Parlamentskorrespondenz Nr. 319 vom 04.05.2010

Experten beurteilen den mittelfristigen Budgetplan der Regierung

Unsicherheiten bei der Einschätzung der Konjunktur immer noch groß

Wien (PK) – Der Budgetausschuss nahm heute den Regierungsentwurf für ein Bundesfinanzrahmengesetz 2011 bis 2014 (660 d.B. ) samt Strategiebericht in Verhandlung. Durch eine Begrenzung der Ausgaben auf 69.099,3 Mrd. € im Jahr 2011 und einen stark gebremsten Anstieg auf 72.253,1 Mrd. € bis 2014 will die Regierung – bei einem geschätzten Einnahmenzuwachs von 58.885 Mrd. € (2011) auf 66.134,8 Mrd. € (2014) – das Budgetdefizit von 10.214,3 Mrd. € (2011) wieder auf 6.118,3 (2014) senken. Das Maastricht-Defizit des Gesamtstaates, das 2011 und 2012 mit 4 % und 3,3 % des BIP noch über dem Grenzwert von 3 % liegen wird, soll 2013 und 2014 auf EU-konforme 2,7 % und 2,3 % sinken. Hoch bleiben wird aber die Schuldenquote, die für 2011 mit 72,6 % des BIP angegeben wird und 2014 74,2 % ausmachen wird.

Seiner Tradition folgend, bei großen Haushaltsentscheidungen Budgetexperten zu laden, veranstaltete der Ausschuss unter dem Vorsitz seines Obmanns Jakob Auer ein Hearing, in dem führende Ökonomen den Abgeordneten für Detailauskünfte, Analysen und Einschätzungen zur Verfügung standen. Von Seiten der Bundesregierung nahmen Finanzminister Josef Pröll und seine Staatssekretäre Andreas Schieder und Reinhold Lopatka an den Verhandlungen teil.

Gerhard Lehner: Ein realistischer Konsolidierungsplan

Gerhard Lehner begrüßte die mittelfristige Budgetplanung im Rahmen des neuen Haushaltsrechts als ein wichtiges Instrument, das es erlauben werde, sich budgetpolitisch besser auf langfristige Einflüsse von Seiten der demographischen Entwicklung auf die Haushalte einzustellen. Derzeit sieht der Experte kurzfristige Ereignisse stark im Vordergrund der budgetpolitischen Diskussion stehen, riet aber dazu, im Herbst, wenn die weitere konjunkturelle Entwicklung realistischer eingeschätzt werden könne, wiederum stärker auf die mittelfristigen Aspekte der Budgetplanung zu achten. Den vorliegenden vierjährigen Finanzrahmen beurteilte Lehner als realistisch und sprach von wichtigen Schritten, um den Finanzmärkten zu zeigen, dass Österreichs Finanzpolitik seriös sei. Die Märkte und internationale Organisationen wie OECD und Währungsfonds reagierten sehr positiv darauf, wenn Länder ihre mittelfristigen Planungen einhalten, erinnerte Gerhard Lehner und nannte die diesbezüglichen guten Erfahrungen Österreichs in den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts.

Markus Marterbauer: Gute Ausgangslage für Budgetkonsolidierung

Markus Marterbauer wandte sich gegen jede Dramatisierung der österreichischen Budgetsituation und bezeichnete die Ausgangslage für das aus seiner Sicht langfristige Projekt der Budgetkonsolidierung als gut. Die Lage sei ökonomisch ähnlich zu beurteilen wie 1995 und auch damals sei die Sanierung gut gelungen. Es gehe darum, die Ausgaben langsamer steigen zu lassen als die Wirtschaftsleistung. Die konjunkturelle Entwicklung sei derzeit allerdings schwierig zu prognostizieren, weil zwar von Asien ein Aufschwung ausgehe, von dem man aber nicht sagen könne, wie rasch er Europa und Österreich mitziehen werde, aber nach wie vor Risiken durch instabile Finanzmärkte bestünden. Daher berge eine zu rasche Budgetkonsolidierung das Risiko, eine Rezession auszulösen. Er rate nicht dazu, Ausgabenkürzungen im Umfang von 1,6 Mrd. € für 2011 zu beschließen, sondern sowohl bei Einsparungen als auch bei Steuererhöhungen sehr genau darauf zu achten, wie sie sich auf den Konsum - und damit auf die Konjunktur - auswirkten.

