Parlamentskorrespondenz Nr. 761 vom 17.09.2009

Rahmenbedingungen für Medienvielfalt in Österreich

Abschluss der Enquete über öffentlich-rechtlichen Rundfunk

Wien (PK) – Mit "Rahmenbedingungen für Medienvielfalt in Österreich" war der dritte Themenblock der ORF-Enquete überschrieben. Nach Impulsreferaten von ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz und VÖZ-Präsident Horst Pirker kamen zunächst zahlreiche weitere Experten zu Wort. Nach einer allgemeinen Diskussion wurde die Enquete mit Schluss-Statements der Vertreter der Fraktionen abgeschlossen.

ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz erinnerte an Umfragen, aus denen hervorgeht, dass eine breite Mehrheit der Bevölkerung die Existenz des ORF für unverzichtbar hält, und meinte, es gehe bei der Diskussion über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk um eine starke Stimme Österreichs in einer fragmentierten und digitalisierten Welt. Die Konkurrenten des ORF seien nicht ATV und Puls 4, sondern die großen europäischen Medienkonzerne, gab Wrabetz in diesem Zusammenhang zu bedenken. Klar war für ihn, dass der ORF zur Erfüllung seines Auftrags zwei Vollprogramme braucht, um auf die unterschiedlichen Interessen des Publikums reagieren zu können. Jede Filetierung des ORF würde diesen schwächen und in eine Spirale nach unten ziehen, warnte er. Außer Zweifel stand für Wrabetz weiters, dass der ORF nur dual, und zwar auch durch Werbung, finanziert werden könne. Ein Minimum an Werbung sei zur Bereitstellung des umfassenden Angebots unabdingbar, betonte er.

Was die Restrukturierung des ORF betrifft, unterstrich Wrabetz mit Nachdruck, das Unternehmen mache seine Hausaufgaben und erbringe seine Eigenleistungen. Es gebe Einsparungen in einem Ausmaß, wie es in der Geschichte des ORF noch nie der Fall gewesen sei. Wrabetz verwies auf die Redimensionierung nicht mehr zeitgemäßer Kollektivvertragssysteme, die Straffung der Strukturen und die Reduzierung der Zahl der Führungskräfte um 25 %. Diese Einsparungsmaßnahmen würden, wie er betonte, transparent und für die Öffentlichkeit nachvollziehbar gestaltet. Die Mittel würden nicht zum Stopfen von Löchern verwendet, sondern in von der Allgemeinheit erwünschte zusätzliche Leistungen eingesetzt, versicherte er. Im Übrigen zeigte sich Wrabetz zuversichtlich, dass es bei der Erbringung der Eigenleistungen gelingen werde, den ORF langfristig abzusichern.

Horst Pirker, Präsident des Verbandes Österreichischer Zeitungen, schickte in seinem Statement voraus, der Staat gelte im Allgemeinen als schlechter Unternehmer. Auf dem Mediensektor trete der Staat in Österreich aber nicht nur als Unternehmer auf, sondern weise seinem Unternehmen über 500 Mio. € jährlich aus Gebühren und Werbeeinnahmen zu und privilegiere es dadurch intensiv gegenüber der privaten Konkurrenz.

Trotz dieses kritischen Grundbefundes betonte Pirker, zur Zeit brauche man tatsächlich öffentlichen Rundfunk in Österreich, man brauche den ORF. Der öffentliche Auftrag an den ORF berechtige den Staat zur Intervention auf dem Mediensektor. Staatliche Eingriffe im Medienbereich durch öffentlich-rechtlichen Rundfunk seien dann legitim, wenn dadurch relevante Bedürfnisse nach Information und Unterhaltung befriedigt werden, die nicht von den privaten Anbietern in ausreichender Form berücksichtigt werden, präzisierte Pirker. Fest stand für ihn allerdings, dass der ORF komplementär zu dem bestehenden Angebot agieren müsse, die Aufgabe und Chance des öffentlichen Rundfunks liegen in der Differenzierung und nicht in der Nachahmung der Privaten, betonte er. In diesem Sinn seien ORF 1 und Ö3 alles andere als öffentlich-rechtlich, merkte er kritisch an, qualifizierte hingegen Ö1 als öffentlich rechtliche Lichtgestalt. Langfristig verteidigungsfähig sei nur ein wirklich öffentlich-rechtlicher ORF, war für Pirker klar.

