Parlamentskorrespondenz Nr. 693 vom 22.09.2010

Asyl- und Migrationspolitik in Europa

Aktuelle Europastunde im Nationalrat

Wien (PK) Die Aktuelle Europastunde in der Sitzung des Nationalrats widmete sich auf Vorschlag der ÖVP dem Thema "Aktuelle Entwicklungen der Asyl- und Migrationspolitik auf europäischer Ebene".

Die Debatte wurde von Abgeordnetem Werner AMON (V) eingeleitet. Migration stelle eine zentrale Herausforderung in der heutigen Zeit dar, sagte er, sowohl in Österreich als auch in Europa. Der Anteil von Personen mit Migrationshintergrund an der österreichischen Bevölkerung betrage 17,5 %, in Wien liege dieser bereits bei 34,5 % -und das sei auch international relativ hoch. Um die Probleme bewältigen zu können, brauche es einen Maßnahmenmix und ein europäisches Asylsystem, meinte Amon. In erster Linie gehe es um die Bekämpfung der illegalen Migration und des internationalen Menschenhandels sowie um ein Außengrenzenmanagement und koordinierte Rückführungsmaßnahmen.

Man dürfe die Aufnahmekapazität im eigenen Land nicht überfordern, warnte Amon und sprach sich für die Durchsetzung einer geregelten Einwanderungspolitik aus. Man müsse verhindern, dass sich Menschen ihr Bleiberecht einfach ersitzen, sagte er. Amon begrüßte daher die Initiative von Innenministerin Fekter, eng mit ihren AmtskollegInnen aus den Nachbarstaaten im so genannten "Forum Salzburg" zusammenzuarbeiten. Amon thematisierte auch die Kriminalität, wobei viel polemisiert werde, wie er einräumte, die aber auch mit Zuwanderung zu tun habe. Er unterstützte den Vorschlag Fekters, AsylwerberInnen zur Mithilfe bei der Klärung der Frage zu verpflichten, ob ein Asylgrund vorliegt oder nicht. Notwendig sei, ein subjektives und kollektives Sicherheitsbedürfnis im Rahmen des demokratischen Rechtsstaats sicherzustellen, formulierte Amon.

Bundesministerin Maria Theresia FEKTER unterstrich die Herausforderung für die EU und ihre Mitgliedstaaten, die sie aufgrund des enormen Flüchtlings- und Zuwanderungsdrucks zu bewältigen haben. Fekter listete in diesem Zusammenhang ihre Vorstellungen und Forderungen an die Asylpolitik auf. Sie trat für gemeinsame Standards in der Asylpolitik innerhalb der EU ein, da ähnliche Fälle gleich behandelt werden sollen. Gleichzeitig seien die Verträge von allen EU-Staaten einzuhalten, forderte sie. Dezidiert sprach sie sich aber gegen ein zentrales, von Brüssel gesteuertes Asylsystem aus. Das Flüchtlingswesen müsse der nationalen Gestaltung vorbehalten bleiben, bekräftigte Fekter, Brüssel dürfe keine Quoten für die Mitgliedsländer erlassen. In Europa sei es dringend erforderlich, gemeinsam gegen illegale Migration vorzugehen und eine effiziente Rückführungspolitik zu betreiben.

Für unumgänglich hält die Ministerin weitere Integrationsmaßnahmen für diejenigen, die in Österreich sind und bleiben dürfen, und dies habe vor jedem Neuzugang Priorität, hielt sie fest. Die Interessen Österreichs sowie die Aufnahmekapazität der Bevölkerung müsse berücksichtigt werden, außerdem dürfe man das Sozialsystem nicht überlasten. Eine Immigration in die Armut sei der falsche Weg, betonte Fekter. Die Flüchtlingsströme seien bereits an den Außengrenzen zu stoppen, denn es sei inhuman, Menschen einzureden, sich durch illegalen Aufenthalt ein Bleiberecht erkämpfen zu können.

Fekter stellte einmal mehr klar, dass man Schutzsuchenden Hilfe gewähren müsse, gleichzeitig habe man aber strikt gegen Missbrauch vorzugehen, ließ sie keinen Zweifel offen. Sie kritisierte scharf die Änderungsvorschläge der EU für das Asylwesen und informierte, dass die InnenministerInnen im Rahmen des "Forum Salzburg" ihre Strategie abgesprochen hätten und mit ihren Stimmen gegen die EU-Vorhaben ein Veto einlegen können. Wenn AsylwerberInnen ab dem ersten Tag alle Sozialleistungen lukrieren können sollen, dann wäre das eine Einladung an die Schlepperorganisationen, erläuterte Fekter. Sie wandte sich auch dagegen, dass man als AsylwerberIn sofortigen Zugang zum Arbeitsmarkt erhalte.

