Parlamentskorrespondenz Nr. 595 vom 09.07.2010

Fragestunde mit Verkehrsministerin Doris Bures - Schwerpunkt ÖBB

Bures will Langsamfahrstellen bei der Bahn bis 2014 beseitigen

Wien (PK) – Die Umsetzung der europäischen Luftqualitätsrichtlinie, die Einrichtung ärztlicher Gruppenpraxen, die gesetzliche Voraussetzung für die Einführung der so genannten elektronischen Fußfessel und das Insolvenzrechtsänderungs-Begleitgesetz waren heute ebenso Themen der Sitzung des Nationalrats wie weitere Maßnahmen zu mehr Energieeffizienz und zum Emissionsschutz. Auch zu den Gastgärten wird es neue Regelungen geben, und zum Gewerbe der RauchfangkehrerInnen sollen in Zukunft alle EWR-BürgerInnen zugelassen werden. In einem Fünfparteienantrag sprechen sich alle Parlamentsparteien für eine Entzerrung der europäischen Ferienordnung aus.

Die FPÖ brachte einen Dringlichen Antrag (1234/A[E]) ein, in dem von Innenministerin Fekter verlangt wird, vom Projekt Schubhaftzentrum in Vordernberg Abstand zu nehmen. Der Klub der Grünen wiederum drängte darauf, den Beratungen über ihren Antrag betreffend "gläserne Parteikassen" (945/A[E]) im Verfassungsausschuss eine Frist bis zum 21. September 2010 zu setzen.

Bures: Öffentlicher Verkehr muss Vorrang haben

Am Beginn der Sitzung stand die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie, Doris Bures, den Abgeordneten im Rahmen der Fragestunde Rede und Antwort. Sie nahm dabei unter anderem zur Notwendigkeit der Verlagerung des Verkehrs von der Straße auf die Schiene sowie zur finanziellen Lage der ÖBB, zum Ausbau des öffentlichen Verkehrs und zur Sicherheit der MotorradfahrerInnen Stellung.

Abgeordneter Anton HEINZL (S): Was werden Sie dafür tun, damit vom verkehrspolitischen Grundsatz der Verlagerung des Verkehrs von der Straße auf die Schiene auch innerhalb der EU nicht abgegangen wird?

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Verkehrsministerin Doris BURES bekannte sich nachdrücklich zum verkehrspolitischen Ziel Österreichs, so viel LKW-Verkehr wie möglich auf die Schiene zu verlagern und begründete damit die großen Investitionen in den Ausbau der Bahninfrastruktur. Der öffentliche Verkehr genieße in der Verkehrsinvestitionspolitik Vorrang, sagte Bures und sprach ihr Bedauern darüber aus, dass in der EU zuletzt gegenläufige Tendenzen erkennbar waren. Ihr Appell an die Abgeordneten lautete, sie auf dem harten Weg zu einer nachhaltigen Verkehrspolitik in der EU zu unterstützen. Mit dem Fragesteller wusste sich die Ministerin einig in der klaren Ablehnung von "Giga-Linern" und "Monster-Lkw", dies auch deswegen, weil sie ein Verkehrsrisiko darstellen würden, sowohl in Tunnels als auch wegen der längeren Überholwege.

Gegenüber Abgeordnetem Hermann GAHR (V) verteidigte die Ministerin ihre Entscheidung für die Entsendung einer hochqualifizierten Frau in den Aufsichtsrat der ASFINAG.

Bedenken der Abgeordneten Gerald GROSZ (B) und Gerhard KURZMANN(F), Verzögerungen beim Bau des Koralmtunnels würden dessen Fertigstellung bis 2018 in Frage stellen, bemühte sich die Verkehrsministerin zu zerstreuen und legte dabei ein Bekenntnis zum Ausbau der Südbahnstrecke ab; es gebe keinen Baustopp, es werde weiter investiert und weiter gebaut, die angesprochene Evaluierung habe das Ziel, Einsparungspotenziale zu nützen.