Bruno Rossmann: Vermögen besteuern, thermische Sanierung fördern

Bruno Rossmann kritisierte den vorliegenden Entwurf, der Einsparungen nach der "Rasenmäher-Methode" vorsehe und die Gefahr mit sich bringe, die Konjunktur abzuwürgen. Wenn schon, sollte man den vorliegenden Finanzplan mit einem Konjunkturvorbehalt beschließen, um die Möglichkeit zu schaffen, die Konsolidierung auszusetzen, falls sich die Wachstumsprognosen verschlechterten. Rossmann sprach sich zudem für eine "asynchrone Konsolidierung" in den einzelnen EU-Ländern aus, um eine Depression zu verhindern, die entstehen könnte, wenn alle EU-Länder gleichzeitig ihre Haushalte konsolidierten. Für Österreich riet der Experte zu einer Beschäftigungsoffensive, insbesondere durch Investitionen der Gemeinden, etwa in Kinderbetreuung und Pflege. Einmal mehr sprach sich Bruno Rossmann für Investitionen in die thermische Sanierung sowie zugunsten von Forschung und Bildung aus. Rossmann brach eine Lanze für eine stärkere Besteuerung der in Österreich besonders ungleich verteilten Vermögen.

Ulrich Wlecke: Ende der Schuldenpolitik!

Ulrich Wlecke meldete Zweifel an den im Finanzplan vorgelegten Zahlenreihen an, auch wenn sie auf den ersten Blick solide aussähen. Hinsichtlich der Einnahmenschätzungen meinte der Experte, sie gingen von einem falschen Ausgangspunkt aus, da in die Einnahmen des Jahres 2009 die nur einmal mögliche Auflösung einer Rücklage in der Höhe von 5,4 Mrd. € einberechnet wurde. Es sei unrealistisch, anzunehmen, dass die Einnahmen bis 2014 um jährlich 3,3 % steigen können, da dieser Wert über dem zu erwartenden BIP-Wachstum liege. Auch die angegebenen Ausgabensteigerungen sähen nur auf den ersten Blick gut aus, in Wahrheit handle es sich lediglich um ein Einbremsen der Ausgabenzunahme. Dies werde dazu führen, dass die Staatsschuld bis 2014 um 45 Mrd. € und die Zinsbelastung von 7 Mrd. € derzeit auf 10,6 Mrd. € steigen werde. Gefordert sei aber ein Ende der Schuldenpolitik, man müsse aufhören, Geld auszugeben, das man nicht habe. Wlecke empfahl, die Konsolidierung auf keinen Fall zu verschieben und stärker durch Reduzierung von Ausgaben herbeizuführen, wobei er ausdrücklich auf Verwaltungsreformvorschläge des Rechnungshofs verwies. Der Experte warnte davor, die im internationalen Vergleich hohe Steuer- und Abgabenbelastung Österreichs weiter zu erhöhen, weil dies die Wachstumsaussichten verschlechtern würde.

Josef Pröll: Ausgabenentwicklung konjunkturschonend einbremsen 

Darauf sowie auf die Forderung des Abgeordneten Alois Gradauer (F), die Budgetkonsolidierung nicht über Steuererhöhungen herbeizuführen, sondern über Reformen, reagierte Finanzminister Josef Pröll mit der Aussage, die Kunst der Politik sei es, das Machbare zu tun und erklärte die weiter steigenden Schulden mit der Absicht, ein "Blutbad und einen Kahlschlag" in der österreichischen Wirtschaft zu vermeiden. Daher bekannte sich Pröll zur Formel 60:40, mit der sich die Regierung ein Verhältnis zwischen Ausgabeneinsparungen und Einnahmenerhöhungen vorgenommen habe, das es erlaube, die Dynamik der Ausgabenentwicklung konjunkturschonend zu bremsen. Im Vordergrund stehe dabei für Pröll das Sparen. Über den Bundesfinanzrahmen werde auch mit den Ländern und Gemeinden zu reden sein, denn die Ressorts müssten eine Verwaltungsreform ausverhandeln, um die vorgesehenen Ausgabenobergrenzen einhalten zu können.

