Parlamentskorrespondenz Nr. 596 vom 09.07.2010

Reine Luft und Wirtschaft - ein unüberbrückbarer Gegensatz?

Kein Konsens über Novelle zum Immissionsschutzgesetz-Luft

Wien (PK) – Nach der Fragestunde wurde die Plenarsitzung des Nationalrats mit einer Diskussion zu Umweltthemen eingeleitet. Auf der Tagesordnung stand die Änderung des Immissionsschutzgesetzes-Luft, die unter einem mit Anträgen des BZÖ, der Grünen und der FPÖ debattiert wurde.

Vor Beginn der Debatte teilte Präsidentin Barbara PRAMMER mit, dass der von der FPÖ eingebrachte Dringliche Antrag zum Thema Schubhaftzentrum Vordernberg um 15 Uhr aufgerufen wird. Im Anschluss an diese Debatte wird der Fristsetzungsantrag der Grünen in Verhandlung genommen, wonach der Verfassungsausschuss seine Beratungen über den G-Antrag betreffend "gläserne Parteikassen" bis 21. September abschließen soll.

Abgeordneter Mario KUNASEK (F) eröffnete die Debatte über das Immissionsschutzgesetz-Luft mit der Mitteilung, dass seine Fraktion der Vorlage nicht zustimmen werde, weil sie unsozial und nicht ausgewogen sei. Er führte eine Vielzahl ablehnender Stellungnahmen im Rahmen der Begutachtung an und zog daraus die Schlussfolgerung, dass nur SPÖ und ÖVP diese Novelle wollten. Die geplanten Umweltzonen etwa hätten in Deutschland nichts gebracht, meinte Kunasek, das Gesetz würde den BürgerInnen nichts als Kosten bringen. In der Steiermark überlegten bereits 2.500 Betriebe ihre Absiedlung. Auch für Menschen mit Behinderungen seien keine Ausnahmen vorgesehen, kritisierte der Abgeordnete und qualifizierte die Vorlage als "Husch-Pfusch-Gesetz".

Naturgemäß zu einer gänzlich entgegengesetzten Bewertung der Vorlage kam ÖVP-Mandatar Hermann SCHULTES. Gute Luft sei nicht nur ein Gesundheitsfaktor, sondern auch wichtig für ein Fremdenverkehrsland. Nach bundesweiten Messungen seit 1998 mit immer feiner werdenden Instrumenten würden nun Maßnahmen gesetzt, die keineswegs massiv seien und die auch nur so lang wie unbedingt nötig zum Einsatz kämen. Schultes würdigte die "gute Arbeitsaufteilung" zwischen dem Bund und den Bundesländern und brach einmal mehr eine Lanze für Subsidiarität und Föderalismus. Das Gesetz würde auch von der Wirtschaft unterstützt, weil viele ihrer Einwände im Rahmen der Begutachtung berücksichtigt worden seien. Schultes lobte auch den Diskussionsprozess, der zu dem Gesetz geführt hat, und fasste abschließend zusammen: "Gute Luft ist möglich, auch mit einer gesunden Wirtschaft".

Klubobfrau Eva GLAWISCHNIG-PIESCZEK (G) kam in ihrer Wortmeldung zu einem negativen Ergebnis: Seit 1998 das erste Gesetz beschlossen wurde, sei keine einzige Zielsetzung erreicht worden. Nicht einmal ansatzweise gebe es eine Lösung der Probleme, stellte sie fest. Glawischnig ging dann auf die Ölkatastrophe im Golf von Mexiko ein, aus der die Lehre gezogen werden müsse, dass Tiefseebohrungen nicht beherrschbar seien. Entgegen öffentlichen Äußerungen der Firmenleitung setze auch die ÖMV auf Tiefseebohrungen, bemerkte sie kritisch. Die Klubobfrau der Grünen forderte einen Ausstieg aus der Ölwirtschaft.

