Parlamentskorrespondenz Nr. 539 vom 29.06.2010

StaatsschuldenmanagerInnen müssen Risiken künftig besser einschätzen

Debatte im Budgetausschuss über riskante Veranlagungen bei der ÖBFA

Wien (PK) – Der Budgetausschuss verabschiedete heute Änderungen im Stellenplan des Bundes (4. BFG-Novelle), um ehemaligen Post- und Telekombediensteten die Möglichkeit zu geben, das Justizressort personell zu verstärken. Zudem sprach sich eine S-V-Mehrheit für eine Stärkung des Risikomanagements bei kurzfristigen Veranlagungen durch die Österreichische Bundesfinanzierungsagentur (ÖBFA) aus. Den Oppositionsparteien gingen die Vorkehrungen gegen solche Risiken zu wenig weit, sie unterstützten einen Vertagungsantrag des G-Abgeordneten Werner Kogler. Außerdem wollten sie die Verantwortung für ÖBFA-Verluste geklärt wissen, auf die der Rechnungshof im letzten Sommer hingewiesen hatte. Staatssekretär Lopatka wies mit Unterstützung durch ÖVP-Abgeordneten Günter Stummvoll auf die hohen Netto–Erträge der ÖBFA hin, die dem Steuerzahler zugutekommen. 

Im Rahmen der begleitenden Budgetkontrolle analysierten die Abgeordneten schließlich gemeinsam mit den Staatssekretären Reinhold Lopatka und Andreas Schieder die bisherige Ausgaben- und Einnahmenentwicklung im Haushaltsjahr 2010. Bei den Einnahmen, insbesondere bei der Körperschaftssteuer, sei die Wirtschafskrise stark spürbar. Die Verzinsung der Staatsschuld werde durch niedrige Anleihezinsen und die gegenüber 2009 deutlich verbesserte Position Österreichs auf den Finanzmärkten erleichtert. Das Defizit des Bundes lag in den Monaten Jänner bis April 2010 mit rund 7 Mrd. € um 3,2 Mrd. € unter dem Vergleichswert des Vorjahres, erfuhren die Abgeordneten teils aus den Unterlagen, teils auf Nachfrage von den Staatssekretären.  

Ehemalige PostbeamtInnen verstärken das Justizressort   

Die Beschäftigung ehemaliger Post- und Telekombediensteter im Justizministerium und die Einrichtung neuer Planstellen macht Änderungen im Personalplan des Bundes und damit eine Änderung des Bundesfinanzgesetzes 2010 erforderlich. Die diesbezügliche 4. BFG-Novelle 2010 (752 d.B.) hat keine Auswirkungen auf das veranschlagte Budgetdefizit, weil die Personalkosten für die im Justizressort beschäftigten PostbeamtInnen weiterhin von dem privatisierten Unternehmen getragen werden und zusätzliche Mehrkosten durch Budgetumschichtungen bedeckt werden, erklärte Staatssekretär Reinhold Lopatka auf eine diesbezügliche Frage der G-Abgeordneten Ruperta Lichtenecker. – Der Beschluss des Ausschusses erfolgte einstimmig.

Besseres Risikomanagement bei der Veranlagung von Bundesgeldern   

Um Ausfallsrisiken bei der Veranlagung von Kassenmitteln des Bundes durch die Österreichische Bundesfinanzierungsagentur (ÖBFA) zu reduzieren, sprach sich der Budgetausschuss, unter anderem aufgrund von Empfehlungen des Rechnungshofs, für Verbesserungen im Risikomanagement der ÖBFA aus: Vieraugenprinzip bei Veranlagungsentscheidungen des ÖBFA-Vorstandes, stärkere Bedachtnahme auf das operationale und das Reputationsrisiko und alljährliche Ausrichtung der Geschäftspolitik der ÖBFA durch den Finanzminister. Die Regierungsvorlage mit Änderungen im Bundesfinanzierungsgesetz samt Anpassungen im Bundeshaushaltsgesetz (775 d.B.) verabschiedete der Budgetausschuss mit S-V–Mehrheit.

In der Debatte zeigte sich Abgeordneter Lutz Weinzinger (F) skeptisch, dass es mit der vorliegenden Novelle gelingen werde, die Risiken durch Spekulationen mit kurzfristigen Geldern bei der ÖBFA in den Griff zu bekommen.

Abgeordneter Werner Kogler (G) plädierte dafür, die Kritik des Rechnungshofs an Spekulationsverlusten der ÖBFA, die im letzten Sommer zu heftigen Diskussionen Anlass gegeben hat, entweder im Rechnungshofausschuss oder im Budgetausschuss ausführlich und mit den verantwortlichen Ministern Grasser und Molterer sowie mit Auskunftspersonen der Bundesfinanzierungsagentur zu klären. Während Kogler die offensive Vorgangsweise von Minister Pröll in der Sache lobte, kritisierte er den mangelnden Willen des Parlaments, sich mit den Spekulationsverlusten bei der ÖBFA angemessen auseinander zu setzen.

