Parlamentskorrespondenz Nr. 568 vom 01.07.2010

Gesundheitsausschuss billigt Tierschutzgesetz-Novelle

Mammutprogramm bei letzter Sitzung vor der Sommerpause

Wien (PK) – Mit einer Diskussion über aktuelle EU-Vorhaben im Gesundheits- und Tierschutzbereich startete der heutige Gesundheitsausschuss des Nationalrats in die Erledigung einer überaus umfangreichen Tagesordnung. Neben diesem Themenpunkt und der Verhandlung des Tierschutzberichts 2007/08 wurden unter anderem Novellen zum Tierschutzgesetz, zum Apothekerkammergesetz, zum Arzneiwareneinfuhrgesetz sowie zum Ärztegesetz plenumsreif gemacht. Zustimmung fanden außerdem zwei Entschließungsanträge, die zum einen darauf abzielen, die laufenden Arbeiten an einem "Nationalen Aktionsplan seltene Krankheiten" rasch voranzutreiben, und zum anderen SportwissenschaftlerInnen bei entsprechender Zusatzausbildung einen Zugang zu Tätigkeiten im therapeutischen Bereich eröffnen wollen. Zahlreiche Initiativen der Oppositionsparteien wurden hingegen mehrheitlich abgelehnt bzw. vertagt.

Ausschuss diskutiert EU-Vorhaben im Gesundheitsbereich

Der von Gesundheitsminister Alois Stöger präsentierte Bericht über aktuelle Vorhaben der EU-Kommission und des Rats im Gesundheitsbereich bringt die grundsätzliche Zustimmung Österreichs zu den vorrangigen EU-Initiativen zum Ausdruck. Besonders aufgeschlossen steht das Ressort dabei der geplanten Überarbeitung der Transparenz-Richtlinie Arzneimittelpreise gegenüber.

Was den Bereich Gentechnik anbelangt, setzt sich Österreich weiterhin dafür ein, den Mitgliedstaaten mehr Freiheiten in Bezug auf Anbauverbote von gentechnisch veränderten Organismen einzuräumen. Abgelehnt wird laut Bericht die derzeitige Fassung einer Verordnung und Richtlinie zur Information der breiten Öffentlichkeit über verschreibungspflichtige Medikamente, da nach Meinung des Gesundheitsressorts unverzichtbare Grundsätze wie die Beibehaltung des Werbeverbots für rezeptpflichtige Medikamente nicht ausreichend berücksichtigt werden.

In der Diskussion sprachen die Abgeordneten unter anderem die Themen gesunde Ernährung und Gentechnik, die geplante EU-Richtlinie betreffend grenzüberschreitende Patientenrechte, den E-Health-Aktionsplan und das Problem krebserregender Stoffe in Spielzeug- und Freizeitartikeln an. So wollte Abgeordneter Werner Neubauer (F) etwa wissen, ob jene 12 Freizeitartikel, in denen ein Konsumentenmagazin krebserregende Stoffe festgestellt habe, mittlerweile bereits aus dem Handel genommen wurden.

Abgeordneter Wolfgang Pirklhuber (G) kritisierte, dass es auf EU-Ebene nach wie vor keine konsistente Gentechnik-Politik gebe. Zwar habe der zuständige EU-Kommissar eine Regelung für gentechnikfreie Regionen in Aussicht gestellt, gleichzeitig wolle er aber Zulassungsverfahren für gentechnisch veränderte Pflanzen beschleunigen. Pirklhuber zufolge haben die europäischen KonsumentInnen im Sinne des Vorsorgeprinzips ein Anrecht auf gentechnikfreie Nahrungsmittel.

Abgeordnete Ursula Haubner (B) hob die Bedeutung einer gesunden Lebensweise vor allem für Kinder und Jugendliche hervor. Abgeordneter Kurt Grünewald (G) ging auf die Drohung von Pharma-Unternehmen ein, kleine Länder nicht mehr mit bestimmten Arzneimitteln zu versorgen.

Gesundheitsminister Alois Stöger wies darauf hin, dass er in Österreich die Entwicklung eines "Nationalen Aktionsplans Ernährung" initiiert habe. Auf europäischer Ebene geht es seiner Meinung nach vor allem um die Frage der Lebensmittelkennzeichnung, die für ihn eine wichtige Voraussetzung für gesunde Ernährung ist. Beim letzten Ministerrat in Luxemburg wurden laut Stöger in dieser Frage erhebliche Fortschritte erzielt, etwa was die Schriftgröße auf Packungen betrifft, die Ausgestaltung einer nachvollziehbaren Herkunftsangabe sei aber noch in Diskussion. Stöger geht, wie er sagte, davon aus, dass die neue EU-Richtlinie bis zum Ende der belgischen Präsidentschaft fertig sein wird.

Was die Patientenrichtlinie betrifft, sei es ihm wichtig, dass Österreich PatientInnen aus anderen EU-Ländern auch ablehnen könne, wenn die Inlandsversorgung gefährdet sei, unterstrich Stöger. Der E-Health-Aktionsplan sei in Diskussion, man wolle einen internationalen Datenaustausch von gesundheitsrelevanten Daten technisch ermöglichen. Dabei müsse aber der Datenschutz beachtet werden.

