecht zu vermischen und auch keine Unterscheidung zwischen Alt- und Neufällen in Bezug auf das humanitäre Bleiberecht zu machen. "Wir haben kein Bleiberecht und wir bekommen auch keines", stellte er dezidiert fest. Der Entwurf stelle lediglich eine Neufassung jener Bestimmungen dar, die der Verfassungsgerichtshof aufgehoben hat, weil es kein Antragsrecht gegeben habe. Es sei daher darum gegangen, eine menschliche und rechtstaatliche Lösung zu erarbeiten, und die ExpertInnen im Hearing hätten bestätigt, dass dies mit der vorliegenden Gesetzesänderung gelungen ist.

Abgeordnete Mag. KORUN (G) zeigte sich überzeugt davon, dass das Gesetz nicht halten wird. Mit der Bleiberechtsnovelle werde man neue Problemfälle schaffen, befürchtete sie. Korun kritisierte vor allem, dass die Ministerin über die Anträge auf ein humanitäres Bleiberecht zu entscheiden hat und dagegen keine Berufung möglich ist. Derzeit gebe es in Österreich rund 6.000 Asylanträge, die länger als 5 Jahre dauern, bemerkte die Grün-Abgeordnete. Viele seien durch den langen Aufenthalt privat und beruflich integriert. Korun setzte sich daher dafür ein, dass jenen Personen, die unverschuldet lange Asylverfahren durchmachen und sich nichts zuschulden kommen haben lassen, nach drei Jahren ein Bleiberecht gewährt wird. Das Bleiberecht dürfe kein Gnadenakt sein, sagte sie und brachte in diesem Zusammenhang einen Abänderungsantrag der Grünen ein.

Bundesministerin Dr. FEKTER bekräftigte, in Österreich gebe es kein Bleiberecht. Ein automatisches Bleiberecht wäre nämlich ein fatales Signal an die Schlepperorganisationen. Bei der aktuellen Novelle gehe es um die Erteilung von Aufenthaltstiteln nach humanitären Gründen, erläuterte sie und wies gleichzeitig den Vorwurf von FPÖ und BZÖ vehement zurück, wonach die Illegalität durch ein vermeintliches Bleiberecht belohnt werde. Die Ministerin hielt weiters fest, die humanitären Gründe würden nach den Kriterien des VfGH-Erkenntnisses bewertet und man werde jeden Antrag im Einzelfall rechtstaatlich und menschenwürdig lösen. Man wolle gut integrierten Familien, die sich seit Mai 2004 ununterbrochen in Österreich illegal aufhalten und sich nichts zuschulden haben kommen lassen, eine Chance geben. Keineswegs werde aber der belohnt, der sich durchschwindelt, unterstrich Fekter. Kernstück des Gesetzes sei die Vermeidung neuer und langer Verfahren, sodass ab nun bei jedem Verfahren die humanitären Gründe mitbehandelt werden. Das geschehe nun auch im Rahmen des laufenden Verfahrens für die Familie Zogaj. Um AsylwerberInnen, die aus sicheren Drittstaaten kommen, rasch zurückführen zu können, brauche man Kompetenzzentren mit entsprechender Infrastruktur. Aber auch dagegen seien FPÖ und BZÖ, klagte sie.

Nachdem am Beginn der Ausführungen der Bundesministerin auf der Galerie Protestaktionen durch BesucherInnen stattfanden, kam es zu einer hitzigen Debatte.