Stögmüller: ORF soll öffentlich-rechtlichen Auftrag wahrnehmen

Christian Stögmüller, Präsident des Verbandes Österreichischer Privatsender, rief den ORF dazu auf, seinen öffentlichen Auftrag wahrzunehmen, und meinte, die Privaten hätten nichts gegen einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Private Medien seien aber dagegen, dass sich der ORF als Privater breit macht. In der gegenwärtigen Situation agiere der ORF als überfinanzierter Marktbeherrscher, der den Privaten alles streitig macht und einen teilweise ruinösen Wettbewerb betreibe, lautete der kritische Befund Stögmüllers. Der ORF müsse in Entsprechung seines öffentlichen Auftrags Programme anbieten, die dem öffentlich-rechtlichen Mehrwert entsprechen, nach dem Motto: "Hollywood raus, Österreich rein", betonte Stögmüller, der darüber hinaus auch für eine werbefreie Prime Time eintrat. Eine Gebührenerhöhung konnte sich Stögmüller nur bei einer gleichzeitigen Reduzierung der Werbung und einer Erhöhung der Förderung der Privaten vorstellen. Auch plädierte er für die Schaffung eines unabhängigen Aufsichtsorgans für den ORF.

Bauer: Produktive Koexistenz zwischen ORF und privaten Sendern fehlt

ATV-Geschäftsführer Ludwig Bauer forderte im Interesse der Seher eine produktive Koexistenz zwischen öffentlich-rechtlichem Rundfunk und privaten Sendern. Davon sei man aber auch zehn Jahre nach der erstmaligen Zulassung von privatem Rundfunk weit entfernt, meinte er, die Koexistenz sei immer noch nachhaltig gestört. Der ORF begreife sich nach wie vor als Monopolist, der keine privaten Anbieter neben sich dulde, und die Politik schaue seit Jahren zu.

Bauer ist überzeugt, dass Österreich zu klein für die Infrastruktur und die Personalausstattung des ORF ist. Trotzdem geht ihm zufolge die Rechnung des ORF nicht auf. Der ORF nähere sich 30% Marktanteil, die Werbeeinnahmen würden weiter sinken. Als Gründe dafür nennt Bauer u.a. eine fehlgeschlagene Programmreform und eine "überhastete" Digitalisierung, vor allem aber die Tatsache, dass der ORF seinen unverwechselbaren Charakter als öffentlich-rechtlichen Sender verloren habe. Jegliche Differenzierung zu Privatsendern sei verloren gegangen.

Kritik äußerte Bauer darüber, dass das "Jammern" des ORF in Bezug auf zusätzlichen Finanzbedarf offensichtlich Wirkung zeige. Ebenso zeigte er kein Verständnis dafür, dass vom Sparkurs des ORF ausschließlich Programmteile mit öffentlich-rechtlichem Charakter betroffen seien. Bauer urgierte sowohl in ORF1 als auch in ORF2 ein breites öffentlich-rechtliches Programm mit Information, Bildung und Dokumentationen. Zudem drängte er auf einen werbefreien ORF, wobei er dem ORF in einem ersten Schritt Werbung nach 20 Uhr verbieten will.

Krausz: Filmwirtschaft braucht einen starken ORF

Danny Krausz, Obmann des Fachverbandes der Audivisions- und Filmindustrie der Wirtschaftskammer, gab zu bedenken, dass Medienvielfalt noch nichts mit Programmvielfalt zu tun habe, wie sich, wie er meinte, bei einem Zappen von Programm zu Programm zeige. Was die ORF-Reform betrifft, äußerte er die Befürchtung, dass ORF und Regierung die Chance "verschleudern", die derzeitige Krise zu einem Kurswechsel zu nutzen. Der ORF steuere auf ein "Debakel" zu, warnte er. Je verwechselbarer das ORF-Programm sei, desto geringer ist seiner Meinung nach die Legitimation zur Gebühreneinhebung.