Abgeordneter Günter Stummvoll (V) machte die Kritiker aus den Reihen der Opposition darauf aufmerksam, dass die ÖBFA den Zinsaufwand für die Staatsschuld in den Jahren 2002 bis 2007 um 3 Mrd. € reduzieren konnte und seit 1993 einen Nettoertrag von 6,4 Mrd. € zugunsten der SteuerzahlerInnen erwirtschaftet hat. Dem stünden Risikopositionen von maximal 380 Mio. € gegenüber, sagte Stummvoll.

Abgeordnete Christine Lapp (S) begrüßte die Gesetzesvorlage als eine wesentliche Weiterentwicklung im Sinne einer Stärkung des Risikocontrollings bei der ÖBFA.

In der weiteren Debatte wiesen die Abgeordneten Werner Königshofer (F), Rainer Widmann, Robert Lugar (beide B) und Werner Kogler (G) darauf hin, dass es unzulässig sei, Erträge aus langfristigen Veranlagungen Verlusten aus dem kurzfristigen Cash-Management der ÖBFA gegenüberzustellen. Der Kern des Problems sei, dass der Staat darauf verzichten sollte, kurzfristige Gelder aufzunehmen und diese in der Erwartung von Gewinnen mit hohem Risiko zu veranlagen. Dieser Ansicht schlossen sich auch die SP-Abgeordneten Kai Jan Krainer und Christoph Matznetter an. Matznetter schloss es aus, dass Finanzminister Molterer von den kritisierten ÖBFA-Geschäften gewusst haben könnte und hielt es für vernünftig, auf Geschäfte zu verzichten, bei denen Gewinnerwartungen mit hohem Risiko verbunden seien, denn – anders als für einen Privaten - sei es für den Staat nicht zulässig, bei der Verwaltung von Geldern, die er dem Steuerzahler mit hoheitlicher Gewalt abnehme, Risiken einzugehen.

Staatssekretär Reinhold Lopatka informierte in seinen Antworten auf Detailfragen der Abgeordneten, dass bei den kritisierten Veranlagungen – die im Übrigen von Ratingagenturen bestens beurteilt wurden – nur in einem Fall ein Zahlungsausfall bei Zinsen eingetreten sei. Auf ein totales Verbot von Off-Shore-Geschäften habe man verzichtet, weil man nicht ausschließen könne, dass der eine oder andere ÖBFA-Partner Off-Shore-Anteile besitzen könnte.

Staatssekretär Andreas Schieder betonte, die ÖBFA sei keine Investmentbank, sondern habe in ihrer Geschäftspolitik nur das Ziel zu verfolgen, für den Staat notwendige Liquidität zu möglichst günstigen Bedingungen zu schaffen. Off-Shore-Veranlagungen seien zu vermeiden, hielt der Staatssekretär fest. – Der Gesetzentwurf wurde nach Ablehnung des Vertagungsantrags mit S-V-Mehrheit Richtung Plenum verabschiedet.    

Abgeordnete analysieren die Budgetentwicklung von Jänner bis Mai 2010   

Im weiteren Verlauf der Sitzung widmeten sich die Mitglieder der begleitenden Kontrolle des aktuellen Budgetvollzugs. Vom Finanzressort lagen dazu Berichte über den Budgeterfolg in den Monaten Februar (siehe PK-Meldung Nr. 210 vom 29.3.2010), März (PK-Meldung Nr. 301 vom 28.4.2010), April (PK-Meldung Nr. 423 vom 1.6.2010) und Mai 2010 (PK-Meldung Nr. 504 vom 21.6.2010) sowie Daten über die Entwicklung überplanmäßiger Ausgaben und Vorbelastungen im 1. Quartal des laufenden Haushaltsjahres (PK-Meldung Nr. 301 vom 28.4.2010) vor. – Die Berichte wurden mit der Mehrheit von SPÖ und ÖVP zur Kenntnis genommen.

Auf Fragen der Abgeordneten Ruperta Lichtenecker und Werner Kogler (beide G), Roman Haider und Werner Königshofer (beide F) sowie Robert Lugar (B) führte Staatssekretär Reinhold Lopatka aus, der Zinsenrückgang und die günstige Position Österreichs auf den Anleihemärkten verringere die Zinsenbelastung durch die Staatsschuld. Starke Schwankungen bei den Lohnsteuereinnahmen seien unter anderem auch auf die zeitverschoben wirksam werdende Steuerreform zurückzuführen. Die Krise sei auf der Einnahmenseite deutlich spürbar, daher sei der kürzlich beschlossene Finanzrahmen strikt einzuhalten, sagte der Staatssekretär. Sein Kollege Andreas Schieder ging auf Fragen nach den sinkenden Ertragsanteilen der Länder und Gemeinden ein und stellte mit Bedauern fest, dass der Bund diese Einnahmenausfälle für Länder und Gemeinden nicht ausgleichen könne. Beim Thema EURO-Schutzschirm und Griechenland-Paket gingen beide Staatssekretäre davon aus, dass das Geld, das Griechenland zur Verfügung gestellt wird – 800 Mio. € im Jahr 2010 – wie vereinbart zurückgezahlt werden wird. Der EURO-Schutzschild sei bislang noch nicht in Anspruch genommen worden, erfuhren die Abgeordneten. (Schluss)