Das Thema Spielzeug-Sicherheit habe er beim letzten Ministerrat in Luxemburg thematisiert, allerdings nicht sehr erfolgreich, sagte Stöger. Die Rechtslage ist seiner Ansicht nach klar: Spielzeug, das in Österreich nicht zugelassene Stoffe enthält, sei von den Behörden aus dem Verkehr zu ziehen. Hinsichtlich der Zulassung von Nanopartikeln in Lebensmitteln vertritt Österreich laut Stöger eine sehr restriktive Haltung und habe sich damit auf EU-Ebene auch weitgehend durchsetzen können.

Zum Thema Gentechnik merkte der Gesundheitsminister an, es gebe eine große Gruppe von EU-Ländern, die der Gentechnik kritisch gegenüber stehe, die Zahl sei aber zu gering, um eine qualifizierte Mehrheit zu erreichen.

Der Bericht wurde einstimmig zur Kenntnis genommen.

Tierschutz: Neues Beratungsgremium für Gesundheitsminister Stöger

Weiters beschäftigte sich der Ausschuss mit Tierschutzagenden, die seit 2005 in den Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit fallen. Neben der Diskussion des Tierschutzberichts 2007/08 wurde dabei eine Novelle zum Tierschutzgesetz gebilligt, die vor dem Hintergrund von Auslegungsproblemen in der Vollziehung erforderlich geworden ist. So sollen Tierhalteverbote künftig auch dann verhängt werden können, wenn von einer Strafverfolgung wegen Tierquälerei aufgrund diversioneller Maßnahmen abgesehen wurde. Weiters ist vorgesehen, durch Datenweitergabe zwischen den zuständigen Behörden der einzelnen Bundesländer das Umgehen von Tierhalteverboten zu verhindern.

Ein von den Koalitionsparteien gemeinsam mit der FPÖ und dem BZÖ zum Gesetzentwurf vorgelegter und bei der Abstimmung mitberücksichtigter Abänderungsantrag sieht die Einrichtung von zwei neuen Gremien im Bereich des Tierschutzes vor. Zum einen soll eine Tierschutzkommission den Gesundheitsminister künftig in Fragen des Tierschutzes beraten und Empfehlungen aussprechen. Ihr gehören auch VertreterInnen der fünf Nationalratsfraktionen an. Aufgabe eines mit Länder- und RegierungsvertreterInnen besetzten Vollzugsbeirats wird es dem gegenüber sein, sich mit Vollzugsproblemen auseinanderzusetzen. Der bereits bestehende Tierschutzrat soll in Hinkunft in erster Linie als wissenschaftliches Gremium fungieren.

Begründet wird dieser Schritt von den Abgeordneten damit, dass sich der Tierschutzrat in der derzeitigen Form als schwerfälliges und wenig effizientes Beratungsgremium erwiesen habe und in Sachen Tierschutz eine Vorwärtsstrategie notwendig sei.

Gemeinsam mit dem Gesetzentwurf verhandelt wurden drei Entschließungsanträge der Grünen, die auf höhere tierschutzrechtliche Standards bei der Schweinehaltung (713/A[E] ), die Umsetzung der Empfehlungen des Tierschutzrats hinsichtlich der Enthornung von Kälbern (818/A[E] ) und die tierschutzkonforme Tötung von Krustentieren mittels geeigneter Elektroschock-Betäubungsapparate (819/A[E] ) abzielen. Zudem stand ein Entschließungsantrag des BZÖ mit zur Diskussion, in dem Abgeordneter Gerald Grosz die Verankerung von Mindestanforderungen für die Haltung von Zehenfußkrebsen im Tierschutzgesetz fordert.

Abgeordnete Christiane Brunner (G) erklärte, die Grünen stimmten der Regierungsvorlage zu. Hinsichtlich des Abänderungsantrags behielt sie sich jedoch noch eine Prüfung bis zur Plenarsitzung vor. Sie äußerte sich skeptisch, ob Tierschutzanliegen im neuen Vollzugsbeirat ausreichend berücksichtigt würden. Ihr Fraktionskollege Wolfgang Pirklhuber machte darauf aufmerksam, dass in der neuen Tierschutzkommission die Koalitionsparteien eine klare Mehrheit hätten.

Generell ortet Brunner vor allem in der Schweinehaltung Tierschutz-Defizite. Noch immer lebten 75 % der Mastschweine auf Vollspaltenböden ohne Stroheinstreu, kritisierte sie. Auch eine Kastration bei männlichen Tieren ohne Schmerzausschaltung sei nach wie vor geläufig. Nicht tierschutzgerecht ist für Brunner darüber hinaus die derzeitige Art der Enthornung von jungen Kälbern, die Haltung von Krebsen mit zusammengebundenen Scheren in engen Aquarien und der Umstand, dass diese lebend ins kochende Wasser geworfen würden.

