Parlamentskorrespondenz Nr. 467 vom 15.06.2010

Nach wie vor soziale Ungleichheit im Hochschulsektor

Bericht zur sozialen Lage der Studierenden 2010 liegt vor

Wien (PK) – Der Bericht zur sozialen Lage der Studierenden (III-155 d.B.) enthalte neben einer umfangreichen Darstellung der Entwicklung der Studienförderung auch die Ergebnisse der Studierenden-Sozialerhebung 2009, die einen wichtigen empirischen Beitrag zu den intensiven Diskussionen im laufenden "Dialog Hochschulpartnerschaft" leisteten, schreibt Wissenschaftsministerin Beatrix Karl in ihrem Vorwort. Dieser Befragung lägen 39.750 verwertbare Fragebögen von Studierenden an öffentlichen Universitäten, Fachhochschulen und erstmals auch Pädagogischen Hochschulen zugrunde – eine Stichprobengröße, die verlässlichere Aussagen über die Gruppe der HochschülerInnen zulasse als bislang möglich gewesen.

Entwicklungen auf dem Gebiet der Studienförderung

Das Studienförderungsgesetz 1992 ist im Berichtszeitraum drei Mal novelliert worden, um Verbesserungen für die Studierenden (u. a. durch Anhebung der Studienbeihilfe) zu erzielen. Insgesamt wurden 2009 187,6 Mio. € für die Studienförderung und damit für Maßnahmen zur Unterstützung von Ausbildungen im postsekundären Bereich aufgewendet, was einen Rückgang gegenüber den Vorjahren bedeutet. Dieser sei jedoch auf den weitgehenden Wegfall der Studienbeiträge bzw. ihre Refundierung durch Studienzuschüsse zurückzuführen. Bereinigt man die Budgetaufwendung um diesen Einsparungseffekt, so ergibt sich auch für 2009 eine Steigerung.

Die mit der Novelle 2007 umgesetzte Anhebung der Studienbeihilfe um 12 % führte vor allem zur Verbesserung der Situation von HöchstbeihilfenbezieherInnen, Studierenden mit Selbsterhalterstipendien und HochschülerInnen aus Elternhäusern, in denen eine angespannte finanzielle Situation herrscht.

Mit der Novelle 2008 habe man u. a. die Auszahlungsuntergrenze von Studienbeihilfen auf 60 € herabgesetzt, heißt es in dem Bericht. Darüber hinaus ist eine Ausweitung des BezieherInnenkreises beschlossen worden – ein Ziel, das man zwischen den Studienjahren 2007/08 und 2008/09 auch erreicht habe, wie die Zunahme der Bewilligungszahlen um knapp 5 % verdeutliche. Die leicht fallende Tendenz im Sommersemester 2009 müsse als Folge der Neuregelung der Studienbeiträge betrachtet werden.

Die Novelle des Jahres 2008 stellte außerdem auf die Förderung von Studierenden mit besonderen Bedürfnissen ab. Dabei seien Begünstigungen (hinsichtlich Förderungshöhe und –dauer) für Studierende mit Kinderbetreuungspflichten und Studierende mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen eingeführt worden.

Bei den bewilligten Studienförderungen zeigte sich eine weibliche Dominanz mit leicht steigender Tendenz: Von 2001 bis 2009 hat sich die Relation Frauen zu Männer von 56 % zu 44 % auf 58 % zu 42 % verschoben. Die Studienförderung beinhalte damit, so der Bericht, auch eine frauenfördernde Komponente. Darüber hinaus bezögen mehr Studierende aus niedriger Schicht (43 %) als aus hoher Schicht (8 %) eine Studienbeihilfe, was die Zielgenauigkeit der Fördermaßnahmen unter Beweis stelle.

Mehr Mittel sind für einige Unterstützungsmaßnahmen nach dem Studienförderungsgesetz (u. a. Fahrtkostenzuschuss sowie Leistungs- und Förderungsstipendien) aufgebracht worden. Außerdem habe man im Studienjahr 2008/09 2.908.767 € zur Förderung von Auslandsaufenthalten zur Verfügung gestellt.

Bei den Leistungen nach dem Familienlastenausgleichsgesetz 1967 kommt der Familienbeihilfe, die derzeit von rund 1,1 Mio. Anspruchsberechtigten für 1,8 Mio. Kinder bezogen werde, die größte Bedeutung zu. Die Zahl der Studierenden mit Familiebeihilfenanspruch habe im Berichtszeitraum kontinuierlich zugenommen und lag im Wintersemester 2009/10 bei 117.445 Personen.