Abgeordneter Mag. STADLER (B) wies auf das Hausrecht der Nationalratspräsidentin sowie auf das Verbot von Kundgebungen auf der Besuchergalerie hin. Er ersuchte die Präsidentin, die "TäterInnen" namentlich zu erfassen und eine Verwaltungsstrafanzeige zu erstatten. Der Dritte Präsident des Nationalrats Dr. GRAF (F) griff in diesem Zusammenhang scharf den ORF an und bezichtigte JournalistInnen, in "nachstellender Paparazzimanier" Abgeordnete zu filmen und dann tendenziös Bericht zu erstatten. Das sei auch bei dieser Debatte zu befürchten, sagte er, denn das ORF-Team habe nur ihn selbst und Abgeordneten Strache gefilmt, kein Interesse jedoch für die Ausführungen der Bundesministerin zum Thema Bleiberecht gezeigt. Der Vorsitz führende Zweite Präsident des Nationalrats NEUGEBAUER (V) erklärte, bei Fehlverhalten auf der Galerie würden alle Namen der Betreffenden erfasst. Er werde der Präsidentin umfassend Bericht erstatten. Auch die MedienvertreterInnen seien in der Vergangenheit ersucht worden, die Vertraulichkeit der Arbeitsunterlagen der Abgeordneten zu wahren. Neugebauer sagte zu, diese Fragen abermals in der Präsidiale zu thematisieren.

Abgeordnete Dr. GLAWISCHNIG-PIESCZEK (G) räumte ein, dass eine Gruppe von BesucherInnen auf der Galerie gegen das Hausrecht verstoßen habe. Sie versuchte jedoch zu beruhigen und meinte, es werde nicht das letzte Mal sein, dass sich BürgerInnen über ein bestimmtes Gesetz aufregen. Daraufhin entgegnete Abgeordneter AMON (V), versuchte Einflussnahmen seitens der Galerie seien in keiner Weise zu rechtfertigen.

Die Debatte über das Bleiberecht wurde daraufhin mit einer Wortmeldung des Abgeordneten Dr. ROSENKRANZ (F) weitergeführt. Er kritisierte eingangs das, wie er meinte, Verständnis der Grünen für die Störaktionen. Die Änderungen zum humanitären Aufenthalt lehnte er ab, da durch unklare Begriffe im Gesetzestext seiner Meinung nach der Willkür Tür und Tor geöffnet werde. Er erwarte sich deshalb zahlreiche Beschwerden vor dem Verfassungsgerichtshof. Die FPÖ wolle es nicht zulassen, so Rosenkranz, dass man illegale Einwanderung unter dem Deckmantel des humanitären Aufenthalts sanktioniert. Die Betreffenden seien nämlich keine AsylwerberInnen, sondern Wirtschaftsflüchtlinge, die die rechtlichen Möglichkeiten in Österreich ausgenützt und missbraucht haben.

Abgeordneter KAPELLER (V) setzte sich eingangs mit den Argumenten der Grünen auseinander und hielt aus seiner Sicht fest, es könne nicht sein, dass alle, die sich berechtigt oder unberechtigt in Österreich aufhalten, auch bleiben dürfen. Das vorliegende Gesetz halte er im Hinblick auf Rechtstaatlichkeit und Humanität für ausgewogen. Ziel sei es zu verhindern, dass sich in Zukunft Wirtschaftsflüchtige ihren Aufenthalt ersitzen können, bemerkte er. Österreich dürfe kein Tor für Kriminelle und Schlepper in den goldenen Westen sein. 

Abgeordneter SCHEIBNER (B) replizierte zunächst auf die Vorfälle auf der Galerie und meinte in Richtung Grüne, es sei unerträglich, dass es eine Fraktion gibt, "die auf dem linken Auge blind ist". Zur Innenministerin gewandt sagte er, genauso falsch sei es, sich den Linken anzubiedern. Das habe man mit dem humanitären Aufenthalt gemacht, da man damit ein Bleiberecht schaffe. Das betreffe nämlich Menschen, die keinen Asylgrund haben und sich illegal in Österreich aufhalten. Wer Asylrecht missbraucht, müsse sofort abgeschoben werden, forderte Scheibner. Auch bei der Familie Zogaj handle es sich um einen klassischen Fall des Missbrauchs des Asylrechts. Das BZÖ könne sich nur dann ein humanitäres Bleiberecht vorstellen, wenn die Verzögerung der Verfahren durch die Behörde verschuldet wurde. In den meisten Fällen aber würden die Verfahren mit Hilfe von RechtsanwältInnen, NGOs, etc. und durch Kettenanträge in die Länge gezogen.