Abgeordneter Wolfgang Spadiut (B) begrüßte die vorliegende Gesetzesnovelle und schloss sich auch vielen Forderungen der Grünen an. Dennoch wird das BZÖ ihm zufolge den Grün-Anträgen nicht zustimmen, da er nicht alle Punkte teilen könne.

Abgeordneter Franz Eßl (V) qualifizierte die Anträge der Grünen überhaupt als in weiten Bereichen überzogen. Er stellte allerdings Verhandlungen über den G-Antrag betreffend Krustentiere in Aussicht und beantragte daher dessen Vertagung.

Abgeordneter Dietmar Keck (S) gab zu bedenken, dass Tierschutzbestimmungen auch vollziehbar sein müssten. In diesem Sinn beurteilte er die neuen Gremien positiv. Das Tierschutzgesetz enthalte insgesamt sehr strenge Tierschutzbestimmungen, betonte Keck, gestand aber zu, dass es Vollzugsprobleme gebe. Er wandte sich dennoch dagegen, für jede einzelne Tierart eigene Bestimmungen zu beschließen, nur weil der Vollzug nicht immer funktioniere. Keck hofft, dass es künftig zu einer Vereinheitlichung im Vollzug kommen wird.

Abgeordneter Bernhard Vock (F) äußerte sich über die Einbeziehung der Oppositionsparteien in die neue Tierschutzkommission erfreut. Er klagte aber, dass das strenge österreichische Tierschutzgesetz durch viele Verordnungen aufgeweicht werde. Solange der Vollzug nicht besser funktioniere, werde es immer neue gesetzliche Anträge für einzelne Tiere geben, prophezeite er.

Bei der Abstimmung wurde die Tierschutzgesetz-Novelle unter Berücksichtigung des Abänderungsantrags mit S-V-F-B-Mehrheit angenommen. Die Oppositionsanträge wurden abgelehnt beziehungsweise, was den G-Antrag betreffend Krustentiere betrifft, vertagt.

Bereits zuvor hatte Gesundheitsminister Alois Stöger im Rahmen der Diskussion über den Tierschutzbericht dem Tierschutzgesetz eine hohe Wirksamkeit bescheinigt. Allerdings ortet er auch Vollzugsschwierigkeiten. Es sei ein großes Problem, dass der Bund auf die Vollziehung des Gesetzes, die Ländersache sei, keinen Einfluss habe.

Eine Möglichkeit, für Importprodukte die gleichen Tierschutzstandards vorzuschreiben, wie sie in Österreich gelten, sieht Stöger derzeit nicht. Er setzt seine Hoffnung auf das von ihm angestrebte Gütesiegel "tierschutzgerecht", um KonsumentInnen verstärkt zum Griff von tierschutzgerecht erzeugten Produkten zu bewegen. Stöger räumte allerdings ein, dass ihm in dieser Frage noch die Zustimmung des Koalitionspartners fehle.

Abgeordneter Bernhard Vock (F) wies darauf hin, dass es in Niederösterreich immer noch einen Betrieb gebe, der sich über das Verbot der Käfighaltung von Legehennen hinweg setze. Er forderte überdies die zahlreichen bestehenden Verordnungen endlich dem Tierschutzgesetz anzupassen.

Abgeordneter Wolfgang Pirklhuber (G) regte an, kleinen landwirtschaftlichen Betrieben Investitionsförderungen zu gewähren, damit sie ihre Stallgebäude tierschutzgerecht ausstatten könnten.

Abgeordneter Dietmar Keck (S) machte auf die aufgedeckte Manipulation der Kennzeichnung von Eiern in großem Stil durch einen österreichischen Betrieb aufmerksam. Dieser hat ausländische Eier aus Käfighaltung in Österreich zu Freilandeiern umgestempelt.

Der Tierschutzbericht 2007/08 wurde einstimmig zur Kenntnis genommen.

Vom Gesundheitsausschuss vertagt wurde ein Entschließungsantrag der FPÖ , in dem Abgeordnete Dagmar Belakowitsch-Jenewein die Einführung eines Grenzwerts für die wahrscheinlich krebserregende Verbindung Acrylamid in Nahrungsmitteln fordert. Die Substanz kann sich bei starker Erhitzung kohlenhydratreicher Lebensmittel bilden und ist unter anderem in Chips und Pommes frites enthalten. Belakowitsch-Jenewein wies darauf hin, dass es in Deutschland bereits einen Grenzwert gebe, der zu einer Senkung der Acrylamid-Werte in Lebensmitteln geführt habe.

Abgeordneter Johann Maier (S) begründete die Vertagung des Antrags damit, dass zunächst das Ergebnis des aktuellen Monitoring-Projekts der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit abgewartet werden solle. Erst danach werde sich herausstellen, inwieweit ein Grenzwert sinnvoll und wenn ja, bei welchen Lebensmitteln er erforderlich sei. Maier zufolge ist Acrylamid teilweise auch im Kaffee und in Kaffeezusatzstoffen enthalten. (Fortsetzung)