Parlamentskorrespondenz Nr. 839 vom 08.10.2009

Landwirtschaftsausschuss befasst sich mit der Milchmarktkrise

Minister Berlakovich präsentiert Liquiditätspaket für Bauern

Wien (PK) – Die gegenwärtige schwierige Situation am Milchmarkt prägte die Diskussion in der heutigen Sitzung des Landwirtschaftsausschusses. Der zuständige Minister Nikolaus Berlakovich berichtete über aktuelle Gespräche auf EU-Ebene und informierte darüber, dass er nächsten Montag zu einem "Milchgipfel" in Wien einlädt, wo er gemeinsam mit europäischen Amtskollegen über die weitere Vorgangsweise beraten wird. Er präsentierte auch die Maßnahmen auf nationaler Ebene, wie z.B. das Liquiditätspaket, und war überzeugt davon, dass Österreich so viel für die Milchwirtschaft tue wie kaum ein anderer Staat.

Auf der Tagesordnung des Ausschusses standen zudem zwei Entschließungsanträge der Opposition (Grüne und FPÖ) zu diesem Thema, in denen Sofortmaßnahmen für die Zukunft der Milchbetriebe gefordert wurden. Schließlich wurde noch ein neues Weingesetz mit S-V-F-Mehrheit beschlossen, das vor allem die Umsetzung der neuen Gemeinsamen Marktorganisation für Wein zum Inhalt hat. 

Aktuelle Aussprache zur Milchmarktkrise

Zu Beginn der Sitzung hielt der Minister ein Einleitungsstatement und wies auf die sehr schwierige und unerfreuliche Lage am Milchmarkt hin. Probleme gebe es auch in anderen zentralen Sektoren des Agrarmarkt (Getreide, Fleisch, Obst), was natürlich teilweise auf die internationale Wirtschaftskrise zurückzuführen sei.

Am Montag habe ein von Frankreich initiierter Sonder-Agrarministerrat, der sich mit der kritischen Lage am Milchmarkt befasste, in Brüssel stattgefunden, führte Berlakovich weiter aus. Die zuständige Kommissarin Fischer Boel habe dabei berichtet, dass die Preisentwicklung nach oben gehe, mittlerweile liege der Preis für einen Liter Milch bei 26 Cent. Diskutiert wurde auch über die von Österreich ausgehende Initiative, die mittlerweile von 20 Staaten unterstützt wird, kurzfristige Unterstützungsmaßnahmen, wie etwa Absatzförderprogramme, umzusetzen. Außerdem soll eine hochrangige Expertengruppe wirksame Strategien ausarbeiten. Er erwarte sich jedenfalls, dass die Kommission in einer solch schwierigen Situation ihre Anstrengungen verstärkt und den Milchbauern hilft. Es sei schon befremdlich, dass die Kommission die Vorschläge von 20 Mitgliedstaaten nicht aufgreift, zumal sie selber keine alternativen Konzepte habe.

Berlakovich betonte, er habe auch in Österreich alles Mögliche unternommen, um die Milchbauern in ihrer schwierigen Lage zu unterstützen. Das "Liquiditätspaket" für die Bauern sehe vor, dass die Überweisung der Direktzahlungen vorgezogen wird und 70 % der Gesamtsumme (etwa 430 bis 450 Mio. €) bereits im Oktober ausbezahlt werden. Österreich sei es gelungen, dafür die Genehmigung von der EU zu erhalten und sei somit das einzige Land in Europa, das diese Maßnahme umsetzt. Weitere konkrete Hilfe bringe die Auszahlung des Agrardiesels sowie die Möglichkeit Agrarkredite zu stunden, unterstrich der Landwirtschaftsminister.

Wie vorgesehen nutze er auch die Möglichkeit, die Quotenerhöhung heuer auszusetzen, um die Produktion nicht anzuheizen. Darüber hinaus greife er zu einer weiteren Steuerungsmöglichkeit, nämlich die Verschärfung der Saldierung, wodurch jene Bauern, die dieses System ausnutzen und extrem überliefern, mehr zur Kasse gebeten werden. Außerdem werde die Milchkuhprämie ab 2010 an die Bauern ausbezahlt.

Opposition fordert Sofortmaßnahmen für die Rettung der Milchbauern

Abgeordneter Wolfgang Pirklhuber (G) sah einen dringenden Handlungsbedarf, weil die Situation für die Milchbauern in ganz Europa katastrophal sei. Er fragte den Minister, ob es Überlegungen gebe, die Quote umzuwidmen, etwa in Richtung Direktvermarktungsmaßnahmen. Grundsätzlich sei er nämlich der Überzeugung, dass man nicht um jeden Preis exportieren soll. Weitere Fragen betrafen die Einführung einer erzeugerfinanzierten Umlage sowie die Höhe der Exporterstattungen.

