Parlamentskorrespondenz Nr. 696 vom 22.09.2010

Nationalrat diskutiert über Familienpolitik

Familienbericht 1999 - 2009 als Grundlage

Wien (PK) – Der Familienbericht 1999 – 2009 bot den Abgeordneten in der heutigen Sitzung des Nationalrats Gelegenheit zu einer umfassenden Diskussion über die österreichische Familienpolitik. Abgeordnete Anneliese KITZMÜLLER (F) wies darauf hin, dass der zur Diskussion stehende Familienbericht 2.763 Seiten umfasse. Ihr zufolge ist er von der FPÖ in der vorliegenden Form aber nicht zu akzeptieren. Der Bericht sei gekennzeichnet von Realitätsferne und politischem Wunschdenken, kritisierte sie.

Kitzmüller klagte, dass die Regierung die Leistung der Familien immer noch nicht ausreichend anerkenne. Viele Familienleistungen seien schon seit Jahren nicht valorisiert worden. Ausdrücklich sprach sie sich darüber hinaus für die Einführung eines Familiensplittings im Steuersystem und gegen die Abschaffung der 13. Familienbeihilfe aus.

Abgeordnete Ridi Maria STEIBL (V) machte darauf aufmerksam, dass Familie und Partnerschaft nach wie vor einen hohen Stellenwert bei den ÖsterreicherInnen hätten. Dem trägt die österreichische Familienpolitik ihrer Meinung nach Rechnung. Österreich liege mit seinen Familienleistungen im internationalen Spitzenfeld und habe in den letzten Jahren viele wichtige Schritte für Familien gesetzt, unterstrich sie.

Steibl verwies unter anderem auf die steuerliche Absetzbarkeit von Kinderbetreuungsausgaben, die Einführung des einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgelds, das verpflichtende Kindergartenjahr und die Bereitstellung von Partner- und Elternbildungsangeboten. Handlungsbedarf sieht sie insbesondere im Pflegebereich, schließlich würde, so Steibl, ein Großteil der Pflegeleistungen nach wie vor im Familienverbund erbracht.

Abgeordneter Christian HÖBART (F) hielt fest, es sei Tatsache, dass die Geburtenrate in Österreich sinke und die Scheidungsrate steige. Seiner Ansicht nach ist die Politik gefordert, Gegenmaßnahmen zu setzen. Es gehe nicht an, schon kleine Kinder im Säuglingsalter in Kinderkrippen "abzuschieben", mahnte er und bekräftigte, die FPÖ lehne "Container-Kinderbetreuung" ab. Wie seine Fraktionskollegin Kitzmüller urgierte Höbart die Valorisierung von Familienleistungen und ein Familiensplitting im Steuersystem.

Abgeordnete Gabriele BINDER-MAIER (S) betonte, der Familienbericht sei ein gutes Nachschlagewerk und sehr aufschlussreich. Er zeige auf, welchen Herausforderungen die Familienpolitik gegenüberstehe und welche Probleme zu lösen seien.

Jährlich würden, so Binder-Maier, zehn Mrd. € für die österreichischen Familien bereitgestellt, davon sechs Mrd. € aus dem FLAF und vier Mrd. € aus steuerlichen Erleichterungen und der kostenlosen Mitversicherung. Es gebe aber eine Schieflage von Geldleistungen und Sachleistungen, skizzierte sie. Für Binder-Maier ist die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ein wichtiger Schlüssel für die Zukunft von Familien, sie sprach sich in diesem Sinn für eine Verlängerung der Bundesförderung für Kinderbetreuungseinrichtungen aus.

Abgeordnete Carmen GARTELGRUBER (F) bemängelte, dass weder das Kinderbetreuungsgeld noch die Familienbeihilfe in den vergangenen Jahren an die Inflation angepasst worden seien. Ein von ihr eingebrachter Entschließungsantrag zielte darauf ab, die 13. Familienbeihilfe in vollem Umfang zu erhalten. Es müsse eine bessere Lösung geben, als gerade bei den Familien zu sparen, erklärte Gartelgruber.