Die Vorlage gehe auf Bedenken der Bevölkerung ein, argumentierte wiederum Abgeordnete Petra BAYR (S). Es sei zu begrüßen, dass nun die Ausnahmen für Baumaschinen beseitigt würden, da diese oft besonders umweltbelastend seien. Dies sei auch ein Fingerzeig für die Industrie, bei der Erneuerung der Fuhrparks auf umweltfreundliche Maschinen umzusteigen. Bayr wies auf die neuen Möglichkeiten für die Landeshauptleute hin. In der vorliegenden Novelle sah sie auch einen österreichischen Beitrag zu internationalen Maßnahmen zum Schutz der Luft. Die Abgeordnete brachte einen Abänderungsantrag der Koalitionsparteien ein, der Ausnahmen für Behindertenfahrzeuge sowie für Fahrzeuge vorsieht, die für einen ordnungsgemäßen Betrieb auf Flugplätzen mit Betriebspflicht eingesetzt werden.

Abgeordneter Robert LUGAR (B) zog eine kritische Bilanz über die Umweltpolitik der Bundesregierung und hielt aus seiner Sicht fest, Österreich sei von einem Vorzeigeland zu einem Sorgenkind in Europa geworden. Der Redner vermisste insbesondere konkrete Aktivitäten des Ministers in Richtung eines Ausbaus der erneuerbaren Energien und Energieautarkie, um die Kyoto-Ziele zu erreichen. Die versprochene Energiestrategie habe bloß aus allgemeinen Absichtserklärungen bestanden, die thermische Sanierung sei durch den Wirtschaftsminister "abgedreht worden", beklagte er. Lugar forderte Berlakovich auf, sich gegen Mitterlehner auf die Beine zu stellen und für eine engagierte, aktive Umweltpolitik zu kämpfen.

Bundesminister Nikolaus BERLAKOVICH sprach von einem Meilenstein in der Umweltpolitik und betonte, durch dieses Gesetz gelinge es, die Bevölkerung vor Feinstaub zu schützen, gleichzeitig aber auch wirtschaftliche Entwicklung und Verkehrserschließung zuzulassen. Der Minister nannte das Regelwerk einen "Werkzeugkasten", aus dem die Landeshauptleute die für ihr Land adäquaten Maßnahmen wählen können. Neben der Streichung zahlreicher Ausnahmen hob Berlakovich zudem vor allem den Umstand hervor, dass in den Sanierungsgebieten die Ansiedlung von neuen Betrieben ermöglicht wird, die dem Stand der Technik entsprechen. Wichtig war für den Ressortleiter auch, dass beim Straßenbau nunmehr auch die erwarteten Emissionen aus dem zukünftigen Verkehrsaufkommen berücksichtigt werden müssen.

Abgeordneter Johann RÄDLER (V) wertete die Vorlage als gutes Gesetz, das vor allem im kommunalen Bereich sehr viel bringt, und meinte an die Adresse der Kritiker gerichtet, von einem Anschlag auf die Gemeinden könne keine Rede sein.

Abgeordneter Gerhard KURZMANN (F) lehnte die Einführung von Umweltzonen strikt ab und gab zu bedenken, Ballungsgebiete wie Graz würden dadurch zu Sperrzonen werden, was sowohl für PendlerInnen als auch für den Wirtschaftsstandort ein schwerer Schlag wäre. Kurzmann machte auch soziale Gründe geltend, indem er daran erinnerte, dass es sich die Mehrheit der AutofahrerInnen wohl kaum werde leisten können, ein mehr als vier Jahre altes Dieselfahrzeug aufzugeben und sich ein neues umweltgerechtes Auto zu kaufen.

Abgeordnete Ruth BECHER (S) hingegen ortete in dem Gesetz deutliche Verbesserungen für die Luftqualität und begrüßte insbesondere die erweiterten Möglichkeiten der Landeshauptleute, konkrete Maßnahmen gegen zu hohe Feinstaubbelastung zu setzen.

Abgeordnete Christiane BRUNNER (G) unterstützte zwar grundsätzlich die Grenzwerte für Feinstaub und die Regelung betreffend die Sanierungszonen, kritisierte das Gesetz aber als nicht ausreichend, um die Gesundheitsbelastung einzudämmen. Durch die nach wie vor bestehenden zahlreichen Ausnahmen würden die Grenzwerte zur Farce, stellte sie fest.

