Parlamentskorrespondenz Nr. 1076 vom 02.12.2009

Absicherung der Krankenkassen im Ausschuss beschlossen

Über Ärzte-GmbH wird noch verhandelt

Wien (PK) – Im Mittelpunkt des heutigen Sozialausschusses stand die Absicherung der Gebietskrankenkassen, die auf Verhandlungen zwischen der Ärztekammer und dem Hauptverband basiert und im 4. Sozialrechts-Änderungsgesetz festgeschrieben ist. Die SRÄG-Novelle wurde in der Fassung eines Abänderungsantrages mit S-V-G-Mehrheit angenommen, die mitverhandelten oppositionellen Anträge wurden vertagt.

Das 4. SRÄG sieht u.a. folgende Maßnahmen vor: Die Nachbesetzung von vertragsärztlichen Stellen (dynamische Stellenplanung) wird neu geregelt, im Falle der Nicht-Nachbesetzung einer Planstelle erfolgt eine Investitionsablöse unter Anrechnung auf das Honorarvolumen. Die Verpflichtung zur Verwendung der E-Card und ihrer Infrastruktur in Krankenanstalten wird festgeschrieben. Im Zweifelsfall ist die Identität des/der Patienten/Patientin und die rechtmäßige Verwendung der E-Card zu überprüfen. Ferner wird eine Altersgrenze für VertragspartnerInnen (längstens bis zur Vollendung des 70. Lebensjahres), insbesondere im ärztlichen und zahnärztlichen Bereich, in die Gesamtverträge aufgenommen. Außerdem werden ein Kriterienkatalog für die Gesamtvertragspartner bei der Vereinbarung von Honorarordnungen eingeführt, das Aufsichtsrecht des Bundes über die Sozialversicherungsträger gestärkt und die Bestimmungen über die Vermögensanlage der Sozialversicherungsträger neu geregelt. Darüber hinaus beinhaltet die Vorlage auch Maßnahmen zur Eindämmung von Missbrauchsfällen bezüglich des Ausgleichszulagenbezugs.

Mitbehandelt wurden ein G-Antrag betreffend Aufhebung des willkürlichen Deckels im ASVG-Pensionsbereich und ein F-Antrag auf Übernahme der Sozialversicherungsbeiträge von Lehrlingen durch die öffentliche Hand.

Von den Regierungsparteien wurden § 27-Anträge zur Änderung des Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetzes (Möglichkeit der vorübergehenden Entnahme zweckgebundener Mittel zur Bestreitung der Aufwendungen für das Insolvenz-Entgelt soll mit 15.12.2009 in Kraft treten), zum Arbeitslosenversicherungsgesetz (elektronische Geltendmachung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld) und zum Kriegsopferversorgungsgesetz (Einmalzahlung für 2010) gestellt. Diese Anträge wurden S-V-G-Mehrheit (Kriegsopferversorgungsgesetz) bzw. mit S-V-F-G-Mehrheit angenommen.

Ein S-V-Abänderungsantrag zum 4. SRÄG enthält die Einmalzahlung. Beträgt das Gesamtpensionseinkommen einer Person bis zu 1.200 €, beläuft sich die Einmalzahlung auf 4,2 % des Gesamtpensionseinkommens; mehr als 1.200 bis zu 1.300 €, so bewegt sich die Einmalzahlung auf einer Höhe, die von 4,2 % auf 0 % des Gesamtpensionseinkommens linear absinkt. Die Einmalzahlung ist kein Pensionsbestandteil, wird aber zusammen mit den Pensionszahlungen für Dezember 2009 zum 1. Jänner 2009 ausbezahlt. Die Einmalzahlung gilt auch nicht als Nettoeinkommen, es sind auch keine Beiträge zur Krankenversicherung zu entrichten.

F-Abgeordneter Andreas Karlsböck erklärte, das SRÄG sei die legistische Umsetzung des Kassensanierungskonzepts, das zwischen der Ärztekammer und dem Hauptverband ausverhandelt wurde. Er kritisierte, dass die Ärzte-GmbH, eine langjährige Forderung der Ärzteschaft, zwar vertraglich zugesichert wurde, nun aber nicht umgesetzt wird, und gab dafür der Wirtschaft die Schuld, die sich die Berufsgruppe der Ärzte einverleiben möchte.

