Parlamentskorrespondenz Nr. 305 vom 15.04.2009

Volksanwaltschaft fordert weiter Ausweitung ihrer Prüfkompetenz

Ausschuss befasst sich mit Volksanwaltschaftsbericht 2007

Wien (PK) – Mit einer breiter Themenpalette befasste sich heute der Volksanwaltschaftsausschuss des Nationalrats. Im Rahmen einer Aktuellen Aussprache und einer Diskussion über den Bericht der Volksanwaltschaft 2007 ging es unter anderem um die Reform des Unterhaltsrechts, die Befugnisse der Volksanwaltschaft, die Schulsprengeleinteilung, die Barrierefreiheit der öffentlichen Verwaltung, Probleme mit dem Fremdenrecht und die Umsetzung der legistischen Anregungen durch die Volksanwaltschaft. Die beiden Volksanwältinnen Gertrude Brinek und Terezija Stoisits sprachen sich unter anderem für eine Ausweitung der Prüfkompetenz der Volksanwaltschaft auf ausgegliederte Rechtsträger sowie eine Reform des Unterhaltsrechts aus und hoben den Dienstleistungs- und Servicecharakter der Volksanwaltschaft hervor. Keine Lösung ist Stoisits zufolge in Bezug auf die Kostenübernahme für das Aufspüren von alten Kriegsrelikten wie Fliegerbomben in Sicht.

Der Ausschuss selbst beabsichtigt, sich künftig intensiver mit den Berichten der Volksanwaltschaft auseinanderzusetzen und gegebenenfalls auch die zuständigen MinisterInnen zur Beratung spezifischer Einzelfälle beizuziehen. Abgeordneter Ewald Stadler (B) und Abgeordneter Wolfgang Zinggl (G) erinnerten in diesem Zusammenhang an eine in der letzten Legislaturperiode getroffene Vereinbarung zwischen den Fraktionen, die Ausschussobmann Manfred Haimbuchner (F) umsetzen will. Unter anderem ist daran gedacht, die legistischen Anregungen der Volksanwaltschaft und den Grundrechtsteil gesondert zu beraten, um, wie Stadler meinte, gezielt zu überlegen, welche politischen und sonstigen Konsequenzen aus einzelnen Fällen gezogen werden sollen.

Konkrete Fragen der Abgeordneten bezogen sich unter anderem auf die internationalen Kontakte und die Kommunikationsaktivitäten der Volksanwaltschaft (Abgeordneter Wolfgang Großruck, V, Abgeordneter Hannes Fazekas, S), das "Recht auf Licht" im Nachbarschaftsrecht (Abgeordneter Peter Sonnberger, V), Personalmangel bei der Polizei und die Beseitigung von Kriegsrelikten (Abgeordneter Werner Herbert, F), das Fremdenrecht (Abgeordneter Wolfgang Zinggl, G), die Unterstützung von pflegenden Angehörigen (Abgeordneter Ewald Sacher, S), die Erfahrungen der Volksanwaltschaft mit ausgegliederten Rechtsträgern (Abgeordnete Anneliese Kitzmüller, F), die Nachzahlung von Verpflegungsgeld für Zivildiener und Probleme mit zwischen Oktober 2005 und Juni 2006 ausgestellten Reisepässen bei USA-Reisen (Abgeordnete Daniela Musiol, G), das Thema Barrierefreiheit (Abgeordnete Gertrude Aubauer, V) sowie die Schulsprengeleinteilung (Abgeordneter Ewald Stadler, B).

Abgeordneter Stadler (B) und Abgeordnete Sonja Ablinger (S) machten darüber hinaus auf massive Probleme im Bereich Unterhaltsvorschuss aufmerksam und regten eine Art Grundsicherung für betroffene Kinder durch den Staat an. Derzeit komme es immer wieder vor, dass sich der Vater an der Mutter durch säumige Unterhaltszahlungen räche, meinte Stadler, die Leidtragenden seien die Kinder. Ähnlich argumentierte auch Abgeordnete Ablinger, die darauf hinwies dass aufgrund zahlungsunwilliger Väter zahlreiche Alleinerzieherinnen-Familien von Armut betroffen seien. Was die Schulsprengeleinteilung betrifft, merkte Stadler an, zahlreiche Mütter wären froh, wenn sie ihr Kind in einer Schule in der Nähe ihres Arbeitsplatzes unterbringen könnten.