Abgeordneter Franz HÖRL (V) sah in dem Gesetz einen ausgewogenen Kompromiss und betonte, die ursprünglichen Forderungen der Grünen hätten für die Tiroler Wirtschaft katastrophale Auswirkungen gebracht, zumal dann das gesamte Inntal zum Sanierungsgebiet erklärt worden wäre.

Abgeordneter Rainer WIDMANN (B) übte heftige Kritik an den Umweltzonen und argumentierte, diese würden nichts bringen und seien bloß eine Bürgerschikane. Mangels eines entsprechenden Angebots an öffentlichen Verkehrsmitteln fehle es vor allem an Alternativen zum Individualverkehr, gab er zu bedenken.

Abgeordneter Josef AUER (S) sprach von einem gelungenen Spagat zwischen dem Schutz der Luft und der Sicherstellung einer prosperierenden Wirtschaftsentwicklung, meinte aber, dieses Gesetz allein werde nicht ausreichen. Notwendig seien vor allem vermehrte Anstrengungen zur Verlagerung des Verkehrs auf die Schiene.

Abgeordneter Gerhard DEIMEK (F) bezeichnete einzelne Bestimmungen des Gesetzes als "Türkengrillförderung" und stellte irritiert fest, Grillfeuer seien erlaubt, für Brauchtumsfeuer hingegen würde man eine Ausnahme benötigen. 

Abgeordneter Peter MAYER (V) bezeichnete die Gesundheit als höchstes Gut, das es zu schützen gelte. Da Feinstaub nachgewiesenermaßen zahlreiche Erkrankungen verursachen könne, sei es ein Fortschritt, dass den Landeshauptleuten mit der vorliegenden Gesetzesnovelle eine große Palette an Möglichkeiten zu Verbesserung der Luftqualität eingeräumt werde. Die Forderung nach Ausnahmen für Traditionen und Freizeitaktivitäten sei zwar nachvollziehbar, doch müsse man Prioritäten setzen, sagte er. Man dürfe deshalb auch nicht neidvoll auf die Landwirtschaft schielen, für die solche Ausnahmeregelungen gewährt wurden.

Abgeordneter Gerald GROSZ (B) warf der Regierung "Selbstherrlichkeit" vor und bezeichnete Bundesminister Berlakovich als "schlechtesten Landwirtschafts- und Umweltminister der Zweiten Republik". Mit der vorliegenden Novelle täusche man, so Grosz, der österreichischen Bevölkerung nämlich vor, dass etwas gegen die Feinstaubproblematik getan werde. Tatsächlich ziele sie nur auf die Eindämmung des PKW-Verkehrs ab, auf dessen Konto lediglich 15 % des Feinstaubs gingen. Mit der Novelle erkläre die Bundesregierung schlicht 800.000 Personenfahrzeuge für "wertlos" ohne die Beteiligung der Industrie am Feinstaubaufkommen zu thematisieren. Das BZÖ werde der Novelle daher nicht zustimmen, schloss er.

Abgeordneter Peter STAUBER (S) konnte den Ausführungen seines Vorredners nichts abgewinnen. Natürlich könne man auch andere Feinstaubverursacher identifizieren, doch sei es schwieriger, Landwirtschaft und Hausbrand zu reglementieren. Menschen, die in ländlichen Regionen ohne ausreichende Versorgung mit Fernwärme leben, dürfe man auch nicht verbieten, mit Holz zu heizen. Was die befürchteten Einschränkungen bei Bräuchen wie Osterfeuern anbelangt, wies Stauber auf die den Landeshauptleuten eingeräumte Möglichkeit hin, Ausnahmegenehmigungen zu erteilen. Dass sich die Novelle nicht auf Behindertenfahrzeuge beziehe, bewertete er als positiv.

Für Abgeordneten Gerhard HUBER (B) bringt die Gesetzesnovelle nur marginale Verbesserungen. Dass man 800.000 PKW aus dem Verkehr ziehen wolle, sei verantwortungslos, zumal sich viele Menschen kein neues Fahrzeug leisten könnten. Es sei außerdem darauf hinzuweisen, dass die neuen Motoren nicht nur Vorteile mit sich bringen und in einigen Bundesländern schon jetzt darüber gesprochen werde, das Gesetz zu brechen.