Wer glaube, dass die Werbeeinkünfte des ORF wieder steigen werden oder die Gebührenrefundierung für eine Sanierung des ORF ausreiche, irrt sich nach Auffassung von Krausz. Zentral ist für ihn, dass die Zuseher, wenn sie ORF aufdrehen, österreichisches Programm sehen wollen. Diesbezüglichen Umfrageergebnissen und Zuschauerstatistiken steht ihm zufolge allerdings die Tatsache gegenüber, dass lediglich 5,8% aller im ORF gesendeten fiktionalen Produktionen aus heimischer Produktion stammen. In der Schweiz sei der entsprechende Anteil doppelt so hoch. Noch schlechter sieht es laut Krausz allerdings etwa bei ATV aus, wo der Anteil österreichischer Filme und österreichischer TV-Serien am Programm bei "null" liege.

Die österreichischen Filmschaffenden würden sich, so Krausz, zu einem starken ORF als österreichisches Leitmedium bekennen, allerdings urgierte er eine quantitative Verpflichtung des Senders zur Ausstrahlung österreichischer Filme und TV-Serien. Überdies sollten 25% der Gebühreneinnahmen des ORF für die Herstellung heimischer Filme, TV-Serien und Dokumentationen verwendet werden müssen.

Holoubek: Getrennte Prüfung beim Public-Value-Test notwendig

Universitätsprofessor Michael Holoubek (Wirtschaftsuniversität Wien) setzte sich in erster Linie mit dem geplanten Public-Value-Test auseinander, der zur Prüfung des ORF-Programms künftig in Aussicht genommen ist. Er plädierte dafür, die publizistische und die ökonomische Beurteilung getrennt durchzuführen und die "Vielfaltsfrage" in beiden Bereichen detailliert zu prüfen. Je gravierender die Wettbewerbsverzerrung desto gewichtiger müsse der "Added-Value" sein, sagte er. Holoubek gab außerdem zu bedenken, je klarer die ökonomische und publizistische Beurteilung beim Public-Value-Test ausfielen, desto geringer bleibe der Spielraum für Juristen.

Drössler: Werbeverbot für ORF würde Werbewirtschaft treffen

Peter Drössler, Obmann der Fachgruppe Werbung der Wirtschaftskammer, machte geltend, dass die Werbewirtschaft ein Drittel zum ORF-Budget beitrage. Für die österreichische Werbebranche ist ihm zufolge ein reichweitenstarkes österreichisches Leitmedium von großer Bedeutung. Österreich sei ein kleiner Markt, argumentierte er, daher sei etwa das französische Modell, alle Werbung aus öffentlich-rechtlichen Sendern zu verbannen, "sicher nicht gangbar".

Ohne den ORF könnten, so Drössler, keine österreichweiten Kampagnen durchgeführt werden. Er fürchtet zudem, dass weitere Werbebeschränkungen im ORF die heimische Agenturlandschaft und die Kreativbranche erheblich treffen würden. Auch ein Zurückdrängen des ORF auf ein für private Sender nicht interessantes Nischenprogramm ist für ihn keine Lösung. Ebenso warnte Drössler davor, den ORF zu "zerlegen" und etwa das Online-Angebot von den Sendern abzukoppeln. Mehr Möglichkeiten für Werbung wünscht er sich auf regionaler Ebene im Bereich der Landesstudios.

Karmasin: Keine taxativen Vorgaben der Politik für den ORF

Universitätsprofessor Matthias Karmasin (Universität Klagenfurt) hielt fest, seiner Meinung nach sei eine umfassende Restrukturierung der Vielfaltssicherung und Medienregulierung notwendig. Das betrifft unter anderem die Presseförderung und die Medienkontrolle.

Zur Feststellung der öffentlich-rechtlichen Kernkompetenz des ORF bedarf es nach Meinung Karmasins einer "regulierten Selbstregulierung" sowie einer Behördenkontrolle. In diesem Sinn soll die Politik seiner Vorstellung nach lediglich Rahmenbedingungen vorgeben, die der ORF selbst ausgestalten solle. Es wäre wenig zielführend, wenn die Politik taxative oder inhaltliche Vorgaben bezüglich der Erfüllung des Programmauftrags machen würde, meinte er. Gleichzeitig betonte Karmasin, dass die Festlegung der Rahmenordnung am Beginn einer Debatte über eine Neustrukturierung des ORF stehen müsse.