Darüber hinaus gibt der Bericht eine Übersicht über die Entwicklung der Kranken- und Unfallversicherung für Studierende, der Pensions- und Arbeitslosenversicherung und der Förderungen nach dem Einkommensteuergesetz 1988. Außerdem enthält er eine Aufstellung der öffentlichen Aufwendungen für Studentenwohnheime.

Ergebnisse der Studierenden-Sozialerhebung 2009

Mit den Ergebnissen der Studierenden-Sozialerhebung 2009 lägen laut Bericht nunmehr verlässlichere Aussagen über die Situation der StudentInnen vor als bislang der Fall gewesen. Erstmals habe man Studierende an Pädagogischen Hochschulen als Zielgruppe berücksichtigt, die Stichprobe vergrößert und auch neue Themen und Fragestellungen in die Erhebung aufgenommen. Die Ergebnisse beziehen sich auf alle in- und ausländischen Studierenden in Österreich mit Ausnahme der Doktoratsstudierenden, denen ein eigener Bericht gewidmet werde. Ergänzung findet die Analyse durch zahlreiche statistische Auswertungen.

Insgesamt studierten im Wintersemester 2009/10 knapp 300.000 Menschen an allen öffentlichen Hochschulen Österreichs. Rund 200.000 inländische Studierende (inkl. Doktoratsstudierende) entfielen dabei auf die wissenschaftlichen Universitäten. Dieser Wert entspreche dem Stand des Jahres 2000 und damit einem Zeitpunkt vor Einführung der Studienbeiträge, durch die es zu einem deutlichen Rückgang bei den Studierendenzahlen gekommen sei. Experten zufolge wären aktiv Studierende aber kaum von diesem Rückgang betroffen gewesen.

Was die Umsetzung der neuen Studienarchitektur betreffe, so machen laut Bericht Bachelorstudien 2008 rund 70 % aller erstmalig zugelassenen Studien an wissenschaftlichen Universitäten aus. An Fachhochschulen würden nur noch vier Diplomstudien angeboten, an Pädagogischen Hochschulen könnten nur noch Bachelorstudien aufgenommen werden.

Im Wintersemester 2008/09 haben dem Bericht zufolge rund 40 % der 18- bis 21-jährigen InländerInnen ein Hochschulstudium begonnen, was einer Zahl von 36.000 Personen entspricht. Ungefähr 60 % dieser Grundgesamtheit nahmen ihr Studium an einer wissenschaftlichen Universität, rund 30 % an einer Fachhochschule, knapp 8 % an einer Pädagogischen Hochschule und 1 % an einer Kunstuniversität auf. Zu den 36.000 inländischen kamen rund 11.000 ausländische StudienanfängerInnen, womit beide Gruppen Zuwächse zu verzeichnen hatten. In allen Hochschulsektoren dürften im Herbst 2009 mehr als 50.000 Personen ein Studium aufgenommen haben. In den letzten 10 Jahren sei die Zahl der an Universitäten erstmalig aufgenommenen Studien dabei vor allem in den Fächergruppen der Geistes-, Natur- und Rechtswissenschaften angestiegen.

Dabei beginnen mehr Frauen als Männer ein Hochschulstudium: So habe man 2008 bei einem Frauenanteil von 56 % unter den inländischen Studienanfängern gehalten. Im FH-Sektor liege dieser Wert aber nur bei rund 45 %. Die höchsten Frauenanteile bei den Studienanfängern verzeichnen Kunstuniversitäten (57 %) und Pädagogische Hochschulen (75 %). Deutliche Unterschiede würden auch bei Betrachtung der Geschlechterproportionen in den einzelnen Studienfächern sichtbar: So liegt der Frauenanteil unter den Studienanfängern in der Veterinärmedizin bei 80 %, während die technischen und montanistischen Fächer bei rund 25 % hielten.

Das durchschnittliche Eintrittsalter an wissenschaftlichen Universitäten lag im Wintersemester 2009/10 bei 20,6 Jahren, während StudienanfängerInnen an den Fachhochschulen im Schnitt 24,3 Jahre alt waren. Besonders hoch lag das durchschnittliche Eintrittsalter mit 26,3 Jahren bei den Pädagogischen Hochschulen.