Abgeordnete LUEGER (S) wies darauf hin, dass der Nationalrat mit dem vorliegenden Gesetzespaket einem Reparaturauftrag des Verfassungsgerichtshofes nachkomme. Das scheine in der Debatte immer wieder vergessen zu werden, meinte sie. Lueger zufolge ist das humanitäre Bleiberecht nichts Neues, den Betroffenen werde lediglich eine Möglichkeit der Antragstellung eingeräumt. Für einen etwaigen Verbleib in Österreich seien unter anderem der Grad der Integration, die Selbsterhaltungsfähigkeit und die Kenntnis der deutschen Sprache ausschlaggebend. Ihrer Meinung nach wurde ein guter Mittelweg zwischen humanitären Aspekten und den Interessen des Rechtsstaates gefunden.

Abgeordneter Mag. STEINHAUSER (G) qualifizierte das vorliegende Gesetz hingegen als "Bleiberechtsverhinderungsgesetz". Er fürchtet, dass gut integrierte Fremde auch in Zukunft abgeschoben würden, und klagte, dass neue Hürden aufgebaut worden seien. So ist es für Steinhauser etwa nicht einsichtig, dass gegen Entscheidungen des Innenministeriums keine Berufungsmöglichkeit gegeben sei. Innenministerin Fekter habe, so Steinhauser, "kein Herz und kein Gefühl für Rechtsstaatlichkeit".

Abgeordneter VILIMSKY (F) warf Grün-Abgeordneter Korun und ihren FraktionskollegInnen vor, für Wirtschaftsflüchtlinge aus allen Ländern "Tür und Tor offen zu halten". Die Österreicherinnen und Österreicher seien immer hilfsbereit bei der Aufnahme von Flüchtlingen gewesen, bekräftigte er. Ein kritischer Punkt sei aber erreicht worden, als tausende Bosnienflüchtlinge auch nach dem Ende des Krieges am Balkan in Österreich geblieben seien. Generell äußerte Vilimsky den Verdacht, dass Asylwerber absichtlich Dokumente vernichten und falsche Angaben machen, um missbräuchlich Asyl in Österreich zu bekommen.

Abgeordnete FÜRNTRATH-MORETTI (V) hielt fest, Österreich sei ein Schmelztiegel von Nationen, wie nicht zuletzt die Namen Hojac, Vilimsky und Dolinschek zeigten. Ihrer Meinung nach ist die Polarisierung der Debatte über das Bleiberecht "unerträglich". Kritik von Grüner Seite am vorliegenden Gesetzentwurf hielt sie entgegen, es sei künftig möglich, eine Patenschaft für gut integrierte Flüchtlinge zu übernehmen.

Abgeordneter HAGEN (B) beurteilte den vorliegenden Gesetzentwurf als Einladung "des Schlaraffenlandes Österreich" zum Missbrauch des Asylrechts. Ihm zufolge wird durch Kettenanträge und falsche Angaben ohnehin ständig Recht gebrochen. So würden viele Asylwerber angeben, aus Sierra Leone zu kommen, weil dieses Land straffällig gewordene Personen nicht zurück nehme.

Abgeordnete Mag. WURM (S) machte darauf aufmerksam, dass mit dem vorliegenden Gesetzespaket ein besonderer Schutz für Opfer häuslicher Gewalt und Opfer von Frauenhandel verankert werde. Damit werde es etwa Migrantinnen erleichtert, sich von einem gewalttätigen Mann zu trennen, skizzierte sie. Wurm wertete das als wichtigen Schritt im Sinne der Menschenrechte.