Allgemeines Lob seitens der Abgeordneten gab es für die Arbeit der Volksanwaltschaft. In der öffentlichen Verwaltung werde grundsätzlich gut gearbeitet, sagte Abgeordneter Fazekas, es sei aber nicht ausgeschlossen, dass der eine oder andere Fehler passiere.

Sowohl Volksanwältin Gertrude Brinek als auch Volksanwältin Terezija Stoisits sprachen sich für eine Ausweitung der Prüfkompetenzen der Volksanwaltschaft analog zur Kontrollzuständigkeit des Rechnungshofes aus. Es gebe zwar eine gute Kooperation mit manchen ausgegliederten Rechtsträgern, etwa der ASFINAG, den Bundesforsten oder der Bundesimmobiliengesellschaft, sagte Stoisits, die Volksanwaltschaft müsse aber gegenüber den Gesellschaften als Bittsteller agieren und habe kein Auskunftsrecht. Sie könne auch nicht, wie Volksanwältin Brinek ergänzte, die Herausgabe von Akten erzwingen. Es sei, so Brinek, eine Grundsatzfrage, ob Bürger, die Probleme mit einem Verwaltungsbereich haben, sich an eine Institution wie die Volksanwaltschaft wenden können oder an die Gerichtsbarkeit verwiesen werden sollen.

Generell bekräftigte Volksanwältin Brinek ihr Vorhaben, die Dienstleistungs- und Servicetätigkeit der Volksanwaltschaft auszubauen. Der Volksanwaltschaft seien zwar verfassungsrechtliche Grenzen gesetzt, meinte sie, dennoch sei sie bemüht, all jenen, die sich an die Volksanwaltschaft wenden, Rechtsauskünfte zu erteilen. Volksanwältin Stoisits sprach von einem niederschwelligen Serviceangebot der Republik: Jeder, der mit einer Frage komme, solle auch eine Antwort erhalten. Stoisits wandte sich in diesem Sinn dagegen, die Volksanwaltschaft allein an der Zahl ihrer Prüfverfahren zu messen.

Eine detaillierte Besprechung des Berichts der Volksanwaltschaft im Volksanwaltschaftsausschuss unter Einbindung der zuständigen Regierungsmitglieder würden beide Volksanwältinnen begrüßen. Es sei der Volksanwaltschaft immer schon wichtig gewesen, wie das Parlament mit legistischen Anregungen umgehe, unterstrich Stoisits. Als konkrete aktuelle Beispiele für legistische Anregungen nannte sie unter anderem die Abschaffung der doppelten Vignettenpflicht für Fahrzeuge mit Wechselkennzeichen, die Beseitigung der hohen Kosten für chronisch Kranke bei befristeten Führerscheinen, eine Lösung für die Schulsprengelfrage, die Normierung einer Mindesthöhe für Verkehrszeichen, um die Verletzungsgefahr von Blinden bzw. Sehbehinderten zu minimieren, sowie eine Lösung der Ortstafelfrage. Seit Jahren negiert wird ihr zufolge auch das Problem der Aberkennung der Staatsbürgerschaft für oft jahre- bzw. jahrzehntelang in Österreich lebende Personen, wenn sich nachträglich herausstelle, dass der vermeintliche (österreichische) Vater nicht der biologische Vater sei.

Volksanwältin Brinek betonte darüber hinaus, die Volksanwaltschaft unterstütze einen umfassenden barrierefreien Zugang zu Recht und Verwaltung. Dabei gehe es nicht nur um die Beseitigung physischer Barrieren, sondern auch um einen leichteren Zugang zu Informationen. Es gehe, so Brinek, beispielsweise nicht an, hilfesuchende Menschen auf irgendwelche Konvolute im Internet zu verweisen.