Gradauers Frage nach dem Griechenland-Hilfspaket beantwortete der Finanzminister mit der Feststellung, dieses sei notwendig, um einen Flächenbrand zu vermeiden, die Stabilität der Eurozone zu sichern und den Finanzmärkten zu signalisieren, dass der europäische Wirtschafts- und Währungsraum Zukunft habe. Wäre Griechenland bankrott gegangen, hätte dies Österreich unmittelbar 5 Mrd. € an Kosten verursacht – Österreichs Betrag zum Hilfspaket mache 2,3 Mrd. € aus, erklärte Pröll und wandte sich dagegen, den Beitrag der Nationalbank zur IWF-Hilfe dazuzurechnen, weil dieses Engagement den Bundeshaushalt nicht belasten werde.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (S) wies gemeinsam mit seinem Fraktionskollegen Christoph Matznetter die Kritik an der Berechnung der Ausgabenobergrenzen und der Einnahmenschätzungen von Ulrich Wlecke mit dem Hinweis auf die haushaltsrechtlichen Vorschriften zurück und plädierte dafür, bei den Konsolidierungsmaßnahmen negative Effekte auf Wachstum und Beschäftigung zu vermeiden, indem man auf die Besteuerung von Spekulationsgewinnen, Banken, Grundbesitz, Stiftungen, Finanztransaktionen und Manager-Boni zurückgreife.

Auf diesbezügliche Fragen der Abgeordneten eingehend empfahl Markus Marterbauer angesichts der schwierigen Konjunkturlage, die Beschlüsse für die Budgetkonsolidierung so spät wie möglich zu fassen, weil dies eine bessere Einschätzung der weiteren Entwicklung erlaube.

Die steigenden Schulden seien nicht die Folge einer laxen Budgetpolitik, sondern Folgen der durch eine Finanzkrise ausgelösten Rezession. Die österreichische Abgabenquote stelle ökonomisch kein Problem dar, sie sei Ausdruck der politischen Entscheidung für ein gutes Sozialsystem. Die in Diskussion stehende Vermögensbesteuerung habe deshalb geringe Nachfrage- und Konjunktureffekte, weil sie Schichten treffe, die eine relativ zum Einkommen niedrige Konsum-, aber hohe Sparneigung haben. Für machbar hielt Marterbauer auch die Einführung von Ökosteuern, empfahl diesbezüglich aber soziale Ausgleichsmaßnahmen. Er warnte vor Einschränkungen der Sozialtransfers, weil dies die Konsumquote senken würde. Beachten sollte man auch die Auswirkungen von Konsolidierungsmaßnahmen auf den Arbeitsmarkt. Marterbauer schlug ein Beschäftigungs- und Ausbildungs-Förderungspaket zur Senkung der Jugendarbeitslosigkeit vor und warnte - wie Bruno Rossmann - vor parallelen Konsolidierungsmaßnahmen in allen 27 EU-Mitgliedstaaten. Österreich müsse damit rechnen, dass 50 % der Konjunkturauswirkungen einer Konsolidierung von eigenen Maßnahmen und weitere 50 % von Sanierungsmaßnahmen der anderen EU-Staaten kommen.

Abgeordneter Werner Kogler (G) klagte darüber, dass der Finanzrahmen-Entwurf keine Angaben über einnahmenseitige Maßnahmen enthalte und hielt es für notwendig, Investitionen in Forschung und Entwicklung, Kindergärten und Universitäten sowie in die thermische Sanierung zu stärken; sein Fraktionskollege Alexander Van der Bellen vermisste Angaben über den strukturellen Primärsaldo und kritisierte, dass Bund und Länder bei der Sanierung offenbar "außen vor" bleiben sollen.

