Parlamentskorrespondenz Nr. 256 vom 26.03.2009

Gleichbehandlungsbericht für die Privatwirtschaft (2)

Anwaltschaft macht über 4.000 Beratungen pro Jahr

Wien (PK) – Der zweite Teil des Gleichbehandlungsberichts enthält eine Zusammenfassung der Tätigkeit der Gleichbehandlungsanwaltschaft in den Jahren 2006 und 2007 (III-36 d.B.). Auf insgesamt 236 Seiten sind nicht nur die Berichte der Regionalanwältinnen und eine Beratungsstatistik (mit Beispielen) zu finden, sondern auch umfassende Informationen über die Arbeitsschwerpunkte in den Bereichen Beratung, Öffentlichkeits- und Bewusstseinsarbeit sowie Anregungen zur Weiterentwicklung der gesetzlichen Rahmenbedingungen.

Eine umfassende Antidiskriminierungseinrichtung zieht Bilanz

Dies ist der erste Bericht der Gleichbehandlungsanwaltschaft über einen Zeitraum, in dem sie durchgehend für die Bereiche Gleichbehandlung und Gleichstellung der Geschlechter, Antidiskriminierung und Antirassismus zuständig war, heißt es in der Einleitung. Das Jahr 2004 hat die größte Veränderung des Gleichbehandlungsrechts seit 1991 mit sich gebracht. 2004 wurde aus dem Bundesgesetz über die Gleichbehandlung von Frauen und Männern im Arbeitsleben ein umfassendes Gleichbehandlungsgesetz, das alle EU-rechtlich verpönten Diskriminierungsgründe und den gesamten Bereich der Arbeitswelt einschließt und bei der Bekämpfung ethnischer Diskriminierung weit darüber hinaus wirksam wird.

Die Gleichbehandlungsanwaltschaft befindet sich dadurch in der – interessanten, aber nicht leichten – Übergangsphase von einer exklusiv für die Gleichbehandlung der Geschlechter zuständigen Institution zu einer umfassenden Antidiskriminierungseinrichtung.

Beratungstätigkeit und –schwerpunkte

Im Berichtszeitraum 2006/2007 haben sich die Beratungsanfragen auf hohem Niveau stabilisiert (4.380 bzw. 4.055 Fälle). Gleichzeitig sind die Beratungen, bei denen Information, Diskussion und Aufklärung über gesetzliche Bestimmungen im Vordergrund stehen, gegenüber den längerfristigen Begleitungen bei konkreten Diskriminierungsproblemen wieder in den Hintergrund getreten. Der Großteil der Beratungen (78 % bzw. 76 %) bezieht sich immer noch auf Teil I des Gleichbehandlungsgesetzes, also auf die Gleichbehandlung und Gleichstellung von Frauen und Männern. Erfreulich sei, so die Autorinnen, dass auch die Mehrheit der Personen, die aus anderen Gründen die Beratung und Unterstützung der GBA in Anspruch nehmen, Frauen sind. Bei Antidiskriminierungsstellen in anderen Ländern, die von vornherein für alle Diskriminierungsgründe zuständig waren, sei dies nicht der Fall.

Die Zugänglichkeit der Institution für Frauen, die sich aus anderen Gründen als wegen ihres Geschlechts diskriminiert fühlen, wird aufgrund der Geschichte der Gleichbehandlungsanwaltschaft als Gender-Einrichtung als besonders gut bewertet. Was die Beratungsanfragen im Bereich Geschlechtergleichbehandlung betrifft, deutet die kurzfristige Entwicklung zwar auf einen Rückgang hin, doch liegt die Zahl der Beratungen 2007 weit über der vor Beginn der Diskussionen um die Umgestaltung des österreichischen Gleichbehandlungsrechts im Jahr 2002. Auch als Beratungs- und Unterstützungseinrichtung bei Mehrfachdiskriminierungen schätzen Frauen die GBA und nehmen ihr Angebot in Anspruch. Längerfristig sei es das Ziel, ein neues Bild der Gleichbehandlungsanwaltschaft als Beratungs- und Unterstützungseinrichtung für alle von Diskriminierung Betroffenen mit einem Fokus auf die de facto Gleichstellung von Frauen und Männern im Bewusstsein der Ratsuchenden und im öffentlichen Bewusstsein zu verankern.

Beratungsstatistik 2006 und 2007

Im Tätigkeitsbereich der Anwältin für die Gleichbehandlung von Frauen und Männern in der Arbeitswelt gab es im Jahr 2006 insgesamt 3.411 und im Jahr 2007 3.090 neue Beratungsfälle, wobei sich 86 % bzw. 90 % auf das Gleichbehandlungsgesetz, 8 % bzw. 7 % auf sonstige Gleichbehandlungsfragen, 5 % bzw. 2 % auf das Arbeitsrecht und 1 % auf Mehrfachdiskriminierungen bezogen. 