Abgeordnete Daniela MUSIOL (G) qualifizierte den Familienbericht als eine "hervorragende Grundlage" für die politische Diskussion, bedauerte allerdings, dass er in erster Linie eine Ist-Analyse vornehme und keine Lösungsvorschläge für bestehende Probleme enthalte. Zudem vermisst sie den Problembereich Armut.

Eine Aussage des Berichts ist Musiol zufolge, dass ausreichende Kinderbetreuungseinrichtungen Voraussetzung für die Erhöhung der Geburtenrate seien. Hier ist Österreich ihrer Meinung nach säumig. Musiol brachte einen Entschließungsantrag ein, der auf eine Verlängerung des Bundeszuschusses für den Ausbau institutioneller Kinderbetreuung abzielt. Die Frage des Ausbaus von Kinderbetreuungseinrichtungen sei nicht nur eng mit dem Mut zum Kind, sondern auch mit der Frage der Chancengleichheit und der Armutsvermeidung verknüpft, argumentierte sie.

Familienstaatssekretärin Christine MAREK hob hervor, dass Österreich in den vergangenen Jahren zahlreiche familienpolitische "Meilensteine" gesetzt und Erfolge bei der finanziellen Gerechtigkeit für Familien, der Vereinbarkeit von Beruf und Familie und dem besseren Schutz vor Gewalt im sozialen Nahbereich erzielt habe. Konkret führte sie etwa die Einführung des Kinderbetreuungsgelds, die steuerliche Absetzbarkeit von Kinderbetreuungskosten und das Gewaltschutzgesetz an. Österreich liege auch im europäischen Vergleich im Spitzenfeld und nehme bei den Familienleistungen, gemessen am BIP, die dritte Stelle ein, zeigte sie sich erfreut.

Die fünf Varianten beim Kinderbetreuungsgeld würden maximale Wahlfreiheit für die Eltern bringen, konstatierte Marek und fügte hinzu, die Einführung des einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgelds sei "goldrichtig" gewesen. 16 % aller Eltern entscheiden sich demnach für eine der beiden Kurzvarianten. Auch sei bei den Kurzvarianten der Väteranteil dreimal so hoch wie bei den übrigen Varianten des Kinderbetreuungsgelds. Handlungsbedarf sieht Marek unter anderem noch bei der Betreuung von unter Dreijährigen in Kinderbetreuungseinrichtungen.

Abgeordnete Edith MÜHLBERGHUBER (F) hob einzelne Fakten aus dem Familienbericht hervor und wies u. a. darauf hin, dass die Anzahl der Single-Haushalte und der Anteil der Ehepaare ohne Kinder steige. Ein Leben mit Kindern gehöre aber nach wie vor zu den Lebenszielen der ÖsterreicherInnen, umriss sie. Durch die immer weitere Aufschiebung der Familiengründung stimmten Kinderwunsch und Geburtenrate allerdings nicht überein. Das Problem kann nach Auffassung von Mühlberghuber nicht nur durch mehr Kinderbetreuungsplätze gelöst werden, es brauche auch ein gerechteres Steuersystem mit Familiensplitting.

Abgeordnete Ursula HAUBNER (B) bekannte sich zu sämtlichen familienpolitischen Leistungen, gab aber zu bedenken, der Mut zu Kindern hänge sowohl von ökonomischen Faktoren als auch von der beruflichen Situation der Eltern ab, der Staat sei daher aufgerufen, auf die geänderten Arbeitsbedingungen zu reagieren. Haubner warnte vor Kürzungen der finanziellen Leistungen an die Familien und trat im Bereich der Kinderbetreuung für die Entscheidungsfreiheit der Eltern ebenso wie für die Schaffung von flexiblen Angeboten mit Öffnungszeiten ein, die im Einklang mit den Arbeitszeiten stehen. In einem Entschließungsantrag forderte sie die Weiterführung der 15a-Vereinbarung über den Ausbau der institutionellen Kinderbetreuung.

Abgeordnete Adelheid Irina FÜRNTRATH-MORETTI (V) bezeichnete die steuerliche Absetzbarkeit der Kinderbetreuung als "Meilenstein" in der Familienpolitik und warf überdies der FPÖ vor, mit ihrem Antrag betreffend die 13. Familienbeihilfe die Familien zu verunsichern.