Bruno Rossmann brachte das Impulsprogramm des WIFO zur Sprache und meinte, Österreich wäre gut beraten, eine Beschäftigungsoffensive zu starten, wobei er auf das Erfolgsmodell der thermischen Sanierung hinwies, durch deren Förderung viel privates Kapital mobilisiert werden konnte. Bei der asymmetrischen Konsolidierung der EU-Länder plädierte der Redner für eine EU-Lösung. Auch Rossmann vermisste Angaben darüber, wohin die Reise auf der Einnahmenseite gehen solle und kritisierte, dass Bund, Länder und Gemeinden den gesetzlich verpflichtenden Stabilitätspakt im Jahr 2009 nicht eingehalten haben. Für die Zukunft sei eine Föderalismusreform und die Finanzkoordination zwischen Bund, Ländern und Gemeinden sehr wichtig, sagte Rossmann und unterstrich seinen Vorschlag für eine Beschäftigungsoffensive unter Einbeziehung der Gemeinden.

Gerhard Lehner hielt dem gegenüber ein neuerliches Impulsprogramm und mehr Geld für die thermische Sanierung nicht für sinnvoll, sondern sprach sich dafür aus, die laufenden Programme abzuarbeiten und zu evaluieren, bevor neue Maßnahmen beschlossen werden. Auch Lehner meinte, der Stabilitätspakt sollte stärker beachtet werden und schlug darüber hinaus vor, eine gemeinsame Budgetvorschau für Bund, Länder und Gemeinden zu schaffen. Die Bundesländer sah Lehner einerseits von Einnahmenrückgängen betroffen, andererseits von den Kosten neuer Aufgaben belastet, die sie etwa bei der Kinderbetreuung und bei der Pflege übernommen haben. Die Bundesländer werden ihren Betrag zur Budgetkonsolisierung leisten, zeigte sich Lehner überzeugt.

Markus Marterbauer wies darauf hin, dass der vorgesehene Personalabbau beim Bund in erster Linie Jugendliche treffen werde, und plädierte dafür, auf den Ausbau sozialer Dienstleistungen zu setzen, und über eine Arbeitszeitverkürzung nachzudenken. Eine Arbeitszeitverkürzung um 10 % würde um 7 % mehr Beschäftigung und um 80.000 Arbeitslose weniger bringen, sagte der Experte und schlug vor, die steuerliche Begünstigung von Überstunden zu beenden.

Finanzminister Josef Pröll sah keine Möglichkeit, eine Milliarde Euro zusätzlich für ein Konjunkturprogramm im Jahr 2010 zu investieren, bekannte sich aber zu einer Ökologisierung ab 2011. Den Stabilitätspakt will der Finanzminister gemeinsam mit den Ländern auf neue Beine stellen.

Abgeordneter Günther Stummvoll (V) zeigte sich überrascht über die auffällige Zurückhaltung der Experten bei den Einsparungsvorschlägen und erbat Auskunft über die Kosten, die es für Österreich nach sich gezogen hätte, hätte die EU auf die Griechenland-Hilfe verzichtet. Stummvolls Fraktionskollege Martin Bartenstein sprach sich unisono mit VP-Abgeordneter Gabriele Tamandl gegen eine Arbeitszeitverkürzung aus.

Finanzminister Josef Pröll bezifferte die Folgen einer Insolvenz Griechenlands für Österreich mit einem Verlust von 5 Mrd. € für die dort engagierten heimischen Banken sowie mit weiteren 20 Mrd. € bis 40 Mrd. € an Verlusten infolge eines Austritts Griechenlands aus der Eurozone und mit jährlichen Wachstumsverlusten von bis zu 0,4 %. Die Griechenlandkrise verstärke Bemühungen, den Stabilitäts- und Wachstumspakt und die Budgetkontrolle in der Europäischen Union zu stärken; er unterstütze dies, sagte Pröll.

Markus Marterbauer wandte sich auf Anregung des Abgeordneten Günter Stummvoll (V) möglichen Einsparungen zu und meinte, im Gesundheitssystem seien langfristig ebenso Einsparungen möglich wie bei Förderungen, etwa bei der prämiengeförderten Zukunftsvorsorge und  durch einen Übergang von der Geld- zur Sachförderung in der Familienpolitik.