Hausjell: ORF braucht mehr Geld

Universitätsprofessor Fritz Hausjell (Universität Wien) hält den Staat im Medienbereich grundlegend gefordert. Er solle nicht nur dort eingreifen, wo die Marktwirtschaft mit ihren Interessen versage, wie dies VÖZ-Präsident Pirker gemeint habe, betonte er.

Zur Erfüllung der an ihn gerichteten Forderungen brauche der ORF, so Hausjell, mehr Mittel und nicht "ein so genanntes Gesundschrumpfen". Er sprach sich in diesem Sinn für eine verfassungsrechtlich abgesicherte Gebührenfinanzierung mit Valorisierungsklausel und eine Gebührenrefundierung an den ORF aus. Auch kann der ORF seinem Programm- bzw. Integrationsauftrag ihm zufolge nur mit zwei Vollprogrammen und weiteren Spartenkanälen gerecht werden.

Den derzeit 18 Punkte umfassenden Programmauftrag des ORF wertete Hausjell als nach wie vor aktuell, mahnte aber dessen Erweiterung um einen im Jahr 2001 "sträflich ignorierten" Punkt ein. Seiner Ansicht nach sind Menschen mit Migrationshintergrund im ORF zu wenig präsent. Dem ORF seine Marktanteilsverluste als Misserfolg anzurechnen, qualifizierte Hausjell als unfair und erinnerte an viel düstere Prognosen des früheren ORF-Generalintendanten Gerd Bacher.

Wendl: Beim ORF reden zu viel Ahnungslose mit

Fritz Wendl, Vorsitzender des ORF-Redakteursrats, meinte eingangs seines Statements, dem ORF gehe es wie dem Fußball: "Auch noch so Ahnungslose halten sich für Experten". Er warf den Kritikern des ORF vor, mit falschen Behauptungen und mit falschen Zahlen sowie mit Begriffsverwirrungen zu operieren. Die Verbreitung "von möglichst viel Einfalt" sei, so Wendl, noch nicht Medienvielfalt. Kein Verständnis zeigte er auch dafür, dass maßgebliche VÖZ-Repräsentanten die angebliche Marktgefährdung durch den ORF beklagen, selbst jedoch an weitreichenden Medienzusammenschlüssen "basteln".

Für Wendl geht es in der Medienpolitik um eine Richtungsentscheidung zwischen Public Value und Shareholder Value. Wem die spezifische demokratiepolitische Funktion der Medien ein Anliegen sei, für den könne der ORF als nationales unabhängiges Leitmedium gar nicht stark genug sein, konstatierte er. Jenen, die den ORF schwächen wollen, hielt er vor, nicht die Medienvielfalt stärken, sondern "Marktvorteile für mediale Verantwortungslosigkeit" zu wollen.

Wendl plädierte u.a. dafür, im Mediengesetz Mindeststandards für Redaktionsstatute zu verankern- und die Vergabe von Medienförderung an die Einhaltung der Redaktionsstatute zu knüpfen. Für den ORF schlägt er, analog zu gängigen Aufsichtsräten, eine deutliche Verkleinerung des Stiftungsrats mit einem Drittel-Anteil von Belegschaftsvertretern vor. Gleichzeitig warnte er vor einem "gefährlichen" Sparkurs, der sich nach "Rasenmähermethode" ausschließlich an Zahlen und nicht an Inhalten orientiere.

Burtscher: ORF wird durch Landesstudios Medium zum Anfassen

Wolfgang Burtscher, Direktor des Landesstudio Vorarlberg und Sprecher der ORF Landesstudios, gab ein Plädoyer für den Erhalt der Landesstudios ab. Die Existenzberechtigung der Landesstudios anzuzweifeln, sei das gleiche, wie die Existenzberechtigung der Länder anzuzweifeln, sagte er.

Burtscher machte geltend, dass die Sendung der Landesstudios mit einem durchschnittlichen Marktanteil von 59% die meistgenutzte Sendung des ORF sei. Auch die Regionalradios des ORF seien mit 37% klare regionale Marktführer. Die Landesstudios nutzten, so Burtscher, die Chance, von der Bevölkerung als neutraler und vertrauenswürdiger Begleiter wahrgenommen zu werden. Der ORF werde durch die Landesstudios ein Medium zum Anfassen und habe auch für regionale Kulturschaffende große Bedeutung. Zudem gestalteten die Landesstudios nicht nur die Regionalsendung, sondern fungierten auch als tägliche Zulieferer für das nationale Programm und produzierten hunderte Stunden Sportübertragung für TW1 und Sport Plus.