Abgeordneter Karl Öllinger (G) vertrat die Meinung, die Kassen werden trotz des Reformpakets 2013  auf einem Schuldenberg von 1 Mrd. € sitzen. Zur Zinsentilgung müssen jährlich mindestens 30 Mio. € aufgewendet werden. Das ist keine Kassenentschuldung, vielmehr stehen die Kassen weiterhin unter Druck und sollen ausgehungert werden. Das treffe die Versicherten, so Öllinger. Die Ärzte-GmbH sei bewusst nicht in der Vorlage, sie wurde im Einvernehmen mit der Ärztekammer wieder zurückgenommen, teilte er mit.

Abgeordnete Sabine Oberhauser (S) erklärte, die Ärzte-GmbH werde kommen, derzeit werde mit Hochdruck zwischen Ärztekammer und Hauptverband an einer rechtssicheren Lösung gearbeitet. Zwischen den Verhandlungspartnern müsse es Konsens geben und es müsse die europarechtliche Konformität gewährleistet sein.

Für Abgeordnete Ursula Haubner (B) könne man das 4. SRÄG sicher nicht als Gesundheitsreformpaket bezeichnen. Die darin enthaltenen Maßnahmen können auch nur ein erster Schritt in Richtung Umsetzung eines Kassensanierungspakets sein. Die Änderungen beim Einsatz der E-Card sowie bei der Ausbezahlung der Ausgleichszulage sah Haubner als Beweis dafür, dass es sehr wohl zu Missbrauchsfällen gekommen ist.

Abgeordneter Erwin Rasinger (V) sah die heutige Novelle als gelungenen Mix, da sowohl das ökonomische Prinzip als auch die Interessen der Patienten Berücksichtigung fanden. Die Altersbegrenzung bei den Medizinern halte er für sinnvoll, da er sich auch nicht unbedingt von einem 70-jährigen Chirurgen operieren lassen will. Für seinen Fraktionskollegen Karl Donabauer werden durch das Gesetz viele Erwartungen erfüllt und wichtige neue Wege beschritten. V-Abgeordneter August Wöginger wiederum hielt die Regelung bezüglich der Ausgleichszulagenbezieher, die aus dem Ausland noch eine Pension erhalten, für einen guten Ansatz, weil dadurch Missbrauch verhindert werden könne. Außerdem sollen heute noch die Einmalzahlungen im Rahmen der Pensionsanpassung 2010 beschlossen werden, führte er weiter aus. Er hielt es für richtig, dass es dieses Mal eine Erhöhung geben wird, die über die Ausgleichszulagenrichtsätze hinausgeht.

Es sei bemerkenswert, dass die Regierung heute eine Vorlage und Abänderungsanträge unterbreitet, die Punkte enthalten, die sie vor einiger Zeit noch vehement abgelehnt hat, gab Abgeordneter Werner Neubauer (F) zu bedenken. Als er selbst vor einigen Monaten etwa auf Missbrauchsfälle bei der E-Card und der Ausgleichszulage hingewiesen habe, sei er dafür von den Vertretern der Regierungsfraktionen noch geprügelt worden. Kritisch äußerte er sich zum Gesetzestext bezüglich der Pensionsanpassungen, den er für einen "Pfusch" halte. Er finde, dass nicht nur die 1,5 % zu wenig sind, auch die Regelung, dass es zwischen 1.200 und 1.300 Euro eine Reduzierung von 4,2 % auf 0 % gibt, verstehe niemand. Generell forderte er die seiner Ansicht nach dringend notwendige Harmonisierung des Pensionssystems, wie dies auch der Rechnungshof immer wieder eingemahnt hat.

Gesundheitsminister Alois Stöger stellte einleitend fest, dass Österreich das einzige Land in Europa sei, das zusätzliche Mittel – nämlich insgesamt 700 Mio. € – in das Gesundheitssystem investiere. Damit wolle man garantieren, dass die Menschen auch in der Krise Vertrauen in das Solidarsystem haben. Aus diesem Grund sei es auch notwendig, den Vertragspartnern geeignete Instrumente in die Hand zu geben, um den aktuellen Herausforderungen gewachsen zu sein, unterstrich der Minister. Als Beispiele dafür nannte er den dynamischen Stellenplan, die Investitionsablöse für Arztpraxen, die nicht mehr weitergeführt werden, die Verankerung des Ökonomieprinzips bei den Folgekosten, die Rahmenrichtlinie für Honorarordnungen sowie die Stärkung der Aufsichtsrechte des Bundes. Was das Weisungsrecht des Ministers angeht, so werde es dort schlagend, wo die Entscheidungen der Sozialversicherungen Auswirkungen auch auf Dritte haben. Dem G-Abgeordneten Karl Öllinger teilte er mit, dass der Zinsendienst von 31,2 Mio. Euro im Jahr 2008 auf 8,7 Mio. Euro im Jahr 2009 reduziert werden konnte. Würde es überall solche Rückgänge geben, müsste man sich über die Finanzierung der Sozialversicherung keine Sorgen mehr machen. Hinsichtlich der noch fehlenden Bereiche in der Novelle (z.B. Ärztegesellschaft) war Stöger überzeugt davon, dass nach Klärung der noch offenen Fragen bald eine Lösung gefunden werden kann.