Adelheid Pacher, die als Leiterin seines Geschäftsbereichs Volksanwalt Peter Kostelka vertrat, mahnte eine rasche Reform des Unterhaltsrechts ein. Es gehe nicht nur darum, durch eine Neuregelung des Unterhaltsvorschusses Alleinerziehenden das Leben zu erleichtern, sondern vor allem auch um die Beseitigung von Kinderarmut, bekräftigte sie. Die Volksanwaltschaft mache, so Pacher, immer wieder Vorschläge, wie Verfahren im Unterhaltsrecht beschleunigt werden könnten, sie könne aber dort nicht helfen, wo überhaupt kein Unterhalt zustehe, etwa weil der Vater kein Einkommen habe. Mitunter müssten Mutter und Kinder froh sein, wenn dieser sich in Haft befindet, weil sie dann Anspruch auf Unterhaltsvorschuss hätten. Man müsse das gesamte System ändern, forderte Pacher.

Pflegende Angehörige sind Pacher zufolge mit zahlreichen Problemen konfrontiert. So fehle etwa eine zentrale Anlaufstelle. Auch die Qualität der Sachverständigen bei Pflegegeldeinstufungen oder ständig wechselndes Betreuungspersonal bei Hilfsdiensten führten im Pflegebereich immer wieder zu Beschwerden.

Volksanwältin Brinek informierte die Abgeordneten weiters darüber, dass sich Österreich in Bezug auf die Einrichtung des International Ombudsman Institut (I.O.I.) und dessen Generalsekretariat in Wien gut im Zeitplan befinde. Der formelle Zuschlag für den Standort Wien solle zwar erst im Juni erfolgen, Brinek zeigte sich aber zuversichtlich, dass die Übersiedlung des Instituts und des Generalsekretariats fristgerecht erfolgen werde. Viele Länder hätten am Modell der Österreichischen Volksanwaltschaft Interesse, sagte Brinek, es gebe aber auch etliche Länder, die in Bezug auf die Kompetenzen ihrer Ombudsstellen weiter als Österreich seien.

Was das "Recht auf Licht" betrifft, machte Brinek geltend, dass allein die gesetzliche Normierung wirke. Sollten sich die Beschwerden künftig aber "wieder verdichten", müsse man sich überlegen die gesetzlichen Bestimmungen nachzujustieren, konstatierte sie.

In Bezug auf die Fliegerbomben-Problematik hielt Volksanwältin Stoisits fest, hier tue sich de facto nichts. Im Wesentlichen gehe es um die Übernahme der Kosten für das Aufspüren von Fliegerbomben, die keiner übernehmen wolle. Stoisits fürchtet, dass sich auch in nächster Zeit nicht viel bewegen werde.

Die Beschwerden im Fremdenrecht haben laut Stoisits im Jahr 2007 stark zugenommen. Diese Tendenz habe sich auch im Jahr 2008 fortgesetzt. Sie führte das auf die neuen Fremdengesetze zurück. Als problematisch wertete es Stoisits außerdem, dass Beschwerden von Betroffenen bei der Volksanwaltschaft offenbar immer wieder dazu führten, dass Anträge besonders genau geprüft würden.

Beschwerden über "nicht ordentliche Arbeit" in manchen Polizeidienststellen gibt es laut Stoisits auch im Jahr 2008. Oft seien "eine unglaubliche Personalknappheit" und eine Überlastung der Beamten an den Missständen schuld.

Auch hinsichtlich der Nachzahlung von Verpflegungsgeld für Zivildiener habe es im Jahr 2008 noch Beschwerden gegeben, skizzierte die Volksanwältin. Und das, obwohl die Angelegenheit schon längst erledigt sein hätte sollen. Stoisits bewertete die Vorgangsweise in dieser Frage als Negativbeispiel für Bürokratie.

Hinsichtlich der zwischen Oktober 2005 und Juni 2006 ausgestellten Reisepässe habe die Volksanwaltschaft, so Stoisits, eine schriftliche Mitteilung des Innenministeriums an die Betroffenen erreichen können, wonach ein Visum für die USA benötigt werde. Zusätzlich hätten viele Reisebüros und Flugveranstalter auf die von der Volksanwaltschaft in der Öffentlichkeit aufgezeigten Probleme reagiert und würden von sich aus ihre Kunden informieren. Stoisits rechnet in diesem Sinn mit einem Rückgang der Beschwerdefälle, kann, wie sie sagte, aber nicht ausschließen, dass es noch bis zum Jahr 2016 zu Beschwerden kommen werde. Einen kostenlosen Austausch der Pässe konnte die Volksanwaltschaft nicht durchsetzen.

