Parlamentskorrespondenz Nr. 526 vom 24.06.2010

Unterhaltsvorschuss muss weiter entwickelt werden

Parlamentarische Enquete über Obsorge und Unterhalt abgeschlossen

Wien (PK) - Im letzten Block der Parlamentarischen Enquete zum Thema Obsorge und Unterhalt ging es um die Weiterentwicklung des Unterhaltsvorschussrechts. Zwar wurden die gesetzlichen Bestimmungen erst im vergangenen Jahr novelliert und die Auszahlung von Unterhaltsvorschuss beschleunigt, dennoch gibt es für viele Alleinerzieherinnen nach wie vor einen unbefriedigenden Zustand. Ist der Vater untergetaucht oder nicht in der Lage, Unterhalt zu zahlen, steht den Kindern auch weiter kein Unterhaltsvorschuss zu.

Stormann: Länder sollen ihre Verantwortung wahrnehmen

Leitender Staatsanwalt Michael Stormann gab als Vertreter des Justizministeriums zu bedenken, dass der Bund in dieser Frage aufgrund der Kompetenzlage nur einen begrenzten Handlungsspielraum habe. Mit der im vergangenen Jahr beschlossenen beschleunigten Auszahlung von Unterhaltsvorschuss sind ihm zufolge die Möglichkeiten des Bundes weitgehend erschöpft. Wolle man für alle Kinder regelmäßige Unterhaltsvorschusszahlungen, müsse man an die Verantwortung der Länder appellieren. Es liege an ihnen, Abhilfe zu schaffen.

Die im vergangenen Jahr beschlossene und seit 1. Jänner dieses Jahres geltende Änderung des Unterhaltsvorschussrechts wirke jedenfalls, hob Stormann hervor. Der Anspruchszeitpunkt auf Unterhaltsvorschuss sei deutlich vorverlagert worden, das habe im heurigen Jahr zu 29 % mehr Fällen geführt.

Tews: Unterhaltsvorschuss bis zum 19. Lebensjahr ausdehnen

Rechtsanwalt Günter Tews sieht dem gegenüber sehr wohl Verbesserungsmöglichkeiten im Unterhaltsvorschussrecht. Ein Problem ist für ihn etwa die Volljährigkeitsfrage. Durch die Herabsetzung der Volljährigkeit von 19 auf 18 Jahre müssten zahlreiche SchülerInnen und Lehrlinge vor Gericht um weiteren Unterhalt streiten, skizzierte er. Tews regte an, den Unterhaltsvorschuss an die Ausbildungszeit zu knüpfen und ihn etwa bis zur Beendigung der Lehre oder einer höheren Schule zu gewähren.

Große Probleme ortet Tews darüber hinaus aufgrund der mangelhaften Qualifikation jener Personen, die Kinder und Jugendliche im Namen der Jugendwohlfahrt in Angelegenheiten des Unterhaltsvorschusses vertreten. Die Kinder würden dadurch häufig um berechtigte Leistungen gebracht, kritisierte er und verwies beispielsweise auf die Nichtberücksichtigung von Zinsen. Dem obsorgeberechtigten Elternteil sei es mangels Vertretungsbefugnis nicht möglich einzuschreiten. Tews urgierte die Einrichtung zentraler Stellen in den Ländern, um sicherzustellen, dass ausschließlich SpezialistInnen Kinder und Jugendliche in Unterhaltsfragen vertreten.

Neumayr: Abrücken vom Unterhaltsvorschuss-System nur schwer möglich

Matthias Neumayr vom Obersten Gerichtshof Wien räumte ein, dass es eine Schwäche des Systems sei, dass Kinder, für die es keinen Unterhaltstitel gibt, auch keinen Unterhaltsvorschuss beziehen könnten. Ein Abrücken von diesem System ist für ihn durch die bestehende "Kompetenzgemengelage" aber nur schwer und nicht ohne Einbeziehung der Länder möglich. Schließlich seien diese für Sozialleistungen zuständig. Angedacht werden könnte Neumayr zufolge eventuell eine Anknüpfung an die Mindestsicherung.

Abseits der erwähnten Schwäche funktioniert das Vorschusssystem nach Ansicht Neumayrs trotz relativ komplizierter und aufwändiger Verfahren allerdings relativ gut. Er wies unter anderem darauf hin, dass Unterhaltsvorschüsse seit Anfang dieses Jahres rascher ausgezahlt würden und die Erfolgsquote bei den Rückforderungen relativ hoch sei. Die Rückforderung des Unterhaltsvorschusses vom Schuldner ist ihm zufolge auch der Grund dafür, dass ein Unterhaltsvorschuss an einen Exekutionstitel gekoppelt ist.

Vana-Kowarzik: Kinder haben Recht, nicht in Armut aufzuwachsen

Rechtsanwältin Gabriele Vana-Kowarzik machte geltend, Kinder hätten ein Recht, nicht in Armut aufzuwachsen. Ihrer Ansicht nach sollten sie notwendige Leistungen unabhängig davon erhalten, ob der getrennt lebende Elternteil diese Leistung erbringen könne oder nicht. Eine Lösung bei den Ländern zu suchen, sei eine Möglichkeit, sagte Vana-Kowarzik, man könnte aber auch Mindestunterhaltssätze für jedes Alter festlegen. Dabei bestehe natürlich das Risiko, dass das Geld vom Schuldner nicht eingetrieben werden könne, sagte sie, ihrer Meinung nach ist es aber opportun, der Gesellschaft dieses Risiko zu übertragen. Die Rechtsanwältin argumentierte auch damit, dass die AlleinerzieherInnen-Familien in deutlich höherem Maß von Armut betroffen seien als der Durchschnitt der Bevölkerung.