An der sozialen Herkunft der StudienanfängerInnen, gemessen am Bildungsstand der Eltern, habe sich seit 15 Jahren kaum etwas verändert. Studierende aus bildungsfernen Schichten sind nach wie vor deutlich unterrepräsentiert, hält der Bericht fest. Durchschnittlich stärker vertreten sind diese an den Fachhochschulen, durch deren Expansion der Hochschulsektor von Jahr zu Jahr sozial ausgeglichener werde. Im Wintersemester 2008/09 kamen auf 1.000 Männer aus bildungsfernen Schichten aber nur 18 StudienanfängerInnen, während auf 1.000 Männer aus bildungsnahen Milieus knapp 48 junge Menschen, die ein Studium aufnahmen, entfielen.

Die Erhebungsdaten der letzten 10 Jahre wiesen insgesamt auf einen Rückgang des Anteils von Studierenden aus niedrigen Schichten, einen Anstieg des Anteils von Studierenden aus mittleren Schichten und einen konstanten Anteil von Studierenden aus hoher Schicht hin. Vom ersten auf das zweite Studienjahr sinkt der Anteil der HochschülerInnen aus niedriger Schicht insgesamt um 3%-Punkte. Unverändert zeigten sich auch nach Studienrichtung große Unterschiede hinsichtlich der sozialen Zusammensetzung der Studierenden: HochschülerInnen aus hoher Schicht sind etwa in den medizinischen Fächern stärker vertreten.

Knapp die Hälfte der StudienanfängerInnen verfügten über eine AHS-Matura, 41 % absolvierten eine BHS. BHS-AbsolventInnen stellten laut Bericht aber die Mehrheit der inländischen StudienanfängerInnen an den Fachhochschulen. Während aber der Anteil an AHS-MaturantInnen in den letzten Jahren gesunken sei, nehme die Zahl der Studierenden mit nicht-traditionellem Hochschulzugang zu. Nach der Volksschule haben 62 % der BildungsinländerInnen unter den Studierenden eine AHS-Unterstufe und nur 36 % eine Hauptschule besucht. Die Chance, ein Hochschulstudium aufzunehmen, liegt für AHS-Unterstufen-SchülerInnen damit drei Mal so hoch. Ehemalige HauptschülerInnen, die häufiger aus niedrigen sozialen Schichten kamen, gelangten vor allem mit BHS-Matura an die Hochschulen, heißt es im Bericht.

Im Wintersemester 2008/09 hat in Wien mehr als die Hälfte der 18- bis 21-Jährigen ein Studium begonnen. Im Burgenland und in Kärnten – den Bundesländern, die die stärksten Zuwächse bei der Hochschulzugangsquote verzeichneten – lag der diesbezügliche Wert bei 40 %, wohingegen in Tirol und Vorarlberg nur rund ein Viertel der gleichaltrigen Wohnbevölkerung ein Hochschulstudium aufnahm. Unter den Studierenden mit österreichischer Studienberechtigung überwiegen mit 55 % jene, die in ländlichen Regionen aufgewachsen sind. Überdurchschnittlich hoch liegt dieser Wert bei Studierenden aus sozial niedrigen Schichten (72 %).

Darüber hinaus hält der Bericht fest, dass für die Darstellung der sozialen Situation von Studierenden der Bildungshintergrund entscheidender sei als die Staatsbürgerschaft. Es müsse außerdem festgestellt werden, dass rund 20 % der ausländischen Studierenden ihre Studienberechtigung in Österreich erworben haben.

Die Mehrheit der Studierenden ist ledig (68 %) und kinderlos (91 %). Nur 8 % geben an, Kinder zu haben, was jedoch einen Anstieg um 1,4 % gegenüber dem  Vergleichswert aus 2006 bedeute, so der Bericht. Studierende mit Kindern sind im Schnitt 10 Jahre älter als HochschülerInnen ohne Kinder, alleinerziehende Studierende häufiger Frauen als Männer.

Die meisten Studierenden (27 %) lebten in einem Haushalt mit dem Partner. Jeweils rund ein Fünftel entfällt auf Wohngemeinschaften, Einzelhaushalte und die elterlichen Haushalte. Jeder zehnte Studierende lebt in einem Wohnheim. Eine steigende Tendenz ist jedoch bei den Studierenden in eigenen Haushalten festzustellen, so der Bericht. Unzufriedenheit über die eigene Wohnsituation äußert jeder 10. Studierende. Die Aufwendungen für Wohnen betragen für HochschülerInnen, die nicht mehr im elterlichen Haushalt leben, durchschnittlich 330 € monatlich.