Im Laufe der weiteren Diskussion bestätigten die Volksanwältinnen Abgeordnetem Christian Lausch (F), dass sie ausgegliederte Institutionen wie Kasernen, Justizanstalten und Polizeiverwahrungen von sich aus besuchen. Sie würden dort nicht nur auf die Wahrung der Grundrechte bedacht sein, sondern auch auf menschenwürdige Unterbringung und Ernährung. Einen eklatanten Überbelag in den Justizanstalten konnte Volksanwältin Brinek nicht feststellen.

Auf eine Nachfrage des Abgeordneten Ernest Windholz (B) bekräftigte Volksanwältin Stoisits, aus ihrer Sicht sei das Fehlverhalten von PolizeibeamtInnen vielfach auf Systemfehler zurückzuführen und daher oft nur schwer vermeidbar. Sie kritisierte in diesem Zusammenhang die Intransparenz der Personalverwaltung bei der Polizei, insbesondere das Problem der Dienstzuteilungen, was dazu führe, dass man nicht sagen könne, wie viele Planstellen tatsächlich besetzt sind. Wende man sich an das Innenministerium, so erhalte man immer wieder den Hinweis auf mangelnde Budgetmittel, beklagte sie.

Ausschussvorsitzender Manfred Haimbuchner (F) sprach die überlangen Gerichtsverfahren an, worauf Volksanwältin Brinek die oftmaligen Beschwerden über GutachterInnen und Sachverständige thematisierte. Sie meinte aber, dass die Gerichte in vielen Fällen durch Organisationsänderungen das Personalproblem mildern könnten. Da Sachwalterschaftsangelegenheiten oft sehr schwierig und nicht eindeutig zu beurteilen sind, regte die Volksanwältin eine Neuregelung der Sachwalterschaft an. Es würden jene Fälle zunehmen, sagte sie, wo eine Sachwalterschaft noch nicht notwendig sei, jedoch aber eine Art soziale Betreuung als Übergang, und das gebe es derzeit nicht.

Brinek zeigte sich auch zuversichtlich, dass durch die Tätigkeit der Volksanwaltschaft vor allem das Bewusstsein bei Behörden, Barrieren zu beseitigen und Diskriminierungen von behinderten Menschen abzubauen, geschärft wird. Es bedürfe aber einer weiteren Verbesserung der Kooperation zwischen den einzelnen Gebietskörperschaften, meinte sie gegenüber Abgeordnetem Johann Hechtl (S).

Beide Volksanwältinnen stimmten Abgeordneter Daniela Musiol (G) zu, die gemeint hatte, es sei unverständlich, dass ungewollt kinderlosen Paaren zwar die Methode der In-Vitro-Fertilisation bezahlt werde, andere Methoden jedoch nicht.

Der Bericht der Volksanwaltschaft wurde schließlich einstimmig zur Kenntnis genommen. Aus dem Bericht geht hervor, dass sich im Jahr 2007 insgesamt 15.204 Bürgerinnen und Bürger mit ihrem Anliegen an die Volksanwaltschaft wandten. 6.092 Prüfungsverfahren wurden eingeleitet, 3.821 davon die Bundesverwaltung betreffend. Dazu kommen in 61 Fällen so genannte amtswegige Prüfungsverfahren. Von den abgeschlossenen Fällen mündeten 11 in "kollegiale" – d.h. vom Kollegium der VolksanwältInnen gemeinsam getroffene - Missstandsfeststellungen bzw. Empfehlungen, daneben wurde weitere 785 Missstände in der Verwaltung festgestellt.

Im Jahr 2008 war nach Information Brineks wieder eine Steigerung der Beschwerdezahl bei der Volksanwaltschaft zu verzeichnen. (Schluss)