Abgeordneter Harald WALSER (G) warf der Ministerin vor, in der Frage der LKW-Maut vor der Frächter-Lobby in die Knie gegangen zu sein, und verlangte eine Mautpolitik nach dem Vorbild der Schweiz. Die Ministerin erinnerte an die Ökologisierung der LKW-Maut zu Beginn 2010, machte darauf aufmerksam, dass die LKW-Maut in Österreich höher sei als in der Schweiz und betonte ihr Eintreten für mehr Kostenwahrheit zwischen Straße und Schiene.

Abgeordneter Ferdinand MAIER (V): Was unternehmen Sie im Wege der von Ihnen bestellten Aufsichtsräte, um zu verhindern, dass die ÖBB bzw. Teile dieser insolvent werden, wodurch in der Folge die Steuerzahlerin und der Steuerzahler dafür aufkommen müssen, obwohl der Bund heute schon, im Jahr 2010, inklusive Haftung und Pensionen 6.535,66 Mio. Euro zur Bahn beitragen muss?

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Verkehrsministerin Doris BURES wies darauf hin, der vom Fragesteller genannte Betrag enthalte auch die Aufwendungen zur Begleichung von Altschulden der ÖBB, und erinnerte in diesem Zusammenhang daran, dass die ÖBB bei deren Ausgliederung aus dem Budget – anders etwa als die Deutschen Bundesbahnen – nicht entschuldet wurden. Weiters machte die Ministerin auf den hohen Investitionsbedarf bei der Verbesserung der Schieneninfrastruktur aufmerksam sowie auf die Kosten bei der Abwicklung von Gefahrguttransporten auf der Schiene. Sie unterstrich auch die Notwendigkeit, Familien, PensionistInnen und PendlerInnen leistbare Tarife im Personenverkehr anzubieten.

Gegenüber dem Anfragesteller betonte die Ministerin auch ihr Eintreten für eine EU-Verkehrspolitik, die es erlauben werde, den Transitverkehr von der Straße auf die Schiene zu verlagern – darüber stehe sie in ständigem Gesprächskontakt mit ihren AmtskollegInnen in der EU, insbesondere auch mit dem italienischen Verkehrsminister.

Abgeordnetem Sigisbert DOLINSCHEK (B), der vom Ärger vieler PendlerInnen wegen Zugsverspätungen berichtete, erklärte die Ministerin, Langsamfahrstellen stünden im Zusammenhang mit notwendigen Bauarbeiten beim Ausbau des Schienennetzes. Bures versprach dem Abgeordneten, sie werde dafür sorgen, dass sich die Menschen wieder auf die Bahn verlassen können.

Abgeordnete Gabriela MOSER (G) lobte die Ministerin für ihr Engagement bei den Bahninvestitionen, klagte aber zugleich über ausgedünnte ÖBB-Angebote im Personenverkehr. Die Verkehrsministerin legte demgegenüber Zahlen vor, die einen starken Anstieg sowohl des Güterverkehrs als auch des Personenverkehrs während der letzen Jahre auf der Schiene anzeigen, und berichtete von Gesprächen mit den Bundesländern über weitere Investitionen zu Verbesserung des öffentlichen Verkehrsangebots.

Abgeordneten Gerhard DEIMEK (F), der über teure Personalentscheidungen des ÖBB-Aufsichtsrats klagte, erklärte die Bundesministerin, Personalfragen würden vom Vorstand entschieden. In diesem Zusammenhang unterstrich Bures die hohe fachliche Qualifikation des aktuellen ÖBB-Aufsichtsrats.

Abgeordnetem Josef AUER (S), der die Spekulationen und die Frühpensionierungswelle unter dem ehemaligen ÖBB-Mangement ansprach, sagte die Ministerin, sie empfinde ihr Amt nicht als ein schweres Erbe, sondern als eine schöne Aufgabe zur Verbesserung des Wirtschafts- und Verkehrsstandorts. Nicht ohne Stolz registrierte Bures, dass JournalistInnen die ÖBB als eine der zehn Top-Marken Österreichs qualifiziert haben.