Gerhard Lehner erinnerte daran, dass das Konsolidierungsprogramm des Jahres 1997 in kurzer Zeit erfolgreich umgesetzt wurde, obwohl die wirtschaftliche Situation damals nicht viel besser gewesen sei. Wenig Verständnis zeigte Lehner für die Forderung nach Einführung eines eigenen Gesetzes für eine Vermögenszuwachsabgabe, wenn man dies wolle, könne man die diesbezügliche Ausnahmebestimmung im Einkommensteuergesetz streichen, lautete Lehners Vorschlag.

Abgeordneter Rainer Widmann (B) bezifferte die Kosten, die dem Steuerzahler aus der Griechenland-Hilfe erwachsen würden, mit 5,7 Mrd. €. Er wollte wissen, wie eine aufkommensneutrale Budgetkonsolidierung ohne Steuererhöhungen aussehen könnte.

Finanzminister Josef Pröll erinnerte seinen Vorredner daran, dass die vom BZÖ zu verantwortende Hypo-Pleite in Kärnten für die Republik ein zehnmal größeres Risiko geborgen habe als die Griechenlandkrise. Der beste Beitrag zur Budgetkonsolidierung sei vom Wirtschaftswachstum zu erwarten, sagte der Vizekanzler und kündigte an, die konkreten Sparmaßnahmen, mit denen der vorliegende Finanzrahmen zu erfüllen sei, über die Sommermonate in den einzelnen Ressorts auszuhandeln.

In einer weiteren Verhandlungsrunde führte der Finanzminister auf eine diesbezügliche Frage der Abgeordneten Roman Haider und Alois Gradauer (beide F) aus, dass die Vereinbarungen, die zwischen den EU-Mitgliedsländern und der Kommission getroffen wurden, in das EU-Regelwerk rechtskonform implementiert werden.

Ulrich Wlecke konnte Vorschlägen für eine asynchrone Budgetkonsolidierung in der Eurozone nichts abgewinnen und wies auch die Auffassung zurück, Handelsbilanzüberschüsse in Ländern wie Deutschland oder Österreich hätten zur finanziellen Schieflage innerhalb der Eurozone geführt. Er glaube nicht an staatliche Nachfragestimulierung, sondern an Konsolidierung durch Wachstum, das setze Wettbewerbsfähigkeit voraus, vor allem gegenüber den wirtschaftlichen Konkurrenten in Ostasien.

Ein Crash Griechenlands wäre in niemandes Interesse gewesen. Statt der 110 Mrd. € Hilfe wäre es aber sinnvoller gewesen, Griechenland teilweise zu entschulden, was für Österreich einen Abschreibungsbedarf von 1,5 Mrd. € bedeutet hätte, dieser Betrag wäre aber im vorhandenen Bankenpaket unterzubringen gewesen. Die gewählte Vorgangsweise bei der Griechenlandhilfe überfordere hingegen das Land und liege überdies im Interesse von Banken und Hedgefonds; die Spekulanten, die sich an den hohen Zinsen für griechische Anleihen bereichert hätten, würden nun geschont, die Verluste aber sozialisiert – die Griechenlandhilfe biete ein schlechtes Beispiel für die Lösung der Probleme anderer EU-Länder, sagte der Experte.

Finanzminister Josef Pröll wies demgegenüber darauf hin, dass die gewählte Vorgangsweise bei der Griechenlandhilfe die Situation der osteuropäischen Länder berücksichtigt habe und eine Entschuldung jeden Einfluss auf Änderung der griechischen Budgetpolitik unmöglich gemacht hätte. 

Die SP-Abgeordneten Marianne Hagenhofer, Hubert Kuzdas und Petra Bayr erfuhren von Finanzminister Josef Pröll, dass für die Griechenlandkrise nicht Ratingagenturen, sondern die dortige Regierung verantwortlich sei; eine Hedgefonds-Regelung in der EU sei am Widerstand Großbritanniens gescheitert. Zwischen den Zielen Klimaschutz und Entwicklungszusammenarbeit einerseits und der Budgetkonsolidierung andererseits bestünden Zielkonflikte, räumte Pröll ein. Strafzahlungen wegen nicht erreichter Klimaschutzziele erwartet der ehemalige Umweltminister jedoch nicht, weil er überzeugt sei, dass es gelingen werde, die österreichischen Klimaschutzziele zu erreichen, sagte Pröll.