Abgeordneter Konrad STEINDL (V) hielt die vorliegende Lösung für ausgewogen. Man habe einen "goldenen Mittelweg" gefunden, zeigte sich Steindl überzeugt, der die positiven Effekte der Novelle für die Wirtschaft hervorhob. In den letzten Jahrzehnten seien bereits große Fortschritte in Bezug auf die Senkung der Schadstoffemissionen erzielt worden, doch gelte es, diesen Weg weiterzugehen, um Österreich eine gute Luft und eine saubere Umwelt zu sichern, sagte er.

Abgeordnete Gabriela MOSER (G) konnte zwar erkennen, dass die Bundesregierung versuche, das Thema Feinstaub anzugehen, doch sei die vorliegende Novelle u. a. aufgrund der Nichtberücksichtigung anderer Feinstauberzeuger nicht weitreichend genug. Die Grünen könnten, so Moser, dem "halbherzig" gestalteten Gesetzesentwurf keine Zustimmung erteilen. Den Kurs der anderen Oppositionsparteien bezeichnete sie als "schizophren": Zwar fordere man stetig die Verringerung von Schadstoffbelastungen, gleichzeitig beklage man sich, wenn der Bundesminister auch nur ein Instrument, das dazu beitragen könne, verbessert.

Für Abgeordneten Walter SCHOPF (S) bringt die Novelle hingegen deutliche Verbesserungen, die auch zukünftigen Generationen zugutekommen. Mit ihrer Verabschiedung gelinge es, Menschen schneller und effektiver vor Gesundheitsbelastungen zu schützen und den Landeshauptleuten ein brauchbares Instrumentarium in die Hand zu geben. Für ihn steht fest, dass Grenzwerte unbedingt einzuhalten sind.

Auch Abgeordneter Josef LETTENBICHLER (V) äußerte große Freude über den erzielten Kompromiss. Ihm zufolge sei es eindrucksvoll gelungen, die europäischen Vorgaben umzusetzen, ohne das für Österreich so wichtige Wirtschaftswachstum zu gefährden.

Abgeordneter Johann HELL (S) hielt die Reduzierung von Feinstaub, der Asthma und Lungenkrankheiten verursache, sowie die Einrichtung sogenannter "Umweltzonen" für zwei wesentliche Punkte der Novelle. Der vorliegende Entwurf sei ein Kompromiss, doch gelte es weiter, produktiv zusammenzuarbeiten, um weitere Maßnahmen zu setzen, appellierte er.

Abgeordneter Erich TADLER (o.F.) verwies auf die 63 im Begutachtungsverfahren zum Gesetz eingegangenen Stellungnahmen, die nicht durchwegs positiver Natur waren. Auch er sehe zahlreiche Probleme, die die Umsetzung nach sich ziehen werde. So sei es u. a. kritisch zu bewerten, wenn die Mobilität von TouristInnen in Österreich durch Fahrverbotszonen eingeschränkt werde, über die man sich auf einer Homepage informieren müsse.

Die Novelle zum Immissionsschutzgesetz-Luft wurde vom Nationalrat unter Berücksichtigung des V-S-Abänderungsantrags mit Stimmenmehrheit verabschiedet. Zuvor war der Rückverweisungsantrag der FPÖ abgelehnt worden.

Mit Stimmenmehrheit nahmen die Abgeordneten auch die ablehnenden Ausschussberichte über die Oppositionsanträge zur Kenntnis.

Antrag zum Ausbau erneuerbarer Energien angenommen

Im Anschluss daran widmeten sich die Abgeordneten dem Antrag der Grünen "Raus aus dem Öl!", in dem sie unter anderem die Abschaffung aller Subventionen für die Ölwirtschaft und die unbegrenzte Haftung der Konzerne bei Öl- und Atomunfällen fordern.