Vana-Kowarzik machte sich darüber hinaus auf eine Ausdehnung des Unterhaltsvorschusses im Bedarfsfall bis zum 21. Lebensjahr stark. Es sei Jugendlichen nicht zumutbar, sich mit einem Elternteil vor Gericht zu treffen und Exekutionen zu führen, betonte sie.

Die Debatte

In der anschließenden Diskussion wurden die von den ExpertInnen angesprochenen Verbesserungsvorschläge aufgegriffen. So kritisierte Abgeordnete Carmen Gartelgruber (F) die Tatsache, dass die Anspruchsvoraussetzungen für den Unterhalt mit der Erreichung des 18 Lebensjahrs begrenzt sind, als einen großen Missstand. Gartelgruber thematisierte auch die zahlreichen Beschwerden von AlleinerzieherInnen über zu große bürokratische Hürden der Jugendwohlfahrtsträger und bemängelte darüber hinaus die Rechtsprechung der Justiz, die ihrer Meinung nach oft mehr Verwirrung als Klarheit schaffe. Sie hielt es auch für nicht gerechtfertigt, dass der Unterhaltsvorschuss vom Bund nur dann ausbezahlt wird, wenn ein vollstreckbarer Exekutionstitel vorliegt. Dies führe in vielen Fällen zu finanziellen Engpässen, sagte sie, und das sei im Hinblick auf das hohe Armutsrisiko bei AlleinerzieherInnen ein unhaltbarer Zustand. Insgesamt glaubte sie, dass das Instrument der Unterhaltsvorschüsse schlecht greift.

Für eine Vereinfachung der Behördenstruktur sprach sich Abgeordnete Daniela Musiol (G) aus. Angesichts der langen Verfahrensdauer und des Umstands, dass Unterhaltsfragen eng mit der Armut verknüpft sind, treten die Grünen für einen einstweiligen Unterhalt als Bevorschussung ein. Musiol forderte darüber hinaus eine Kindergrundsicherung, da man ihrer Meinung nach nicht auf den Föderalismus und das Wollen der Bundesländer warten dürfe. Die Abgeordnete der Grünen wies aber auch darauf hin, dass viele zahlungswillige Väter selbst über ein sehr geringes Einkommen verfügen und daher oft die eigene Existenz gefährdet ist. Sie bestand auch darauf, Unterhaltsschulden Vorrang vor anderen Schulden zu geben. Schließlich regte sie an, die Frage des Unterhalts für Studierende zu diskutieren.

Abgeordneter Ewald Stadler (B) machte darauf aufmerksam, dass auch Unterhaltszahlungen neben Obsorge und Besuchsrecht von den Eltern als Waffe missbraucht werden. Dem sollte man einen Riegel vorschieben und dafür sorgen, dass den AlleinerzieherInnen das Leben durch die zahlreichen Behördenwege nicht noch schwerer gemacht wird, meinte er. Wie seine VorrednerInnen wies er auf das hohe Armutsrisiko bei AlleinerzieherInnen hin und stellte fest, die Unterhaltsbevorschussung sei eine Frage der Sozialpolitik. Er schlug daher vor, den Unterhaltsvorschuss vom Exekutionstitel zu entkoppeln und den betroffenen Kindern und Jugendlichen einen Mindestunterhalt zu sichern. Stadler hielt es auch für angebracht, die Unterhaltsbevorschussung durch die Familienbeihilfestellen auszahlen zu lassen, denn dann müssten die Unterhaltspflichtigen ihre Zahlungen an die Finanzämter leisten. Diese wären auch bei der Vollstreckung der Exekution wesentlich schneller als die Gerichte, bemerkte er. Mit dieser Maßnahme würde man die "Waffe Unterhaltszahlung" den Eltern aus der Hand nehmen, man würde damit Schritte gegen die Not setzen und die sozialpolitische Komponente wahren, fasste Stadler zusammen.

Wolfgang Siebenhandl schlug vor, die Obsorge "naturaliter" zu leisten, denn damit reduziere man auch die Zahl der AlleinerzieherInnen. Er argumentierte, viele Väter könnten deshalb nicht in Karenz gehen, weil sie für die Kinder aus vorangegangen Beziehungen zahlen müssten.

Markus Huber von der Volksanwaltschaft sprach die Kompetenzfrage an und trat dafür ein, die Bindung der Unterhaltsvorschüsse an die Minderjährigkeit aufzuheben. Man sollte diese auch an die schulische Ausbildung koppeln, meinte er. Was die Verzugszinsen betrifft, so liege das Problem bei den Bundesländern und ihrer EDV. Jedenfalls sei die Jugendwohlfahrt nicht verpflichtet, bei den Verzugszinsen die Kinder zu vertreten, bedauerte er. Huber befürwortete die Entkoppelung der Unterhaltsvorschüsse vom Exekutionstitel und unterstützte die Vorschläge zu einem Mindestunterhaltsvorschuss.

Elisabeth Wöran, Geschäftsführerin der österreichischen Plattform der Alleinerziehenden, unterstrich aus ihrer Sicht die Wichtigkeit, eine Unterhaltssicherung oder Kindergrundsicherung einzuführen, ohne dass diese jemals zurückgezahlt werden müsse. Sie begründete dies mit dem Hinweis darauf, dass ein Drittel der Kinder in Alleinerzieherhaushalten armutsgefährdet sind und 17 % der Kinder weder Unterhalt noch Unterhaltsvorschüsse erhalten.

Rechtsanwältin Helene Klaar appellierte an die Anwesenden, nicht zu übersehen, dass gerade bei denjenigen, die so "larmoyant" die Beteiligung an der Erziehung ihrer Kinder einfordern, in erster Linie das Interesse im Vordergrund stehe, keinen Unterhalt zahlen zu müssen. (Schluss)