Parlamentskorrespondenz Nr. 376 vom 05.05.2009

Beschwerden gegen öffentliche Auftragsvergaben nehmen zu

Bericht des Bundesvergabeamts liegt dem Parlament vor

Wien (PK) - Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner hat dem Nationalrat kürzlich den Tätigkeitsbericht des Bundesvergabeamtes 2008 vorgelegt (III-66 d.B.). Darin erfährt der Leser von der starken Zunahme der Zahl der Nachprüfungsanträge beim Bundesvergabeamt (BVA) auf 161 (2007: 119) im Jahr 2008, wobei das Gesamtauftragsvolumen den volkswirtschaftlich relevanten Betrag von 2,9 Mrd. ausmachte.

127 Fälle gehörten dem – europaweit auszuschreibenden - Oberschwellenbereich und 34 dem – national bekannt zu machenden - Unterschwellenbereich (Liefer- und Dienstleistungsaufträge bis 206.000 Euro und Bauaufträge bis 5,15 Mio. Euro) an. 31 Anträge wurden abgewiesen, 16 Anträgen wurde stattgegeben, 9 Anträge wurden zurückgewiesen, 62 zurückgezogen, 3 Fälle wurden abgetreten, 5 Verfahren eingestellt. In 35 Fällen konnte noch keine Entscheidung getroffen werden, davon stehen 21 im Zusammenhang mit der "Stent-Vergabe" der Bundesbeschaffungsgesellschaft. Eines dieser Verfahren ist derzeit ausgesetzt, für die weiteren 20 Verfahren bestehe eine Fortsetzungshemmung.

Die große Zahl zurückgezogener Anträge wird mit dem Ausgleich von Interessen durch die Parteien erklärt, nachdem der Verfahrensausgang im Zuge der Ermittlungen des BVA jeweils vorhersehbar geworden war.

136 Anträge zielten 2008 auf eine einstweilige Verfügung, 111 im Oberschwellenbereich, 25 im Unterschwellenbereich. 108 Anträgen wurde stattgegeben, 6 Anträge wurden abgewiesen, 22 Anträge zurückgezogen.

2008 wurden beim BVA 6 Feststellungsanträge eingebracht, 4 im Oberschwellenbereich, 2 im Unterschwellenbereich. Einem Antrag wurde stattgegeben, einer abgewiesen, einer zurückgewiesen und zwei zurückgezogen. Ein Verfahren ist noch offen.

Beschwerden an Höchstgerichte

2008 wurden beim Verfassungsgerichtshof vier Beschwerden anhängig gemacht, wobei in drei Fällen - ohne Erfolg - eine aufschiebende Wirkung beantragt wurde. Zudem hat das Bundesvergabeamt ein Normprüfungsverfahren eingeleitet.

2008 wurden beim Verwaltungsgerichtshof 22 Beschwerden anhängig gemacht. Bei vier Beschwerden wurden zusätzlich Anträge auf aufschiebende Wirkung eingebracht, wobei zwei Anträgen nicht stattgegeben wurde. Über die beiden anderen Anträge auf aufschiebende Wirkung wurde im Berichtszeitraum keine Entscheidung getroffen. Eine Beschwerde wurde als unbegründet abgewiesen.

2008 hat das BVA kein Vorabentscheidungsersuchen an den Europäischen Gerichtshof gerichtet. Auf das Vorabentscheidungsersuchen aus dem Jahr 2006, in dem die "pressetext Nachrichtenagentur GmbH" die Änderung von Verträgen des Bundes mit Gesellschaften des APA–Konzerns betreffend Vergabe von Nachrichtenagenturleistungen angefochten hatte, erging am 19. Juni 2008 das Urteil mit der zentralen Aussage, nur wesentliche Vertragsänderungen seien als (Neu-)Vergabe zu beurteilen.

Markante Einzelfälle

Im Verfahren betreffend die Beschaffung von "Stents" (medizinischen Implantaten) durch die Bundesbeschaffung GmbH ging es um die Frage, ob die BBG zu Recht mit jedem Medizinprodukteunternehmen einzeln verhandelt habe, weil sie davon ausgegangen war, dass die Stents jeweils unterschiedlich seien. Nachdem gegen diese Einzel-Gespräche 20 Nachprüfungsanträge mit der Beschwerde eingebracht wurden, es hätte eine einzige Ausschreibung für alle geben müssen, sah sich das Bundesvergabeamt zu einem Antrag an den VfGH zur Prüfung vergaberechtlicher Normen veranlasst. Eine diesbezügliche Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes lag im Berichtszeitraum noch nicht vor.

Zur Planung und Realisierung der "Bahnhof-City Wien" rund um den künftigen Wiener Hauptbahnhof hat das "ÖBB Immobilien Management GmbH" im Oktober 2007 einen geladenen Wettbewerb eingeleitet. Der geschätzte Auftragswert wurde mit 2,895 Mio. Euro bekannt gegeben. Ein norwegisches Architekturbüro und ein Zusammenschluss von 50 Planungsbüros verlangten die Nichtigerklärung der Wettbewerbsunterlagen und der Wahl des Vergabeverfahrens, da die ÖBB-Immo als öffentliche Auftraggeberin diese im Oberschwellenbereich anzusiedelnde Leistung hätte europaweit ausschreiben müssen. Das Bundesvergabeamt entschied, die ÖBB-Immo erfülle alle Merkmale eines öffentlichen Auftraggebers und übe Sektorentätigkeiten aus. Die Wahl des geladenen Wettbewerbs sei auf Grund der Überschreitung des EU-Schwellenwertes rechtswidrig gewesen. (Schluss)


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