Abgeordnete Christiane BRUNNER (G) kam in diesem Zusammenhang auf die Öl-Katastrophe im Golf von Mexiko zu sprechen, die unermessliche Schäden verursacht habe. Die beteiligten Ölkonzerne aber würden mit dem Geschehen nicht fertig, die Kosten für die Beseitigung der Schäden blieben aufgrund der Haftungsobergrenzen an der Allgemeinheit hängen, beklagte sie. Es sei daher Aufgabe der Politik, diese Unternehmen in ihre Schranken zu weisen. Da auch österreichische Konzerne wie die OMV an risikoreichen Tiefseebohrungen beteiligt sind, müsse die österreichische Bundesregierung ihre diesbezügliche Verantwortung wahrnehmen. Brunner brachte daher einen Entschließungsantrag ihrer Partei ein, in dem nicht nur ein Rückzug der OMV aus diesen riskanten Unternehmungen, sondern auch der Einsatz der Bundesregierung für ein Moratorium für Tiefseebohrungen auf EU-Ebene gefordert wird. Für Brunner stand fest, dass es ein starkes, engagiertes und unabhängiges Umweltministerium brauche, wolle man die erforderlichen Weichen stellen. Brunner begrüßte aber den von den Koalitionsparteien vorliegenden Entschließungsantrag "zukunftsfähiges Energiesystem".

Abgeordneter Hermann SCHULTES (V) freute sich über die Zustimmung, die seine Vorrednerin für Entschließungsantrag signalisiert hatte. Zur Forcierung erneuerbarer Energie werde bereits einiges getan, auch stelle man sich explizit gegen Investitionen in fossile Energieträger, hielt Schultes fest. Was die Klimaschutzverhandlungen insgesamt anbelangt, gelte es, sie genauso vehement weiterzuführen wie vor Kopenhagen, schloss er.

Abgeordnete Eva GLAWISCHNIG-PIESCZEK (G) konnte nicht verstehen, warum im Ausschuss der Antrag ihrer Fraktion betreffend Abschaffung von Haftungsobergrenzen für Ölkonzerne sowie von Subventionen für Ölförderung abgelehnt worden ist. Tiefseebohrungen bewertete die Rednerin als "aberwitziges" Unternehmen, weshalb sich ihre Fraktion für ein Verbot solcher Vorhaben über eine Tiefe von 200 Meter hinaus einsetze. Kritik übte Glawischnig-Piesczek auch an einer Kampagne der Wirtschaftskammer Österreich, mit der man den Einbau von Ölheizungen forciert.

Abgeordnete Petra BAYR (S) meinte, es sei sinnvoller, die Thematik umfassender zu diskutieren als dies im Antrag der Grünen gefordert wird. Sie wolle nicht nur über Tiefseebohrungen, sondern über einen Ausstieg aus der Ölförderung insgesamt sprechen. Die Haftungen für Ölkonzerne sollten so gestaltet werden, dass es nicht möglich ist, die Kosten auf die Allgemeinheit abzuwälzen. Bayr sprach sich außerdem für die Fortsetzung der thermischen Sanierung aus, wollte hierbei aber ein anderes Förderregime angewendet wissen.

Abgeordnete Susanne WINTER (F) äußerte sich sowohl zum vorliegenden Entschließungsantrag als auch zur Energiepolitik der Grünen im Allgemeinen kritisch und stellte sich die Frage, ob die Grünen "zurück ins Mittelalter" wollten. Ein Leben ohne den Rohstoff Erdöl ist ihrer Meinung nach de facto nicht möglich. Die FPÖ sei für einen Schutz der Umwelt, bekräftigte Winter, man könne das Rad aber nicht zurückdrehen und übertriebene Forderungen stellen.

Abgeordneter Rainer WIDMANN (B) wertete den Antrag der Grünen ebenfalls als oberflächlich, undifferenziert und nicht zu Ende gedacht. Die Strategie "Raus aus dem Öl" sei zwar grundsätzlich richtig, meinte er, überzogene Forderungen hätten aber keinen Sinn. So zeigte er kein Verständnis dafür, dass die Grünen wichtige Straßenprojekte in Frage stellen, die zum Teil bereits in Bau sind. Zum Antrag der Regierungsparteien merkte Widmann an, für eine einseitige ökologische Steuerreform ohne sozialen Ausgleich sei das BZÖ nicht zu haben.

Umweltminister Nikolaus BERLAKOVICH sprach sich für einen Ausstieg aus der fossilen Ölwirtschaft aus, da diese, wie er meinte, keine Perspektive darstelle. Schließlich gingen die Ölreserven allmählich zu Ende. Je früher ein Staat auf diese Entwicklung reagiere und den Ausstieg aus dem Öl forciere, desto vorteilhafter sei dies für ihn. Allerdings sei die Vision eines energieautarken Österreich von einem Tag auf den anderen nicht umsetzbar, schränkte Berlakovich ein. 