Die Innenministerin wies in ihrer Stellungnahme auch auf die erfolgreich durchgeführten und von der EU finanzierten Rückführungen hin, wofür Österreich das Know-how geliefert habe. Sie werde sich auch dafür einsetzen, dass FRONTEX die EU-Außengrenzen effizient sichert und man den Menschen etwa in Afrika vor Ort hilft. Die humanitäre Auftragslage gebiete es, Hilfe dort zu geben, wo sie notwendig ist, Missbrauch zu verhindern, keinen Markt für Schlepperorganisationen zu schaffen und keine illegale Migration zuzulassen, fasste die Innenministerin ihre Leitlinien für die Asylpolitik zusammen.

Abgeordneter Otto PENDL (S) unterstrich die Notwendigkeit, den humanitären Auftrag nicht zu vergessen, wenn man über Fremdenpolitik spricht. Er wies jegliche Vermischung von unterschiedlichen Fragestellungen und das Schüren von Ängsten zurück. Seiner Meinung nach haben die bisher gesetzten Maßnahmen der Bundesregierung gewirkt, das beweise auch die erfolgreiche Arbeit des Asylgerichtshofs, sagte er. Man habe derzeit die kürzesten Verfahrenszeiten vorzuweisen, freute sich Pendl. Der SPÖ-Mandatar teilte die Forderung der Innenministerin nach europäischen Mindeststandards und nach Belassung zentraler Kompetenzen bei den Mitgliedstaaten. Seiner Meinung nach müssen vor allem die Vollzugsdefizite in den anderen Ländern beseitigt werden. Eine gemeinsame EU-Politik dürfe nicht zu Lasten Österreichs gehen, unterstrich er und bekräftigte abermals die Notwendigkeit in all diesen Fragen einen humanitären Weg zu gehen. Pendl kündigte auch die Umsetzung einer rot-weiß-roten Karte an, die helfen soll, treffsicher jene Menschen ins Land zu holen, die auf dem österreichischen Arbeitsmarkt gebraucht werden.

Abgeordnete Adelheid FÜRNTRATH-MORETTI (V) sagte, Asyl-, Migrations- und Sicherheitspolitik gehe alle an, die in Europa lebten, denn Sicherheit sei eines der grundlegenden und wichtigsten Bedürfnisse der Menschen. Ihre Fraktion wolle daher, dass die Menschen in Österreich nicht nur sicher lebten, sondern sich auch sicher fühlten. Dieser Maxime sei die Politik der Innenministerin verpflichtet. In Österreich sei dank Fekter schon viel Positives geschehen, nun gehe es darum, den heimischen Standards auch auf europäischer Ebene zum Durchbruch zu verhelfen.

Abgeordneter Harald VILIMSKY (F) erklärte, seine Fraktion werde als Oppositionspartei auch weiterhin Probleme aufzeigen. Denn Probleme seien zahlreich vorhanden, wofür die Fraktion seiner Vorrednerin die Verantwortung trage. In aller Deutlichkeit müsse man sagen, dass die Zuwanderungsrate unter einem schwarzen Kanzler weit höher gewesen sei als unter dessen rotem Vorgänger. Es fruchte nichts, die Lage schönzureden, denn die Realität sehe düster aus. Und diese Wirklichkeit sei der verfehlten Politik der EU auf diesem Gebiet geschuldet. Daher brauche es hier ein grundlegendes Umdenken. Bereits an den Außengrenzen der EU müsse dafür Sorge getragen werden, dass Europa nicht von kriminellen Banden überrollt werde.

Abgeordneter Alexander VAN DER BELLEN (G) warf dem Erstredner vor, eine Themenverfehlung begangen zu haben, denn in der Rede Amons sei zum eigentlichen Gegenstand der Debatte nichts zu hören gewesen. Stattdessen sei viel von Wien und der Steiermark die Rede gewesen. Überdies werde von Seiten der ÖVP hier vieles vermischt. Man dürfe die hunderttausenden ÖsterreicherInnen mit Migrationshintergrund, die hier brav arbeiteten und ihre Steuern zahlten, nicht mit Kriminellen in einen Topf werfen. Das sei unlauter. Die Europäische Asylpolitik müsse im Geiste der Solidarität gemacht werden, und alle, auch Österreich, seien dazu aufgerufen, ihren Beitrag dazu zu leisten. Konkret kritisierte der Redner die inakzeptable Haltung des französischen Präsidenten gegenüber der Volksgruppe der Roma.