Abgeordneter Kurt Gaßner (S) plädierte dafür, zumindest einmal den Versuch zu starten, die Saldierung befristet auszusetzen. Er frage sich auch, wie viel Mengenreduktion möglich sei, ohne die Viehbestände reduzieren zu müssen. Sein Fraktionskollege Walter Schopf wollte wissen, warum der Minister sich einer Aussprache mit Vertretern der IG-Milch verweigere.

Die frühere Auszahlung der Förderungen an die Bauern könne kein Allheilmittel sein, gab Abgeordneter Maximilian Linder (B) zu bedenken. Aus Kärnten wisse er, dass es nicht genügend Gelder für Umstiegsinvestitionen gibt. Auch sein Parteikollege Abgeordneter Wolfgang Spadiut machte sich große Sorgen um die Milchbauern und fürchtete, dass immer mehr Landwirte und vor allem Bergbauern ihren Betrieb aufgeben müssen. Er trat daher für ein Aussetzen der Saldierung ein.

Abgeordneter Harald Jannach (F) erkundigte sich danach, ob es nach dem Auslaufen der Milchquote Entschädigungen für die Bauern gibt. Zudem interessierte ihn der Stand der Verhandlungen über die neuen Einheitswerte. Auch er kritisierte die Haltung des Ministers, nicht mit IG-Milch-Vertretern sprechen zu wollen.

Abgeordneter Franz Eßl (V) unterstrich, dass sich Minister Berlakovich sehr intensiv für die heimischen Landwirte einsetze und auch einiges erreicht habe. Er habe sich auch immer für den Erhalt der Milchquote ausgesprochen, die meisten EU-Staaten seien aber leider dagegen. Von der Abschaffung der Saldierung halte er wenig, denn auch wenn kein einziger Bauer in Österreich mehr überliefere, würde das die gesamte Milchmenge in Europa nur um ein Tausendstel reduzieren.

Bundesminister Nikolaus Berlakovich wies zunächst darauf hin, dass ein Großteil der Molkereien (bis auf die Tirol Milch) den Milchpreis erhöht habe. Dennoch sei man noch nicht dort, wo man hin wolle.

Was die Saldierung anbelangt, so tendieren die Agrarexperten dazu, dieses System aufrecht zu erhalten, da auch viele kleine Betriebe in Österreich überliefern, gab der Ressortchef zu bedenken. Hinsichtlich der Milchquote könne er nur wiederholen, dass ein Großteil der EU-Staaten dafür sei, dass die Quote wie beschlossen 2015 auslaufen soll. Es ist auch nicht vorgesehen, dass es danach Entschädigungen für die Landwirte gibt. Über den Vorschlag einer Einführung einer erzeugerfinanzierten Umlage könne man sicherlich reden, allerdings müssen sich die Bauern selbst darauf verständigen. Dem Abgeordneten Maximilian Linder teilte er mit, dass sehr wohl Gelder für Umstiegsförderungen vorhanden sind. Die Verhandlungen über die neuen Einheitswerte sind am Laufen. 

Unrichtig sei, dass er nicht mit den Vertretern von IG-Milch reden wolle, erklärte Berlakovich. Er habe schon in einigen Bundesländern mit IG-Milch-Bauern Gespräche geführt und die Vorschläge dieser Organisation geprüft.

Auf Fragen der G-Abgeordneten Christiane Brunner hin erklärte der Minister, dass auf EU-Ebene ein verbesserter Bezeichnungsschutz (Stichwort "Analogkäse") angestrebt werde. Man habe sich in dieser Frage bereits an die EU-Kommissarin für Konsumentenschutz gewandt. Einig sei er sich auch mit seinem Ministerkollegen Stöger, dass eine klare Kennzeichnung kommen muss. Was die Interventionen und Exporterstattungen angeht, so stehen insgesamt 600 Mio. € für das Milchwirtschaftsjahr 2009 zur Verfügung.

Parteien wollen einen gemeinsamen Antrag zur Verbesserung der Situation der Milchbauern

In einem G-Antrag (760/A[E]) wird die Bundesregierung aufgefordert, endlich wirksame Maßnahmen gegen die Milchmarktkrise zu ergreifen und die Forderungen des European Milk Board, dem auch Vertreter und Vertreterinnen österreichischer Milchbetriebe angehören, auf nationaler Ebene umzusetzen bzw. auf europäischer Ebene vehement einzufordern. So müsse etwa die Anwendung der Mengenregelung umgehend flexibilisiert werden; Maßstab für Quotenanpassungen soll ein kostendeckender Milchpreis sein. Hierzu sind Quotenreserven zu schaffen, welche je nach Bedarf zur Produktion freigegeben werden können. Voraussetzung dafür ist eine wirksame Einschränkung der Landessaldierung in allen EU-Ländern.