Abgeordneter Harald VILIMSKY (F): Welche Maßnahmen haben Sie bislang gesetzt, damit es zu einer Erhöhung der Sicherheit von MotorradfahrerInnen kommt?

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Die Bundesministerin unterstrich den hohen Stellenwert, den die Verkehrssicherheit generell in ihrem Ressort genießt. Es sei auch gelungen, die Zahl der tödlich verunglückten MotoradfahrerInnen zu senken, obwohl 15 % mehr Motorräder auf den Straßen unterwegs seien. Während der Fragesteller als Hauptursachen für Zweiradunfälle Bitumen, Rollsplitt und Leitplanken nannte, zitierte die Ministerin aus einer Studie, die falsches Bremsverhalten als Hauptursache für tödliche Motorradunfälle darstellt. Daher setze sie auf Bremstrainingsseminare, sagte Bures und erinnerte an die Ausweitung der praktischen Fahrausbildung beim Moped-Führerschein (Zusatzfrage des Abgeordneten Peter STAUBER, S).

Die Sicherheit auf Fußgängerschutzwegen, deren Errichtung im Entscheidungsbereich der Gemeinden liege, wolle sie durch vermehrte Videoüberwachung erhöhen, weil es dadurch möglich sei, Verstöße zu ahnden, erfuhr Abgeordneter Johann RÄDLER (V) von der Ressortleiterin.

Abgeordnetem Christoph HAGEN (B), der auf Investitionen der ASFINAG in Sicherheitsmaßnahmen drängte, teilte die Ministerin mit, die ASFINAG widme mehr als 30 % ihrer Investitionen in Sicherheitsmaßnahmen, wie der Verbreiterung von Pannenstreifen, sicheren Straßenbelägen und der Montage von Leitschienen.

Abgeordnete Gabriela MOSER (G) brachte die Hauptunfallursache "überhöhte Geschwindigkeit" zur Sprache. Die Verkehrsministerin plädierte für eine Gesetzesänderung, um Raser in das Vormerksystem aufnehmen zu können.

Abgeordnete Gabriela MOSER (G): Mit welchen konkreten verkehrspolitischen Maßnahmen und Gesetzesvorschlägen werden Sie dafür sorgen, den Menschen günstige und attraktive öffentliche Verkehrsmittel anzubieten, damit sozial und ökologisch nachhaltige sowie vom Erdöl unabhängige Mobilität sichergestellt wird?

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Bundesministerin Doris BURES bekannte sich zu dem Ziel, in der Mobilität unabhängiger vom Öl zu werden und untermauerte auch damit die Investitionen in den Ausbau des öffentlichen Verkehrs. Die Abgeordneten bat die Ministerin in diesem Zusammenhang um Unterstützung bei der Finanzierung der ÖBB, denn man dürfe nicht vergessen, mit leistbaren ÖBB-Tickets und konkurrenzfähigen Gütertransportangeboten fördere man die größte E-Mobilitätsflotte des Landes. Zudem bekräftigte die Ministerin ihr Bemühen, in Forschung und Entwicklung für E-Mobilität zu investieren und berichtete über diesbezügliche Kooperationen mit der Autoindustrie sowie über "Leuchtturmprojekte" zugunsten der E-Mobilität. Da Elektroautos noch zu teuer seien, sollte man nicht Preise stützen, sondern die Entwicklung billigerer Elektroautos fördern, meinte sie auf eine Zusatzfrage der Abgeordneten Carmen GARTELGRUBER (F).

Beim Thema Ökologisierung des Güterverkehrs, das Abgeordnete Rosa LOHFEYER (S) aufs Tapet brachte, führte die Ministerin aus, sowohl die Frächter als auch der Gütertransport der Bahn litten aktuell unter Nachfragerückgängen in Folge der Krise. Die ÖBB seien aber trotzdem gut unterwegs und hätten mit einem Anteil von 30 % des Güterverkehrs (EU 27: 15 %) weiterhin den Spitzenplatz in Europa inne.