Kritik, wonach die Landesstudios personell aufgebläht seien, wies Burtscher zurück und hob die in den letzten Jahren gesetzten Reformschritte hervor. Diese haben ihm zufolge zu flachen Hierarchien und einer Steigerung der Produktivität geführt. Eine Klarstellung wünscht sich Burtscher in Bezug auf erlaubte Kooperationen mit lokalen Kulturinitiativen. Es dürfe nicht sein, dass der ORF für Verweise auf Landesausstellungen verurteilt werde.

Thurnher: Förderung für private Medien nur, wenn sie Qualität bieten

Falter-Chefredakteur Armin Thurnher, Mitglied der Plattform "Rettet den ORF", verwies darauf, dass es kommerziell und öffentlich ausgerichtete Medien gebe, unabhängig von der Eigentümerfrage. Beide agierten auf den gleichen Märkten, verfolgten aber verschiedene Zielsetzungen, meinte er. Das werde von der Medienpolitik vielfach übersehen. Thurnher sprach sich in diesem Sinn dafür aus, nur jene privaten Medien zu fördern, die Qualität bieten.

Der ORF steckt nach Meinung Thurnhers nicht nur in einer Medienkrise, sondern auch in einer Legitimationskrise. Wenn sich der ORF nur noch über die Quoten definierte, habe er sich schon selbst aufgegeben, sagte er. Im Vordergrund müsse vielmehr die publizistisch-demokratische Grundversorgung stehen.

Zu den Forderungen der Plattform "Rettet den ORF" gehören laut Thurnher die politische Unabhängigkeit des Senders, die wirtschaftliche Unabhängigkeit und die Festschreibung einer hohen öffentlich-rechtlichen Programmqualität. Im Konkreten mahnte er eine festgelegte Quote für den österreichischen Film und die volle Refundierung der ORF-Gebühren ein.

Moser: ORF-Belegschaft leidet massiv unter Sparmaßnahmen

ORF-Zentralbetriebsrat Gerhard Moser warf der Plattform "Rettet den ORF" vor, abseits "durchaus löblicher Anregungen" von außen besserwisserisch zu agieren. Insbesondere die Forderung nach massiver Personalreduktion wertete er als "zynisch und präpotent".

Moser wies darauf hin, dass seit dem Jahr 2008 ein rigider Personalabbau im ORF durchgeführt werde, der zuletzt durch das "Handshake-Modell" noch intensiviert worden sei. Aber auch schon in den vorangegangenen Jahren seien immer wieder Sparpakete ausgerufen worden, die sich demotivierend auf die Belegschaft ausgewirkt hätten, kritisierte er. Die Folge seien Überlastungen des bestehenden Personals und überdurchschnittliche Erkrankungen und Burn-out-Fälle. Gleichzeitig leide die Belegschaft unter dem von anderen Medien verbreiteten negativen "Trommelfeuer". Seiner Meinung nach werden die Personaleinsparungen nicht ohne Auswirkungen auf das Programm bleiben.

Von der Geschäftsführung verlangte Moser ein detailliertes Konzept für die Zukunft des ORF inklusive Personalentwicklungspläne. Ebenso wird es ihm zufolge notwendig sein, von der "Budgetnull" 2010 abzugehen sowie dem ORF die entgangenen Gebühren zu refundieren. Das RSO-Orchester will er im ORF-Gesetz verankert wissen.

Breitenecker: ORF soll auf Kauf von US-Filmen und –Serien verzichten

Puls 4-Geschäftsführer Markus Breitenecker gab zu bedenken, dass es in Deutschland ein gut funktionierendes duales System gebe. Die dortigen öffentlich-rechtlichen Sender würden ein anspruchsvolles, hochwertiges Programm bieten und seien dennoch ab 20 Uhr werbefrei. Der ORF wolle besser sein als die öffentlich-rechtlichen Sender in Deutschland und gleichzeitig den Privaten Paroli bieten, sagte Breitenecker, dieser Spagat sei aber nicht zu schaffen.

