Parlamentskorrespondenz Nr. 759 vom 17.09.2009

Parlamentarische Enquete zum Thema öffentlich-rechtlicher Rundfunk

Die Statements der Politik

Wien (PK) – Mit grundsätzlichen Statements der Mediensprecher der fünf Nationalratsfraktionen, des für Medien zuständigen Staatssekretärs Josef Ostermayer und von Finanzstaatssekretär Reinhold Lopatka startete die Parlamentarische Enquete im Hohen Haus zum Thema öffentlich-rechtlicher Rundfunk und Medienvielfalt in Österreich. Im Mittelpunkt der Ausführungen stand dabei die Zukunft des ORF, wobei sich ausnahmslos alle Fraktionen zu einem starken öffentlich-rechtlichen Rundfunk bekannten. Die konkreten Vorstellungen der Medienpolitiker unterscheiden sich allerdings zum Teil erheblich voneinander, die vorgelegten Vorschläge reichten von einer Privatisierung von ORF 1 über die Abschaffung der Gebühren und die Einrichtung eines auch für Privatsender zugänglichen Fördertopfs bis hin zur Schärfung des öffentlich-rechtlichen Auftrags. Die Regierungsparteien zeigten sich uneinig in der Frage, ob dem ORF die entgangenen Einnahmen aus der Gebührenbefreiung, immerhin ein Betrag von 60 Mio. €, refundiert werden sollen.

Eröffnet wurde die Enquete von Nationalratspräsidentin Barbara Prammer. Sie wies darauf hin, dass der ORF Teil der österreichischen Identität sei. Daraus leitet sich ihr zufolge ein weitreichender Kulturauftrag ab. Dieser Auftrag sei immer wieder neu zu definieren, da sich die Erwartungen, Ansprüche und Gewohnheiten des Publikums und das Marktumfeld ständig veränderten. Bedauern äußerte die Nationalratspräsidentin darüber, dass unter den Referenten der Enquete eine einzige Frau ist. Für sie wird darin sichtbar, wie wenig Frauen im Medienbereich in Leitungsfunktionen tätig sind.

Die Reihe der grundsätzlichen Statements wurde von SPÖ-Klubobmann Josef Cap eingeleitet. Er legte ein Bekenntnis zum dualen Rundfunk in Österreich, also dem Nebeneinander von ORF und privaten Sendern, ab, hob aber gleichzeitig, mit Verweis auf die "mächtige Konkurrenz" aus Deutschland, die Notwendigkeit eines starken ORF hervor. Über 60 deutsche Sender strahlten nach Österreich, skizzierte er, niemand könne wollen, "dass Österreich eine deutsche Medienkolonie wird".

Cap unterstrich, der ORF müsse Strukturreformen vornehmen und Einsparungen tätigen, man dürfe den ORF aber nicht kaputt sparen und aushungern. In diesem Sinn sprach er sich für die Beibehaltung der ORF-Finanzierung über Werbung und Gebühren aus und forderte zusätzlich eine Abgeltung jener 60 Mio. € an den ORF, die diesem durch Gebührenbefreiungen entgehen. Ebenso warnte er davor, den ORF auf einen reinen "Verkündigungssender" ohne Unterhaltung zu reduzieren. Der ORF müsse, so Cap, ökonomisch unabhängig sein.

ÖVP-Klubobmann Karlheinz Kopf wies auf die notwendige Novellierung des ORF-Gesetzes hin. Dieses Gesetz sei nicht nur für den ORF relevant, sondern für die gesamte Medienlandschaft in Österreich, betonte er. Oberstes Ziel müsse es sein, Medienvielfalt in Österreich sicher zu stellen. Im Bereich der elektronischen Medien hinkt Österreich seiner Meinung nach hier anderen Ländern noch hinterher.

Die ÖVP stehe für einen starken ORF, sagte Kopf, zu einer dualen Medienlandschaft im elektronischen Sektor gehörten aber auch starke private TV-Sender. Durch das Privileg des ORF, Gebühren einheben zu dürfen, seien Werbeeinschränkungen gerechtfertigt. Ebenso gehöre die Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Auftrags zu den Pflichten des ORF. Wo ORF draufstehe, müsse, so Kopf, möglichst viel Österreich drinnen sein.