Abgeordnete Mag. MUSIOL (G) wandte sich gegen eine menschenverachtende und rassistische Argumentation im Zusammenhang mit der Bleiberechtsdiskussion. Es gehe um konkrete Menschenschicksale, mahnte sie. Viele Ausländer, die abgeschoben werden sollen, seien in Österreich gut integriert. Die Grünen werden ihr zufolge weiter für "ein echtes Bleiberecht" in Österreich eintreten.

Abgeordneter Dr. KURZMANN (F) unterstrich, Österreich sei in der Vergangenheit immer ein Land gewesen, das Flüchtlinge aufgenommen und auf humanitärem Gebiet Hervorragendes geleistet habe. In diesem Sinn wertete er den Vorwurf der Unmenschlichkeit als unzulässig. Die Österreicherinnen und Österreicher könnten aber, so Kurzmann, sehr gut unterscheiden zwischen jenen, die tatsächlich verfolgt würden, und "AsylbetrügerInnen". Im Fall Zogaj hat seiner Auffassung nach der Rechtsstaat kapituliert.

Abgeordneter HORNEK (V) erklärte, er kenne aus persönlicher Erfahrung viele Vertriebenenschicksale aus der Vergangenheit. Mittlerweile hätten sich aber weltweit Schlepperorganisationen etabliert, die auch Menschen nach Österreich bringen, die nicht einmal in Ansätzen die Absicht verfolgten, sich an österreichische Gesetze zu halten, klagte er. Im Namen von SPÖ und ÖVP brachte Hornek einen Entschließungsantrag ein, der darauf abzielt, bei der geplanten Errichtung eines Schubhaftzentrums und einer weiteren Erstaufnahmestelle für Asylwerber die betroffenen Länder und Gemeinden sowie den Menschenrechtsbeirat mit einzubeziehen.

Abgeordneter GROSZ (B) sprach im Zusammenhang mit dem vorliegenden Gesetz von einem aus sozial-, sicherheits- und wirtschaftspolitischer Sicht "einzigen Verbrechen gegen Österreich". Mit dem Gesetz werde Asylmissbrauch "Tür und Tor geöffnet", zeigte er sich überzeugt. In Folge fürchtet er auch einen weiteren Verdrängungswettbewerb am Arbeitsmarkt. In einem Entschließungsantrag fordert Grosz namens des BZÖ, von den Plänen zur Errichtung eines Schubhaftzentrums in Leoben Abstand zu nehmen.

Abgeordneter FAZEKAS (S) verwahrte sich dagegen, ein im Nationalrat vorliegendes Gesetz als Verbrechen gegen die Republik Österreich zu bezeichnen. Ebenso ist es seiner Meinung nach übertrieben, das Ausrollen eines Transparents als terroristischen Akt zu interpretieren. Für Fazekas ist der vorliegende Gesetzentwurf, wie er sagte, ein gutes Beispiel für seriöse Integrationspolitik. Ihm zufolge gibt es in Österreich hervorragende Beispiele für eine erfolgreiche Integration.

Abgeordneter ÖLLINGER (G) nahm zur Aktion auf der Galerie Stellung und unterstrich, niemandem stehe das Recht zu, jemanden im Nationalrat am Reden zu hindern. Gleichzeitig wandte er sich jedoch vehement dagegen, die Menschenrechte abzuschaffen, nur weil es im Zusammenleben mit Fremden in Österreich manche Probleme gebe. Die FPÖ würde durch ihre Argumentation die Stimmung aufheizen, warnte Öllinger.

Abgeordneter GAHR (V) sah das Bleiberecht als "ausgewogen" an; er erinnerte an die Wurzeln der ÖsterreicherInnen, die im Telefonbuch ablesbar seien. Es gehe jetzt darum, "klare Verhältnisse zu schaffen". Gahr kam auf Probleme mit einer Gruppe von Marokkanern in Innsbruck zu sprechen, die es zu lösen gelte.