Österreich braucht laut Breitenecker nicht nur einen starken ORF, sondern ein starkes duales System, in dem die österreichischen Privatsender gegen die deutschen Privatsender bestehen können. Ein Schritt zur Erreichung dieses Ziels wäre ihm zufolge der Verzicht des ORF zum Kauf von Hollywood-Filmen und von US-Serien zugunsten der österreichischen Privatsender. Der ORF gebe weit über 30 Mill. € aus, um Filme und Serien einzukaufen, die die Österreicher ohnehin in einem anderen Sender gratis sehen könnten, skizzierte er. Sinnvoller wäre es, würde der ORF auch ORF 1 nicht ausschließlich kommerziell programmieren. Weitere Forderungen Breiteneckers betrafen eine klare Definition des öffentlich-rechtlichen Auftrags inklusive quantitativer Vorgaben und die Durchführung des Public-Value-Tests nicht nur für zukünftige, sondern auch für bestehende Angebote des ORF.

Die Diskussion

Reinhard Christl (FH Wien, Journalismus & Medienmanagement) eröffnete die anschließende Diskussion mit der Feststellung, Österreich habe zu wenig Qualitätsjournalismus und werde in Zukunft noch weniger davon haben. Gefragt waren seiner Meinung nach neue Wege, diesen für eine funktionierende Demokratie so wichtigen Qualitätsjournalismus zu finanzieren. Er wies zudem auf den Umbruch in der Medienlandschaft hin und drängte auf die Schaffung von dafür geeigneten Rahmenbedingungen. Außer Streit stand für Christl , dass Österreich den ORF brauche, da dieser als einziger Qualitätsjournalismus liefere.

Franz Medwenitsch (ORF-Stiftungsrat) betonte, der ORF stecke in einer wirtschaftlichen, strukturellen und kreativen Krise. Das Unternehmen verfüge jährlich über 60 Mill. € weniger, die Refundierung der Gebührenbefreiung werde das Problem aber nicht lösen. Angesprochen waren nach Meinung des Redners vielmehr die Strukturen, die, wie er urgierte, straffer werden müssten.

Roland Teichmann (Österreichisches Filminstitut) brach eine Lanze für den österreichischen Kinofilm und erinnerte den ORF an seine Rolle in der Filmförderung. Er trat dafür ein, die Pflicht des ORF zur Mitfinanzierung von Kinofilmen auf eine gesetzliche Basis zu stellen. Es sei nicht einzusehen, gerade jetzt, wo der österreichische Film boomt, die Zusammenarbeit mit der Filmförderung einzustellen, meinte Teichmann und appellierte an die Politiker, den ORF wieder zu einem verlässlichen Partner für den heimischen Film zu machen.

Abgeordneter Peter Mayer (V) setzte sich in seinem Beitrag für die Berücksichtigung von Randsportarten in der ORF-Sportübertragung ein und forderte weiters eine stärkere Bedachtnahme auf die Interessen der Jugend bei der Programmgestaltung.

Eva Blimlinger (G-Expertin) untermauerte die Forderung ihrer Fraktion nach einem speziellen Angebot für Migranten im ORF als Beitrag zur Integration.

Josef Brugger (G-Experte) erinnerte an die freien, nicht kommerziellen Medien und meinte, es gebe in der Medienlandschaft kein duales, sondern vielmehr ein Drei-Säulen-Modell, das im Gesetz entsprechend verankert werden sollte. Mit Nachdruck unterstützte er zudem die ORF-Landesstudios und deponierte den Wunsch nach einer täglichen Landesberichterstattung von mindestens einer Stunde.

Klaus Unterberger (ORF) stellte klar, der ORF erhalte 0,48 € pro Tag aus den Gebühren jedes Einzelnen. Die Bevölkerung bekomme für diesen Betrag ein umfangreiches, höchstwertiges Angebot. Beim ORF könne man sicher sein, Österreich pur zu erhalten.

Helmut Peissl (Verband freier Radios) sprach den Umbruch der Medienlandschaft und der Gesellschaft an und gab zu bedenken, der ORF könne vor diesem Hintergrund nicht mehr den Anspruch rechtfertigen, ein Angebot für die gesamte Bevölkerung zu senden. Freie, nicht kommerzielle Medien würden innovative Leistungen erbringen und sollten deshalb klar gesetzlich geregelt und auch bei der Förderung entsprechend anerkannt werden.