Mitverhandelt wurde der F-Antrag 655/A(E) betreffend die Beibehaltung der Milchquote. Mit der Erhöhung der Milchquoten sowie mit dem bevorstehenden Auslaufen der Milchquotenregelung 2015 werde der Druck auf den Milchpreis noch drastisch erhöht, geben die Antragsteller zu bedenken. Man müsse damit rechnen, dass im Jahr 2009 bis zu einem Viertel der insgesamt 40.000 heimischen Landwirte ihren Betrieb aus wirtschaftlichen Gründen schließen müssen. Die Bundesregierung sei daher gefordert, die Voraussetzungen für die Beibehaltung der Milchquote vor und nach 2015 zu schaffen, um das wirtschaftliche Überleben der österreichischen Landwirtschaft und jenes der österreichischen Milchbauern auf Dauer zu sichern.

Abgeordneter Wolfgang Pirklhuber (G) erläuterte seinen Antrag und meinte, der Ausschuss sollte einen gemeinsamen Schulterschluss finden. Abgeordneter Manfred Haimbuchner von der FPÖ verwies darauf, dass die Oppositionsparteien im Landwirtschaftsausschuss ein Thema sachlich "anpacken", trat für eine "ehrliche" Diskussion ein und meinte, man müsse eine Quotenregelung schaffen und in Brüssel das Bestmögliche für die Landwirte herausholen. Aus seiner Sicht sollte man die Menge steuern und dem Handel die Möglichkeit nehmen, Druck auf die Landwirtschaft auszuüben. Ergänzend zum Vertagungsantrag des V-Abgeordneten Franz Eßl betonte S-Abgeordneter Kurt Gaßner, dass man sich "umgehend" bemühen sollte, einen 5-Parteien-Antrag zur Verbesserung der Situation der Milchbauern zustande zu bringen. Ausschussobmann Fritz Grillitsch versprach, mit den Fraktionsführern einen Verhandlungstermin zu vereinbaren.

Der G- und der F-Antrag wurden mit Mehrheit vertagt.

Neues Weingesetz setzt gemeinsame Marktorganisation der EU um

Mit dem Weingesetz 2009 werden insbesondere spezifische Vorschriften über das Inverkehrbringen, die Bezeichnung, die Behandlung und die Kontrolle von österreichischem Qualitätswein, Landwein und Wein ohne geschützte Ursprungsbezeichnung oder geografische Angabe mit Rebsorten- oder Jahrgangsbezeichnung erlassen.

Eine der wichtigsten Neuerungen ist die Einführung eines Weines ohne nähere regionale Herkunftsangabe (außer Österreich), jedoch mit der Angabe von Rebsorte(n) und Jahrgang. Dieser Wein kann in ähnlicher Weise wie Landwein vermarktet werden, weswegen das Weingesetz für ihn auch ähnliche Voraussetzungen vorsieht. Im Gegensatz zu Wein ohne Rebsorten- und Jahrgangsangabe (früher: Tafelwein) hat dieser Wein in Aussehen, Geruch und Geschmack fehlerfrei zu sein und eine Rebsortentypizität aufzuweisen. Darüber hinaus ist er – wie Land- und Qualitätswein - auch dem Hektarhöchstertrag unterworfen.

V-Abgeordneter Johannes Schmuckenschlager wies u.a. darauf hin, dass die traditionellen Begriffe "Landwein" und "Qualitätswein" weiterverwendet werden, der Begriff "Tafelwein" entfällt und ist auch in Österreich durch den Begriff "Wein" zu ersetzen. Mit dem neuen Weingesetz werde von dem Gebot abgegangen, Qualitätswein ausschließlich in Glasflaschen in Verkehr zu bringen. Zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit kann in Zukunft auch österreichischer Qualitätswein in Tetrapacks (er muss einer amtlichen Überprüfung zugeführt werden) oder "bag-in-boxes" – sie werden auf dem skandinavischen Markt verwendet - abgefüllt werden. Seine Fraktionskollegin Anna Höllerer unterstrich, dass das Weingesetz dem EU-Recht entspreche und der österreichischen Qualitätsweinproduktion zugute komme.

B-Abgeordneter Wolfgang Spadiut erklärte, das BZÖ werde der Vorlage nicht zustimmen, weil damit die österreichischen Qualitätskriterien untergraben werden. Auch die Grünen werden das Gesetz ablehnen, gab G-Abgeordneter Wolfgang Pirklhuber bekannt.

S-Abgeordneter Ewald Sacher zeigte sich froh darüber, dass nun diese Vorlage beschlossen wird, sei man doch mit der Umsetzung in Verzug.

Positiv äußerte sich auch F-Abgeordneter Walter Rosenkranz. Er sprach davon, dass nach Auskunft von Winzern die Qualität erhalten bleibt, jeder Winzer seine eigene Weinlinie kreieren könne und die Möglichkeit erhält, sich auf zusätzlichen Märkten zu bewerben. Für den heimischen Konsumenten werde sich nichts ändern, so Rosenkranz.

Die Vorlage wurde mit der Mehrheit von SPÖ, ÖVP und FPÖ beschlossen. (Schluss)