Markus Marterbauer führte die globale Krise auf die Liberalisierung der Finanzmärkte zurück und beurteilte den Finanzsektor insgesamt als zu groß. Er hielt eine Rebalancierung zwischen Finanzwirtschaft und Realwirtschaft für notwendig und sprach sich dafür aus, eine Finanztransaktionssteuer einzuführen, mehr Transparenz bei Hedgefonds zu schaffen und das Eigenkapital der Banken auf Kosten von Dividendenausschüttungen und Manager-Boni zu stärken. Grundsätzlich gehe es darum, den Faktor Arbeit auf Kosten leistungsloser Einkommen und Ressourcenverbrauch zu entlasten.

Die Frage der Abgeordneten Ruperta Lichtenecker (G) nach Sparpotenzialen durch Strukturreformen beantwortete Gerhard Lehner, indem er meinte, eine genauere Zuordnung der Finanzierung von Kinderbetreuung, Sozialausgaben und Gesundheitsausgaben zwischen Bund, Ländern und Gemeinden würde mittelfristig Einsparungen in der Höhe von 3 Mrd. € ermöglichen.

Bruno Rossmann schloss sich Gerhard Lehner an und forderte zudem eine Föderalismusreform. Um für diese Reform Zeit zu gewinnen, schlug er vor, die Budgetkonsolidierung zunächst durch Einnahmenerhöhungen in Angriff zu nehmen. Hinsichtlich des Finanzausgleichs drängte der Experte auf die Auflösung der Transferverflechtungen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden mit dem Ziel eines aufgabenorientierten Finanzausgleichs. Einmal mehr unterbreitete Rossmann seine Vorstellungen für eine ökosoziale Steuerreform und bezeichnete eine Reform der Finanzmärkte als notwendig.

Staatssekretär Reinhold Lopatka berichtete über Gespräche mit den Bundesländern zum Thema Finanzausgleich und über Reformen für eine Erhöhung der Verwaltungseffizienz. Abgeordnetem Rainer Widmann (B) teilte der Staatssekretär zugleich aber mit, die Bundesländer und die Gemeinden seien dagegen, den Finanzausgleich aufzuschnüren.

Fragen der Abgeordneten Gabriele Tamandl (V) beantwortete Gerhard Lehner, indem er davor warnte, die Budgetkonsolidierung zu verschieben und gab seiner Überzeugung Ausdruck, dass eine Vermögenszuwachssteuer keinen substantiellen Beitrag zur Budgetkonsolidierung leisten könnte, sondern nur als ein Beschäftigungsprogramm für Steuerberater wirken würde. Dieser Auffassung schloss sich auch Experte Ulrich Wlecke an.

Bruno Rossmann blieb hingegen bei seiner Auffassung, die ungleiche Verteilung der Vermögen in Österreich lege es nahe, Vermögen stärker zu besteuern und zur Budgetkonsolidierung heranzuziehen.

Staatssekretär Andreas Schieder meinte, eine Budgetsanierung ohne Steuererhöhungen sei theoretisch denkbar, gesellschaftspolitisch aber nicht wünschenswert, weil sichergestellt werden solle, dass die automatischen Stabilisatoren weiter wirken können und soziale Verwerfungen vermieden werden. Das lege einen Mix einnahmenseitiger und ausgabenseitiger Maßnahmen nahe, wobei Schieder die vereinbarte 40:60 Relation für vernünftig hielt.

Bei der Griechenlandhilfe sehe er durchaus die Hoffnung, dass nicht alle vorgesehenen Tranchen notwendig sein werden. Die Haushalte der Länder und Gemeinden stehen in Folge sinkender Einnahmen unter Druck, dieser Druck werde aber wieder geringer werden, wenn die Einnahmen dank besserer Konjunktur wieder steigen.

Nach dem Expertenhearing setzte der Budgetausschuss seine Beratungen über das Bundesfinanzrahmengesetz fort. (Siehe dazu PK Nr. 320 /2010) (Fortsetzung)