Abgeordneter Karl Öllinger (G) gab hinsichtlich der Ausgleichszulagenregelung zu bedenken, dass nunmehr die Beweislast umgekehrt wurde. Die Betroffenen müssen nun nachweisen, dass sie eine Pension nicht zu Unrecht beziehen. Skeptisch zeigte er sich bezüglich der Deckelung der Verwaltungskosten in der Pensionsversicherung, weil dies kreativ umgangen werden könne und weil es auch zu viele Ausnahmemöglichkeiten gibt. Am sinnvollsten wäre seiner Ansicht nach die Umsetzung einer Gesamtorganisation der EDV im Sozialversicherungsbereich. In der Frage der Lehrlinge und der Jugendausbildung sollte man über Maßnahmen jenseits des dualen Ausbildungssystems nachdenken, regte er an, da schon die bisherigen Lehrlingsfördermaßnahmen von den Betrieben nicht ausreichend genutzt werden.

Abgeordneter Franz Riepl (S) wünschte sich eine seriöse Diskussion über Sozialmissbrauch, wo nicht einzelne Fälle polemisch hervorgehoben werden, sondern die "großen Brocken", wie etwa die nicht abgeführten Sozialversicherungsbeiträge der Arbeitgeber, angegangen werden.

Sozialminister Rudolf Hundstorfer führte bezüglich der Änderungen im Bereich der Ausgleichszulage an, dass die fragliche Personengruppe, die noch zusätzlich eine Pension aus dem Ausland erhalte, insgesamt 533 Personen umfasse. Obwohl es nur in einem Fall noch unbestimmte Verdachtsmomente gab, habe man sehr rasch reagiert und eine Neuregelung vorgeschlagen. Um auch gewissen Medienberichten entgegen zu treten, informierte der Minister darüber, dass von den 533 Personen 22 Rumänen und 14 Bulgaren sind; 359 Bezieher sind deutsche Staatsbürger. Überdies dürfe man bei der ganzen Diskussion nicht vergessen, dass diese Regelung natürlich auch für Österreicher, die im Ausland ihren Lebensmittelpunkt haben, gilt.

Bezüglich der Pensionsanpassung stellte Hundstorfer fest, dass derartige Berechnungen immer die Situation in der Vergangenheit abbilden und es daher zu dem vorliegenden Ergebnis kam. Im Seniorenrat haben übrigens auch die freiheitlichen Vertreter signalisiert, dass sie mit der Erhöhung um 1,5 % leben können. Die Ausschleifregelung zwischen 1.200 € und 1.300 € wurde deshalb eingeführt, damit jene Personen, die 1.201 € bekommen, nicht sofort keine Erhöhung mehr erhalten. Man habe bei 1.200 € bewusst eine Grenze eingezogen, weil damit eine große Gruppe von Pensionisten (1,4 Millionen Personen) erreicht werden kann. Zu den Änderungen im Zahlungsdienstegesetz merkte der Minister an, dass ab 1.1. gewährleistet sei, dass das Pflegegeld mit der Pension ausbezahlt wird.

Zum Thema Lehrlinge informierte Hundstorfer darüber, dass es derzeit nur um 350 bis 400 Lehrverträge weniger gibt als im Vergleichszeitraum. Dies bedeute, dass die Ausbildungsgarantie umgesetzt wurde und auch greife. In manchen Bundesländern stelle sich die Lage sogar so dar, dass es mehr offene Lehrstellen gibt als Lehrstellensuchende. Kleine Probleme gebe es nur in speziellen Regionen, erläuterte der Minister. Größere Schwierigkeiten gibt es bei der Gruppe der 19- bis 24-Jährigen, räumte Hundstorfer ein, auch sehe die Bilanz bezüglich der Jobvermittlungen gut aus. Für ihn am wichtigsten sei der Faktor Qualifikation, die aber bei der Grundausbildung beginnen müsse, da viele Jugendliche nur über einen Pflichtschulabschluss verfügen.

Vertagt wurden sodann der Entschließungsantrag der Grünen, in dem sie für die Aufhebung des willkürlichen Deckels im ASVG-Bereich eintraten, sowie die F-Forderung nach Übernahme der Sozialversicherungsbeiträge von Lehrlingen durch die öffentliche Hand. (Forts.)


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