Nach Meinung des Abgeordneten HERBERT (F) ist es nur eine Frage der Zeit, bis das diskutierte Gesetz vom VfGH aufgehoben werde. Man habe auf die Kritik von Prof. Funk, der bezüglich mehrerer Bestimmungen von "totem Recht" gesprochen habe, in keiner Weise reagiert, der Nationalrat werde sich sehr bald mit der "Korrektur der Korrektur" zu befassen haben. Den Kopf für dieses Gesetz müssten jene kleinen Beamten hinhalten, die das Gesetz vollziehen müssten.

Abgeordneter HEINZL (S) sah im neuen Bleiberecht einen "ausgewogenen Mittelweg" erreicht, die Kritik von links und von rechts zeige das. Heinzl erinnerte an jene Flüchtlinge, die sich in Österreich eine Existenz aufgebaut hätten. Man müsse dafür sorgen, dass rascher entschieden werde, man müsse aber auch für die "Altfälle" Vorsorge treffen.

Er halte das Gesetz für unzureichend, sagte Abgeordneter PETZNER (B), nutzte aber auch die Gelegenheit, Kritik an Reisen und der Annahme von Jagdeinladungen durch Beamte des Innenressorts zu üben. Mit der Vorlage würde das seinerzeit gemeinsam mit der ÖVP beschlossene strengere Recht "ausgehöhlt", urteilte Petzner.

Abgeordneter PRINZ (V) lobte die Vorlage ebenfalls als "ausgewogen". Zur Patenschaft meinte er, dies sei eine gute neue Möglichkeit. Kein europäisches Land leiste auf diesem Gebiet so viel wie Österreich.

Abgeordneter ZANGER (F) sieht Pläne für ein Schubhaftzentrum in Leoben als Faktum, und alle in Leoben, einschließlich des sozialdemokratischen Bürgermeisters, würden sich dagegen wehren. Zanger kündigte entsprechende Anträge an; man werde "für die Bevölkerung in Leoben kämpfen". Die Innenministerin habe Solidarität eingefordert, und man sei solidarisch, nämlich mit der Bevölkerung, die "so was nicht will".

Im Hearing habe man viele Experten gehört, führte Abgeordneter PLESSL (S) aus. Manche Abgeordnete hielten die jetzt durchzuführende Gesetzesreparatur für zu weitgehend. Man dürfe auch den europäischen Zusammenhang nicht aus den Augen verlieren, betonte der Redner. Die so genannten Altfälle stammten aus der Zeit der FPÖ/BZÖ-Regierungsbeteiligung, hielt Plessl der Opposition vor.

Abgeordneter SINGER (V) sah die Meinungen zum humanitären Aufenthalt weit auseinander laufen, entsprechend dem Spektrum der Parteien. Die Novelle stelle eine Verbesserung dar; entscheidend sei die Beschleunigung der Verfahren. Es würde von einer Behörde geprüft, Kettenanträge würden so verhindert, betonte Singer. Die vorgesehenen Patenschaften seien eine gute Möglichkeit, Menschen auf dem Weg in die Integration zu begleiten. Singer begrüßte auch die neuen Schulungsmöglichkeiten.

Das Bleiberecht sei ein Anschlag auf die Geduld der Österreicher, befand Abgeordneter MAYERHOFER (F). Unter dem Deckmantel des Asyls sei Zuwanderung gefördert worden; Österreich sei aber ein Land, das Menschen in Not jederzeit Unterstützung gewährt habe. Die Novelle schaffe den Anreiz, die Verfahren zu verschleppen, der Polizeiapparat würde zusätzlich belastet. Es sei darüber hinaus fraglich, ob z.B. ausreichend Dolmetscher vorhanden seien.