Abgeordneter Gerald GROSZ (B) warf der ÖVP vor, für Defizite in der steirischen Sicherheitspolitik verantwortlich zu sein. Die Asylpolitik der ÖVP richte sich ausschließlich gegen die Interessen der Österreicherinnen und Österreicher - und dementsprechend desaströs sehe die Lage in der Steiermark und in Wien aus, wie die Aufklärungslage von 7 Prozent bei Einbruchsdelikten belege. Die heimische Exekutive sei nach wie vor hochmotiviert und leiste hervorragende Arbeit, doch werde sie von der Politik sträflich im Stich gelassen. Konkret forderte der Redner, dass jene Ausländer, die das Gastrecht missbrauchten, sofort abgeschoben werden müssten, damit die Menschen in diesem Land nicht länger in Unsicherheit lebten.

Abgeordnete Sonja STEßL-MÜHLBACHER (S) sprach sich für eine sachliche Europapolitik aus und meinte, für die höchsten Zuwanderungsraten seien auch jene beiden Parteien verantwortlich, die heute am lautesten schrien. Man könne die Problematik nicht mit ausländerfeindlichen Parolen lösen, auch sei es unlauter, Ängste und sogar Hass zu schüren. Doch habe die Bevölkerung in der steirischen und österreichischen Sozialdemokratie in all diesen Fragen einen verlässlichen Partner.

Abgeordnete Gabriele TAMANDL (V) meinte hingegen, die Innenministerin sorge dafür, dass jene, die des Schutzes bedürftig seien, bei uns Asyl fänden, dass aber jene, die dieses Recht missbrauchten, aus Österreich abgeschoben würden. Daher befinde man sich in der Fremdenpolitik auf dem richtigen Weg, die Vorwürfe der Opposition verfingen also nicht. Die Sicherheitspolitik sei bei der Innenministerin gut aufgehoben.

Abgeordneter Gerhard KURZMANN (F) behauptete, die Asylpolitik der Regierung sei gescheitert und forderte die Koalitionsparteien auf, sich an Präsident Sarkozy ein Beispiel zu nehmen. Die bestehenden Gesetze seien zahnlos, sie müssten dringend verschärft werden. Die bisherige Asylpolitik sei falsch gewesen, denn die Zahl der qualifizierten Zuwanderer betrage nur 10 Prozent, während sie anderswo, etwa in Australien oder Kanada, bis zu 90 Prozent betrage. Daher bestehe auf diesem Gebiet dringender Handlungsbedarf. Konkret forderte der Redner einen sofortigen Zuwanderungsstopp, bis alle, die bereits im Lande lebten, vollständig integriert seien.

Abgeordnete Alev KORUN (G) warf der ÖVP Unglaubwürdigkeit in der Atompolitik vor und forderte dringend gemeinsame Anstrengungen zu einer konsistenten Asyl- und Migrationspolitik ein. Nur 14 Prozent aller Flüchtlinge komme in die EU, während viele Entwicklungsländer weit mehr Flüchtlinge beherbergten. Für Panikmache bestehe daher keine Veranlassung. Generell brauche es aber eine einheitliche europäische Flüchtlingspolitik mit denselben Standards, damit die Aufnahmekriterien in ganz Europa exakt dieselben sind.

Abgeordneter Ewald STADLER (B) wies die Behauptung der Redner der ÖVP zurück, für den Rückgang der Kriminalität in der Steiermark sei der dortige VP-Landeshauptmannstellvertreter verantwortlich. Das Thema sei viel zu ernst, als dass man es "verschützenhöfern" dürfe. Die Bilanz der Sicherheitspolitik dieser Innenministerin sei ernüchternd. Wenn ein Österreicher in eigener Sache an einem Verfahren nicht mitwirke, dann gelte sein Antrag als zurückgezogen. Dieses Prinzip der persönlichen Anwesenheit sollte auch in Asylfragen gelten, denn was der Sicherheitspolitik für die Österreicherinnen und Österreicher recht und billig sei, das sollte auch für Asylanten gelten.

Abgeordneter Josef JURY (o. F.) sagte, die europäische Sicherheitspolitik sei zum Scheitern verurteilt, wie in Europa sehr vieles falsch laufe. Das sei nicht das Europa, das man sich vorgestellt habe, es bedürfe daher eines grundlegenden Politikwandels, um wieder zu jenen Prinzipien zurückzufinden, die ursprünglich im Mittelpunkt der Europaidee gestanden seien.

Vor Eingang in die Tagesordnung gab der Zweite Präsident des Nationalrats, Fritz NEUGEBAUER bekannt, dass der Klub der Grünen beantragt habe, seine Anfrage an den Finanzminister zum Thema "WählerInnentäuschung und Verfassungsbruch durch die Bundesregierung" dringlich zu behandeln. Außerdem begehrten die Grünen eine Kurze Debatte betreffend die Beantwortung des Landwirtschaftsministers einer Anfrage zum Thema "Wahrung der Emissionswerte". Beginn der Debatte über die Dringliche Anfrage: 15 Uhr. Im Anschluss daran findet eine Kurzdebatte über eine Anfragebeantwortung des Landwirtschaftsministers statt.

(Schluss Europastunde/Forts. NR)