Abgeordnetem Johann SINGER (V) berichtete die Bundesministerin von Bemühungen der EU um mehr Effizienz in der Luftfahrt und aktuell über Pläne zur Reduzierung der Lufträume in Europa.

Abgeordneter Robert LUGAR (B) zeigte sich besorgt darüber, dass die Preisangebote von Flugunternehmen vielfach günstiger sind als jene der Bahn. Die Verkehrsministerin erklärte dies mit einer Dumping-Preispolitik der Luftfahrtunternehmen, die sich auf Dauer nicht werde aufrechterhalten lassen. Eine weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Erich TADLER (o.F.) über Maßnahmen zur Beseitigung von Langsamfahrstellen beantwortete die Ministerin, indem sie ihr Engagement für die Fortsetzung der Investitionen in die Schieneninfrastruktur hervorhob. Ihr Ziel sei es, alle Langsamfahrstellen bei den ÖBB bis 2014 zu beseitigen, sagte Doris Bures.

Abgeordneter Josef BUCHER (B): Sind Sie meiner Meinung, dass weitere Pensionsreformen im Bereich der Sozialversicherung unzumutbar sind, solange die SteuerzahlerInnen für die 50.000 ÖBB-PensionistInnen, die durchschnittlich schon mit gut 52 Jahren in Pension gehen, rund 2 Mrd. Euro - also "eine Steuerreform" – pro Jahr zahlen müssen?

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Verkehrsministerin BURES erinnerte daran, dass sie – in ihrer Funktion als Eigentümervertreterin – Weisung gegeben habe, das tatsächliche Pensionsalter bei den ÖBB dem gesetzlichen Pensionsalter anzunähern. Unter ihrem Amtsvorgänger Gorbach seien Pensionierungen als Mittel zur Kostensenkung eingesetzt worden. Dem Vorwurf, dass es in den Zügen der ÖBB immer weniger Schaffner gebe, begegnete die Ministerin mit einem Bekenntnis zu "begleiteten Zügen", stellte aber auch klar, dass bei den Personalkosten gespart werden müsse. Stolz zeigte sich Bures, dass derzeit bei den ÖBB über 800 junge Menschen in Ausbildung stünden; diese seien nach dem ASVG versichert. Nach der Einführung des ASVG bei den ÖBB im Jahr 1996 seien mittlerweile bereits 40 % der Bediensteten nach dem ASVG versichert und würden daher auch nach ihrer Pensionierung ASVG-Pensionen beziehen. Zum Cable-Liner-Projekt in Wien befragt, sprach sich die Ministerin für die "Attraktivierung der Infrastruktur" aus.

Abgeordneter Kurt GARTLEHNER (S): Welche Maßnahmen bzw. Schwerpunkte setzen Sie im Bereich Forschung und Entwicklung im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie?

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Jährlich würden 400 Mio. € für Forschung und Entwicklung ausgegeben, und bei den F&E-Ausgaben dürfe auch nicht gespart werden, zumal jeder dafür eingesetzte Euro zwei weitere Euro auslöse, betonte BURES. Im laufenden Jahr seien 3 % für F&E nicht erreichbar, man liege bei 2,76 %; hier wirke sich auch die aktuelle Krise aus. Gleichwohl ist Bures davon überzeugt, das Ziel von 4 % F&E-Anteil bis zum Jahr 2020 erreichen zu können, wie ja auch die Ausgaben für wirtschaftsnahe und angewandte Forschung in ihrem Ressort erhöht worden seien. Die Evaluierung der Forschungsförderung habe gezeigt, dass Österreich "gut aufgestellt" sei, wenngleich es Optimierungsbedarf gebe.

Auf das Thema Breitbandzugang angesprochen, sagte Bures, bei der Versteigerung der entsprechenden Frequenzen gehe es auch um einen möglichst hohen volkswirtschaftlichen und ökologischen Nutzen.

(Schluss Fragestunde/Forts. NR)