Die schwierige Lage des ORF ist nach Meinung Kopfs auch durch eigene Fehler des Senders verursacht worden. Der ORF habe sich zu lange wie jeder Monopolist verhalten, erklärte er, und versucht, die Marktöffnung zu verhindern, statt sich darauf zu konzentrieren, sich fit für den Markt zu machen. In diesem Sinn erachtet Kopf eine Restrukturierung des Unternehmens und Einsparungen für dringend erforderlich.

Abgeordneter Harald Vilimsky (F) bekräftigte eingangs, auch die FPÖ wolle einen starken, rot-weiß-roten und möglichst unabhängigen ORF. Seiner Ansicht nach erfüllt der ORF seinen Programmauftrag derzeit aber nicht in ausreichendem Maß. Vilimsky listete das heutige Programm von ORF 1 auf und meinte, das sei nicht das, was die Öffentlichkeit unter Public Value und öffentlich-rechtlichem Auftrag verstehe.

ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz und der SPÖ warf Vilimsky vor, den ORF in Wirklichkeit nicht reformieren zu wollen, während die ÖVP den Sender seiner Ansicht nach aus politischen Gründen redimensionieren möchte. Er selbst plädierte für eine Abschaffung der ORF-Gebühren und die Entwicklung eines modernen Medienförderungsmodells, das allen Sendern offen stehe. Die Gebührenhoheit des ORF komme, so Vilimsky, aus einer Zeit, wo in Österreich nur ORF 1 und ORF 2 empfangen werden konnten. Warum sollten private Sender für qualitätsvolle Sendungen keine Förderung bekommen, fragte er.

Abgeordneter Stefan Petzner (B) führte aus, das BZÖ wolle einerseits einen starken öffentlich-rechtlichen Rundfunk mit öffentlich-rechtlichem Auftrag, im Sinne einer Mediendemokratie brauche es aber auch starke kommerzielle Sender. SPÖ und ÖVP haben seiner Meinung nach den ORF systematisch kaputt gemacht, weil es ihnen nie um das Unternehmen selbst, sondern lediglich um ihren Einfluss im ORF gegangen sei. Heute stehe man vor einer Situation, wo der öffentlich-rechtliche Rundfunk de facto pleite sei und die privaten Sender gegen einen übermächtigen ORF ums Überleben kämpfen müssten.

Das BZÖ ist Petzner zufolge die einzige Partei, die ein klares Konzept für die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks habe. Er forderte, die Gebühren abzuschaffen, ORF 1 zu privatisieren und mit den erzielten Erlösen aus ORF 2 einen starken öffentlich-rechtlichen Sender zu machen. Dabei sollen auch die Landesstudios des ORF erhalten bleiben und abgesichert werden. Als Impuls für private Medien mahnte Petzner die Abschaffung der Werbesteuer ein.

Abgeordneter Dieter Brosz (G)  wandte sich gegen eine parteipolitische Einflussnahme auf den ORF und kritisierte in diesem Zusammenhang den ihm zufolge offenbar bestehenden "Deal", wonach die ÖVP das Nominierungsrecht für den österreichischen EU-Kommissar und die SPÖ jenes für den ORF-Generaldirektor habe. Als positiv vermerkte Brosz, dass die Unabhängigkeit im ORF unter der neuen Führung wieder gestiegen sei und die kritische Berichterstattung zugenommen habe.

Was die ökonomische Lage des ORF betrifft, sprach sich Brosz für eine "gerechtere" Gebührenverteilung aus. Seiner Auffassung nach ist es außerdem nur dann möglich, den ORF auf sichere finanzielle Beine zu stellen, wenn er weiterhin Werbeeinnahmen lukrieren könne. In Bezug auf private TV-Sender forderte Brosz einen Qualitätsfördertopf für alle ein.

Medienstaatssekretär Josef Ostermayer wies darauf hin, dass die Regierung drei wesentliche Ziele in Bezug auf die Medienpolitik festgelegt habe: Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Medienlandschaft, Ausbau und Absicherung des dualen Rundfunksystems sowie ein klares Bekenntnis zur Bedeutung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.

Österreich sei in Bezug auf den Rundfunk in einer speziellen Situation, skizzierte Ostermayer. Ein Land mit acht Millionen Einwohnern stehe einem gleichsprachigen Nachbarn mit achtzig Millionen Einwohnern gegenüber. Die deutschen Sender sorgen ihm zufolge einerseits für Medienvielfalt, erschweren aber die Rahmenbedingungen für private österreichische Medienunternehmen. Auch die im Vergleich zu öffentlich-rechtlichen Sendern in Deutschland geringen Gebühreneinnahmen des ORF, 500 Mio. € zu 7,5 Mrd. €, haben ihm zufolge Auswirkungen. Es gebe, so Ostermayer, einen Grund, warum der ORF gewisse Serien einkaufe.