61 % der Studierenden gingen während des Semesters einer Erwerbstätigkeit nach, wobei das durchschnittliche Erwerbsausmaß bei knapp 20 Wochenstunden liegt. Weitere 19 % (und hier vor allem FH-Studierende in Vollzeit-Programmen) gingen in den Ferien einer Beschäftigung nach. Von den Unter-20-Jährigen sind knapp 40 %, von den 23-Jährigen fast 60 % und von den 25-Jährigen knapp 70 % während des Semesters erwerbstätig, heißt es im Bericht. Zwar gibt es kaum einen Zusammenhang zwischen Erwerbsquote und sozialer Schicht, doch besteht eine Korrelation zwischen sozialer Herkunft und Erwerbsausmaß. Im Vergleich zu 2006 ist die Erwerbsquote außerdem um 4 Prozentpunkte gestiegen. Dabei verdiente etwas mehr als die Hälfte der Studierenden (56 %) bis zu 400 € monatlich. Bei drei Viertel der Erwerbstätigen dient die Berufstätigkeit außerdem der Bestreitung des Lebensunterhalts. 54 % gehen einer Erwerbstätigkeit nach, um für das Studium anfallende Kosten begleichen zu können.

Der Großteil der erwerbstätigen Studierenden (53 %)- und hier häufiger Männer – geht eigenen Angaben zufolge einer inhaltlich anspruchsvollen Tätigkeit nach. Vor Aufnahme ihres Studiums waren 52 % der Studierenden erwerbstätig, wovon 37 % auf HochschülerInnen aus niedriger Schicht entfallen. Erwerbstätigkeit während des Studiums hat laut Bericht zeitlich negative Auswirkungen auf den Studienaufwand, 47 % bereite es sogar explizit Schwierigkeiten, Studium und Beruf zu vereinbaren. Durchschnittlich wendet ein Studierender rund 30 Wochenstunden für sein Studium und 12 für Erwerbstätigkeit auf, was einer 42-Stunden-Woche entspricht. Den größten Gesamtaufwand haben dabei Studierende in berufsbegleitenden FH-Studiengängen (mit 62 Stunden).

Ein Praktikum hat rund die Hälfte aller Studierenden während ihrer Studienzeit absolviert. Insgesamt sind 45 % der absolvierten Praktika unbezahlt gewesen, wobei der Anteil der Frauen, die unbezahlte Praktika angenommen hatten, mit 53 % deutlich höher liegt als jener der Männer (34 %).

Das monatliche Gesamtbudget eines Hochschülers beträgt laut Bericht durchschnittlich 980 €, wovon 820 € aus direkten Geldeinnahmen und 160 € aus Naturalleistungen (z. B. Aufwendungen der Eltern) erzielt werden. Als finanzielle Hauptquellen werden Erwerbseinkommen und familiäre Zuwendungen angeführt. Studierende aus niedriger Schicht und BildungsausländerInnen verfügen laut Bericht über das geringste monatliche Gesamtbudget. Die durchschnittlichen monatlichen Kosten belaufen sich auf 900 €, wovon 820 € für die Lebenserhaltung (und hier vor allem für den Bereich Wohnen) aufgewendet werden. Gut ein Viertel der Befragten gab an, zum Zeitpunkt der Erhebung finanzielle Schwierigkeiten zu haben – eine Tendenz, die mit steigendem Alter zunehme.

Der Anteil der nicht krankenversicherten Studierenden lag zum Befragungszeitraum bei 1,3 %. Unter den 27-Jährigen waren – mit einem Anteil von 2,4 % - aber fast doppelt so viele Studierende nicht versichert wie im Durchschnitt. Was den Gesundheitszustand der HochschülerInnen anbelangt, so geben 28 % an, von Arbeits- und Konzentrationsschwierigkeiten betroffen zu sein. 16 % litten an stressbedingten gesundheitlichen Beschwerden, 15 % fühlten sich durch psychische Probleme und Ängste in ihrem Studienfortschritt beeinträchtigt. Rund ein Fünftel der Studierenden gab an, gesundheitlich beeinträchtigt zu sein. (Schluss)