Abgeordnete Angela LUEGER (S)     kritisierte, in der traditionellen Aufteilung von Familienarbeit auf Männer und Frauen habe sich noch immer nicht viel verändert, und appellierte an die Wirtschaft, für die Errichtung von Kinderbetreuungseinrichtungen in den Betrieben zu sorgen.

Abgeordnete Judith SCHWENTNER (G) plädierte für eine stärkere Einbindung der Väter in die Kindererziehung und verlangte in einem Entschließungsantrag die Einführung des "Papa-Monats".

Abgeordnete Martina SCHENK (B) stellte fest, die Leistungen der Familien würden nach wie vor nicht gebührend anerkannt und belohnt, und warnte vor Verunsicherung der Familien und einer Abschaffung der 13. Familienbeihilfe. Handlungsbedarf sah die Rednerin vor allem bei der Einrichtung eines ausreichenden Angebots an ganztägiger Kinderbetreuung.

Abgeordnete Laura RUDAS (S) sah die Familienpolitik aufgerufen, auf die geänderten Rollenansprüche von Frauen und Männern zu reagieren, und trat mit Nachdruck für den Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen ein.

Abgeordnete Tanja WINDBÜCHLER-SOUSCHILL (G) unterstrich, die Familienpolitik müsse sich an die Alltagsrealität anpassen, und warnte vor Einsparungen bei den Familienleistungen im Zuge des kommenden Budgets.

Abgeordnete Gisela WURM (S) sprach sich in ihrer Wortmeldung für die Weiterführung der Anstoßfinanzierung des Bundes an die Länder zur Errichtung eines Angebots an Kinderbetreuungsplätzen aus.

Abgeordnete Rosemarie SCHÖNPASS (S) wies auf den Zusammenhang zwischen Geburtenrate und der Verfügbarkeit außerhäuslicher Betreuung für Kleinkinder hin und meinte, nicht die Direktzahlungen, sondern eher mehr Sachleistungen könnten den Bedürfnissen der Familien stärker gerecht werden und zu einer Erhöhung der Geburtenrate führen.

Abgeordnete Ridi Maria STEIBL (V) versicherte, die Volkspartei sei bestrebt, die Familienleistungen bestmöglich zu erhalten, und betonte, es werde keine Streichungen geben, die zu Einbußen bei der Qualität führen.

Bei der Abstimmung wurde der Bericht mehrheitlich zur Kenntnis genommen. Die Entschließungsanträge der Oppositionsparteien blieben in der Minderheit.

Keine Mehrheit für BZÖ-Antrag 509/A(E)

Abgeordnete Anneliese KITZMÜLLER (F) plädierte für einheitliche Antrags- und Auszahlungsmodalitäten bei familienpolitischen Leistungen und stellte fest, dies läge im Sinn der Familien und wäre ein Beitrag zur Entbürokratisierung.

Abgeordneter Nikolaus PRINZ (V) sah wesentliches Potenzial zur Vereinheitlichung im E-Government-Bereich und meinte, es bestehe keine Notwendigkeit, den derzeitigen Auszahlungsmodus bei der Familienbeihilfe zu ändern.

Abgeordnete Daniela MUSIOL (G) unterstützte hingegen den vorliegenden Antrag und warf ihrem Vorredner Weltfremdheit vor. Gerade für AlleinerzieherInnen bedeute es einen großen Unterschied, ob sie eine Leistung monatlich oder nur alle zwei Monate erhalten, gab sie zu bedenken.

Abgeordneter Hermann LIPITSCH (S) lehnte den Antrag hingegen mit dem Argument ab, die Umstellung würde nicht zu einer Vereinfachung, sondern vielmehr zu einer Erhöhung des Verwaltungsaufwands führen.

Abgeordnete Ursula HAUBNER (B) erwiderte, für einkommensschwache Familien sei die Vereinheitlichung der Auszahlung wesentlich, und warf im Übrigen der Regierung vor, im Rahmen des kommenden Budgets eine Kürzung der Familienleistungen zu planen und die Familien im Stich zu lassen.

Bei der Abstimmung erhielt der Antrag des BZÖ keine Mehrheit.

(Schluss Familie/Forts. Dringliche Anfrage)