In Bezug auf die Werbeeinnahmen sieht Ostermayer vorrangig eine Konkurrenz zwischen österreichischen und deutschen Sendern bzw. internationalen Internet-Plattformen. Er machte außerdem geltend, dass die Regierung trotz schwieriger wirtschaftlicher Lage einen Fördertopf im Umfang von 6 Mio. € für private und nichtkommerzielle Rundfunkveranstalter eingerichtet und die Mittel für den Fernsehfilm-Förderungsfonds erhöht habe. Bezüglich des neuen Fördertopfs läuft seiner Darstellung nach gerade das EU-Notifizierungsverfahren.

Unterhaltung wertete Ostermayer als wesentlichen Teil des öffentlich-rechtlichen Auftrags. Es sei Aufgabe des ORF, möglichst viele Schichten zu erreichen und auch populär zu sein, argumentierte er. Es gehe nicht ausschließlich darum, Programm für Minderheiten zu machen.

Damit der ORF dauerhaft Bestand habe, erachtet Ostermayer "scharfe Maßnahmen" für erforderlich. In der Vergangenheit verabsäumte strukturelle Reformen müssten ihm zufolge nun nachgeholt werden. Ostermayer trat aber auch für eine Refundierung der Gebührenbefreiung an den ORF ein, um möglichst viel österreichisches Programm finanzieren zu können, und plädierte für die Beibehaltung der Mischfinanzierung des ORF durch Programmentgelte und Werbeeinnahmen. Einem Unternehmen, das Strukturreformen durchführen müsse, auch noch Geld wegzunehmen, davon halte er nichts, sagte er.

Finanzstaatssekretär Reinhold Lopatka meinte in Anspielung auf Ostermayer hingegen, zusätzliches Geld sei sicher nicht die Lösung für den ORF. Er sei sich der schwierigen finanziellen Lage des ORF bewusst, erklärte er, man könne aber nicht mehr Geld vom Gebührenzahler verlangen, wenn man jahrelang über seine Verhältnisse gelebt habe. Vielmehr sei der ORF aufgerufen, seine Finanzen selbst in Ordnung zu bringen und von Strukturreformen nicht nur zu reden, sondern sie auch durchzuführen.

Dass der ORF massiven Handlungsbedarf hat, zeigen laut Lopatka auch die Ergebnisse einer Rechnungshofprüfung, der zufolge viele Mitarbeiter großzügige Einzelverträge und nicht nachvollziehbare Zulagen haben. Lopatka mahnte ebenso eine Personalreduktion und ein klares Konzept für die Zukunft ein.

Zu den ORF-Gebühren merkte Lopatka an, die ÖsterreicherInnen würden "ordentlich zur Kasse gebeten". Die Gebühren seien deutlich höher als etwa in Deutschland, Italien oder Tschechien. Überdies seien sie in den letzten Jahren um 27 % gestiegen. Der Bund bekommt aus dem Titel "ORF-Gebühren" Lopatka zufolge 75 Mio. €, die u.a. in die Medienförderung, den Fernsehfilmfördertopf und in die Kunst- und Kulturförderung fließen.

Durch die Gebühreneinnahmen habe der ORF einen öffentlich-rechtlichen Auftrag zu erfüllen, konstatierte Lopatka. Die Kernfrage sei, inwieweit der ORF diesem Auftrag tatsächlich nachkomme. Der Staatssekretär mahnte außerdem faire Rahmenbedingungen für private TV- und Radiosender ein. In einer Zeit, wo der "Werbekuchen" insgesamt nicht größer werde, müsse dafür gesorgt werden, dass private Sender genug Luft zum Atmen haben, bekräftigte er.

In weiteren Themenblöcken werden sich PolitikerInnen, MedienvertreterInnen und andere ExpertInnen im Rahmen der Enquete mit den Zukunftschancen des öffentlich-rechtlich Rundfunks aus europäischer Sicht und den Rahmenbedingungen für Medienvielfalt in Österreich befassen. (Fortsetzung)