Abgeordnete Helene Jarmer (G) kritisierte, Österreich liege bei der Untertitelung von Fernsehsendungen mit einem Anteil von 30 % in Europa an vorletzter Stelle. 500 000 gehörgeschädigte Menschen müssten volle Gebühren zahlen, hätten aber nur Zugang zu 30 % des Angebots, beklagte sie, und forderte eine Ausweitung der Untertitelung der ORF-Sendungen.  

Peter Weller (Gewerkschaft Kunst, Medien, Sport, freie Berufe) drängte auf eine Novellierung des ORF-Gesetzes und forderte in diesem Sinn u.a. die Refundierung der Gebührenbefreiung oder die Verkleinerung des Direktoriums, aber auch die Sicherstellung der Existenz des RSO.

Brigitte Kulovits-Rupp (Stiftungsrätin) meinte, nicht die Größe des Stiftungsrates sei entscheidend. Sobald ein gemeinsamer Wille vorhanden sei, werde man zu Ergebnissen kommen. Das Beharren auf parteipolitischen Standpunkten sei jedenfalls nicht zielführend.

Die Schlussstatements der Parteienvertreter

Abgeordneter Josef Cap (S) trat in seinem Schlusswort für pragmatische Lösungen ein und meinte, bei einer Refundierung der Gebührenfreiheit für den ORF müsse man im Sinn des Dualismus auch über eine Erhöhung der Medienförderung nachdenken. Im Übrigen bemerkte er, das ORF-Gesetz mit der Regelung von Aufsichtsrat und Stiftungsrat habe sich bewährt, wichtiger wäre es nun, einen gemeinsamen Willen zu erarbeiten, damit der öffentlich-rechtliche Rundfunk stark bleibt. Auch äußerte Cap die Meinung, Unterhaltung gehöre auch beim ORF dazu, denn sonst gebe es weder Quoten noch Werbeeinnahmen. 

Abgeordneter Karlheinz Kopf (V) bekannte sich zu einem starken, unabhängigen, nicht filetierten ORF, beklagte aber auch, manche ORF-Verantwortliche seien mental in der Dualität noch nicht angekommen. Der ORF müsse seinen öffentlichen Auftrag erfüllen, seine Chance liege im Unverwechselbaren, im Österreichischen, im Identitätsstiftenden. Angesichts der schwierigen wirtschaftlichen Zeit mahnte Kopf, mit Werbebeschränkungen sei behutsam umzugehen. An den ORF appellierte er überdies, der bloße Ruf nach mehr Geld sei zu wenig, es gelte auch, die Kostenstrukturen des Unternehmens entsprechend anzupassen. Bei ordentlicher Anstrengung müssten 520 Mill. € an Gebühren ausreichen, den ORF zu erhalten, meinte er.

Abgeordneter Harald Vilimsky (F) erklärte das Modell der reinen Gebührenfinanzierung als Relikt aus dem vergangenen Jahrhundert und trat für eine Medienförderung ein, die Pluralität sichert. Die Kommerzschiene von ORF 1 und Ö 3 reiche jedenfalls nicht zur Rechtfertigung der Gebühren, es gehe vielmehr um mehr Rot-Weiß-Rot und mehr Qualität. Kritik übte er auch am Einfluss der Politiker der Regierungsparteien auf die Landesprogramme.

Abgeordneter Stefan Petzner (B) verwies auf die prekäre finanzielle Lage des ORF und forderte mehr Wirtschaftlichkeit. Insgesamt meinte er, langfristig werde es der öffentlich-rechtliche Rundfunk sehr, sehr schwer haben. Petzner deponierte abermals den Vorschlag seiner Fraktion nach Privatisierung eines der beiden ORF-Sender.

Abgeordneter Dieter Brosz (G) wies auf die Notwendigkeit eines leistungsfähigen dualen Systems in Österreich hin und verlangte überdies eine Neustrukturierung der Presseförderung. Anliegen des Redners war auch eine Regulierung des ORF an Hand messbarer Kriterien. (Schluss)