Im Kapitel "Themenschwerpunkte in der Beratung" wird darauf hingewiesen, dass bei diesem Tatbestand verstärkt Rechtsdurchsetzungsprobleme deutlich werden. Die erste Hürde liege darin, dass auf Grund intransparenter innerbetrieblicher Lohn– und Gehaltsstrukturen keine Informationen über die Gehälter vorliegen, Betroffene oft nur durch Zufall - etwa durch die Versetzung eines Kollegen - oder durch Informationen vom Betriebsrat erfahren, dass sie als Frau für eine gleiche/gleichwertige Tätigkeit weniger verdienen als ein Mann. Selbst wenn die Informationen vorhanden sind, zögern viele Frauen im aufrechten Arbeitsverhältnis, diese zu nützen. Erhöht hat sich die Zahl der Beratungen, die die Vereinbarkeit von Beruf und Familie betreffen, zeigen die Autorinnen auf. Trotz der Verbesserung der gesetzlichen Rahmenbedingungen zeigte sich in der Beratung, dass gerade gut qualifizierte Frauen enorme Karriereeinbußen hinnehmen müssen, weil es bei der Inanspruchnahme von Elternteilzeit immer wieder zu verschlechternden Versetzungen kommt.

Es habe sich zudem gezeigt, dass das im Gleichbehandlungsgesetz verankerte Benachteiligungsverbot nicht immer ausreichenden Schutz für die betroffenen Personen biete (Stichwort Viktimisierung). Die Gleichbehandlungsanwaltschaft wurde in vielen Beratungsgesprächen und bei Interventionen damit konfrontiert, dass ArbeitgeberInnen auf die Geltendmachung von Ansprüchen nach dem Gleichbehandlungsgesetz (beispielsweise dem Ersuchen um Abhilfe bei sexueller Belästigung) mit Kündigungen oder verschlechternden Versetzungen reagieren.

Im Tätigkeitsbereich der Anwältin für die Gleichbehandlung ohne Unterschied der ethnischen Zugehörigkeit, der Religion oder der Weltanschauung, des Alters oder der sexuellen Orientierung wurden 2006 und 2007 insgesamt 594 bzw. 526 neue Fälle registriert, wobei der größte Teil der Beratungen sich auf die ethnische Herkunft und das Alter bezog. Die meisten Fälle, mit denen sich die GBA beschäftigte, waren Diskriminierungen bei der Begründung eines Arbeitsverhältnisses, bei der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses und Belästigung. Es wurden auch wesentlich mehr Fälle mit islamophoben Hintergründen verzeichnet, konstatieren die Autorinnen. Im Besonderen sind Frauen von Diskriminierungen betroffen, die durch das Tragen des Kopftuches sofort als Musliminnen identifizierbar sind. Obwohl es in Österreich keine rechtliche Grundlage für ein Kopftuchverbot gibt, scheint es gesellschaftlich akzeptiert, Frauen das Tragen des Kopftuches am Arbeitsplatz zu verbieten bzw. diese unabhängig von ihrer Qualifikation erst gar nicht einzustellen. Dass hier das Verbot der Diskriminierung aufgrund der Religionszugehörigkeit verletzt wird, ist den wenigsten ArbeitgeberInnen bekannt.

Im Bereich der Anwältin für die Gleichbehandlung ohne Unterschied der ethnischen Zugehörigkeit in sonstigen Bereichen listet der Bericht für die Jahre 2006/2007 375 bzw. 398 neue Beratungsfälle auf, die mehrheitlich (280 bzw. 257) eine Information über das Gleichbehandlungsgesetz zum Inhalt hatten. Nachdem die Bestimmungen des Gleichbehandlungsgebotes ohne Unterschied der ethnischen Zugehörigkeit in sonstigen Bereichen mit der 6. Novelle des Gleichbehandlungsgesetzes am 1. Juli 2004 in Kraft getreten sind, gibt es auch eineinhalb bzw. zweieinhalb Jahre danach viele allgemeine Anfragen zum Geltungsbereich, zur Frage der kompetenzrechtlichen Abgrenzung zu den Landes-Gleichbehandlungs- bzw. Landes-Antidiskriminierungsgesetzen und den rechtlichen Möglichkeiten im Falle von Diskriminierung aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit außerhalb der Arbeitswelt. Die meisten Anfragen an die Anwältin für die Gleichbehandlung ohne Unterschied der ethnischen Zugehörigkeit in sonstigen Bereichen betreffen Diskriminierungen bei Gütern und Dienstleistungen, gefolgt von Anfragen zu Benachteiligungen auf Grund der ethnischen Zugehörigkeit bei der Miete oder dem Kauf einer Wohnung. In diesem sehr weiten Bereich des täglichen Lebens werden nach wie vor viele Menschen aufgrund ihrer Herkunft, ihrer Hautfarbe, ihrer Sprache oder ihrer Kultur zum Beispiel vom Zugang zu einer Bar, einer Diskothek, einem Fitnessstudio, einer Bank oder auch von der Miete einer Wohnung ausgeschlossen. In der überwiegenden Zahl dieser Fälle ist die Dienstleistungsverweigerung zusätzlich mit verbalen rassistischen Belästigungen verbunden. (Schluss)