Sein Ministerium tue vieles zur Forcierung der Energieautarkie, betonte Berlakovich und trat gleichzeitig auch für eine Ökologisierung des Steuersystems ein. Beim nächsten Umwelt-Ministerrat in Brüssel will sich der Minister seiner Darstellung nach für einen Öko-Fonds einsetzen, in den die Ölfirmen einzahlen sollten. Damit will er verhindern, dass von der Ölindustrie verursachte Umweltschäden auf Kosten der SteuerzahlerInnen beseitigt werden müssen.

Abgeordneter Peter MAYER (V) wandte sich gegen die Forderung der Grünen, den Autobahn- und Schnellstraßenausbau zu stoppen. Gleichzeitig begrüßte er den von der Regierung vorgelegten Plan zum Ausbau der erneuerbaren Energie. Ein Ausstieg aus dem Öl ist für Mayer nur "step by step" vorstellbar.

Abgeordnete Rosa LOHFEYER (S) sagte "ja" zu einem Ausstieg aus dem Öl, die Frage ist für sie aber, wie und in welchem Tempo. Der Wirtschaftsstandort Österreich dürfe keinen Schaden erleiden, sagte sie. Lohfeyer trat unter anderem für eine Forcierung des öffentlichen Verkehrs und der sanften Mobilität sowie für eine sinnvolle Förderung der thermischen Gebäudesanierung ein.

Abgeordneter Gerhard DEIMEK (F) setzte sich kritisch mit dem Antrag der Grünen auseinander und meinte, man könne neue Technologien nicht einfach ablehnen. Wesentlich sei vielmehr, wie man mit neuen Technologien umgehe. Auch der Forderung nach einem Baustopp im hochrangigen Straßennetz konnte er nichts abgewinnen. Das habe, so Deimek, mit dem Thema Öl nichts zu tun.

Abgeordneter Christoph HAGEN (B) stimmte zu, dass die Lage im Golf von Mexiko "eine Katastrophe" sei. Die Forderung der Grünen nach einem sofortigen Ausstieg aus der fossilen Energie qualifizierte er allerdings als "völligen Schwachsinn" und mangels Alternativen auch gar nicht machbar. Er wolle nicht "zurück in die Steinzeit", sagte Hagen. Scharfe Kritik übte er auch am neuen Immissionsschutzgesetz-Luft.

Abgeordneter Rudolf PLESSL (S) teilte die Auffassung, dass Tiefseebohrungen problematisch seien. Den von den Grünen geforderten Baustopp beim Straßenausbau lehnte er allerdings ab. Plessl sprach sich dafür aus, die Energieeffizienz zu steigern, in alternative Energieformen zu investieren, die Wasserkraft auszubauen und die Elektromobilität zu erhöhen, um die Abhängigkeit Österreichs vom Öl zu reduzieren.

Abgeordneter Wolfgang PIRKLHUBER (G) unterstrich, eine Umweltkatastrophe wie jene im Golf von Mexiko erfordere radikales Umdenken. Lippenbekenntnisse allein seien zu wenig, bekräftigte er. Seiner Ansicht nach stehen Wirtschaftsminister Mitterlehner und Umweltminister Berlakovich aber auf Seiten der Öl- und der Gaslobby. Pirklhuber verteidigte die Forderung der Grünen nach einem Baustopp im hochrangigen Straßennetz und plädierte nicht zuletzt angesichts der Schulden der ASFINAG für eine "Verschnaufpause", die zu sinnvollen Investitionen in erneuerbare Energie genutzt werden sollte.

Der ablehnende Bericht des Umweltausschusses über den Antrag der Grünen wurde vom Nationalrat mehrheitlich zur Kenntnis genommen und der Entschließungsantrag der Grünen betreffend Ausstieg aus Tiefseebohrungsprojekten abgelehnt. Mehrheitlich stimmten die Abgeordneten dem V-S-Entschließungsantrag betreffend zukunftsfähiges Energiesystem zu.

(Forts. NR)