Der Abänderungsantrag der Grünen fand nicht die erforderliche Zustimmung und verfiel der Ablehnung. Die Gesetzesvorlage wurde mit Mehrheit angenommen und fand auch in Dritter Lesung eine Mehrheit.  Der V-S-Entschließungsantrag betreffend Standortentscheidung für Erstaufnahmestelle Süd wurde mit Mehrheit verabschiedet. Der B-Antrag zur Ablehnung des Schubhaftzentrums Leoben fand in namentlicher Abstimmung die Zustimmung von 52 Abgeordneten, 119 MandatarInnen lehnten den Antrag ab. Der Antrag verfiel somit der Ablehnung. Die Berichte des Ausschusses fanden mehrheitliche Zustimmung.

Besondere Bestimmungen für die Neuermittlung der Mandatsverteilung im Europäischen Parlament beschlossen

Abgeordneter Mag. STEFAN (F) sah den Vertrag von Lissabon als "springenden Punkt", denn durch diesen Vertrag würde "die letzte Volkssouveränität Österreichs beseitigt". Auch die unmittelbaren Rechtsakte von Rat und Kommission seien demokratiegefährdend und somit problematisch. Gesamtänderungen der Verfassung bedürften einer Volksabstimmung, sagte Stefan, und erst danach sei über weitere Fragen abzuhandeln.

Abgeordneter Dr. WITTMANN (S) hingegen sah die zu beschließende Regelung als dringend notwendig an. Derzeit habe Österreich 18 Mandate im Europäischen Parlament, nach Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon aber 19 Mandate. Die vorgesehene Regelung sei rechtlich sauber und notwendig. Die von seinem Vorredner kritisierten Punkte seien nicht neu, sondern längst "Teil unseres Lebens", betonte Wittmann. Man werde doch eine Besserstellung Österreichs nicht verhindern wollen: Der Vertrag von Lissabon sei besser als jener von Nizza, stellte Wittmann klar, weil Österreich dadurch mehr Einflussmöglichkeiten bekomme.

Auch Abgeordnete Dr. KARL (V) sah im Vertrag von Lissabon Vorteile für Österreich. Sie sei optimistisch, dass dieser Vertrag in Kraft treten werde, und eine Volksabstimmung sei dazu nicht erforderlich. Wem die Demokratie wichtig sei, der müsse für diesen Vertrag sein, betonte Karl, denn Europa würde durch den Vertrag demokratischer und transparenter, die nationalen Parlamente würden stärker eingebaut.

Abgeordneter SCHEIBNER (B) kündigte die Zustimmung seiner Fraktion an und meinte, es gehe darum, sich nach einem allfälligen Inkrafttreten des Lissabon-Vertrags eine weitere EU-Wahl zu ersparen. Er blieb aber bei seiner Skepsis hinsichtlich der aktuellen Ausrichtung der Union und bemängelte vor allem, der Lissabon-Vertrag sei keine Antwort auf die Defizite, die darin bestehen, dass die EU über keinerlei gemeinsame Energiepolitik, Außenpolitik und Finanzpolitik verfügt.

Abgeordnete Mag. LUNACEK (G) äußerte sich ebenfalls zustimmend und erinnerte daran, dass Österreich durch den Lissabon-Vertrag 19 Mandate erhalten werde. Es sei deshalb sinnvoll, schon jetzt entsprechende Vorkehrungen zu treffen. Kein Verständnis zeigte sie für die ablehnende Haltung der FPÖ, der sie vorwarf, weniger Österreich in der EU zu wollen. Die Freiheitlichen würden Austrittspopulismus und Angstpropaganda betreiben, sagte sie.

Abgeordnete Mag. GROSSMANN (S) sah in der Vorlage eine saubere rechtstechnische Lösung, um die entsprechenden Mandate zuteilen zu können. Ein von der Rednerin eingebrachter S-V-Abänderungsantrag hatte redaktionelle Änderungen zum Inhalt.

Bei der Abstimmung wurde die Vorlage in der Fassung des Abänderungsantrags mehrheitlich angenommen. (Forts./Gesundheit)